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II.
Herkunft und Aufstieg der Borgias

Gleich nach dem Tode Eugens drohte eine Volksbewegung in Rom auszubrechen, deren Führer der Ritter Stefano Porcaro zu sein hoffte, ein schwärmerischer Mann, von Ruhmsucht glühend, begeistert für das Ideal der Vergangenheit, doch unklar über die Gegenwart. Er war von altem Popolanengeschlecht, änderte aber seinen Namen in Porcius, weil er von den Catonen abzustammen wünschte.

Seine Fähigkeiten hatten die Aufmerksamkeit Martins V. erregt, dessen Fürsprache er das Amt des Volkskapitans in Florenz verdankte. Nachdem er das 1427 und 1428 rühmlich verwaltet hatte, bereiste er Frankreich, Deutschland und andere Länder, worauf er im Jahre 1431 mit seinem jungen Bruder Mariano nach Rom zurückkehrte. Obwohl er ein Anhänger der Colonna war, machte ihn doch Eugen IV. im Jahre 1433 zum Bürgermeister Bolognas, und auch diese Stelle verwaltete er mit Auszeichnung. Während der Revolution Roms im Jahre 1434 war Porcaro als Vermittler zwischen dem Papste und dem römischen Volk nach Florenz gegangen, und hierauf noch in demselben Jahre erst Bürgermeister in Siena und dann von Eugen in gleicher Eigenschaft nach Orvieto geschickt worden. Auch hier erwarb er sich während des Jahres 1436 die Liebe der Bürger und das Lob des Patriarchen Vitelleschi wie des Papstes.

Poggio, Lionardo Aretino und Traversari, Ciriaco und Manetti, Niccoli und andere Männer aus den wissenschaftlichen Kreisen in Florenz und Rom ehrten Porcaro als einen klassisch gebildeten Römer von glänzenden Eigenschaften, die ihn zum Lieblinge aller derer machten, die ihm nahe kamen. Man bewunderte seine antikisierenden Reden, weil sie von kühner Leidenschaft für bürgerliche Freiheit durchdrungen waren.

Porcaro lebte in mittelmäßigen Verhältnissen im Hause seiner Familie bei S. Giovanni della Pigna, welches sich noch heute erhalten hat. Er hoffte auf eine Gelegenheit, wo er eine Umwälzung durchführen konnte, und glaubte sie gekommen, als Eugen IV. gestorben war. Damals versammelte sich der römische Volksrat in Araceli, der alten Senatskirche, die noch Eugen im Jahre 1445 als solche bestätigt hatte. Man besprach die Forderungen, welche in bezug auf die geschmälerten Privilegien der Stadt an das Kardinalskollegium zu stellen seien. Porcaro hielt eine Rede; er nannte es eine Schmach, daß die Enkel der Scipionen zu Priesterknechten herabgesunken seien; Rom solle sich in ein vertragsmäßiges Verhältnis zum Papste setzen, da doch kleine Gemeinden ihre Unabhängigkeit gegen eine Abgabe an die Kirche behaupteten. Manche Römer waren mit den Grundsätzen Porcaros einverstanden; die Ideen des Cola di Rienzo von der Majestät des römischen Volks lebten noch fort. Auch Nicola Signorili, der Sekretär des Senats zur Zeit Martins V., hatte sie wieder ausgesprochen. Im Jahre 1440 hatte auch Valla, der päpstliche Sekretär, in seiner Kritik der Schenkung Constantins die weltliche Gewalt des Papstes über Rom mit unerhörter Kühnheit bestritten und die Säkularisation des Kirchenstaats verlangt.

Porcaro wurde durch einige erschreckte Stadträte und den Erzbischof von Benevent, Astorgio Agnesi, den Governator der Stadt, in seiner Rede unterbrochen, während andere ihn ermunterten, fortzufahren. Das Parlament trennte sich in Aufregung. Ein zweites hatte keinen besseren Erfolg. Furcht vor den Waffen des nahen Alfonso hinderte zum Schmerze Porcaros jede patriotische Handlung der Bürgerschaft. Der König von Neapel würde eine Volkserhebung benutzt haben, um in Rom einzurücken, von wo ihn die Kardinäle entfernt halten wollten. Ein Dekret derselben verbannte alle Barone aus der Stadt, welche ruhig blieb. Das Kapitol wurde dem Prokurator des Deutschritterordens zur Hut übergeben.

Die Papstwahl

Achtzehn Kardinäle versammelten sich am 4. März 1447 in der Minerva.

Nach der Tiara trachtete Nicolaus von Capua, der aus seinem Exil zurückgekehrt war. Er starb bald aus Schmerz über seine Enttäuschung. Ein altes Wort sagt in Rom: »Wer als Papst ins Konklave tritt, kommt als Kardinal heraus«. Die Wahrheit davon erfuhr auch Prospero Colonna; die Partei seines mächtigen Hauses, welches nach dauernder Herrschaft in Rom strebte, verrechnete sich; denn ganz unverhofft erlangte Thomas Parentucelli, der Erzbischof von Bologna und Kardinal von S. Susanna, am 6. März die Majorität. Als Capranica dies Ergebnis sah, wodurch ein armer, kaum erst zum Kardinal ernannter Priester Papst wurde, zählte er erschreckt die Wahlzettel noch zweimal durch: sie befanden sich in Richtigkeit, und der ehemalige Schulmeister von Sarzana empfing die Huldigungen seiner Kollegen als Nicolaus V. Prospero Colonna verkündigte die Wahl dem Volk; dies hielt ihn irrigerweise selbst für den Papst. Die Colonnische Partei jubelte, die Orsinische bewaffnete sich voll Furcht. Die Wahl Prosperos hätte Rom unfehlbar in die alte Parteiwut zurückgestürzt; die Wahl eines gleichgültigen Papstes beruhigte die Stadt. Nach altem Gebrauch plünderte man sofort, erst den Palast Prosperos, darauf auch den des Kardinals von Capua, endlich den des wirklichen Papstes, wo indes wenig Beute zu machen war.

Die Römer betrachteten voll Verwunderung die Gestalt des kleinen, dürren und blassen Magisters mit dem häßlich vorstehenden Munde und den schwarzen blitzenden Augen, wie er jetzt aus dem Konklave, geführt von den Gesandten Deutschlands und anderer Mächte, auf einem weißen Zelter nach dem S. Peter ritt. Aber bald fanden sie Gelegenheit, seine Tugenden in den Himmel zu heben.

Thomas Parentucelli war der Sohn eines Chirurgen aus Sarzana und am 15. November 1397 geboren. Frühe seines Vaters beraubt, studierte er in Lucca und Bologna; er schulmeisterte dann in den Häusern der Strozzi und Albizzi zu Florenz, ging wieder nach Bologna und erwarb die Gunst des dortigen Bischofs und späteren Kardinals Nicolaus Albergati. Er blieb dessen Hausmeister zwanzig Jahre lang und begleitete ihn auch nach Florenz, als die Kurie dort ihren Sitz hatte. Er trat in die innigste Verbindung mit den literarischen Kreisen dieser Stadt, deren Mäzen der große Cosimo Medici war. Ohne Genie zu besitzen, glänzte Parentucelli durch lebhaften Geist, Redefertigkeit und ein so starkes Gedächtnis, daß er ganze Werke von Dichtern, Gelehrten und Philosophen sich eingeprägt hatte. Piccolomini sagte von ihm: »Was ihm unbekannt ist, liegt außerhalb der menschlichen Wissenschaft.« Und immerhin besaß dieser größte Bücherkenner seiner Zeit ein Wissen, welches fast den Umfang der damaligen Bildung umfaßte. Von Cosimo unterstützt, für den er die Bibliothek in S. Marco ordnete, sammelte und kopierte er Handschriften und Bücher. Als sein Gönner Albergati, den er auf seinen Legationen nach Deutschland, Frankreich und England und zum Basler Konzil begleitet hatte, im Jahre 1443 zu Siena starb, trat er in die Dienste Landrianis. Auch dieser Kardinal starb bald darauf, und jetzt stieg Parentucelli in der Kirche auf. Eugen machte ihn zum Vizekämmerer, dann im Jahre 1444 zum Bischof von Bologna; er übertrug ihm mit Carvajal die wichtige Legation in Deutschland zur Sprengung des Kurfürstenbundes. Als Kardinäle zogen beide Legaten im Dezember 1446 in Rom ein. Wenige Monate später hielt Parentucelli Eugen IV. die Leichenrede, und er selbst ward sein Nachfolger. Aus Pietät gegen Albergati nannte er sich Nicolaus V. Am 18. März 1447 wurde er geweiht und gekrönt.

Wenn früher kirchliche Richtungen oder politische Einflüsse Päpste geschaffen hatten, so schien es jetzt die Wissenschaft zu sein, welche der Welt den Papst gab. Der Humanismus stieg mit Nicolaus V. auf den Stuhl Petri, und die Zeitgenossen begrüßten darin eine neue Ära, worin Tugend und Weisheit zur Herrschaft kamen. Die Erhebung eines unscheinbaren Gelehrten zum Papst war ein Ereignis. »Es wird«, so sagte Nicolaus V. selbst zu seinem Freunde, dem Florentiner Buchhändler Vespasiano, »den Stolz vieler verwirren, daß ein Priester, der nur zum Glockenläuten gut war, Papst geworden ist, und hätte das wohl das Florentiner Volk geglaubt?« Die Studien über Büchern und Papier hatten ihn bleich und kränklich, doch nicht grämlich gemacht. Seine unansehnliche Gestalt hatte nichts von der Würde Eugens; aber dieser vom Podagra geplagte Toskaner war voll von attischem Witz, leicht in Flammen, leicht besänftigt, Feind aller Zeremonien, jedem zugänglich, ein einfacher Mensch, der Verstellung unfähig.

Der weise Nikolaus V.

Gesandte von Städten und Fürsten kamen, dem neuen Papst Glück zu wünschen. Er beantwortete ihre Reden mit der Meisterschaft eines Sophisten. Florenz schickte seine edelsten Männer, Piero Medici, den Sohn Cosimos, Giannozzo Manetti, Neri Caponi, Agnolo Acciajoli, die mit 120 Pferden ihren prachtvollen Einzug hielten. Nicolaus gab ihnen, als wären sie Gesandte einer Großmacht, feierliche Audienz, um so die Republik Florenz und Cosimo zu ehren. Die Rede des ihm längst befreundeten Manetti währte fünf Viertelstunden; der Papst schien dabei zu schlafen, aber er beantwortete das oratorische Kunststück so genau, als hätte er es selbst verfaßt gehabt. Die Beredsamkeit war damals, wo Cicero und Quintilian wieder auflebten, eine der wichtigsten Künste in Kirche und Staat; eine glänzende Rede konnte zum Ereignis werden; der Lebensbeschreiber Nicolaus' V. behauptet sogar, daß seine Rede bei der Leichenfeier Eugens die Kardinäle bestimmte, ihn zum Papst zu wählen. Bald ging ein Ruf durch die Länder, Rom habe einen Mann zum Papst, der an Geist, Wissen und Liberalität nicht seinesgleichen finde, und in der Tat waren es diese Eigenschaften, welche Nicolaus V. das Entgegenkommen der Welt gewannen.

Er übernahm die Kirche unter günstigen Verhältnissen, die Union mit Deutschland hatte sein Vorgänger abgeschlossen, und auch der Kirchenstaat war seiner Wiederherstellung nahegebracht. Voll vom Gefühle der päpstlichen Autorität, doch ohne Leidenschaft für rein kirchliche Angelegenheiten, nur darauf bedacht, sich für seine Pläne, Bücher zu sammeln und Rom umzubauen, frei zu machen, beruhigte der humanistische Papst sein Gewissen, indem er die Gebrechen der Kirche umschleierte. Der Wiener Separatvertrag vom 17. Februar 1448 bestätigte die Verträge Eugens mit dem Kaiser, und diese erlangten als die Aschaffenburger Konkordate für das ganze Reich Gültigkeit, zum großen Nachteil der deutschen Kirche, in welcher die zugestandenen Reformen bald illusorisch wurden. Hierauf erlosch das Schisma.

