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Freier Platz im kaiserlichen Lager. Im Hintergrunde Gezelte.
Ein Hauptmann (tritt hinter sich schreitend auf, wobei er eine kurze Partisane waagrecht vor sich hält).
Zurück, sag ich, zurück auf eure Posten!
Seid ihr Soldaten, wie? – und flieht den Feind?
(Ein Trupp Soldaten kommt von derselben Seite, ein Fahnenträger unter ihnen.)
Fahnenträger. Wir fliehen meint Ihr, Herr? Nun denn mit Gunst,
Sagt erst: wo ist der Feind, ob vor- ob rückwärts?
Ein Krieger ficht wohl, weiß er gegen wen,
Doch wo nicht Ordnung, Kundschaft und Befehl,
Wehrt er sich seiner Haut und weiter nichts.
Hauptmann. So meisterst du, ein Knecht, den Heeresfürsten?
Fahnenträger. Ob zehnmal Herr und zwanzigmale Knecht,
Wenn einer irrt, hat doch der andre recht.
Wir waren auf am Damm bei Raab gestellt,
Wir da und fünfzig andre, die der Säbel
Der Türken fraß in dieser blut'gen Nacht,
Auf blachem Feld, zur Unterstützung rings
Soweit das Auge trug, nicht Wacht, noch Posten.
Doch machten wir 'nen Kirchhof zum Kastell
Und hielten straff. Da bricht's mit einmal los:
Allah, Allah! aus tausend bärt'gen Kehlen,
Nicht vor uns, hinter uns. Die Donau durch,
Rauscht wie ein zweiter Strom, quer durch den andern
Der Spahi und sein Roß. Hilf' Jesu Christ!
Da galt kein Säumen, und war eitel Nacht.
Trapp trapp, da sprengen kaiserliche Reiter
Und jagen andre kaiserlich wie sie.
Der Musketier schießt los, und den er traf
Es war sein Landsmann, in des Dunkels Wirren
Die rasche Kugel wechselnd mit dem Freund.
Bald ist das ganze Heer nur eine Flucht,
Ein Jammern und ein Töten und ein Schrein.
In all der Hast vergaß man ganz auf uns,
Zu gehn, zu bleiben waren wir die Meister,
Doch blieben wir. Erst nach drei heißen Stürmen,
Als mancher schon mit seiner Haut bezahlt,
Brach auf das kleine Häuflein; und nicht seitwärts,
Nur Sicherheit für unsre Leiber suchend,
Zum Lager gradaus schlugen wir uns durch.
Und sind nun hier, dem Türken, sucht er uns,
Der Rückkehr Straße schwarz mit Blut zu zeichnen,
Doch ihn zu suchen keineswegs gewillt,
Man zeig' uns denn wer führt und wer befiehlt.
Mehrere im Trupp So ist's! – Ein Führer erst! – Dann folgen alle.
Hauptmann. So bin ich unter Meutern?
(Oberst Ramee kommt.)
Hauptmann. Mein Herr Oberst,
Verrat und Aufruhr in des Lagers Mitte.
Die hier und der –
(Es haben sich nach und nach immer mehrere gesammelt.)
Ramee (halblaut).
Laßt nur, laßt nur für jetzt.
Der Feind im Anzug und das Heer entmutigt,
Man drückt jetzt füglicher ein Auge zu,
Als den Gehorsam noch durch Strenge prüfen.
Was weiß man von dem Feldherrn?
Hauptmann. Prinz Mathias?
Ramee. Wen sonst?
Hauptmann. Verschieden gehen die Gerüchte.
Er ward gesehn in Mitte der Verwirrung.
Die einen lassen ihn am rechten Donauufer
Die Straße nehmen nach Haimburg und Wien,
Die andern – Heil'ger Gott, wenn er den Türken –!
Was machen wir, vereinzelt, ohne ihn?
Ramee. Dasselbe mein ich was mit ihm, den Frieden.
Hauptmann. Allein der Kaiser will nicht.
