Franz Grillparzer
Libussa
Franz Grillparzer

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Saal in Libussas Schlosse. Zur rechten Seite ein Thron auf Stufen.

Dobromila (kommt von der rechten Seite, zurücksprechend).
Der Erker hier reicht weiter in das Feld!
(Sie tritt an ein Fenster das sie öffnet.)

Libussa (von derselben Seite kommend).
Und siehst du hier auch nichts?

Dobromila.         Wie vor noch immer,
Ringsum von den Wladiken keine Spur.

Libussa. Ich sagte dir du sollst nach Wlasta sehn,
Die ich gesandt zu meinem Schwesterpaar,
Und die, halb Mann sie selbst, nach Männerart
Die Zeit mit Vielgeschäftigkeit zersplittert.
Sagt einer Frau: Tu das! sie richtet's aus;
Der Mann will immer mehr als man geheißen.
Liebt sie zu sprechen, lüstet's ihn zu hören,
Und was er seine Wißbegierde nennt,
Ist Neugier nur in anderer Gestalt.
Wenn nicht zu träg, er spräche mehr als sie.

Ich will zu meinen Schwestern auf Hradschin!
Zur Gnade leben trotzigen Vasallen,
Die alles was Gewicht weil es Gehalt,
Erst auf der Waage eignen Zweifels wägen,
Der nur bezweifelt was ihm nicht genehm.
Das soll nicht sein mit Krokus' Fürstentochter.
Sie mögen sich bestreiten, sich bekriegen,
Vielleicht wird sie die Not, doch nie das Wort besiegen.

Fast reut es mich, daß ich die Toren sandte
Nach jenem andern Toren, wie es scheint,
Der trotzig so wie sie und stolz dazu,
Dort zögert wo die Eile noch zu langsam.
Wenn ich gewürdigt ihn noch sein zu denken,
Wenn unter dieser Stirn, in dieser Brust
Die Spuren noch lebendig jenes Eindrucks
Den gebend ich empfing, was hält ihn ab
Hervorzutreten aus der Dunkelheit
Des Ohres und der Nacht ans Licht des Auges,
Den Dank zu holen, ob auch nicht den Lohn?

Und unter solchen wär' mein Los zu weilen?
Wohl etwa gar, wie die Wladiken meinen,
Mein Selbst geknüpft an einen ihrer Schar?
Die Glieder dieses Leibes, die mein eigen,
Zu Lehen tragen von der Niedrigkeit?
Der Hand Berührung und des Atems Nähe
Erdulden, wie die Pflicht folgt einem Recht?
Mich schaudert. All mein Wesen wird zum: Nein.

Es soll sich Wlasta einem Mann vermählen
Und ihre Kinder folgen mir im Reich.

Dobromila. Ich sehe Staub.

Libussa.         Nun Staub ist eben nichts.

Dobromila. Allmählig doch entwickeln sich Gestalten.
Ha, die Wladiken sind's.

Libussa.         Und Wlasta nicht?

Dobromila. Der Zug umgibt dein zügelfreies Roß.

Libussa. Das keinen Reiter trägt?

Dobromila.         Ich sehe keinen.
Vor allen her nur geht ein einzelner,
Geschmückt mit Blumen wie –

Libussa.         Ein Opfer etwa?
Ich will des Schrittes Unlust ihm ersparen,
Und schien die Frau ihm nicht des Kommens wert,
Soll ihm die Fürstin wert der Achtung scheinen.
(In die Hände klatschend.)
Herbei ihr Diener, Mägde dieses Hauses,
Umgeht die euch gebeut in voller Schar
Auf daß, wer Hohes sonst nicht kann erkennen,
Zum mindsten mit dem Aug es nehme wahr.

(Von der rechten Seite ist Libussens Gefolge eingetreten und hat sich in Reihen gestellt. Sie selbst besteigt den Thron. – Primislaus kommt von der linken Seite. Hinter ihm die Wladiken und Volk. Er trägt einen Kranz von Ähren und Kornblumen auf dem Kopfe, in der rechten Hand eine Sichel, mit dem linken Arme hält er einen Korb mit Blumen und Früchten.)

