Rudolf Greinz
Aus'm heiligen Landl
Rudolf Greinz

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Mein Urahndl.

Mein Ururgroßvater ist schon vor etwa achtzig Jahren gestorben. Er war noch dabei beim Tiroler Landsturm von Anno neun. Sonst hat sich über ihn wohl keine weitere Kunde in der Familie erhalten. Wir leben ja so geschwind und vergessen noch viel schneller.

Auf einem alten Familiengrabstein in einem kleinen Dörfel des Unterinntales da ist er aber noch verzeichnet, mein Urahndl. Da droben steht er mit verwitterten Lettern zu lesen: »J. M, Bauersmann dahier.«

Das hat mir schon von jeher gewaltig imponiert. »Bauersmann dahier!«, wie kernig das klingt! Einen wahren, echten Bauernstolz enthalten die beiden Worte.

Für meinen Urahndl hatte ich immer ein lebhaftes Interesse. Mehr als einmal bedauerte ich es, daß ich ihn nie gesehen und gekannt hatte.

Diese Bekanntschaft sollte mir werden. Mein Wunsch, ihn zu sehen und zu sprechen, ging in Erfüllung, so unglaublich das auch klingen mag.

Es war ein heißer Sommertag. Meine Frau, mein Töchterl und ich hatten gerade zu Mittag gegessen. Das Dessert, Gorgonzola und einiges Obst, stand auf dem Tische.

149 Ich hatte mich aufs Sofa gelegt, wie meistens nach Tisch, um die Zeitung zu lesen. Oft schlief ich bei dieser Beschäftigung auch ein. Heute fühlte ich mich aber ganz wach und munter und beschloß eben, mir eine Zigarette anzuzünden, als ich vom Korridor her schwere Schritte hörte.

Die Tür in unser Innsbrucker Speisezimmer wurde geöffnet. Herein kam ein großer, hagerer Mann mit fast weißen, kurz geschorenen Haaren, kurzen Lederhosen und einer derben Lodenjoppe. Die Füße steckten in starken genagelten Schuhen.

Meine Frau blickte den Besuch verwundert an. Ich wollte mich erheben, um ihn nach seinem Begehr zu fragen. Doch der Alte drückte mich auf das Sofa nieder und meinte ganz behaglich: »Siechst, iatzt kannst mi amal anschau'n, weil's di alleweil a so g'wundert hat!«

»Mich?« fragte ich erstaunt.

»Ja, was denn!« lachte der Alte. »G'freut hat mi dös schon damisch, daß i da auf der Welt a so a guat's Andenken hinterlassen hab'!«

»Ja, wer sind Sie denn?« fragte meine Frau neugierig.

»Dem sein Urahndl!« sagte der Alte, deutete auf mich und ließ ein kurzes Lachen hören. »Der Urahndl, der im Unterland unten begraben liegt.«

Meine Frau stieß einen Schrei aus. Mir lief die Gänsehaut über den Rücken. Ich sprang vom Sofa auf und ließ mich gleich darauf wieder auf einen Stuhl am Tische fallen.

150 Mein fünfjähriges Töchterl Nelly kam zu mir gelaufen, kletterte auf meine Knie und fragte mit ihrem hellen Stimmchen: »Papa, wer ist denn der Mann?«

Der Alte hatte sich's inzwischen ganz unaufgefordert bei mir gemütlich gemacht. Er setzte sich zu uns an den Tisch, holte ein altes, halb verrostetes Taschenmesser aus der Hosentasche, langte sich vom Tisch her ein großes Stück Gorgonzola, schnitt sich ein »Mordstrum« Brot ab und fing zu essen an.

»Wer ist denn der Mann?« fragte meine Kleine nochmals.

»Ein ganz alter Großpapa vom Papa!« sagte ich ihr. Mein Gruseln hatte sich gelegt. Ich betrachtete den Alten mit lebhaftem Interesse.

»Ein neuer Großpapa!« jubelte Nelly, sprang von mir weg und näherte sich dem Alten. »Bist du ein Großpapa?« fragte sie ihn.

»Ha?« machte er und schob sich neuerdings ein mächtiges Stück Käse in den Mund. Ich wunderte mich im stillen über den Appetit des Alten.

»Bist du wirklich ein Großpapa?« erkundigte sich Nelly neuerdings.