Ramee. Wollen! Wollen!
Hier fragt sich was man muß, nicht was man will.
Auch, ist der äußre Krieg erst beigelegt,
Hat man die rüst'gen Arme frei nach innen.
Hauptmann. Was aber soll mit all der Soldateska?
Wir sind in Rückstand mit zwölf Monat Sold.
Ramee. Erzherzog Leupold wirbt in Passau Völker,
Wenn hier das Handwerk ruht, fragt an bei uns.
Hauptmann. Und gegen wen –?
Ramee. Die Rüstung geht in Passau!
Man weiß noch nicht. Für wen, ich hab's gesagt,
Auf jeden Fall für Östreich und den Kaiser.
Wer sind die Männer?
(Einige schwarzgekleidete Herren gehen quer über die Bühne. Mehrere grüßen sie mit abgezogenen Hüten.)
Hauptmann. Mit den goldnen Ketten?
Die protestant'schen Herrn aus Österreich.
Sie kamen, den Erzherzog anzusprechen
In Sachen ihres neuen Christentums
Und halten sich derweile zu den Ungarn.
Das lauscht und flüstert, schleicht und konspiriert.
Wär' ich der Prinz, wie wollt' ich heim sie senden!
Ramee. Heim senden? ei, wenn Ihr sie selbst berieft?
(Weibergeschrei hinter der Szene.)
Ramee. Was dort?
Ein Soldat (eine gefangene Türkin an der Hand führend).
Nein sag ich, nein!
Zwei Kürassiere (die ihm folgen).
Muß doch! muß doch!
Soldat. Mein ist die Heidin zehn- und hundertmal.
Ihr Haus in Gran fiel mir zum Beuteteil,
Ich war's, der ihren Bräutigam erschlug,
Drum ist sie mein und das von Rechtes wegen.
Kürassier. Mir drücken sie die Hand.
Soldat (zur Türkin).
Ist's wahr? – Sie kann nicht reden.
Wenn's wahr so spalt ich ihr den Kopf. Doch jetzt,
Jetzt ist sie mein und –
Kürassiere (die Hand am Säbel)
Wollen eben sehn.
Soldat. Kommt an, kommt an! Ob einer gegen zwei.
Ist niemand da, der einem Landsmann hilft?
Hauptmann (zwischen sie tretend).
Zurück Samländer, ketzerische Hunde!
Kürassier. Was sagen Mann?
Hauptmann. Ist's etwa nicht bekannt,
Daß Türk' und Lutheraner stets im Bunde?
Wie ging' sonst alles schief in Rat und Lager?
Die heute nacht der Flucht das Beispiel gaben,
Die Ketzer waren's, sinnend auf Verrat.
Fahnenträger (im Vorgrunde rechts).
Wer das sagt lügt.
Hauptmann (sein Schwert halb gezogen).
Mir das? Wer hat gesprochen?
Zweiter Soldat (rechts im Vorgrunde).
Mit Gunst: hat er doch recht. Hier dieser Mann,
Obgleich ein Luthrischer und Kirchenleugner,
Gefochten hat er in der heut'gen Schlacht
Wie einer der gedenkt des ew'gen Heils.
Und ob ich gleich als rechter Katholik
Verdammen muß was seine Pred'ger lehren,
Im Lager hier sind alle Tapfern Brüder,
Und somit meine Hand.
Fahnenträger (einschlagend).
Hier meine.
Mehrere (ein Gleiches tuend).
Freund und Bruder!
Ringsherum. Auf Ja und Nein!
Trotz Papst und Rom!
Wir alle!
Hauptmann. Hört Ihr?
Ramee. Laßt nur!
Geschrei (im Hintergrunde).
Hoheisa! Die Zigeuner!
(Im Hintergrunde tritt schlechte Musik auf. Einige Paare folgen sich bei den Händen haltend und zum Tanze anschickend. Die anwesenden Soldaten sammeln sich bei dem dort stehenden Marketenderzelte. Musik und Tänzer gehen hinein. Gelächter, Zutrinken.)