Felix V. legte am 7. April 1449 seine Tiara nieder: der letzte Gegenpapst, vertragsmäßig mit der Würde eines Titularkardinals von Santa Sabina getröstet, starb zu Genf am 7. Januar 1451 und hinterließ der Welt eins der merkwürdigsten Beispiele der Verwandlungen, welche Glück oder Torheit an Sterblichen vollziehen. Das schattenhafte Basler Konzil löste sich selbst auf am 25. April 1449. Achtzehn Jahre lang hatte es erst mit mächtigem Geist für die Reform der Kirche gekämpft, erst die Papstgewalt bezwungen, dann die Welt durch ein Schisma abgestoßen, dann mit schwächeren Waffen den Kampf fortgeführt, bis es der Geschicklichkeit römischer Legaten, der Selbstsucht Friedrichs III. und der Gleichgültigkeit einer noch nicht hinlänglich gereiften Zeit erlag. Aleman, der tragische Held dieses Konzils, starb, vom Schmerz zerbrochen, auf seinem Bischofssitze zu Arles am 16. September 1450, als ein Heiliger verehrt.

So sah Nicolaus V. die düstersten Wolken zerstreut, die sich über dem Vatikan gesammelt hatten. Die furchtbare Macht der Reformation, welche seit jenen Tagen in Pisa und Konstanz sich gegen die gregorianische Papstkirche erhoben, war noch einmal zurückgedrängt worden, und das Papsttum, ganz verblendet durch diesen Erfolg, im Bewußtsein seiner Größe schwelgend, trieb der Umwandlung entgegen, zu welcher es der Verlust seiner höheren Aufgaben, die politische Lage Italiens und seine eigene Wiederherstellung drängten. Es verwandelte sich in eine italienische Großmacht. Es trat in seine glänzendste Epoche als weltlich-geistliches Fürstentum, in seine dunkelste als christliches Priestertum.

In Rom kam Nicolaus V. alles mit Freundlichkeit entgegen. Der Stadt gab er ein Privilegium, wodurch ihre Selbstverwaltung gesichert wurde: nur römischen Bürgern sollten die Magistrate und die Stadtpfründen gegeben, nur zum Nutzen Roms die städtischen Zölle verwendet werden. Eine geordnete Verwaltung im ganzen Kirchenstaat durchzuführen, war das Bemühen des Papstes, und dies wurde bald durch Erfolg belohnt. Er fand die apostolische Kammer tief verschuldet, deshalb suchte er das Steuersystem neu zu ordnen. Aus Dankbarkeit machte er Cosimo von Florenz zu seinem Schatzhalter.

Die Barone gewann er durch Milde. Er erlaubte den Wiederaufbau Palestrinas: diese Stadt erhob sich mit ihrer Kathedrale, ihrer Burg und dem Herrenhause langsam aus dem Schutt. Nicolaus verzieh auch Porcaro seine Reden auf dem Kapitol und ehrte bald die Talente des Demagogen durch Beförderung. Mit gleicher Großmut behandelte er Valla, den geistvollen Verächter des Priestertums; er berief ihn aus dem Exil nach Rom, wo er den großen Latinisten als Geheimschreiber in die Kurie zog.

Nicolaus entwaffnete noch größere Feinde. Ein mildes Wort brachte Bologna zur Kirche zurück; dort hatte er lange gelebt und das Bistum der Stadt verwaltet. Sie anerkannte das päpstliche Regiment am 24. August 1447, aber sie blieb autonom unter der Regierung eines Rats von Sechzehn-Herren, während der päpstliche Legat eine nur beschränkte Stimme bei der Besetzung der städtischen Ämter erhielt. Das Haus der Bentivogli behauptete sich dort in der Regierung, auch nachdem Annibale im Juni 1445 von der Gegenpartei der Canedoli ermordet worden war; denn die Bolognesen holten den jungen Wollarbeiter Santi aus Florenz, welcher als Bastard des Ercole Bentivoglio galt, und machten ihn zum Vormund des Sohnes Annibales wie zum Rektor ihrer Stadt, was sie nicht zu bereuen hatten. Die Regierung Santis war wider alles Erwarten eine vortreffliche.

Sforza erkämpft Mailand

Um dieselbe Zeit wurde auch der lange Kampf mit Sforza beigelegt, da dieser große Kriegsmann in neue Verhältnisse eintrat. Sein von Venedig bedrängter Schwiegervater bewog ihn, wieder in seine Dienste zu treten: er verkaufte dem Papst, um Truppen werben zu können, Jesi, seine letzte Stadt in der Romagna, und brach am Anfange des August 1447 von Pesaro nach der Lombardei auf. Da starb am 13. desselben Monats Filippo Maria, der letzte Visconti. Noch im Tode von Neid gequält, hatte er nicht seinen Schwiegersohn, sondern Alfonso von Neapel zum Erben eingesetzt. So behauptete wenigstens die Partei der Bracceschi in Mailand, welche jenem Könige anhing, und es ist ganz im Geiste Viscontis, wenn man ihm zutraut, er habe sich mit dem Gedanken getröstet, daß nach seinem Tode chaotische Verwirrung über Mailand hereinbrechen werde.

Wenn das deutsche Kaisertum noch in Kraft gewesen wäre, so würde es jetzt seine Rechte auf dies Reichslehen beansprucht haben. Frankreich warf längst verlangende Blicke nach Mailand; es konnte einen Prätendenten aufstellen, den Sohn der Valentina Visconti und des Louis von Orleans, den Herzog Karl. Venedig aber rüstete sich, über das herrenlose Nachbarland herzufallen; und endlich sah Francesco Sforza, der Gemahl der einzigen Tochter des letzten Visconti, sein höchstes Ziel nahe vor Augen. Die Kraft und die Kunst, womit er dies erlangte, waren gleich bewundernswert. Nach dem Tode des Tyrannen erklärte die Bürgerschaft Mailands, daß die Monarchie als eine scheußliche Pest zu betrachten sei. Das Herzogtum zerfiel: alle Städte setzten Volksregierungen ein, schlossen sich entweder der Mailänder Republik an oder machten sich selbständig. Leider kam die Idee einer norditalischen Eidgenossenschaft nicht zur Ausführung. Als sich nun die Venetianer Lodis und Piacenzas bemächtigten, boten die Mailänder dem Grafen Sforza, welcher nur Cremona besaß, die Feldhauptmannschaft im Dienst ihrer Republik. Er ergriff sie begierig; jetzt war er rechtmäßig der General Mailands, aber in Wirklichkeit der Prätendent der Herzogskrone. Pavia ergab sich ihm, Piacenza nahm er mit Sturm. Er schlug die Venetianer am 15. September 1448 bei Carvaggio und erzwang von ihnen ein Bündnis mit der Verpflichtung, ihm zum Besitze Mailands zu verhelfen. Sie brachen den Bund und halfen den Mailändern, welche gegen den verräterischen Feldhauptmann ihre schwankenden Truppen unter Carlo Gonzaga und den Söhnen Piccininos ausschickten. Anarchie brach in der Stadt aus, als sie Sforza belagerte. Mailand, welches einst als Republik so machtvoll gewesen war, hatte lange Tyrannei zur Freiheit unfähig gemacht. Nachdem es zwei und ein halbes Jahr unter Sturm und Not das Schattenbild der alten Unabhängigkeit verteidigt hatte, sank es für immer in die Sklaverei zurück. Zum Herzog ausgerufen, zog Sforza, erst allein am 26. Februar 1450, dann am 25. März mit Bianca Visconti in den Palast seines Schwiegervaters ein. Dieser Tag gab ihm den Herkuleslohn eines heroischen Kriegerlebens voll Kampf mit allen Mächten Italiens, seit ihn sein Vater zuerst ins Waffenhandwerk eingeweiht hatte. Sforza wurde vom Volksgedränge mitsamt seinem Pferde fortgetragen; er brachte zu Roß als ein Held in dem herrlichen Dom seinen Dank dem Himmel dar. So stieg ein Condottiere auf einen Fürstenthron. Der Sohn des Bauern von Contognola ward Stifter einer neuen Dynastie. Sie glänzt nur durch seinen Namen; minder glücklich, minder dauernd als jene der Visconti und von gleicher Frevelschuld voll, fand sie nach 60 Jahren einen ruhmlosen Untergang.

Der Papst befestigt Rom

Nicolaus V. war zufrieden, daß sich durch die Herstellung des Mailänder Herzogtums das Gleichgewicht der Mächte in Norditalien erhielt und den Übergriffen Venedigs eine Schranke gesetzt wurde. Nichts wollte er von Kriegen wissen. Denn Künstler bauten, meißelten und malten für ihn; tausend Schreiber kopierten für seine Bibliothek; Gelehrte und Dichter übersetzten auf sein Geheiß Schriften des Altertums. Er gab ihnen Lohn mit vollen Händen.

Als nun im Jahre 1450 in ganz Italien Frieden herrschte, konnte er, glücklicher als fast ein jeder seiner Vorgänger, das Jubeljahr Das Jubeljahr, ein von Weihnachten zu Weihnachten dauerndes Jahr (Heiliges Jahr), in dem für den Besuch der Paulus- und Peterskirchen in Rom vollkommener Ablaß erteilt wird. Der Papst öffnet die »Heilige Pforte« im St. Peter um Mitternacht vom 23. zum 24. Dezember feierlich und schließt sie zwölf Monate später ebenso. Der »Jubel-Ablaß« wurde zuerst von Papst Bonifazius VIII. im Jahre 1300 für die hundertjährige Wiederkehr eingesetzt. Seit Paul II. (1470) wird das Jubeljahr alle fünfundzwanzig Jahre gefeiert, z. B. 1475, 1500 usw. feiern und der Welt dartun, daß der Vatikan noch der Mittelpunkt der Christenheit und der Papst ihr allgemeines Haupt sei.

Die Pest, welche schon im Jahre 1449 ausgebrochen war und Nicolaus damals nach Umbrien vertrieben hatte, ergriff infolge des Zusammenflusses der Menschen Rom und andere Städte Italiens mit neuer Wut. Nicolaus V. entwich wieder nach Fabriano, und hier sperrte er sich so ängstlich ab, daß der die Annäherung an seinen Wohnort auf mehr als sieben Millien Millien: Meilen, eine M. gleich 1000 Schritte. bei Todesstrafe verbot. Nur wenige Kardinäle durften ihn begleiten; die Beamten und der Schwarm von Abschreibern, die er mit sich führte, mußten in den elendesten Orten ihr Unterkommen suchen.

Nach seiner Rückkehr ging der Papst mit Leidenschaft an die Ausführung seiner Pläne, denn die Ahnung eines frühen Todes ängstigte ihn. Paläste und Kirchen wurden aufgebaut, die Mauern der Stadt, die Engelsburg, der Vatikan neu befestigt. Die Vertreibung Eugens diente zur Warnung. Da sich das Priestertum nicht hinter die stärkste aller Burgen zu verschanzen vermochte, umgab es sich mit der schwächsten aller Schutzwehren, mit Mauern und Türmen. Rom und den Vatikan zu befestigen trieb den Papst auch die Furcht vor der neuen Kaiserkrönung, welche bereits Eugen IV. zugesagt hatte. Die Wiener Verpflichtungen waren auch von Nicolaus bestätigt worden, darunter ein Beitrag zur Romfahrt von 100 000 Goldgulden, der Kaufpreis der Ehre Deutschlands, welche Summe Friedrich III. schamlos in seine Tasche steckte.

Der König wollte zu gleicher Zeit seine Krönung und seine Vermählung mit der Schwester Alfonsos von Portugal in Rom feiern. Nachdem sein Gesandter Piccolomini die Verlobung im Dezember 1450 zu Neapel abgeschlossen hatte, dessen König Alfonso der Oheim der Braut war, gingen die Bevollmächtigten Friedrichs im März 1451 nach Lissabon, die junge Donna Leonora zu übernehmen und nach dem tuskischen Hafen Telamon zu geleiten. Piccolomini, damals schon Bischof von Siena, kam nach Rom, um die Bewilligung der Krönung einzuholen und die konkordatgemäße Abhaltung eines Konzils in Deutschland zu fordern. Zur Genugtuung der Kurie durchkreuzte die letzte Forderung der französische Gesandte, welcher ein Konzil in Frankreich begehrte. Der geschmeidige Piccolomini war leicht gewonnen; auch war es Friedrich nur um den Krönungspomp zu tun. In einer kunstvollen Rede sprach Aeneas Sylvius von der hohen Bedeutung der Kaiserkrone, die tatsächlich nichts mehr bedeutete, und er erflehte sie für seinen Herrn vom Papst, der die Rechtsquelle des Imperium sei. Die allerletzte kaiserliche Romfahrt, welche die Geschichte sah, erweckt Erinnerungen an eine von furchtbaren Leiden erfüllte, aber doch große Vergangenheit, in welcher die deutschen Kaiser Italien mit Kriegen verheert, aber auch die Alleingewalt der Päpste bestritten und oftmals die wichtigsten Angelegenheiten der christlichen Republik entschieden hatten. Diese Zeiten waren schon in die Mythe hinabgesunken. Die Kaisergewalt war nur noch ein völkerrechtlicher Titel ohne Kraft; die Papstgewalt zwar noch mächtiger als jene, dennoch ihrer alten Wirkung in das große Ganze der Menschheit schon beraubt. Ein neues Europa erhob sich, sich gründend auf großen nach Einheit strebenden Ländermassen und Monarchien. Nun zeigte die Romfahrt Friedrichs III. noch deutlicher als die Sigismunds, daß jenes katholische Kaisertum, das Ideal des Mittelalters, eine Antiquität geworden war, ein Gegenstand für Schauspieler welthistorischen Stils und für akademische Reden humanistischer Kunst. Wenn bei diesem Romzuge die Städte Italiens und selbst der Papst noch in Aufregung gerieten, so war auch dies kaum mehr als Erinnerung. Dem römischen Könige diente übrigens seine Krönungsreise zugleich als einträgliches Finanzgeschäft; er konnte sich mit den Geschenken Italiens bereichern und dort Tausende von Gnadenbriefen ausstreuen, welche Eitelkeit erkaufte. Er errötete nicht, sich Geleitsbriefe von den Städten zu erbitten, und auch der Papst stellte ihm einen guten Reisepaß aus.