»Is dös a Kind von dir?« fragte er und deutete mit dem Messer auf die Kleine. Meine Frau zuckte nervös zusammen und befahl dem Kinde, auf seinen Platz zu gehen.

»Jawohl!« sagte ich. Der Alte holte sich jetzt den Aufsatz mit dem Obst, betastete jedes Stück, nahm sich die schönste Birne und biß hinein.

151 »Der Kas hoaßt nix!« bemerkte er tadelnd. »'s Obst is aa nit guat g'raten heuer!« brummte er dann weiter. »Die jungen Leut' verstiah'n halt nix mehr von der Bau'rschaft heutigstags! Zu meiner Zeit is dös anders g'wesen!« Das hinderte ihn aber nicht, fleißig weiter zu essen. Er mußte unbedingt Hunger haben.

»Wia hoaßt denn nachher dein Diandl?« frug er mich über eine Weile.

»Nelly!« gab ich zur Antwort.

»Ha?« machte er, beugte sich mehr gegen mich und hielt die Hand ans Ohr.

»Nelly!« wiederholte ich sehr laut.

Er schüttelte mißbilligend den Kopf. »Dös is koa Namen nit!« sagte er. »Zu meiner Zeit hat man and're Namen g'habt! Christliche Namen!« Dabei sah er mich streng und verweisend an. Ich fühlte mich ganz klein werden neben ihm. So hatte ich mir meinen Urahndl nicht vorgestellt.

Meine Frau hatte er, obwohl er neben ihr saß, noch keines Blickes gewürdigt. »Das ist meine Frau!« stellte ich sie nach einer Pause vor.

Der Alte musterte meine Frau eine Zeitlang. Dann fragte er mißtrauisch: »Wia hoaßt nachher dö?«

»Zoë!«

»Ha?« Er beugte sich ganz nahe zu mir und legte die Hand ans Ohr.

»Zoë!«

»Ha?« schrie er mich wild an.

»Zoë!« brüllte ich ihm ins Ohr.

152 »Was?« schrie er noch wilder. Ich hätte gar nie geglaubt, daß ein altes Manndl über solche Stimmmittel verfügen könne.

»Sie heißt Zoë!« brüllte ich ihm mit dem Aufgebote aller meiner Kräfte abermals in die Ohren.

»Was habts denn ös heutigstags für Namen!« begehrte er auf. »Dös sein koane Namen nit! So hoaßt a ordentliches Weibsbild nit!«

»Ja, siehst, lieber Urahndl, heute sind halt ganz . . .«

Er ließ mich nicht ausreden. »Manieren hast koane!« meinte er. »Zu an alten Menschen sagt man nit du, sondern ös! Verstanden!«

»Ja!« nickte ich ganz kleinlaut.

Nelly schien Angst zu kriegen, daß ihr der Alte das ganze Obst aufessen werde. Sie bat um eine Birne. Mama schälte ihr eine.

Der Urahndl war inzwischen mit dem Essen fertig geworden. Er wischte seinen Taschenfeitel an der Hose ab und fuhr sich dann mehrmals energisch mit dem Rockärmel über den Mund.

Meine Frau warf mir einen bedeutsamen Blick zu. Der Urahndl sah ihr eine Weile schweigend zu, wie sie die Birne schälte, und fragte dann: »Tuats ös heutigstags die Facken mit dö Schälen fuattern?«

»Wir haben keine Schweine!« lachte meine Frau.

»Koane Facken nit?« Der Alte war ganz verwundert. »Aber Hennen wohl?« meinte er.

»Nein, auch keine Hennen!« erwiderte meine Frau.

»Nachher aa koane Küah' nit und koa Bauerschaft?« fragte er weiter.

153 »Nein. Wir sind keine Bauern!« antwortete meine Frau.

»Ah, nit?« Der Alte schien höchst unzufrieden. »Was bist nachher du?« wendete er sich an mich.

»Ich schreibe Geschichten!« sagte ich ihm.

»Ah so! A Schreiber!« machte er verächtlich.

»Nein, kein Schreiber, sondern ein Schriftsteller, der Geschichten erfindet, die gedruckt werden und die die Leute dann lesen!« belehrte ihn meine Frau.

»Was sie decht heutigstags alles derfinden, dö Leut!« Er schüttelte den Kopf und blickte äußerst mürrisch drein.

Ich hatte Sehnsucht nach einer Zigarette und bot ihm eine an.

