Franz Grillparzer
Ein Bruderzwist in Habsburg
Franz Grillparzer

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Abgeordneter. Wir baun auf festen Boden, auf die Schrift.

Rudolf. Die Schrift? (Rasch unterschreibend.) Hier meine Unterschrift. Da ihr
Den toten Zügen einer toten Hand
Mehr traut als dem lebendig warmen Wort,
Das von dem Mund der Liebe fortgepflanzt,
Empfangen wird vom liebedurst'gen Ohr,
Hier schwarz auf weiß. – Und nun noch Blut als Siegel.
Blut ist das rote Wachs, das jede Lüge
Zur Wahrheit stempelt; wenn von Volk zu Volk,
Warum nicht auch von Fürst zu Untertan?
Und nun hinaus, beweisen mit dem Schwert
Was nur der Geist dem Geiste soll beweisen.
Des Reiches Ehre soll und muß bestehn.
Und ist das Tor dem Unheil nun geöffnet,
Ist Mord und Brand geschleudert in die Welt,
Dann denkt einst spät, wenn längst ich modre:
Wir waren auch dabei und haben es gewollt.

(Ein ferner Kanonenschuß.)

Rudolf (zusammenfahrend).
Was ist? – Mein Geist ist stark, mein Leib nur zittert.
(Zu einem Diener der eingetreten ist und sich Rumpf genähert hat.)
Was soll's?

Diener.         Man hat den Wall am Wissehrad besetzt
Und schießt auf Truppen, die der Stadt sich nahn.

Rudolf. Man soll nicht schießen!

(Neuer Kanonenschuß.)

Rudolf (mit dem Fuße stampfend).
        Soll nicht, sag ich euch!

Stände (die Schwerter ziehend).
Mit Gut und Blut für unsern Herrn und Kaiser!

Rudolf. Da steht's vor mir! Der Mord, der Bürgerkrieg.
Was ich vermieden all mein Leben lang,
Es tritt vor mich am Ende meiner Tage.
Es soll, es darf nicht. Steckt die Schwerter ein,
Vertragt euch mit dem Feind! Und diese Handfest,
Die ihr als Preis des Beistands abgetrotzt,
Sei euch geschenkt. – Ihr selbst Herr Kanzler seht
Was sie begehren draußen vor der Stadt.
Ist es mein Bruder doch, bestimmt zu herrschen,
Wenn mich der Tod, ich hoffe bald, hinwegrafft.
Er übe sich vorläufig in der Kunst,
Der undankbaren, ewig unerreichten,
In der verkehrt was sonst den Menschen adelt:
Erst der Erfolg des Wollens Wert bestimmt,
Der reinste Wille wertlos – wenn erfolglos.
In Böhmen aber will ich ruhig weilen
Und harren bis der Herr mich zu sich ruft.
(Mit einer Entlassungsbewegung gegen die Stände.)
Mit Gott, ihr Herrn!

(Die Stände entfernen sich.)

        Und Ihr Herr Kanzler eilt!

(Alle bis auf Herzog Julius und den Kaiser ab.)

Rudolf. So sind wir denn allein. – Ein wüstes Wort.
Du tadelst mich mein Freund?

Julius.         Herr, ich verehr Euch.

Rudolf. Ich bin so gut nicht als es etwa scheint –
Die andern nennen's schwach, ich nenn es gut.
Denn was Entschlossenheit den Männern heißt des Staats
Ist meistenfalls Gewissenlosigkeit
Hochmut und Leichtsinn, der allein nur sich
Und nicht das Schicksal hat im Aug' der andern;
Indes der gute Mann auf hoher Stelle
Erzittert vor den Folgen seiner Tat,
Die als die Wirkung eines Federstrichs
Glück oder Unglück forterbt späten Enkeln.
Ich aber bin so gut nicht als du glaubst.
In diesen Adern sträubt sich noch der Herrscher
Und Zorn und Rachsucht glüht in meiner Brust.
Zu züchtigen die sich an mir vergessen,
Die schwach mich nennen, schwächer weit als ich;
Die alte Brust zu schnüren noch in Erz
Und in dem Glanz verletzter Majestät
Genüber mich zu stellen den Verrätern,
Ob sich ihr Aug' empor zu meinem wagt.
Und war ein Funke Glut in diesen Männern,
Die sich Vertreter nennen eines Volks,
War irgend etwas nur in ihrem Blick,
Das mehr als Eigennutz und Schadenfreude,
Ich stünde jetzt mit ihnen drauß im Feld
Und tötete mit Blicken den Verrat.

(Die Seitentüre links öffnet sich, Erzherzog Leopold in einen dunkeln Mantel gehüllt, tritt heraus.)