Friedrichs III. Romfahrt

Die Reichsstände hatten Friedrich 1000 Reiter bewilligt, und etwa ebensoviel stießen unterwegs zu ihm. Sein Bruder, der Herzog Albrecht, einige deutsche Bischöfe und viele edle Herren begleiteten ihn, nebst dem zwölfjährigen König Ladislaus; denn diesen nachgeborenen Sohn Albrechts II., den Erben von Böhmen, Ungarn und Österreich, führte er mit sich, um ihn aus jenen Erbländern zu entfernen, wo die Landstände Friedrichs Vormundschaft bestritten. Am Ende des Jahres 1451 kam er nach Treviso. Er verzichtete darauf, die eiserne Krone in Mailand zu nehmen, dessen Gebiet er nicht berührte; denn dort herrschte Sforza, ein vom Reich nicht anerkannter Usurpator. Am Po empfing der glückliche Borso von Este Die Markgrafen von Este (Borso) macht Kaiser Friedrich III. 1452 zu Herzögen von Modena und Ressio. 1471 belehnt Papst Paul II. sie mit dem Herzogtum Ferrara. das Phantom des Kaisertums auf seinen Knien, übergab ihm alle seine Lande und führte ihn im Triumphgepränge in das schöne Ferrara. Dorthin kam auch Ludovico Gonzaga von Mantua und Sforzas kleiner Sohn Galeazzo Maria, welchen der Vater voll Artigkeit zur Begrüßung des römischen Königs abgeschickt hatte. In Bologna holte diesen der Kardinallegat Bessarion ein. Man feierte den Kaiser überall mit hohen Ehren und hielt ihn kostenfrei. Die Florentiner hatte er höflich um die Erlaubnis seines Besuches gebeten, und sie erflehten ihn noch höflicher als eine Gnade. Kniend überreichte ihm die Signorie die Schlüssel der edlen Stadt, und überall sah man das Volk, selbst Frauen ehrfurchtsvoll niederknien. Mit solchem Kultus ehrte noch Italien das Schattenbild des lateinischen Kaisertums, so daß sich dieser machtlose Habsburger, wenn er Sitte für Wirklichkeit nahm, für ein vergöttertes Wesen hätte halten können. Die Kardinäle Calandrini und Carvajal begrüßten ihn in Florenz im Namen des Papstes. Der berühmte Kanzler Carlo Marsuppini verherrlichte ihn durch eine ciceronische Rede, und während seines dreizehntägigen Aufenthalts huldigten ihm die Florentiner mit so schönen Festen, daß die deutschen Junker ewig am Arno zu leben wünschten. Kunst und Wissen, Adel der Form und heiterste Menschlichkeit blühten damals in dem italienischen Volk, zumal in Florenz, und sie boten den Deutschen ein berauschendes Schauspiel farbenprächtiger Feste, wie sie kein romfahrender Kaiser zuvor hätte genießen können.

Von Florenz wollte Friedrich nach Siena zum Empfange seiner Verlobten ziehen. Denn während er sich auf der Romfahrt festlich fortbewegte, hielt die schöne Portugiesin ihre langweilige Brautfahrt auf dem Meer. Unter vielen Tränen, welche indes die Aussicht, Kaiserin zu sein, trocknen half, hatte Donna Leonoro erst am 12. November 1451 Lissabon Lebewohl gesagt, um einem Gemahl entgegenzuziehen, den sie nie gesehen hatte, dessen Sprache sie nicht verstand, und an welchen sie in einem rauhen Lande für immer gekettet sein sollte. Sie segelte unter dem Schutze des Marques von Volenga mit einer ganzen Flotte und zweitausend Mann Bedeckung, welche dies Kleinod Portugals gegen lüsterne Korsaren verteidigen sollten. Unter Gefahren jeder Art schwebte die mutige Kaiserbraut 104 Tage lang auf der See, ohne jemals, außer in Ceuta, einen Hafen zu berühren. Schon war Friedrich in Tuskien und Piccolomini in Siena, wo die Volkspartei in Aufregung geriet. Man zwang den Bischof und Gesandten des Kaisers, sich nach dem Hafen Telamon zu begeben, und hier wartete der Brautführer zwei lange Monate, angstvoll in die grauen Meeresfluten spähend, die dort das Kap Argentaro umrauschen. Donna Leonora landete endlich am 2. Februar 1452 in Livorno, und auf diese Freudenbotschaft befahl Friedrich seinem Abgesandten, die ermüdete Prinzessin in Pisa zu empfangen und ihm nach Siena entgegenzuführen.

Vor der Porta Camolia dieser Stadt bezeichnet noch eine Säule den Ort, wo am 24. Februar 1452 die reizvollste Szene gesehen ward; denn hier empfing Friedrich III., ein Mann von 35 Jahren, die sechzehnjährige Waise von Portugal. Eingeholt von prachtvollen Scharen der Ritterschaft und der Bürger, umgeben von ihrem eigenen Hof, kam sie daher und überstrahlte den Glanz dieses Schauspiels durch das sanfte Feuer ihrer schwarzen Augen, ihr jungfräuliches Erröten und die wonnevolle Blüte ihrer Jugend und südlichen Gestalt. Entzückt schloß sie Friedrich in seine Arme. Piccolomini hat die viertägigen Schauspiele, welche Siena, die Stadt der Grazien und der Liebe, dem kaiserlichen Paare gab, anziehend beschrieben. Anmutige Frauen priesen von Tribünen herab in wohlklingenden Reden oder Gedichten die Schönheit der Braut oder das Glück der Liebe, und sie tanzten auf geschmückten Plätzen ihre Nationaltänze, bis sie, von der Dreistigkeit der Portugiesen beleidigt, sich sittsam zurückzogen. Piccolomini, Bischof und Weltmann und jetzt der Vertraute Friedrichs, würzte ihm die Gelage als heiterer Schöngeist, aber die Kardinallegaten verbitterten sie durch die herrische Forderung des dem Papste zu leistenden Treueides. Friedrich unterwarf sich nach einigem Sträuben dieser Demütigung.

Bei der Annäherung des Kaisers argwöhnte Nicolaus, daß ihm die Römer die Signorie der Stadt übertragen möchten; denn die alten Kaiserideen waren noch nicht erloschen. Ein Mann wie Valla hatte in seiner Widerlegung der Constantinischen Schenkung deutlich gesagt: es sei ein Widerspruch, einen Fürsten zum Kaiser zu krönen, der auf Rom selbst verzichtet habe; dem römischen Volk allein gehöre diese Krönung zu. Schon vor dem Eintreffen der Braut hatte der Papst die Krönung verschieben wollen, durch Reden geängstigt, daß Rom auf Abfall sinne, die Machthaber Italiens nach den Schätzen des Klerus lüstern seien und Alfonso im Bunde mit Friedrich stehe, von dem eine Prophezeiung sage: er werde als Kaiser ein Feind der Kirche und ein Rächer der Stadt Rom sein. Nur ein dringender Brief Piccolominis hatte den Papst umgestimmt; doch bereits waren die Mauern, das Kapitol und die Engelsburg befestigt worden, und jetzt zog Nicolaus ein paar tausend Söldner in die Stadt, zu deren Bewachung er dreizehn Regionenmarschälle ernannte. Schon am 3. Februar forderte er die Barone der Campagna auf, sich in zehn Tagen zur Krönungsfeier einzufinden.

Am 1. März verließ Friedrich Siena. Er langte am 8. März vor Rom an mit mehr als 2000 Reitern. Auf dem ersten Hügel, welcher den Blick freigibt, ward haltgemacht und die im Abendglühen strahlende Stadt bewundert. Klerus, Magistrat und Adel, die Colonna an dessen Spitze, kamen ihm entgegen. Er würdigte die Kardinäle kaum eines Grußes, aber mit Auszeichnung behandelte er den Senator Niccolò de Porcinario von Aquila, einen gelehrten Studiengenossen Piccolominis; er entblößte sein Haupt und umarmte ihn. Piccolomini konnte nicht die Bemerkung unterdrücken, daß in früheren Zeiten auch der Papst dem romfahrenden Kaiser entgegenkam: »Doch jede Macht erleidet ihre Wandlung; einst überstrahlte die kaiserliche Würde alles, jetzt ist die päpstliche größer als sie.«

Da der römische König der Sitte gemäß wenigstens eine Nacht vor den Mauern zubringen mußte, blieb Friedrich im Landhaus des Florentiner Wechslers Spinelli am Kreuz des Monte Mario, während Leonora in einer andern Villa übernachtete. Das Gefolge lagerte auf den neronischen Wiesen. Folgenden Tags fand der Einzug statt. Nach altem, jetzt bedeutungslosem Gebrauch beschwor Friedrich erst die Freiheiten der Römer, dann ritt er zum Tor des Kastells, in einem strahlenden Ornat, dessen Schmuck man auf 200 000 Dukaten schätzte. Der Burggraf von Nürnberg trug das Reichspanier, der Marschall Heinrich von Pappenheim das Schwert. Donna Leonora wurde vom Herzog von Teschen und dem Marques von Valença geführt. Am Tor des Kastells begrüßten den König Klerus und Adel; auch der Stadtpräfekt Francesco Orsini trug ihm das blose Schwert nach.

Der argwöhnische Papst, welcher Straßen und Plätze mit Truppen hatte besetzen lassen, erwartete die Ankommenden auf der Treppe S. Peters, wo Friedrich und Leonora von den Pferden stiegen und sich mit einem Knie zur Erde neigten. Der König küßte des Papstes Fuß, Hand und Wange, opferte einen Klumpen Goldes, schwor den von ihm begehrten Eid und betrat dann mit Nicolaus den Dom.

Nach dem Wunsche des Papstes wurde die Krönung auf den 19. März, den Jahrestag seiner eigenen Weihe festgesetzt. Bis dahin wohnte Friedrich im Vatikan. Er besuchte jedoch Rom, was man unpassend fand; nur die Engelsbrücke betrat er nicht. Am 16. März segnete Nicolaus die Ehe des kaiserlichen Paares ein und krönte Friedrich mit der eisernen Krone, welche durch die silberne von Aachen ersetzt wurde. Die Mailänder protestierten, aber der Papst erklärte in einer Bulle, daß Friedrich, verhindert, die Krone der Lombarden in Mailand zu nehmen, ihn ersucht habe, diese ihm in Rom zu erteilen, was demnach geschehen sei, ohne die Rechte des Mailänder Erzbischofs zu beeinträchtigen.

Der eitle Kaiser, welcher gern mit Edelsteinen prunkte und sich im Festpomp wohl gefiel, hatte die Insignien des Kaisertums aus Nürnberg mit sich gebracht, wo sie im Jahre 1424 von Sigismund waren niedergelegt worden. Man hielt sie noch für jene Karls des Großen; aber Piccolomini bemerkte auf dem Kaiserschwert den böhmischen Löwen Karls IV., und der kaiserliche Ornat überhaupt erschien ihm dürftig.