»Was is denn dös für a Ding?« fragte er, nahm die Zigarette unsanft in die Hand und zerknitterte sie auf diese Weise.

»Eine Zigarette! Sie gehört zum Rauchen!« erklärte ich ihm. Dabei zündete ich mir selbst eine an. Es war mir gleich behaglicher, als ich den seinen Duft einsog.

»Dös soll zum Raachen g'hören?« fragte er ungläubig.

»Freilich! Probiert es nur! Oder vielleicht eine Zigarre gefällig?« Ich hielt ihm mein Etui hin.

»Naa!« meinte er und dehnte sich breitspurig auf seinem Stuhl. »Zu meiner Zeit hat man Tabak gekuit

154 Er griff in die Hosentasche, holte einen Brocken schon ganz zerbissenen Kautabak hervor, schob ihn in den Mund und begann zu kauen. Dann spie er den Tabaksaft in einem weiten Bogen behaglich auf den Teppich unseres Speisezimmers.

Meine Frau ließ einen leisen Schrei des Entsetzens hören. Nelly erkundigte sich: »Du, Mama, darf der neue Großpapa das tun?«

»Pscht!« machte ich und suchte die ganze Sache zu vertuschen. »Ja, zu Eurer Zeit muß vieles anders gewesen sein!« wendete ich mich an den Urahndl. »Ihr wart ja ein Zeitgenosse Andreas Hofers?«

»Ja, den Hofer hab' i schon kennt!« bestätigte er.

»Und beim Landsturm seid Ihr auch dabei gewesen?« fragte ich weiter.

»Ei, ja woll!« nickte er. »Sell is a Arbeit g'wesen!« Er spie in der Erinnerung mehrmals energisch auf den Teppich. Meine Frau warf hilfesuchende und verzweifelte Blicke nach der Decke des Zimmers. »Aber außi hab'n sie müass'n, dö lutherischen Zapfen!« Der Urahndl schlug mit der Faust so kräftig auf den Tisch, daß das Geschirr klirrte.

»Papa, warum wird denn der neue Großpapa bös?« fragte Nelly ängstlich.

»Er wird nicht bös. Er erzählt nur!« beruhigte ich sie.

Meine Frau schien für ihr Geschirr zu fürchten. Sie läutete. Das Mädchen kam und räumte den Tisch ab.

155 »Zwui müaßts denn ös a Magd hab'n, wenn's koan' Viechstand nit habts?« fragte mich mein Urahndl.

»Ja . . . Ja . . .« Ich war etwas verlegen, wie ich dem Alten diese Notwendigkeit beibringen sollte.

Meine Frau wußte sich zu helfen. »Wir sind das so gewohnt!« sagte sie.

»Zu meiner Zeit hat a ordentlich's Weibets alleweil selber kocht und g'arbeit't im Hausstand!« sagte der Urahndl mißbilligend. Er saß zwischen uns wie ein strafender Richter. Es war entschieden ungemütlich. »Von was lebts denn ös eigentlich?« fing er nach einer längeren Pause völlig unvermittelt an.

»Ich verdiene doch!« sagte ich etwas ärgerlich. Was ging ihn denn das an!

»Ah so? Wohl verdianen?« Er betrachtete mich einigermaßen erstaunt. Dann zuckte es in seinem faltigen Gesicht spöttisch. »Epper gar mit dö G'schichten schreiben?«

»Freilich!«

»Zu meiner Zeit hat oaner was g'lernt, bald er koa Bauer worden is!« sagte der Alte entschieden und fuhr sich mit der Hand bedächtig über die grauen Bartstoppeln, mit denen sein Gesicht besät war.

Ich erhob mich wütend. Diese Einmischung wurde mir denn doch zu toll. »Erlauben Sie, was gehen Sie denn meine Familienverhältnisse an?« rief ich.

»Ha?« machte er verbissen und stellte sich schwerhörig.

156 Meine Frau winkte mir, ruhig zu sein. Ich setzte mich wieder nieder und zwang mich dazu, daran zu denken, daß mein Urahndl ja schon längst tot sei, sich also in die modernen Verhältnisse nicht so leicht hineinfinden könne. Ich wollte ihm schon noch einige Erfindungen der Neuzeit zeigen und mich dann an seinem Erstaunen freuen.

»Woher is denn nachher dei Weib?« frug er nach einem längeren allgemeinen Schweigen.