Rudolf. Siehst du, da kommt er der Versucher, da!
Mein Sohn, mein Leopold! – Und doch, hinweg!
Er steht im Bund mit meines Herzens Wünschen.
Er wird mir sagen, daß ja noch ein Heer
In Passau steht, zu meinem Dienst geworben;
Daß Rache süß und daß der Kampf gerecht.
Mein Sohn es ist zu spät! Ich darf nicht, will nicht.
Sie nennen schwach mich, und ich bin's zum Kampf,
Allein zum Fliehen reichen noch die Kräfte.
Versucher fort! Ob hundertmal mein Sohn.
(Er eilt ins Kabinett rechts.)

Erzherzog Leopold (der den Mantel abgeworfen).
Mein Oheim und mein Herr! (An der Türe des Kabinetts.)Verschließt Ihr Euch?

Herzog Julius (zu Rumpf).
Geht Ihr und weilet draußen vor der Tür,
Damit kein Unberufner störend nahe.

(Rumpf geht hinaus.)

Leopold. So komm ich her spornstreichs auf Seitenwegen,
Verborgen, unerkannt, und bring Euch Hilfe,
Und Ihr verschließt die Pforte mir, das Herz?
Ja denn, noch ist ein Kriegsheer Euch bereit,
Mit Müh' halt ich's in Passau nur zurück.
Ein Wort von Euch und tausend Schwerter flammen
Zu Euerm Schutz, zum Schutz der Majestät.
Doch wenn Ihr auch den Retterarm verschmäht,
Stoßt nicht zurück das Herz, die Kindestreue.
Laßt mich, das Haupt gelehnt an diese Pfosten,
Nicht glauben Eure Brust sei hart wie sie. –
Die Türe wird bewegt – sie öffnet sich – Mein Vater!
(Er stürzt in das Kabinett, dessen Türe sich hinter ihm schließt.)

Julius (mit gefalteten Händen).
O daß nun nicht der Groll, gekränkte Würde,
Und die Empfindung, die, wenn aufgeregt,
Gern übergeht in jegliches Empfinden:
Von hart zu weich, von Innigkeit zu Zorn,
Ihn hinreißt einzuwill'gen in das Schlimmste:
Zu handeln, da's zu spät.

Rumpf (Zur Türe hereinsprechend).
        Herr Bischof Klesel.

Julius. Nicht jetzt, nur jetzo nicht!

Rumpf.         Sie lassen sich
Abweisen nicht.

Klesel (eintretend).
        Nein wahrlich, in der Tat.

Julius (ihm entgegen tretend, mit gedämpfter Stimme).
Ihr wagt es, Herr, hier in denselben Räumen,
Die Euer Rat mit Zwietracht angefüllt –

Klesel. Ich komme her im Auftrag meines Herrn.

Julius. Wollt Ihr den Kaiser zwingen Euch zu sprechen?

Klesel. Da sei Gott für! Gemeldet will ich werden,
So heißt mein Auftrag und, wenn abgewiesen,
Kehr ich zurück. Doch melden muß man mich.
(Er setzt sich links im Vorgrunde.)

Julius. Ich bitt Euch, Herr, sprecht leise.

Klesel.         Und warum?

Julius. Glaubt Ihr denn nicht die Stimme schon des Mannes,
Der ihm, er glaubt's, so Schlimmes zugefügt,
Muß in des Kaisers Brust, jetzt, wo Entschlüsse
Hart mit Entschlüssen kämpfen, Scham und Zorn –

Klesel. Jetzt ist nicht von Entschlüssen mehr die Rede,
Notwendigkeit ist da und sie schließt ab.

(In des Kaisers Kabinett wird geklingelt.)

Julius. Es ist geschehn! Nun wahre Gott der Folgen!

(Wolfgang Rumpf geht ins Kabinett.)

Julius. Und war kein anderer als Ihr zu finden
Zu solcher Botschaft, die fast klingt wie Hohn?

Klesel. Vielleicht weil ich allein kein Schranz und Höfling,
Gewohnt zu sagen gradaus was gemeint.

Julius. Die Derbheit ist nicht immer Redlichkeit.

Klesel. So ist sie denn Arznei, die schon als bitter,
Den langverwöhnten Magen stärkt und heilt;
Und Heilung war gemeint mit diesem Umschwung,
Man wird's zuletzt erkennen, hört man mich.
Wer den Ertrinkenden erfaßt am Haar,
Er hat gerettet ihn und nicht beleidigt.

(Rumpf kommt aus dem Kabinette zurück.)

Rumpf. Der Kaiser ist ergrimmt, er heißt Euch gehn,
Von seinem Antlitz fern der Strafe harren.
Der nächste Augenblick droht Euch Gefahr.

Klesel. Ich gehe denn. Den Frieden wollt' ich bringen,
Wählt man den Haß, so suche man nach Macht.
Die Strafe die man droht, sie liegt so fern,
Wir freuen uns indessen an dem Lohn. (Er geht.)

Julius. Es werden Stimmen laut im Kabinett.
Geht Ihr hinein, versucht es sie zu stören.
Ich fürchte dies Gespräch und seine Folgen.

(Erzherzog Leopold kommt aus dem Kabinette, in das sogleich Rumpf hineingeht.)