Diese Kaiserkrönung war die letzte, welche in Rom vollzogen wurde. Zum letzten Male zeigte sich am 19. März 1452 den Römern der vom Papst im Sankt Peter gekrönte und gesalbte, von ihnen selbst akklamierte friedestiftende Augustus mit Krone, Zepter und Reichsapfel. Wenn sie diesen Imperator betrachteten, wie er auf der Engelsbrücke 300 Personen zu Rittern schlug, mochte er ihnen bemitleidenswert erscheinen, denn diese ermüdende Zeremonie dauerte mehr als zwei Stunden. Man spottete über die Ritter von der Engelsbrücke, welche das hingeschwundene Rittertum parodierten, wie der Kaiser das Kaisertum. Nach einem Umzuge zum Lateran und dem dortigen Festmahle kehrte Friedrich in den Vatikan zurück, wo ihn der Papst, noch immer über die Absichten der Römer mißtrauisch, nahe bei sich haben wollte. Am 19. März beurkundete Nicolaus die Kaiserkrönung in der Sprache eines Lehnsherrn, der ein Gnadendiplom erteilt hatte.

Friedrich reiste am 24. zu den Festen, die ihn in Neapel erwarteten; und hier ward die Ehe mit Leonora vollzogen. Am 22. April kehrte der Kaiser nach Rom zurück. Unter den Beratungen, die er mit dem Papste hielt, verhieß nur die Ausplünderung der deutschen Kirche und die Unterdrückung jeder Reformbewegung wirklichen Erfolg, und die große Türkenrede Piccolominis fand nur als oratorisches Kunststück Beachtung. Das Kaiserschwert Friedrichs, für dessen Diamantschmuck ihm jeder Wechsler 40 000 Dukaten würde gezahlt haben, war nur ein Theaterdegen. Der Gebieter des Weltreiches, »welches Romulus gegründet, Julius Cäsar befestigt, Augustus erweitert, der Heiland bestätigt hatte«, und der neben ihm thronende Vikar Gottes waren nur noch Titularpräsidenten der christlichen Republik und kaum vom Großsultan gefürchtet, welcher sich eben anschickte, den letzten Kaiser vom Throne Constantins zu stoßen, um diesen als islamitischer Cäsar zu besteigen und seine Hände auf Europa und Asien zugleich zu legen.

Nachdem Friedrich III. zahllose Diplome für Pfalzgrafen, Doktoren, Ritter, Hofräte und Hofpoeten ausgestreut hatte, verließ er Rom am 26. April. In Ferrara erhob er am 18. Mai Borso, Markgraf von Este, zum Herzoge von Modena und Reggio, gegen 4000 Goldgulden jährlicher Abgabe an das Reich. Der kluge Fürst war, wie seine Brüder Lionello und jener unglückliche Ugo, der Liebhaber der Parisina Malatesta, nur ein Bastard des Markgrafen Niccolò, was in bezug auf seine Erhöhung einige Schwierigkeit machte. Seltsamerweise regierten damals manche unehelichen Söhne in Italien: so Borso in Ferrara, in Mailand Sforza, in Calabrien Ferrando, in der Mark Sismondo Malatesta. Das Jahrhundert des Humanismus, wo die Persönlichkeit die alten gesetzlichen Schranken durchbrach, war das goldene Zeitalter der Bastarde, und bald trachteten auch die Söhne von Päpsten nach Fürstenkronen.

Nach den prachtvollen Festen in Venedig kehrte Friedrich III. von der genußreichsten aller Romfahrten mit einem Titel zurück, der ihm unter den Würdenträgern der Welt den ersten Platz gab. Nachdem er die Freiheiten der deutschen Kirche verkauft und die Hoffnung Deutschlands auf die Reform verraten hatte, um kleinliche Gnaden Roms und den zweifelhaften Schutz des Papstes gegen seine Landstände dafür einzutauschen, besiegelte dieser geistlose Fürst das habsburgische Bündnis mit dem Papsttum, um diese katholische, so verhängnisvolle Politik seinen Nachfolgern zu vererben. Die Italiener verachteten ihn. Der Bischof Antonin von Florenz fand nicht eine Spur kaiserlicher Majestät an Friedrich, nur Gier nach Geld; nichts von fürstlicher Großmut, nichts von Weisheit. Nur durch den Dolmetsch redete er als stumme Person. Poggius nannte ihn die Kaiserpuppe, und in der Tat konnte Friedrich III. auch nichts mehr vorstellen als ein mit Gold und Edelsteinen bedecktes Idol aus einer glücklich abgestorbenen Vergangenheit. Er würde jedoch diese Mißachtung seiner Majestät in Italien wie im Deutschen Reiche mit noch mehr Gleichmut ertragen haben, wenn er hätte ahnen können, daß es sein und Leonoras Urenkel sein sollte, welcher der Kaisergewalt eine neue, die Welt mit cäsarischer Tyrannei bedrohende Grundlage von Tatsachen gab. Denn die schöne Portugiesin wurde die Mutter Maximilians, die Urgroßmutter Karls V. und die Ahnfrau einer langen Reihe von Kaisern und Fürsten.

Die Türken in Konstantinopel

Während Nicolaus V. nur Triumphe erlebte, bedrohte ihn selbst eine Verschwörung wider Thron und Leben. Die Folgen des Schreckensregiments Vitelleschis und Scarampos waren noch in Rom fühlbar. Hier richtete jetzt das Papsttum auf den Trümmern der Gemeindefreiheit seine bleibende Herrschaft ein, und diesen Gedanken konnten viele Römer nicht ertragen. Edlen Patrioten, zumal der vornehmen, leider oft in die Laster des Müßiggangs versunkenen Jugend, deren unbenutzte Kraft im Priesterstaat verkam, dünkte die Regierung von Geistlichen schmachvoll. Die klassische Literatur erhitzte die Köpfe mit antiken Freiheitsidealen. Da war noch vor allen Stefano Porcaro, der humanistische Enthusiast, welcher die Republik auf das Kapitol zurückzuführen wünschte. Nicolaus hatte ihn zu gewinnen gesucht, indem er dem ruhelosen Ritter eine hohe Stellung gab. Er machte ihn im Jahre 1448 zum Rektor der Campagna und Maritima. Dies Amt hatte Porcaro ein Jahr lang in Ferentino verwaltet, dann war er nach Rom zurückgekehrt, und hier trat er wieder im Jahre 1450 als Demagoge hervor. Der großmütige Papst schickte ihn zuerst unter dem Scheine einer Gesandtschaft nach Deutschland und verbannte ihn dann nach Bologna, doch mit Ehren. Er ließ ihm einen monatlichen Gehalt von 25 Goldgulden auszahlen, nur sollte er sich täglich beim Kardinallegaten Bessarion zeigen.

Porcaro sann dort nur auf den Sturz des päpstlichen Regiments. Er wollte wie der Republikaner Cola di Rienzo im Jahre 1347 der Befreier der Stadt werden; man hörte ihn Verse Petrarcas deklamieren, als sei er der Retter Italiens, welchen sie weissagten. Seine Pläne waren unzeitgemäß; denn kein Papst hatte weniger verschuldet und mehr für Rom getan als Nicolaus V., der liberalste aller Päpste. Trotzdem gab es hier viele Unzufriedene. Die Bürger murrten über die ausschließliche Herrschaft des Klerus, welcher alle Ämter der Verwaltung an sich gezogen hatte und große Reichtümer aufhäufte. Die Magistrate auf dem Kapitol wurden nicht mehr von der Gemeinde gewählt, sondern vom Papst eingesetzt. Die Stadt war durch Nicolaus V. in eine päpstliche Festung verwandelt worden.

Viele Verfemte und Verbannte lauerten draußen auf Rache und Rückkehr. Porcaro selbst unterhielt von Bologna aus Verbindungen mit seinen Verwandten und Freunden. Battista Sciarra, sein Neffe, warb sogar Söldner in der Stadt. In den Häusern zweier reicher und angesehener Schwestermänner Stefanos, des Angelo di Maso und des Giacomo di Lello Cechi, wurden Waffen versteckt, und selbst im Vatikan war ein anderer Neffe des Ritters, der Domherr Niccolò Gallo, in die Verschwörung eingeweiht. Als die Umwälzung hinlänglich vorbereitet schien, eilte Porcaro, der sich krank gestellt hatte, um Bessarion zu täuschen, zu Pferde in vier Tagen nach Rom. Hier trat er, in einem goldgestickten Gewande und mit goldenen Ketten geschmückt, unter die Verschworenen, denen ein Mahl im Hause des Angelo gegeben wurde. In einer selbstgefälligen Rede, auf die er mehrere Tage verwendet hatte, schilderte er die Sklaverei der Stadt: »Man verbannt Unschuldige. Während sie Italien erfüllen, ist Rom von Bürgern leer. Man sieht hier nur Barbaren; doch der Patriot wird als Verbrecher gebrandmarkt. Es muß eine Tat geschehen, welche die Stadt für ewig von dem Pfaffenjoch befreit.« Porcaro brannte von Ruhmsucht, wie jeder andere aufstrebende Geist unter seinen Zeitgenossen; aber er entflammte seine Mitverschworenen durch die lockende Aussicht auf wirklicheren Lohn als den der Unsterblichkeit. Wenn er selbst ein Cola di Rienzo sein wollte, suchten jene ihr Vorbild lieber bei Catilina. Man wollte den Priesterstaat stürzen und dann tüchtig zugreifen. In den Schatzkammern des Papstes, der Kardinäle und Kurialen, in den Banken der Wechsler hoffte man mindestens eine Million Goldgulden zu erbeuten. Das päpstliche Rom jener Zeit war bereits üppig genug, der Klerus verderbt und verhaßt. Die Kardinäle lebten wie weltliche Fürsten, so verschwenderisch, daß sie den Sinn auch anderer als der Republikaner beleidigten. Die Kurialen, zahllose Schwärme von Prälaten, welche Pfründen suchten und genossen, boten der Stadt das häßliche Schauspiel von Übermut, Goldgier und Lasterhaftigkeit dar. Die Satiren der Humanisten, eines Poggius, Valla und Filelfo hatten nicht wenig dazu beigetragen, diesen Haß gegen die Priester zu mehren.

Porcaro überzählte seine Streitkräfte: 300 versteckte Söldner erschienen ihm hinreichend, die Herrschaft des Papstes umzustürzen; außerdem rechnete er auf den Zuzug von Verbannten und die Erhebung des Volks. Die Bewältigung Roms war auch keineswegs unmöglich, denn in dem tiefen Frieden der Stadt gab es dort kaum andere Truppen als die Mannschaft der Polizei. Der Plan war, während des Dreikönigs-Festes am 6. Januar 1453, Feuer in die vatikanischen Ställe zu werfen, worauf Porcaro den Papst und die Kardinäle festnehmen und sich der Engelsburg bemächtigen wollte. Im äußersten Falle wollte man selbst den Papst umbringen und unter der Priesterschaft erbarmungslos aufräumen; aber wenn es wahr ist, daß Porcaro eine goldene Kette mitgebracht hatte, um Nicolaus V. damit zu fesseln, so mochte er doch wohl minder blutdürstige Gedanken gehegt haben.