Klesel (von der rechten Seite kommend).
Du heil'ger Gott! bin ich im Christenlager,
Und dient kathol'schen Fürsten dieses Heer?
Ramee. Wenn Euch das kränkt, seid wohlgemut,
Das Lager wird Euch fürder nicht mehr ärgern.
Ihr seid nach Prag berufen, wissen wir,
Der Kaiser sieht Euch hier nicht allzugern.
Wann reist Ihr ab?
Klesel. Wenn's meine Pflicht erheischt,
Die keineswegs mir Prag bis jetzt bezeichnet.
Der Seelenhirt gehört in seinen Sprengel.
Ramee. Und ist Eu'r Sprengel hier im Lager? Neustadt,
Neustadt und Wien, dort leuchte Euer Licht.
Ihr seid hier Schuld an manchem Schief' und Argem,
Setzt Eure Meinung durch und führt den Krieg
Als eine Wallfahrt nach 'nem Gnadenort,
Nebstdem daß wenig Gnad' in Euerm Tun.
Verkehrt Ihr doch mit eitel Protestanten
Und wendet Euerm Herrn die Herzen ab,
Die ihm bereit aus den getreuen Landen.
Doch ist zur Zeit ein andres Regiment.
Mathias, dieses Lagers Fürst und Führer,
Er fand den Rückweg nicht der andern Flücht'gen,
Und die Erzherzoge, die Ihr berieft
Aus Gräz und Wien, zu einem Ratschlag heißt es,
Sie sind im Lager, treten in sein Amt
Und werden Euerm Flüstern wenig horchen.
Klesel. Ob Ihr beleidigt mich, es sei verziehn,
Allein um aller Heil'gen willen sagt
Was von Erzherzog Mathias Euch bekannt.
Ramee. Bekannt, daß nichts bekannt. Er ist nicht hier,
Ob nun in Wien, ob – Hoffen wir das Beste,
Euch sei genug: im Lager ist er nicht.
Drum reist nur ab; wenn Ihr nicht vorher noch
Bei denen, die ihm folgen im Befehl
Und die dort nahn, wollt Euer Heil versuchen.
Stellt euch in Ordnung! Die Erzherzoge.
(Die im Hintergrunde Befindlichen stellen sich in eine Reihe. Von der linken Seite kommen die Erzherzoge Ferdinand, Leopold und Maximilian.)
Maximilian (ein beleibter, wohlbehaglicher Herr).
Die Wege rütteln wie das böse Fieber.
Hat noch von unserm Bruder nichts verlautet?
Klesel (der in den Vorgrund rechts getreten, auf sie zugebend).
Gott segne Euern Eintritt, edle Herrn!
(Die Erzherzoge gehen nach der entgegengesetzten Seite und gehen quer über die Bühne ab.)
Klesel (sich zurückziehend).
Du heil'ger Gott!
Erzherzog Leopold (der zurückgeblieben, links in den Vordergrund tretend).
Ramee!
Oberst Ramee (zu ihm tretend).
Erlauchter Herr!
Erzherzog Leopold. Es steht hier schlimm, und doch, bedenk ich's recht,
Möcht ich fast sagen: gut. Sie haben Pläne.
Das Lager hier, ich fürchte, löst sich auf.
Hast du versucht ob ein und andre willig
Bei uns zu dienen im Passauer Heer?
Ramee. Bei zwanzig Führer.
Leopold. Halt, sprich leise, hier!
(Er zieht sich mit ihm nach der linken Seite, wo Ramee zu ihm spricht.)
Klesel (in der Mitte der Bühne mit einer Bewegung gegen den Erzherzog.).
Ob ich's versuche, noch einmal versuche?
(Eine Gruppe Soldaten rechts im Vorgrunde.)
Erster (halblaut).
Des Kaisers Sohn Don Cäsar ist im Lager.
Er wirbt Gehilfen zu geheimem Anschlag.