Leopold (einen Zettel in die Höhe haltend).
Ich hab's, ich hab's'

(Aus der Seitentüre links tritt Oberst Ramee heraus.)

Leopold.         Ramee und nun die Pferde!
(Er nimmt seinen Mantel auf.)
Nichts teurer ist hierlands als der Entschluß,
Man muß ihn warm verzehren eh' er kalt wird.

Rumpfs Stimme (im Kabinett).
Erzherzogliche Hoheit!

Julius (sich Leopold nähernd).
        Gnäd'ger Herr!

Leopold. Schon kommt die Reue dünkt mich, laß uns gehn!

(Erzherzog Leopold und Ramee durch die Seiten Türe links ab.)

Rumpf (aus dem Kabinett kommend).
Der Kaiser will noch einmal mit Euch sprechen,
Es ist noch eins zu sagen.

Julius.         Er ist fort.

Rumpf. Der Herr ist wie von Sinnen, schlägt die Brust.

Julius. Ich will ihm nach! Gibt Flügel die Gefahr,
So flieg ich statt zu gehn; denn das Verderben
Es steht vor mir in gräßlicher Gestalt.
(Er folgt dem Erzherzog durch die Seitentüre links.)

Rumpf (sich dem Kabinett nähernd).
Man bringt ihn noch zurück. – Der Herzog selber.
Eh' er sein Pferd besteigt ereilt man ihn.
(Er geht ins Kabinett.)

Der Kleinseitner Ring in Prag.

Volk füllt mannigfach bewegt den Hintergrund. Die drei Wortführer der Stände kommen von der linken Seite.

Graf Thurn. Laßt uns hinaus, begrüßen den Erzherzog.
Der Vortrab seines Heers nimmt heute nacht
Quartier in unsrer Stadt. Man hofft ihn selbst
Ob freilich nur im Durchzug vorderhand,
Dem künft'gen Untertan den künft'gen Herrn
Mit mildem Segensblick vorerst zu zeigen.
Wie immer denn! Kommt, schließt euch an!
Ist er ja doch der Retter, der Befreier.

Schlick. Nur, fürcht ich, sproßt in ihm der alte Same,
Zur Macht gelangt, wirft er die Maske weg.

Thurn. Für neues Drängen gibt es neue Mittel,
Und sag ich: neue, mein ich nur die alten.
Der leise Widerstand stumpft jeden Stachel,
Und streiten sie um unsre Krone sich,
Verarmen wie im Rechtsstreit beide Teile,
Reich werden Richter nur und Anwalt, wir.
Kommt Zeit, kommt Rat. – Hört ihr die Glocken?
Man hat ihn von den Türmen wohl erblickt
Und dort der erste Trupp von seinen Scharen.

(Geläut von Glocken. Im Hintergrund beginnt von der rechten Seite mit Musik und Fahnen der Vorüberzug von Soldaten. Das Volk drängt sich nach rückwärts, die Blicke eben dahin gerichtet, so daß sie den Zug verdecken und der Vorgrund leer bleibt. – Erzherzog Leopold und Oberst Kamee, in Mäntel gehüllt, kommen von links im Vorgrunde. Herzog Julius folgt ihnen.)

Julius. Ich laß Euch nicht. Ihr müßt zurück zum Kaiser.

Leopold. Ich habe schriftlich seinen hohen Willen,
Nun ist's an mir ihn treulich zu vollziehn.

Julius. Kommt Ihr ins Land mit fremdgeworbnen Truppen,
So gärt der Aufruhr neu, des Kaisers Gegner
Benützen es zu seinem Untergang.
Es ist zu spät.

Leopold.         Und früher war's zu früh.
Wann ist die rechte Zeit?

Julius (ihn anfassend).
        Ich laß Euch nicht.
So faß ich Euch und flehe: kehrt zurück!

Leopold (den Mantel abstreifend der in Herzog Julius' Hand zurückbleibt).
Wie Joseph denn im Hause Potiphar
Laß ich den Mantel Euch, mich selber nicht.

Ramee (auf das Volk zeigend).
Herr, wenn man Euch erkennt.

Leopold.         Man soll mich kennen!
(Mit starken Schritten nach rechts abgehend.)
Halt ihn zurück!

(Ramee tritt zwischen beide.)

Julius.         Nun denn, es ist geschehn.
(Den Mantel fallen lassend.)
Die Hülle liegt am Boden, das Verhüllte
Geht offen in die Welt als Untergang.

(Ramee folgt dem Erzherzog. – Der Zug im Hintergrunde hat sich indessen fortgesetzt. Jetzt erscheint Erzherzog Mathias zu Roß die Menge überragend. Das Volk drängt sich ihm entgegen.)

Volk. Vivat Mathias! Hoch des Landes Recht!

(Indem Herzog Julius mit einer schmerzlich abwehrenden Bewegung sich nach rückwärts wendet fällt der Vorhang.)


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