Am 5. Januar traf eine Warnung Bessarions in Rom ein. Zugleich verrieten den Plan Mitverschworene dem Stadtgovernator Niccolò degli Amigdani und dem alten Kardinal Capranica. Sofort führte jener und der Senator Jacopo Lavagnoli von Verona Bewaffnete gegen das Haus Porcaros. Es war verrammelt. Aus den Fenstern herab verteidigte sich Sciarra tapfer, bahnte sich dann, den Degen in der Faust, mit vier Begleitern den Weg durch die päpstlichen Kohorten und entkam. Statt kühn Rom zu durchreiten und das Volk zur Freiheit aufzurufen, war Porcaro durch eine Hintertür in die Wohnung einer seiner Schwestern entflohen. Die Polizei verhaftete viele Verschworene in ihren Häusern und suchte nach dem Ritter, auf dessen Kopf ein Preis gesetzt ward. Er verkleidete sich und ging nachts nach dem Palast des Kardinals Latinus Orsini, dessen Großmut um ein Asyl anzuflehen; jedoch Gabadeo, ein Freund, welcher ihn dorthin begleitet und den auf der Straße Wartenden angemeldet hatte, wurde vom Kardinal festgehalten. Porcaro entwich zu einer zweiten Schwester nach dem Viertel Regola. Auf der Folter bekannte unterdes der Gefangene des Kardinals den Zufluchtsort des Ritters, und Porcaro wurde schon am Morgen aus dem hölzernen Kasten hervorgeholt, in den ihn die Schwester verschlossen hatte. Man führte ihn in die Engelsburg. Die Priesterschaft war in Schrecken, der Papst außer sich. Man übertrieb die Verhältnisse der Verschwörung. Hoffnungen gestalteten sich unter den Qualen der Tortur zu Geständnissen von Handlungen. Die Florentiner, Sforza, Alfonso, Venedig, kurz die Mächte Italiens sollten in den Plan zum Umsturz der Papstgewalt und zur Plünderung des Klerus eingeweiht sein. Der Prozeß wurde mit ungewohnter Schnelligkeit beendigt. Schon am 9. Januar, drei Stunden vor Tagesanbruch, führte man den Ritter zur Hinrichtung ab. Er war von Kopf bis zu Fuß schwarz gekleidet. In einem Turme des Kastells ward er aufgeknüpft. Es ist ungewiß, ob seine Leiche in S. Maria Traspontina heimlich beigesetzt oder in den Tiber hinabgestürzt wurde. Wenn der unglückliche Porcaro außer den Helden des Altertums, die ihn begeistert hatten, auch die Geschichte der Stadt im grauen Mittelalter kannte, so durfte er sich auf seinem letzten Gange mit dem Gedanken trösten, daß er für dieselbe Sache, deren Märtyrer schon Crescentius gewesen war, auf derselben Stelle den Tod erlitt. Für seinen Nachruhm wäre es freilich ein Glück gewesen, wenn er so tapfer kämpfend geendet hätte wie jener Feind Gregors V. und Ottos III. Sein Versuch, Rom umzuwälzen, war nur ein kraftloses Nachspiel der großen Tragödie Cola di Rienzos, von dessen wundervollem Genie nichts in Porcaro gelebt hatte. Nicolaus V. befahl, ohne Gnade die Schafotte aufzurichten. Hier zeigte er sich ohne Größe, aber seine Strenge war begreiflich genug. Noch an demselben Tage wurden neun Verschworene auf dem Kapitol gehenkt; ihnen folgten andere Opfer. Die Städte, wohin manche sich geflüchtet hatten, selbst Venedig, lieferten sie aus: auch der tapfere Krieger Battista Sciarra verlor seinen Kopf in Città di Castello. Man schalt den Papst grausam, selbst treulos. Man sagte ihm nach, daß er auf Fürbitten des Kardinals von Metz einen Verurteilten begnadigte und dann den Befehl zu seiner Hinrichtung gab. Das Haus Porcaros ließ er einreißen; doch wurde es nicht völlig zerstört und später wieder aufgebaut. Die Porcari bewohnten es als ein angesehenes Geschlecht am Ende des fünfzehnten wie im sechzehnten Jahrhundert, wo es darin viele Statuen und Inschriften gab.

Die Hinrichtung des römischen Ritters machte großes Aufsehen; denn Porcaro war ein durch Talente, Liebenswürdigkeit und vornehme Erscheinung sehr ausgezeichneter Mann gewesen. Viele Fürsten und Große, die berühmtesten Menschen Italiens hatten ihn gekannt und geehrt. In Rom selbst sahen die Anhänger der alten Verfassung in ihm den hochherzigen Märtyrer, im Papst den grausamen Tyrannen der Freiheit. Infessura, Schreiber des Senats, Augenzeuge der Hinrichtung Porcaros, schrieb ihm in seinen Annalen Roms folgenden Nachruf nieder: »So starb dieser Ehrenmann, der Freund des Wohles und der Freiheit Roms; ohne Grund aus der Stadt verbannt, wollte er sein eignes Leben an die Befreiung seines Vaterlandes von der Knechtschaft setzen, wie er durch die Tat bewies.« Die Erinnerung an Porcaro blieb in Rom lebendig. Wir sahen sie selbst noch im Jahre 1866 erwachen, wo eine merkwürdige Schrift Porcaros politische Ansichten wiederholte und seinen Namen trug. Denn Rom ist, wie wir oft bemerkt haben, der einzige Ort in der Welt, wo die Schatten der Vergangenheit noch nicht zur Ruhe gekommen sind.

Unter den Anhängern des Papstes wurden andere Urteile vernommen. Humanisten wie Manetti, Filelfo und Poggio, wie Alberti, Piccolomini und Platina, selbst Valla, welcher die Papstgewalt zur Zeit Eugens so heftig angegriffen hatte, verdammten ihren ehemaligen Freund, weil sie in Nicolaus V. den liberalsten Mäzen gefunden hatten. Sie standen in seinem Dienst; sie schrieben und übersetzten für ihn; sein Sturz würde auch ihr eigener geworden sein. »War nicht Rom in Frieden und Glück? Floß nicht aus dem Füllhorn des Papstes tausendfacher Segen auf die Bürger nieder? Wurde etwa Rom wie andere Städte durch Steuern für einen Tyrannen ausgesogen? War nicht das Regiment des Papstes das mildeste unter allen Regierungen überhaupt? Genossen nicht die Bürger vollkommene Freiheit, soweit sie mit den Gesetzen vereinbar war? Und doch jagten sie noch immer dem Phantome der Republik nach, um die wirklichen Güter der Gegenwart mit dem Schatten zu vertauschen!« – Dies sind die Gedanken, welche Zeitgenossen, Höflinge Nicolaus' V., auf Grund der Verschwörung Porcaros in Prosa und in Versen aussprachen. Der Papst wiederholte mit Bitterkeit dieselben Vorwürfe gegen die Undankbarkeit der Römer. Denn wie sollte er anerkennen, daß auch das Prinzip seiner Gegner, geschichtlich begründet wie es war, immer wieder sein Recht verlangen, immer wieder in Kampf mit der päpstlichen Gewalt treten mußte. Die Selbständigkeit Roms, deren Untergang Männer wie Porcaro und Infessura beweinten, war unrettbar geworden. Sie fiel früher als die Autonomie anderer Republiken Italiens; den Verlust dieser Freiheit ersetzte eine Zeitlang die Natur Roms und die des Papsttums durch ein großartiges, keiner anderen Stadt der Erde eigenes Wesen, in dessen kosmopolitischer Luft sich alles Monarchische und Dynastische verzehrt. Es war der moralische Weltbezug Roms, der Welthauch, der darin wehte, die Weltidee der Kirche, die sich noch im Papsttum abspiegelte, wodurch die »Alma Roma« Alma Roma: das nährende, segenspendende Rom. diejenigen bezauberte, die in ihr lebten, und zu dem Bekenntnis zwang, daß nirgend der Mensch sich freier von Vorurteilen empfinde als in dieser Weltrepublik.

Seit dem 9. Januar 1453 wurde Nicolaus V. nicht mehr froh: ihm war Rom verleidet. Schnell alternd, vom Podagra gequält, begann er sich mißtrauisch zu verschließen; kaum oder nur mit Bedeckung bewegte er sich in Rom. Noch war er vom Eindruck jener Verschwörung verdüstert, als ihn eine fast vernichtende Kunde traf: am 29. Mai 1453 hatte Mohammed II. Konstantinopel erobert und über den Leichen von 50 000 Christen seinen Einzug in die Sophien-Kirche gehalten. Das griechische Reich war nach einer Dauer von elf Jahrhunderten aus der Geschichte ausgelöscht, und an seine Stelle trat das furchtbare Türkenreich. Der Schatten des letzten Kaisers von Byzanz konnte die beiden Häupter der katholischen Christenheit schwer verklagen; denn was hatten sie getan, um Griechenland, diese erste Hälfte der menschlichen Kultur, zu retten? Vergebens hatte der unglückliche Constantin das Abendland mit seinen Hilferufen erfüllt; es war mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt und einer gemeinsamen Unternehmung nicht fähig. Der römische Kaiser saß müßig auf seinem Landgut, pflanzte Gärten und fing Vögel. Der Papst wiederum hatte den byzantinischen Kaiser nur mit Forderungen zur Aufrechterhaltung der Florentiner Union bestürmt, von welcher er die Hilfe des Okzidents abhängig machte. Es schien ihm, so warf man ihm vor, mehr an der Erhaltung eines Dogma als des griechischen Reichs gelegen. Der Kardinal Isidorus war Zeuge des Falles Konstantinopels; er entfloh, aber der letzte Constantin beschloß, glücklicher als der letzte Romulus Augustus, die lange Reihe der Imperatoren des Ostens mit einem ruhmvollen Tode durch Feindeshand. Die Stumpfheit, mit welcher Fürsten und Völker das Bollwerk Europas fallen sahen, bewies, daß die christliche Religion aufgehört hatte, das bewegende Prinzip der Menschheit zu sein. Der Untergang von Byzanz erweckte nur einen Sturm europäischer Beredsamkeit. Mit den Kreuzzugsbullen wetteiferte das oratorische Klagegeschrei der Humanisten, welche den Verlust der literarischen Schätze Griechenlands beweinten, aber, wie Nicolaus V. selbst, deren Trümmer nach Italien hinüberzuretten eilten. Türkenreden beschäftigten fortan die Parlamente, die Schulen und Kanzeln, die Muße und die Mode des Abendlandes, während Kaiser, Papst und Fürsten in dem Türkenzehnten ein willkommenes Mittel finanzieller Bereicherung fanden, wie ihre Vorfahren dies in den Kreuzzugszehnten gefunden hatten.

Jetzt warf auch Nikolaus einen Blick auf den Zustand Italiens, nachdem er bisher zugesehen, wie die dortigen Mächte einander schwächten, während er selbst es mit keiner verdarb und seinen Kirchenstaat vor Krieg bewahrte. Die Usurpation Mailands hielt diese Mächte in Streit: Sforza war mit den Florentinern, Venedig mit Alfonso verbündet. Um diesem einen alten Feind zu erwecken, hatte das vom neapolitanischen Kriegsvolk bedrängte Florenz sogar René in die Lombardei gerufen, wo er sich mit Sforza verband. Der Papst, welcher Carvajal zu den Streitenden gesendet hatte, bewog sie jetzt, im Jahre 1454, einen Kongreß in Rom zu beschicken, wo Italien beruhigt werden sollte, um seine vereinigten Waffen gegen die Türken zu wenden. Doch die Bemühungen der italienischen Gesandten hatten keinen Erfolg, weil Nicolaus solche Lauheit zeigte, daß jene nach einem Aufenthalt von Monaten unwillig Rom verließen.

Der Feuereifer des Augustinermönchs Fra Simonetto von Camerino übernahm das Friedenswerk. Er ging zwischen Mailand und Venedig hin und her, und am 9. April 1454 schlossen diese Mächte den Frieden zu Lodi, wodurch Sforza die Anerkennung als Herzog erhielt. Dem Vertrage beizutreten wurden die übrigen Parteien eingeladen. Der Friede war ohne Zutun des Papstes gemacht worden, aber auch ohne Wissen Alfonsos: der König verweigerte den Beitritt, auch nachdem die Florentiner am 30. August den Vertrag unterzeichnet hatten. Die Gesandten der drei versöhnten Mächte eilten hierauf über Rom nach Neapel, begleitet vom Legaten Capranica, und dieser überredete Alfonso, den Frieden am 26. Januar 1455 anzunehmen. Nur seine verhaßten Feinde, Genua, Malatesta. welcher von ihm einst treulos zu den Florentinern abgefallen war, und Astorre von Faenza nahm er davon aus. Durch neuen Vertrag schlossen demnach der Papst, Alfonso, Florenz, Venedig, Mailand und andere Dynasten auf 25 Jahre ein Bündnis gegen alle fremden Mächte, die Italien angreifen würden. Die Furcht vor den Türken, welche die Seerepubliken aus ihren Kolonien am Bosporus verdrängt hatten und bald im Mittelmeer erscheinen konnten, bewirkte diesen ersten nationalen Bund der Italiener. Nicolaus hatte noch die Genugtuung, ihn abgeschlossen zu sehen, ehe er am 24. März 1455 starb.

In den Grotten des Vatikan liegt die steinerne Figur Nicolaus V. auf dem schmucklosen Sarkophag; der Betrachter blickt dort mit Anteil in das hagere Antlitz dieses Mannes, um dessen Mund das geistreiche Lächeln eines Rhetors zu spielen scheint, welcher über antiken Handschriften attische Nächte hinbrachte. Er darf urteilen, daß dieser Papst ein Wohltäter der Menschheit war, zu deren geistiger Befreiung durch die Schätze der Weisheit Griechenlands und Roms auch er mächtig beigetragen hat.

Alfonso Borgia sorgt für seine Verwandten

Im vatikanischen Konklave ging die Papstkrone am Haupte Capranicas vorüber, um eine Nacht lang über Bessarion zu schweben. Alain von Avignon erhob sich und sprach: »Sollen wir der lateinischen Kirche einen Neophyten Neophyten: Neubekehrte. und Griechen zum Papste geben? Bessarion hat noch nicht seinen Bart abgeschnitten, und er sollte unser Oberhaupt sein?« Der gelehrte Bischof von Nicaea war einsichtig genug, gegen sich selbst zu protestieren; er gab seine Stimme dem Kardinal Alfonso Borgia, und am 28. April 1455 wurde dieser Spanier als Calixt III. ausgerufen.