Es soll 'ner Kutsche mit zwei Frauen gelten,
Begleitet nur von wenigen Berittnen.
Zweiter. Das wär' ja wie ein Räuberüberfall.
Erster. Des Kaisers Sohn und Räuber? Dann zuletzt,
Was kümmert's dich? Sieh hier, man zahlt mit Gold.
(Münzen zeigend.)
Zweiter. Gehst du?
Erster. Jawohl! und Kunz und Hans und Märten.
Klesel (im Mittelgrunde).
Nein, lieber sterben, als den Einsichtslosen
Die Einsicht opfern und gerechten Stolz.
Leopold (zu Ramee).
Sei rasch und klug und hüte dich vor dem!
(Auf Klesel zeigend, ab.)
Zweiter Soldat (rechts im Vorgrunde).
Hier hast du mich! Soll's bald?
Erster. Heut abend.
Zweiter. Gut!
Geschrei (hinter der Szene).
Vivat! Vivat!
Ramee. Was ist?
Hauptmann (in die Szene nach links blickend).
Ein Mann – umgeben –
In ung'risch niedrer Tracht. – 's ist der Erzherzog.
Ramee. Mathias?
Hauptmann. Wohl! – Nun vivat, vivat denn,
Wer's treu mit Östreich meint und seinem Haus.
(Klesel, der bei dem Worte Mathias zusammengefahren, stürzt jetzt auf den Hauptmann zu, ihm die Rechte mit beiden Händen drückend, dann eilt er nach der linken Seite ab.)
Alle (in derselben Richtung folgend).
Vivat! Vivat!
Ramee. Nun, vivat denn wir alle!
(Er schließt sich an.)
Erster Soldat (aus der Gruppe rechts).
Wir kommen noch zurecht. Doch wahrt die Zunge.
(Sie ziehen sich nach der rechten Seite zurück. Die Bühne ist leer geworden.)
Das Innere eines Zeltes. Kurzer Raum, im Hintergrunde durch einen Vorhang geschlossen.
Von außen hört man noch immer Vivat rufen. Erzherzog Mathias in einfachen ungarischen bis an die Knie reichenden Rocke, ein paar Diener hinter sich, von der rechten Seite.
Mathias. Ha jubelt nur, ihr wackern treuen Jungen!
Diesmal fürwahr ging's nahe g'nug an Leib.
(Sein Kleid besehend, zu den Dienern.)
Gebt einen andern Rock! – Und doch, laßt immer!
Nicht trennen will ich mich von diesen Kleidern
Bis abgewaschen dieses Tages Schimpf.
Doch einen Stuhl, denn auszuruhn geziemt sich,
Eh man die Kraft zu neuem Wirken spannt.
Klesel (von rechts eintretend).
Gebt Raum! Gebt Raum! Ich muß zu meinem Herrn!
(Sich vor ihm auf die Knie werfend und seine Hand fassend.)
Ihr seid's, Ihr lebt! O uns ist allen Heil!
Mathias (Klesel emporhebend).
Habt Dank, mein Freund! Habt Dank für Eure Liebe.
Ja diesmal galt's. Ein Zoll, ein Haar,
Und Prinz Mathias ging zum dunkeln Land,
Wo Fürsten sich als Bettlergleiche finden.
(Sein Kleid zeigend.)
Der Riß hier, schau! Das war ein türk'scher Säbel,
Den einzeln ich der einzelne bestand.
Es gab zu tun, (mit einer Handbewegung) doch eine schiefe Quart
Des alten Mazzamoro, unsers Lehrers
Aus früher Knabenzeit, das endlich half.
Ein alter Landmann gab mir diesen Rock
Und so kam ich zurück ins eigne Lager.
(Diener haben einen kurzen Mantel gebracht.)
Mathias. Was soll's? – Sagt' ich denn nicht –? Es gilt wohl gleich!
(Diener ziehen ihm das ungarische Kleid aus und geben ihm den Mantel um, währenddessen)
Klesel. Wie waren wir besorgt seit Flucht und Schlacht.