Primislaus. Auf dein Geheiß erschein ich, hohe Fürstin,
Mit Landmanns Gaben und in Landmanns Schmuck
Und dir zu Füßen leg ich meine Habe.
Den Kranz von Ähren, die der Fluren Krone
Und minder nicht von Gold als Fürstenschmuck,
Ich neig ihn vor der Fürstin Diadem.
Die Sichel, die mein Schwert, der Waffen beste,
Denn sie bekämpft der Menschen ärgsten Feind,
Des Name schon ein Schreckensbild: die Not,
Ich strecke sie, von höhrer Macht besiegt.
Und dies mein Schild, bemalt nicht nur mit Zeichen,
Geschmückt mit Inhalt und mit Wirklichkeit,
Das Wappen meines Standes, meines Tuns,
Ich biet es dir als ärmliches Geschenk,
Wie es dem Höhern wohl der Niedre beut,
Der sich als niedrig weiß, obgleich nicht fühlt.
Und so aus meinem Haus, das meine Burg,
Komm ich zu Hof und, neigend dir mein Knie,
Frag ich, o Fürstin: was ist dein Gebot. (Er kniet.)

Libussa. Es scheint du sprichst als Gleicher zu der Gleichen.

Primislaus. Dir neigt sich nicht mein Knie nur, auch mein Sinn.

Libussa. Doch wenn sich beide nicht aus Willkür beugten,
Erreichten sie wohl etwa doch mein Maß?
Steh auf!

Primislaus.         Wenn meine Gaben du erst nahmst,
Der Geber sieht in ihnen sich verschmäht.

Libussa. So nehmt sie denn! Ich liebe diese Blumen,
Weil sie als Meinung gelten ohne Wert.

(Man hat den Korb zu ihren Füßen gesetzt.)

Du nennst sie deinen Schild. Ein einfach Wappen!
Doch wär' ein Wahlspruch etwa beigefügt,
Was gilt's? er wäre stolz, so wie sie einfach.

Primislaus (der aufgestanden ist).
Ein Wahlspruch auch fehlt meinem Schilde nicht,
Demütig aber ist er wie die Zeichen.
Du liebst in Rätseln auszusprechen dich
Und knüpfst daran die höchsten deiner Gaben.
Dich selbst. Erlaube, daß ich ähnlich spreche.
(Den Korb aufnehmend und ihr darreichend.)

Unter Blumen liegt das Rätsel
Und die Lösung unter Früchten.
Wer in Fesseln legte trägt sie,
Der sie trägt ist ohne Kette.

Libussa (die Blumen betrachtend).
Das ist nun wohl des Ostens Blumensprache,
Die träumend redet mit geschloßnem Mund,
Und diese Rosen, Nelken, saft'gen Früchte
Sind wohl geordnet zu geheimen Sinn.
Bei beßrer Muße findet sich die Deutung.
(Den Korb abgebend.)
Doch Rätsel geben ziemt nur der Gewalt,
Die Rätsel lösen eignet dem Gehorsam.
Drum offen, da geheim nur was vertraut:
Sahst du mich irgend schon?

Primislaus.         Wer sah dich nicht
Als dich das Land mit seiner Krone schmückte?

Libussa. Und sprach ich je zu dir?

Primislaus.         Zu mir, wie allen,
Die als dein Wort verehren dein Gesetz.

Libussa. Der Zelter den ich sandte, ohne Leitung,
Er blieb in deines Hauses Räumen stehn.
War er je dein?

Primislaus.         Und wär' er's ja gewesen,
Wenn ich ihn gab, war er nicht mehr mein eigen.
Ein Mann geht zögernd vorwärts, rückwärts nie.

Libussa. Ein Mann, ein Mann! Ich seh es endlich kommen.
Die Schwestern mein sie lesen in den Sternen,
Und Wlasta führt die Waffen wie ein Krieger,
Ich selber ordne schlichtend dieses Land;
Doch sind wir Weiber nur, armsel'ge Weiber:
Indes sie streiten, zanken, weinerhitzt,
Das Wahre übersehn in hast'ger Torheit
Und nur nach fernen Nebeln geizt ihr Blick,
Sind aber Männer, Männer, Herrn des All!
Und einen Mann begehrt ja dieses Volk;
Das Volk, nicht ich; das Land, nicht seine Fürstin.
Du giltst für klug, und Klugheit ist ja doch
Ein Notbehelf für Weisheit wo sie fehlt.
Sie wollen einen Richter, der entscheide,
Nicht was da gut und billig, fromm und weise,
Nein, nur was recht, wieviel ein jeder nehmen,
Wieviel verweigern kann, ohn' eben Dieb
Und Schelm zu heißen, ob er's etwa wäre.
Dazu bist du der Mann, wie's mindstens scheint.
Allein der Richter sei vor allem frei
Von fremdem Gut, soll er das fremde schützen.
Drum sag nur an: ist nichts in deinen Händen
Was mir gehört und du mir vorenthältst?