Alfonso Borgia, welchem einst der heilige Vincenz Ferrer die Tiara prophezeite, hatte sie zuversichtlich erwartet. Er stammte aus Xativa bei Valencia. In seiner Jugend war er Professor zu Lerida gewesen, wo ihn noch der Gegenpapst Pedro de Luna zum Canonicus gemacht hatte. Er galt als der erste Jurist seiner Zeit. Als Geheimschreiber Alfonsos von Aragon hatte er seine größere Laufbahn angetreten und war unter Martin V. Bischof von Valencia, unter Eugen IV. im Jahre 1444 Kardinal geworden. Ein Leben voll Mäßigkeit und Würde, tiefe Gelehrsamkeit, geschäftliche Gewandtheit und die Verbindung mit dem Könige Alfonso machten ihm einen guten Namen in der Kurie. Die Kardinäle wählten ihn endlich zum Papst in der Voraussetzung, daß ein Greis von 77 Jahren dies nicht lange bleiben werde.

Sein Krönungsfest am 20. April störte ein Tumult der Orsini auf Grund der Feindschaft zwischen Napoleon und Eversus von Anguillara. Dieser tuskische Tyrann war selbst ein Orsini, Enkel Pandolfs, Sohn des Grafen Dolce und der Baptista Orsini von Nola. Streit um den Besitz der Grafschaft Tagliacozzo verfeindete ihn mit seinen Vettern. So groß war noch die Macht dieses Geschlechts, daß sich auf den Ruf »Orsini!« 3000 Bewaffnete auf Monte Giordano versammelten. Sie wollten nach dem Lateran aufbrechen, um dort dem Grafen von Anguillara mitten unter dem Pomp der Krönung des Heiligen Vaters eine Schlacht zu liefern. Boten des Papstes und der Bruder Napoleons, der Kardinal Latinus, beschwichtigten den Grimm der Orsini, und der schwache Greis Calixt, froh, nicht von einem Kampfgewühl umgerissen zu sein, konnte sich endlich beruhigt auf dem päpstlichen Stuhl niederlassen.

Seine kurze Regierung war bedeutungslos. Der Vatikan glich einem Krankenhause, wo der gichtbrüchige Papst bei Lampenlicht meist auf einem Bette ruhte, von Bettelmönchen oder von Nepoten umringt. Die glänzenden Neigungen seines Vorgängers widerten ihn an: er blickte mit Geringschätzung auf die begonnenen Prachtbauten, die schon in ihren Grundrissen Ruinen blieben. Er ehrte die Wissenschaft nur, wo sie praktisch war; er tadelte die Verschwendung Nicolaus' V., der an Handschriften und Kleinode das Geld gewendet habe, welches zum Türkenkrieg hätte dienen sollen.

In Rom stiftete Calixt Versöhnung durch einen Waffenstillstand, welcher von Zeit zu Zeit erneuert wurde; denn der Streit der Orsini mit Eversus brach immer wieder aus, während die Stadt selbst dem päpstlichen Regiment gehorchte. Nach wie vor wurden sechsmonatige Senatoren ernannt, unter ihnen im Mai 1445 Arano Cibo von Genua, der Vater eines nachmaligen Papstes.

Nur zwei Leidenschaften erfüllten die Seele Calixts: der Türkenkrieg und seine Liebe zu den Verwandten. Jenen hatte es gleich nach seiner Wahl als seine höchste Pflicht beschworen, ja schon als Kardinal ein solches Gelübde niedergelegt und vorweg mit seinem Papstnamen bezeichnet. Der Kampf gegen die Ungläubigen war eine national-spanische Leidenschaft in ihm. Das Papsttum, unter Eugen in die italienische Staatenpolitik, unter Nicolaus in literarische Aufgaben versenkt, fühlte unter Calixt III. den Fall Konstantinopels als Gewissensbiß, und wie zur Zeit Urbans II. sah es jetzt im Osten eine welthistorische Aufgabe vor sich, deren Lösung ihm neue Lebenskraft verleihen konnte. Alt-Rom, so sagte der fromme Bischof Antonin als Redner der Florentiner vor dem Papst, hat die Pflicht, Neu-Rom zu befreien, und er erinnerte an Constantin, welcher einst Rom dem Papst geschenkt, wie an Justinian, der diese Stadt von den Goten befreit habe.

Calixt betrieb den Türkenkrieg mit rastlosem Eifer. Seine Bullen riefen die Völker zu dieser heiligen Sache auf, und Schwärme von Bettelmönchen ergossen sich kreuzpredigend über Europa. Unter den Ungarn und Kumanen versuchte Fra Capistrano, ein römischer Minorit, die erloschene Zauberkraft Peters von Amiens wiederzugewinnen. Gesandte wanderten an alle Höfe, und Agenten in alle Länder der Christenheit, den Türkenzehnten und Ablaßgelder einzutreiben. Calixt selbst rüstete Schiffe aus. Er leerte den Kirchenschatz, in welchem Nicolaus V. trotz aller seiner kostspieligen Liebhabereien 200 000 Dukaten niedergelegt hatte. Er veräußerte viele Kleinode, ließ selbst von den Prachtbänden der vatikanischen Bibliothek das Gold und Silber abreißen, versetzte die kostbarste der Tiaren und verkaufte sogar Kirchengüter, um Schiffe auf der Werft der Ripa Grande zu bauen. So konnte im Frühjahr 1456 wieder eine päpstliche Flotte von sechzehn Dreirudern aus Ostia auslaufen. Den Befehl über dieses Geschwader erhielt der kraftvolle Scarampo, der Günstling Eugens, welchen die borgianische Hofpartei und mit ihr der Kardinal Pietro Barbo haßte und so aus Rom entfernte. Der Patriarch und Admiral Scarampo wurde mit den pomphaften Titeln eines Legaten in Sizilien, Dalmatien, Mazedonien, ganz Griechenland, den Ägäischen Inseln und den Ländern Asiens ausgestattet, aber die Taten dieses priesterlichen Pompejus beschränkten sich auf einen Sieg über die Türkenflotte bei Metelino und die Plünderung einiger Inseln im Archipel.

Nur die große Schlacht am 14. Juli 1456, wo der Ungarheld Johann Hunyadi den Eroberer Konstantinopels von den Mauern Belgrads abschlug, zeigte dem Abendlande, daß die Kraft der Christen jene furchtbare Türkenmacht nach Asien zurückwerfen konnte, wenn sie vereinigt war. Daß dies nicht geschah, war nicht die Schuld des Papstes. Die Fürsten hatten nur Worte. Die ganze Christenheit erscholl auf Calixts Gebot dreimal täglich vom Klange der Glocken, doch nicht von dem der Kreuzzugsschwerter. Frankreich verweigerte aus Furcht vor dem Einbruch der Engländer den Kreuzzug und verbot sogar die Veröffentlichung der päpstlichen Bullen; England weigerte sich nicht minder; der Kaiser regte sich nicht, und die Deutschen erklärten, daß ihr Land unter dem Vorwande der Türkenzehnten schon hinreichend ausgesogen sei. Der König Alfonso verwendete die Zehnten zur Ausrüstung einer Flotte, die er statt nach dem Bosporus gegen Genua aussandte, um dort seinen Feind, den Dogen Pietro Campofregoso, zu stürzen und die Adorni, seine Freunde, zu erheben. Erbittert über die Republik Siena, weil sie der Liga seiner Gegner beigetreten war, unterstützte Alfonso Jacob Piccinino im Krieg gegen diese Stadt, während er zugleich die Absichten dieses Bandenführers förderte, welcher auf das Glück Sforzas eifersüchtig in Umbrien oder Etrurien ein Fürstentum zu erbeuten hoffte.

Neuer Erbstreit um Neapel

Eine tiefe Spannung verfeindete schon um des Türkenkrieges willen den Papst und jenen König. Calixt war mit ihm nach Italien gekommen, durch ihn groß geworden; nun trat er dessen Absichten entgegen. Er suchte die Verbindung Aragons mit Sforza zu hindern, denn infolge des Friedens beider zu Neapel hatte der Herzog seine Tochter Hippolyta Maria dem Don Alfonso, einem Enkel des Königs und Sohne Ferrantes von Calabrien, verlobt, während Leonora von Aragon, die Tochter Ferrantes, mit Sforza Maria, dem dritten Sohne des Mailänder Herzogs, im Jahre 1456 vermählt ward. Eugen und Nicolaus hatten die Investitur Neapels nebst dem Rektorat in Benevent und Terracina dem Könige erteilt, indem sie zugleich seinen Bastard Ferrante legitimierten, aber Calixt weigerte sich, diesen einzigen Erben Alfonsos in der Nachfolge zu bestätigen.

Als dieser ruhmvolle Fürst am 27. Juni 1458 starb, erbte Aragon und Sizilien sein Bruder Johann, und bestieg sein Bastard Don Ferrante jenen Thron Neapels, welchen die Kraft seines Vaters dem Hause Aragon errungen hatte. Die Boten des neuen Königs flehten in Rom um Anerkennung, aber Calixt behauptete, daß Ferrante nicht einmal der natürliche Sohn Alfonsos, sondern untergeschoben sei, und er beanspruchte Neapel als heimgefallenes Kirchenlehen. So wurde dies alte Vasallenland der Kirche das ganze fünfzehnte Jahrhundert hindurch in die Politik der Päpste hineinbezogen. Sie trachteten danach, es mit dem Kirchenstaat zu vereinigen und nutzten das Königreich für ihre Nepoten aus. Ihre Unfähigkeit, Neapel in der Machtsphäre der Kirche festzuhalten, zwang sie endlich, fremde Großmächte in das Land eindringen zu lassen, wodurch die Grundlage der Unabhängigkeit Italiens zerstört ward. Ein neuer Thronstreit in Neapel drohte Italien zu verwirren; denn als Prätendenten standen bereit Karl von Viana, Neffe Alfonsos, Sohn des Königs Johann von Navarra, welcher dem Testament gemäß in Aragon und Sizilien nachfolgen sollte, und Johann von Anjou, der Sohn Renés. Der Herzog Sforza ermahnte den Papst, den Frieden Italiens nicht zu stören, fremden Mächten nicht Gelegenheit zu Einfällen zu geben. Man ahnte freilich die Gründe des Verfahrens Calixts: er hoffte, einem seiner Nepoten die Krone Neapels geben zu können, und ein solcher Plan war in der Hauspolitik der Päpste nicht neu.

Unmäßige Liebe zu seinen Verwandten verdunkelte die besseren Eigenschaften des greisen Papstes. Nachdem seine beiden Vorgänger durch ihre Absagung vom Nepotismus so preiswürdig gewesen waren, kehrte dieser Spanier unglücklicherweise zu der Familienpolitik Martins' V. zurück. Wenn er geahnt hätte, daß seine blinde Nepotenliebe seinen unbescholtenen Familiennamen in der Geschichte der Kirche zum Symbol aller Verworfenheit machen sollte, so würde er wohl die Söhne seiner vier Schwestern in die tiefsten Verließe Italiens verbannt haben.

Die Borgias

Die Borgias von Valencia waren ein Stamm, ähnlich den Claudiern im alten Rom; fast alle starklebig von Natur, schön von Körper, wollüstig und hochfahrend; ihr Wappen ein Stier. Durch Calixt III. kamen sie empor. Schon am 20. Februar 1456 hatte er, der von ihm beschworenen Wahlkapitulation zum Trotz, zweien seiner Schwestersöhne, jungen und unreifen Menschen, den Purpur zuerkannt. Der eine war Luis Juan del Mila, der andere Rodrigo Lancol, ein junger Mann von 25 Jahren. Die Nepoten wurden wie über Nacht proklamiert, und der schwache Oheim adoptierte sie, indem er ihnen den Namen Borgia gab. Er überhäufte sie mit Benefizien: der unfähige Mila wurde Legat von Bologna, Rodrigo Legat der Marken und im Jahre 1457 Vizekanzler der Kirche, später Papst Alexander VI.

Ein dritter Nepot, Don Pedro Luis, Rodrigos Bruder, blieb Laie, um die höchsten weltlichen Ehren zu erhalten; er war um ein Jahr älter als sein Bruder, gleich schön und sinnlich, nach großen Dingen trachtend, der erklärte Günstling des Oheims, welcher nach Kronen für diesen Knaben suchte, in Neapel, in Cypern oder gar in Byzanz. Calixt machte ihn zum Bannerträger der Kirche und im August 1457 zum Präfekten der Stadt.