»Meine Frau ist eine Engländerin.«

»Ha? Von woher is sie?«

»Von England.«

»Gar von England? Da is sie wohl am End' a Heidin oder gar a Lutherische?« fragte er äußerst mißtrauisch.

»Nein, sie ist katholisch!« suchte ich ihn zu beruhigen.

»Dös glaub' i dir nit recht!« erwiderte er im Tone unverminderten Mißtrauens. »Wia hat sie denn nachher so weit daher g'funden?«

»Das ist heute leicht. Man kann ja heute mit der Eisenbahn fahren!« sagte ich.

»Mit was fahr'n?« frug er.

»Mit der Eisenbahn!«

Mein Urahndl starrte mich an. Er war offenbar so klug wie früher. »Was is denn dös?« erkundigte er sich. Ich erklärte es ihm, so gut es ging.

»Dös kann nit gemüatlich sein!« meinte er dann. »Dös g'fallet mir amal nit! I bin froh, daß i nimmer 157 auf der Welt z' leben brauch'! Dös sein ja ganz lutherische Bräuch', dös!« begehrte er auf.

»Ja, Urahndl, da gibt's noch viele solche neue Erfindungen, über die Ihr staunen würdet!« sagte ich. »Zum Beispiel das elektrische Licht! Paßt einmal auf!« Ich erhob mich und drehte das Licht auf. »So! Eins, zwei, drei!« Die Lampe, die über dem Tische hing, erstrahlte.

»Jessas! Maria und Josef! Bist b'sessen?!« Der Alte sprang entsetzt von seinem Stuhl empor.

»O nein. Das ist eine sehr bequeme Einrichtung. Die findet man jetzt fast in allen Häusern.«

»Blas' es aus! Blas' es aus!« befahl er und blies aus Leibeskräften gegen die Lampe. »Dös is ja a sakra Liacht dös!« schimpfte er, als ich das Licht wieder abgedreht hatte.

»Aber sehr bequem. Man braucht keine Lampen mehr zu putzen!« sagte meine Frau.

»Dö Weibezer von heutzutag' müass'n aber faul sein!« meinte mein Urahndl und schaute meine Frau mit unverhohlener Verachtung an.

»Ja, Urahndl, da gibts noch ganz andre Sachen,« erzählte ich ihm. »Elektrische Trambahnen!«

»Was sein iatz dös für oane?« fragte er interessiert.

»Das sind Stellwägen, wo die Leut' aufsitzen können, wenn sie durch die Stadt kommen wollen. Die Stellwägen haben aber keine Rösser.«

»Können nachher die Leut' heutigstags nimmer giah'n?« fragte er.

158 »Freilich können sie geh'n. Aber das Fahren geht schneller!«

»A faule Bande seid's überanander!« brach der Urahndl los. »A Bagaschi! Nix arbeiten tuat's, grad umadumfahr'n! Zu meiner Zeit hat's dös nit geb'n, daß oans am helliacht'n Werktag umanandg'fahren is! Da hätt' si oans g'schamt!«

Ich erklärte ihm, so gut es ging, daß der Verkehr von heute diese Bequemlichkeit erfordere. Der Alte wollte es absolut nicht einsehen und wurde noch erboster, als ich ihm mitteilte, daß so eine »Teuxelsbahn« in Innsbruck mitten durch die Straßen fahre.

»Uns're liabe Zeit!« begehrte er auf. »Da sein ja d' Leut' 's Leben nimmer sicher!«

Ich schilderte ihm nun in lebhaften Farben den heutigen Straßenverkehr, die Menschen auf den Rädern, die Motorräder, die Automobile usw.

Der Alte hörte mir mit offenem Munde zu. Dann meinte er: »Du, Bua! Is dös alles, was du da verzählst, aa wahr?«

»Aber natürlich!«

»Dös muaßt du beweisen!« schrie er.

»Mit Vergnügen!« lachte ich.

»I lass' mi von so an Lauser nit für an Narren halten!« rief der Alte. »I bin a g'standener Bauer! Koa Schreiber!« Die grauen Äuglein des Urahndl sprühten förmlich Funken vor Wut.

»Kommt doch mit mir in die Stadt, dann könnt Ihr Euch selber überzeugen!« forderte ich ihn auf.