Primislaus. Dein bin ich selbst und all was ich besitze,
Was ich besaß ist nicht in meiner Hand.

Libussa. Mir widert dieser Reden Doppelsinn,
Die nichts als Stolz, als schlechtverhüllter Hochmut.
Drum frag ich offen dich zum letztenmal –

Doch regt sich auch der Stolz in dieser Brust
Ausweichen den zu sehn den ich begrüßt,
Den zu bemerken nur ich mich gewürdigt.

So höre du auch eine Gleichnisrede,
Sie soll mir zeigen ob du weise bist.
(Vom Throne herabsteigend.)

Ein König hatte sich verirrt beim Jagen
Und fand bei einem Landmann Dach und Schutz.
Des andern Tags, zur Hofburg heimgekehrt,
Vermißt er – einen Ring, ihm wert, ja heilig,
Den er bei Nacht, man weiß nicht wie, verlor.
Da läßt verkünden er auf allen Straßen,
Daß, wer das Kleinod, seines Vaters Erbteil,
Ihm wiederbringt, belohnt mit reichen Gaben
Ihm nächst soll stehen, hoch in seiner Gunst.
Was hättest du getan, warst du der Landmann?

Primislaus. Vielleicht fühlt' ich mich durch die Tat belohnt,
Und jener Ring, als Ausdruck des Bewußtseins,
War teurer mir als selbst der höchste Lohn.

Libussa. So tat er auch, der Tor. Er gab ihn nicht.
Doch bald darauf brach aus in jener Gegend
Ein Aufstand, den veranlaßt – was weiß ich? –
Vielleicht des Königs Güte, wie so oft.
Doch jener Fürst, der nicht nur milder Vater,
Auch strenger Richter, sammelt rasch ein Heer,
Zieht gegen die Empörer und besiegt sie.
Ein Teil fällt durch das Schwert, der Überrest,
Er harrt gefangen eines gleichen Schicksals
Durch Henkershand. Da läßt der Fürst verkünden:
Der allgemeinen Strafe sei entnommen
Der einzige, der das vermißte Kleinod
Ihm wiederbringt; als Lohn für jenen Dienst,
Den er, ob Pflicht, doch seinem Herrn erwiesen.

Primislaus (lebhaft).
Nun weiß ich die Geschichte, hohe Frau!

Libussa. Was also tat der Mann, wenn's dir bekannt?

Primislaus. Er warf den Ring am Weg in einen Busch.
Unschuldig, sprach er, soll mich Unschuld schützen,
Wenn schuldig, sei die Strafe mir der Schuld.
Auf alle gleich der Fürst den Zorn entlade,
Dem Zufall dank ich nichts, noch eines Menschen Gnade.

Libussa. Weißt du was nun geschah?

Primislaus.         Ich weiß es nicht.

Libussa. Der Fürst gab alle gleich dem Schwerte hin.
Verloren war der Ring, doch auch der Mann.

Ich habe mich getäuscht, du bist nicht klug,
Du kannst nicht Richter sein in diesem Land.

Es sinkt der Tag. Gönnt ihm für heut die Herberg.
Zeigt ihm das Schloß mit allen seinen Schätzen,
Damit er sehe was ein Herr und Fürst.
Am nächsten Morgen mag er heimwärts reisen
Und tafeln an dem selbstgewählten Tisch,
Vom selben Stoff, wie seine Worte weisen:
Der Kopf, das Herz, so wie sein Tisch, von Eisen.

(Indem sie mit einer geringschätzigen Handbewegung sich abwendet und Primislaus tiefverneigt dasteht, fällt der Vorhang.)


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