Bei dieser Gelegenheit scheint der Gebrauch aus der Zeit Ottos III. erneuert worden zu sein, denn Don Pedro wurde mit dem Stirnreifen des Präfekten vom Papst gekrönt. Es war infolge dieses Amts, daß er seinem Neffen die Kastelle übergab, welche seit alters das Präfekturlehen ausgemacht hatten. Sodann ernannte er ihn auch zum Dux von Spoleto. Die Erhebung eines Nepoten zum Herzog eines großen kirchlichen Landgebiets war unerhört: mutig erhob Capranica Protest, doch er zog sich nur den Haß der Borgia zu.

Die Nepoten herrschten im Vatikan: ihr größter Gegner Scarampo war nach den Meeren Asiens entfernt worden, ihr anderer Feind, der fürstlich reiche Latino Orsini, mußte Rom verlassen, weil Prospero Colonna auf seiten der Borgia stand. Im Kardinalskollegium war auch Barbo ihr Anhänger, und der im Dezember 1456 mit dem Purpur beglückte Piccolomini, ein feiner Höfling, welcher jeder tatsächlichen Macht huldigte.

Unter dem Einfluß der Borgia erlitt Rom eine spanische Invasion: denn massenweise strömten Sippen und Anhänger dieses Hauses und Glücksjäger aus Spanien in die Stadt. Seit dieser Zeit drangen spanische Sitten und Moden, selbst Sprachlaute auch in Rom ein. Man nannte die ganze Partei der Borgia die »Catalanen«. Da in ihren Händen alle militärische und polizeiliche Gewalt lag, übten sie eine völlige Despotie aus. Die Justiz war willkürlich; man raubte und mordete ungestraft. Die Engelsburg und manche andere Festung hatte der Papst Don Pedro übergeben; endlich wagte er es sogar, diesem unwürdigen Nepoten am 31. Juli 1458 das Vikariat in Benevent und Terracina zu erteilen. Weil nämlich Eugen IV. die Regierung dieser Städte Alfonso von Aragon nur auf Lebenszeit überlassen hatte, waren sie nach des Königs Tode an die Kirche rechtlich zurückgefallen. Don Pedro stieg jetzt zur Größe auf, von Jugend und Glück strahlend, in fürstlichem Reichtum schwelgend, der glänzendste Ritter, den man sah.

Da zertrümmerte der Tod plötzlich die ehrgeizigen Pläne der Borgias: am Anfange des Augusts legte sich der Papst zum Sterben nieder. Alsbald erhoben sich die Orsini, um die Colonna und die Catalanen niederzuwerfen. Der für sein Leben zitternde Don Pedro übergab den Kardinälen die Engelsburg um den Preis von 20 000 Dukaten, und er selbst entfloh mit wenigen Begleitern am 5. August. Die Orsini besetzten alle Wege, die der Nepot mutmaßlich einschlagen konnte, und nur den Bemühungen seines Bruders Rodrigo, vor allem der aufopfernden Freundschaft des Kardinals Barbo verdankte er seine Rettung. Nachts geleitete ihn dieser nebst dem Geheimschreiber Georg Cesarini auf Umwegen über Ponte Molle nach dem Tiber, wo Don Pedro ein Schiff bestieg und nach Civitavecchia entrann. Hier ergriff ihn alsbald ein tödliches Fieber; er starb im Dezember in der Burg jenes Hafens, und seine Reichtümer vermehrten die Schätze seines Erben und Bruders, der ihn schwärmerisch geliebt hatte.

Am 6. August starb Calixt III., unbeweint von den Römern, welche sein Tod von dem Joch der verhaßten Catalanen erlöste. Die Orsini erhoben ein Freudengeschrei; man plünderte die Häuser der Borgia.

Die Wahl Aeneas Sylvius Piccolominis

Der merkwürdige Mann, welcher auf Calixt III. im Pontifikat folgte, war seit langem der Welt bekannt. Es gab in Europa keinen Fürsten oder Staatsmann, keinen Bischof noch Gelehrten, der nicht Aeneas Sylvius persönlich oder durch den Ruf kennengelernt hatte. Sein Leben war vielbewegt und denkwürdig genug gewesen.

Er stammte vom Geschlecht der Piccolomini Sienas, welches dort neben den Salimbeni und Tolomei namhaft gewesen und am Ende des vierzehnten Jahrhunderts verfallen war. Sein Vater war Sylvius, seine Mutter Victoria Fortiguerra. Diese Matrone gebar achtzehn Kinder und sah diese sterben bis auf den einen Sohn Aeneas und die Töchter Laudomia und Catarina. Mit anderm Adel von der Volkspartei verbannt, lebte die Familie in Armut zu Corsignano bei Siena, wo Aeneas am 19. Oktober 1405 geboren wurde. Er studierte widerwillig das Recht in Siena, dann ward er in Florenz Schüler Filelfos und Poggios. Mit einem glänzenden, aber richtungslosen Talent begabt, verließ er die ernste Wissenschaft, um sich der Poesie zu widmen. Er eignete sich die humanistische Bildung der Zeit an, deren Inhalt die Kenntnis der alten Klassiker war, und als deren Vollendung der Stil galt. Seine heitere Natur hatte ihn zum Schöngeist bestimmt; er fand in ihr nicht den quälenden Trieb, womit eine verhüllte große Bestimmung ernsten Geistern fühlbar wird. Genußsucht und Eitelkeit trieben ihn vorwärts: als Poet hoffte er sich einen Namen zu erwerben. Erotische Schriften, lateinische Rhythmen, Nachahmungen Catulls, italienische Lieder, Nachahmungen Petrarcas, erwarben ihm den unverdienten Ruf eines Dichters und den wohlverdienten eines geistreichen und anmutvoll begabten Menschen.

Der zufällige Aufenthalt Capranicas in Siena, als er im Jahre 1431 vor Eugen flüchtend nach Basel eilte, wurde für den jungen Sienesen schicksalsvoll; denn der Kardinal nahm ihn mit sich als seinen Sekretär. Das fünfzehnte Jahrhundert war die Blütezeit der Geheimschreiber: geistreiche Humanisten arbeiteten als solche in den Kanzleien von Päpsten, Fürsten und Kardinälen, wo sie in einem Labyrinth von Ränken als Gunstbuhler ihr Glück erjagten. Piccolomini verließ als ein dürftiger, aber lebenslustiger Poet Italien und gelangte, unter vielen Gefahren zur See, dann über den Sankt Gotthard reisend, nach Basel, um seither 22 Jahre lang ein rastloses Wanderleben in Deutschland fortzusetzen. Dies Land hat Piccolomini als der erste Fremde mit Anteil betrachtet und seiner Geschichte wie Geographie einige Schriften gewidmet. Er selbst verdankte Deutschland sein Glück und vergalt ihm dieses, wie die Deutschen nachher klagten, durch den Verkauf seiner Kirchenreformation an Rom.

Piccolomini diente in kurzer Zeit vielen Herren als Sekretär, immer Welt und Menschen voll neugieriger Wissenslust beobachtend und mit gewandtem Geist Erlebtes in Schriften des Augenblicks niederlegend. Es war das Leben, welches ihn bildete und ihm, wie wenigen Menschen seiner Zeit, Erfahrungen und Stoffe des Wissens zuführte. Es machte ihn nicht zu einem Charakter von festem Gepräge; es drängte ihn nicht in die Bahn großer Taten oder erhabener Ziele: es schuf aus ihm einen Universalmenschen und Virtuosen humanistischer Lebenskunst. Aus der Kanzlei Capranicas kam er in die Dienste des Bischofs von Novara, mit dem er nach Florenz zu Eugen IV. ging. Der arglistige Prälat wurde dort in einen Majestätsprozeß verwickelt, aus welchem sich Aeneas selbst nur durch die Flucht erst in eine Kirche, dann in den Palast Albergatis rettete. Er folgte diesem Kardinallegaten als sein Schreiber nach Basel und Frankreich. In seinem Auftrage ging er selbst nach England und Schottland. Wanderlust trieb ihn durch die Welt; bis zu den Orkaden wollte er schiffen. Im Seesturm gelobte er, wenn er die schottische Küste erreichte, barfuß im Winterfrost eine Wallfahrt nach der nächsten Kapelle zu tun, und die Erfüllung dieses romantischen Schwurs büßte er sein Leben lang durch podagrische Leiden.

Er trennte sich von Albergati, um in Basel zu bleiben, und bald wurde er im Konzil bemerkbar, dessen Prinzip er gegen das Papsttum in seinen »Dialogen« verfocht. Er ward Skriptor des Konzils, sodann Sekretär des Gegenpapstes. Als einer von dessen Gesandten kam er nach Frankfurt. Friedrich III., dem er durch Jakob von Trier empfohlen wurde, krönte ihn dort zum »Poeta Laureatus« Poeta laureatus, d. h. »Gekrönter Dichter«. Die altgriechische Sitte, Dichter bei künstlerischen Wettstreiten feierlich zu bekränzen, wurde auch von den Römern und den römisch-deutschen Kaisern nachgeahmt, Deutschlands berühmteste »gekrönte Dichter« sind Konrad Celtis, Hutten und Opitz. In England lebt diese Sitte heute noch fort. und zog ihn in die Reichskanzlei. Als Eindringling seinen Amtsgenossen verhaßt, besiegte Piccolomini deren Neid durch seine Kunst und seinen Geist, und bald wurde er der Vertraute des berühmten Kanzlers Caspar Schlick.

So begann in der Wiener Kanzlei das dritte Stadium seiner Laufbahn als kaiserlicher Sekretär und Diplomat in Geschäften mit dem Reich und der römischen Kurie, wobei er unermüdlich nach Pfründen suchte, sich aus seiner Armut zu befreien. Den Trieb zur Tugend besaß Piccolomini nicht; die Flamme des Genies einer hohen Natur brannte in ihm nicht; nichts war groß, nichts Leidenschaft an diesem geistreichen Menschen; alles war bezauberndes Talent. Man konnte nicht einmal sagen, daß er ein Ziel verfolgte, außer dem des Glücks. Er ging auf vielen Wegen ohne Frevel, ohne Tücke, doch ohne strenges Gewissen, mit schmeichelnder Anmut gewinnend, nicht mit Kraft erobernd. Seine feinorganisierte Natur und ein ästhetischer Sinn für Form bewahrten ihn vor der Versunkenheit in niedrige Laster.

Im Dienste Friedrichs III. verfocht er die deutsche Neutralität. Die emporsteigende Sonne Eugens IV. klärte ihn sodann über seine eigenen Wege auf, und der Einfluß des zu jenem übergetretenen Cesarini, wie der Carvajals wirkten auf seine Ansichten ein: so ward er zum Apostaten Apostaten: die Abtrünnigen. sowohl von den Grundsätzen des Konzils als von denen der Neutralität. Er gewann Friedrich III. allmählich für Rom, wohin er selbst als dessen Unterhändler im Jahre 1445 über Siena reiste. Seine besorgten Freunde mahnten ihn ab, vor den düstern Papst zu treten, der ihm die Basler Schriften und Reden nicht verzeihen werde. Er ging und vertraute auf seine Beredsamkeit. Niemals sonst beherrschte, außer im alten Athen, die Göttin der Überredung so sehr die Menschen als im Zeitalter der Renaissance. Piccolomini entwaffnete Eugen; er legte ein geistreiches Bekenntnis seiner Basler Irrtümer ab und trat dann offen zum römischen Papst über, welcher seine Brauchbarkeit sehr wohl erkannte und ihn zu seinem Sekretär machte. Nach Deutschland zurückgekehrt, arbeitete dann Piccolomini mit diplomatischer Kunst als Agent der römischen Kurie wider das Reich und die Kurfürsten, bis er dem sterbenden Eugen die Zustimmungserklärung seines Herrn überbringen konnte.