»Joa, i geah' mit!« rief er. »Aber dös sag' i dir: 159 wann du mi ang'logen hast, aft hau' i dir schon a paar Fotzen eini, daß d' den Himmel für a Baßgeig'n anschaust!«

»Papa, bitte, geh' nicht mit dem bösen Mann!« fing nun meine Kleine zu weinen an.

»Wegen was reart denn dös Diandl?« fragte er etwas milder.

»Sie fürchtet sich!«

»Kann dö nit Voter sag'n zu dir?« fing er schon wieder zu kritteln an.

»Sie sagt Papa! Das ist dasselbe!« erwiderte meine Frau energisch.

»Naa! Dös is nit dasselbe!« beharrte er obstinat.

Plötzlich ein schriller Glockenton. Das Telephon. »Was is denn iatzt dös?« fragte der Urahndl erschrocken.

»Das Telephon!« Ich ging hin, um zu hören, was es gebe. »Halloh!« sagte ich.

Der Urahndl hatte sich auch erhoben und stellte sich knapp neben mir auf.

»Wollt Ihr auch hören?« fragte ich ihn und reichte ihm ein Hörrohr hin, das er fest in der Hand behielt.

»So müssen Sie tun!« flüsterte meine Frau und hielt ihm das Rohr ans Ohr. »Dann hören Sie alles, was gesprochen wird.«

Der Alte machte ein feierliches Gesicht und war ganz Aufmerksamkeit.

Als ich zu Ende war, meinte er: »Wer hat iatzt da g'red't?«

160 »Ein Bekannter von mir in Hall drunten!« antwortete ich.

»Und dös soll i glaub'n?« fragte er mit unheimlicher Ruhe.

»Ja, natürlich!«

»I frag' di, wer da g'red't hat!« Der Alte kam mir immer näher. Ich wich immer mehr zurück. Schließlich hatte er mich an die Wand gedrängt, so daß ich keinen Ausweg mehr fand. Nelly heulte. Die Situation war sehr ungemütlich.

»Ein Herr in Hall!« antwortete ich. »Das ist eben auch so eine neue Erfindung!«

»I werd' dir schon deine neuen Erfindungen geben!« schrie der Urahndl und hielt mir die Faust unter die Nase. Eine derbe Faust. Knochig und sehnig. Ich hegte nicht das geringste Bedürfnis, ihre nähere Bekanntschaft zu machen. »Ös seid's a ganz a verlogene Bande, a ausg'schamte!« Er wurde immer drohender.

Meine Frau versuchte es, ihn am Arme zurückzuhalten. Er riß sich wütend los. Nelly schrie aus Leibeskräften. Ich versuchte, von der Wand loszukommen. Vergebens.

»Oder ös seid's vom Teufel b'sessen und mit der Höll' im Bund'!« schrie er mich an.

»Jetzt hab' ich's aber satt!« rief ich zornig. »Hinaus!«

»Was?! Außischmeißen willst du dein' Urahndl!« schrie er. »Is dös a Achtung! Du Rotzbua!« Er hatte einen Stuhl ergriffen und schwang ihn drohend über meinem Kopfe.

161 Jeden Augenblick befürchtete ich, daß er mir den Schädel damit einschlagen würde. Ich atmete schwer. Meine Angst stieg. Der kalte Schweiß stand mir auf der Stirn. Ich wollte ihn abwischen, konnte mich aber nicht rühren. So nahe stand der Alte vor mir.

Da fühlte ich, daß etwas an mir emporkletterte. Ein kleiner, kühler Gegenstand krabbelte in meinem Gesichte herum und berührte dann meine Lippen.

»Wirst du noch lange schlafen, Papa?« fragte mich ein helles Silberstimmchen. Ich hatte also geschlafen. Gott sei Dank! Das war ein unangenehmer Traum. Mein Töchterl hatte mich geweckt. »Du machst aber ein wildes Gesicht, wenn du schläfst!« sagte sie.

Ich küßte die Kleine und hob sie auf den Schoß. »Hab' ich wirklich so wild dreingeschaut?« fragte ich.

»Furchtbar wild!« bestätigte sie.

Na, ich hatte schließlich auch alle Ursache dazu. Das Interesse für meinen Urahndl ist seitdem bedeutend geringer geworden. Ich kann mich auch im wachen Zustande des Verdachtes nicht erwehren, daß wir zwei vielleicht doch nicht das richtige Verständnis füreinander finden könnten. 162

 


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