Schon war er Subdiaconus geworden; nach langem Sträuben, der Weltlust zu entsagen, erleichterten ihm diesen Kampf Erschöpfung und beginnendes Siechtum. Nicolaus V. gab ihm im Jahre 1447 das Bistum Triest, und der Bischof Aeneas Sylvius veröffentlichte die erste Selbstverurteilung der reformatorischen Anwandlungen seiner Jugend wie seiner zuchtlosen und antipäpstlichen Schriften. Nun wurde er Papist mit der Aussicht auf den roten Hut; aber Nicolaus V. gab ihm trotz alter und freundschaftlicher Beziehungen denselben nicht. Noch immer lebte Piccolomini in Deutschland als Diplomat Friedrichs in Angelegenheiten des Reichs und Böhmens, selbst Mailands tätig, welches er dem Reiche zu erhalten suchte. Im Jahre 1450 war er Bischof von Siena geworden, worauf ihm die Romfahrt Friedrichs eine erhöhte Bedeutung gab. Von immer heißerer Sehnsucht nach seinem Vaterlande gequält, verließ er endlich Deutschland im Jahre 1455, wo er die Anerkennungserklärung des Kaisers an den neuen Papst Calixt III. zu überbringen eilte, denn die um die Kirchenreform betrogenen Deutschen sprachen immer wieder von der Notwendigkeit der Beschränkung der päpstlichen Gewalt. Am 18. Dezember 1456 machte Calixt Piccolomini zum Kardinal aus Erkenntlichkeit dafür, daß er Alfonso zum Frieden mit Siena vermocht hatte, und der beglückte Emporkömmling dankte seinem Gönner Friedrich III. für diese Erhöhung. Der Purpur war der heißerrungene Lohn einer langen, fast fieberhaften Tätigkeit, voll von Wechselfällen, Gefahren und Mühen auf meist fremder Erde, wie sie unermüdlicher und gewandter kaum ein Condottiere Italiens durchgekämpft hatte. Sein Lohn war bisher geringer als sein Ruhm; und selbst als Kardinalpriester der Santa Sabina war Piccolomini so arm, daß er im Bündnis mit den Borgia seine Bemühungen um Benefizien eifrig fortsetzte.

Er befand sich in den Bädern Viterbos, wo er den Sommer zuzubringen pflegte, beschäftigt, die Geschichte Böhmens zu schreiben, als er zum Konklave nach Rom gerufen wurde. Hier war der würdigste Kandidat des Papsttums Capranica, der erste Wohltäter Piccolominis, und mit diesem würde jener edle, greise Kardinal um die Papstkrone haben ringen müssen, wenn ihm das nicht der Tod am 14. August erspart hätte.

Am 16. versammelten sich achtzehn Kardinäle im Vatikan. Nach der Tiara strebten der mächtige Barbo, der reiche Estouteville, Erzbischof von Rouen, mit französischem Hochmut und seines königlichen Blutes sich bewußt, endlich der feine, doch machtlose Piccolomini. Er besaß Anhänger: seine Talente, seine diplomatische Vergangenheit und die Verbindung mit Kaiser und Reich hatten ihn zum berühmtesten Manne unter den Kardinälen gemacht. Man bezeichnete ihn als künftigen Papst. Estouteville sah sich nahe an der Wahl; doch die Furcht, einen Franzosen zum Papst zu wählen, brachte ihn zu Fall. Der kurze Kampf der Konklaveparteien war spannend; da sich keine Stimmenmehrheit ergab, wählte man den Weg des Accessus. Schweigend und bleich saßen die Kardinäle da; niemand wagte das erste Wort, bis sich Rodrigo Borgia zuerst erhob und sprach: »Ich trete zum Kardinal von Siena«. Das Beispiel wirkte; die Stimmen vereinigten sich auf Piccolomini am 19. August. Er brach in Tränen aus, als sich dieser überraschende Erfolg ergab.

Ein ungewöhnlicher Papst

Daß ein Mann gleich ihm Papst wurde, war eine Neuerung einer vollkommen neuen Zeit; denn seine Laufbahn war ganz eigentlich die eines wandernden Sekretärs gewesen. Er kam nicht aus einem Kloster, nicht aus einer bestimmten kirchlichen Richtung oder kirchenfürstlichen Stellung, nicht aus einer Partei, sondern aus einem vielbewegten diplomatischen Weltleben hervor. Alle jene Humanisten und Rhetoren, die Vaganten des fünfzehnten Jahrhunderts, deren Ideal von Glück in einer Bischofspfründe endete, sahen jetzt mit Entzücken, daß auch ein zuchtloser Poet und Schreiber ihrer Zeit sich ebenso wohl auf den Papstthron schwingen konnte, wie ein heiliger Asket im gläubigen Mittelalter. Als die literarischen Freunde seiner Vergangenheit vernahmen, daß sich Piccolomini Pius II. nannte, mochten sie glauben, daß er diesen Namen wählte, nicht weil er das Prädikat eines edlen Kaisers, sondern das des Aeneas im Virgil gewesen war. Wenn Nepotismus als Pietät gelten dürfte, so würde sicherlich im Katalog der Päpste kein Name häufiger als der des Pius anzutreffen sein. Piccolomini selbst besaß ihn im hohen Grade, aber auch eine wirkliche Pietät gegen seine Eltern und seinen Geburtsort überhaupt.

Mit Nicolaus V. war die humanistische Gelehrsamkeit auf den Papstthron gestiegen, mit dem gewandten Weltmanne Pius II. bestieg ihn der ästhetisch-rhetorische Geist des Zeitalters moderner Universalität. Das mit dem Stoffe des Altertums belebte Talent erschien in Piccolomini als die Virtuosität einer gebildeten und geistreichen Persönlichkeit. Päpste der Vergangenheit, ein Gregor VII., Alexander und Innocenz III. sahen damals aus dem Halbdunkel des Mittelalters schon wie mythische Gestalten hervor. Neben ihnen steht das Bild eines Menschen wie Pius II. sehr klein und profan da, aber es ist wenigstens das Porträt aus einer Welt, die in allen ihren Schichten schon menschlicher und freier geworden ist, als es diejenige war, welche jene einsamen Halbgötter beherrscht hatten. Heilige freilich mochten seufzen: denn jenes mystische Ideal des Mittelalters sank mit der schauerlichen Größe seiner christlichen Tugenden – sie waren oft genug durch gleich große Laster entstellt gewesen – unrettbar in den Strom der neuen klassisch profanen Zeit hinab.

Die Wahl Piccolominis befriedigte die Römer, denn er war als Kardinal beliebt gewesen und hatte keiner Partei angehört. Rom, welches in Waffen stand, legte diese ab. Die Magistrate und Barone brachten dem Gewählten einen Fackelzug dar. Draußen beglückwünschte man ihn an jedem Hof; der Kaiser zumal war sehr erfreut. Am 3. September nahm Pius II. Besitz vom Lateran, wobei ihn die rohe Habgier derer, die sein Pferd sich aneignen wollten, in Gefahr brachte, erstickt zu werden.

Mit 53 Jahren bestieg er den Heiligen Stuhl, und doch war er bereits ein zerstörter Mann: von der Gicht, der familiären Krankheit der Päpste, gequält, klein und schwächlich von Gestalt, schon kahlhäuptig, bleich und alt aussehend; nur die Augen blitzten von heiterem Geist. Sechs Jahre lang trug er die Tiara; jedoch es ist nicht die Zeit seines Pontifikats, wodurch die Lebensgeschichte Piccolominis so anziehend geworden ist. Das Papsttum war nur noch der Gipfel der Ehren, nicht mehr der Macht. Im fünfzehnten Jahrhundert würde weder Hildebrand noch Innocenz III. die Welt mehr bewegt haben. Die Päpste wachten nur noch über die Einheit der kirchlichen Verfassung, die sie noch ein Jahrhundert lang bewahrten, und mit Eifersucht über ihre apostolische Autorität, welche sie dem Reich, den Königen, den Landesbischöfen, endlich den Konzilien abgekämpft hatten. Die tiefe Verderbnis in der Kirche selbst, der Mißbrauch ihrer ehrwürdigen Heilsgaben, Gesetze und Anstalten zu Zwecken des Eigennutzes und der Widerspruch, in welchen die Dekretalen Pseudoisidorische Dekretalen sind eine Sammlung unechter kirchlicher Rechtsquellen, um das Jahr 850 von Klerikern hergestellt; sie übertrugen die Machtansprüche der Päpste auf die ältesten Zeiten. zu der vorwärtsschreitenden Wissenschaft und Staatsgesellschaft gekommen waren, hätten wohl ein apostolisches Genie zur Reformation dieser Kirche an Haupt und Gliedern drängen müssen; aber dies Genie fand sich nicht. Die Päpste, welche das Konstanzer Parlament zur Reform verpflichtet hatte, entzogen sich alle dieser Pflicht. In der Wahlkapitulation, die Pius II. beschwor, stand in erster Linie der Türkenkrieg, in zweiter die stets wiederholte Phrase von der Reformation nicht der Kirche, sondern der römischen Kurie, und diese bedurfte als der Mittelpunkt der gesamten kirchlichen Verwaltung freilich vor allem andern der Reform. Ihre Verdorbenheit hatte er gründlich kennen gelernt und, ehe er Papst geworden war, dies Urteil von ihr gefällt: »Es gibt nichts, was von der römischen Kurie ohne Geld zu erlangen ist. Denn selbst die Priesterweihen und die Geschenke des Heiligen Geistes werden verkauft. Verzeihung der Sünden wird nur für Geld erteilt.«

Zunächst erwartete die literarische Welt in Pius II. einen großen Mäzen. Filelfo und seine Genossen versprachen sich ein augusteisches Zeitalter, doch bald wendeten sie sich enttäuscht von einem Papste ab, der nichts von ihnen wissen wollte. Wie manche Menschen, welche, zur Macht gelangt, ihre Vergangenheit verleugnen, wies Pius II. das Literatentum von sich, und dies war unter seinen Wandlungen die verzeihlichste. Der Gedanke an sein früheres Leben und seine Grundsätze, welche im Widerspruch zum Papsttum standen, beunruhigte ihn noch hier und da. Er hätte Schätze hingegeben, wenn er die Erinnerung an seine Basler Epoche in der Welt auszulöschen oder einige seiner Schriften, zumal die Dialoge, die Liebesbriefe und anderes zu vertilgen vermochte. Selbst noch im Jahre 1463 wiederholte er seine »Retraktation«. Er verglich sich darin mit S. Paul und S. Augustin. »Verwerft«, so sagte er, »Aeneas und behaltet Pius.« Diese Selbstabschwörung, die er an die grämlichen Theologen in Köln richtete, zeigt keine Spur weder von Heuchelei noch von der Zerknirschung eines jammernden Betbruders. Sie ist das rednerisch schön geschriebene Bekenntnis des weltkundigen Mannes, der sich mit dem Spruche tröstet, daß irren menschlich sei. Fromme Christen mögen sonst beurteilen, ob S. Paul oder Augustin den Papst Piccolomini als ihresgleichen, als einen Helden der Überzeugung aus dem Irrtum anerkannt haben würden. Es gab sowohl wirkliche Fromme als Pedanten und Spötter, welche Pius entgelten ließen, was Aeneas gesündigt hatte. Doch war er nicht der Sohn seines Jahrhunderts? Die Erinnerung an seine Vergangenheit, welche übrigens kein Frevel geschändet hat, verlor sich bald in der heiteren Menschlichkeit, vielleicht auch in der allgemeinen Sittenlosigkeit seiner Zeit, und wenn je die Irrtümer der Jugend dem Alter zu vergeben sind, so konnte Pius II. darauf Ansprüche machen. Sein Leben als Papst war fleckenlos; er war mäßig, mild, menschenfreundlich und nachsichtig. Man liebte ihn.

Rüstung für den Türkenkrieg

Von jeder kriegerischen Politik wendete er sich ab. Nichts befähigte ihn zum Monarchen auch nur des Kirchenstaats. Sein gebildeter Geist hatte einen weiteren Horizont. Aber eine große europäische Tätigkeit mußte sein Papsttum ausfüllen, wenn dies nicht bei dem Mangel aller weltgeschichtlichen Aufgaben namenlos bleiben sollte. Die Befreiung Konstantinopels wurde sein Ideal, und dies Ziel war erhaben und zeitgemäß; der Grieche Bessarion bemühte sich dafür mit Leidenschaft. Niemand wird in der Seele Piccolominis jene Glaubensschwärmerei suchen, welche einst Urban II. begeistert hatte oder noch den einfältigen Mönch Capistran bewegte; Ruhmbegierde, dichterische Phantasie, aber sicherlich auch religiöses Gefühl, zumal das Bewußtsein der päpstlichen Pflicht waren die Triebfedern seines Tuns. Mit dem Türkenkriege nahm er es ernst; er selbst blieb sich in dieser Leidenschaft getreu, denn schon bevor er Kardinal geworden war, hatte er in Deutschland auf vielen Reichstagen für den Türkenkrieg gesprochen und geschrieben.

Schon am 13. Oktober 1458 lud er alle Fürsten der Christenheit nach Mantua zur Beratung eines Kreuzzuges ein. Um die Kirche aus diesen Drangsalen zu erretten, habe ihn Gott, so sagte er, zum Papst eingesetzt.

Für dies Unternehmen mußten alle Hindernisse erst in Italien selbst fortgeräumt werden. Weiser als Calixt III., bewilligte Pius am 10. November 1458 dem Könige Neapels die Investitur; dafür verpflichtete sich Ferrante, Benevent sogleich und Terracina nach zehn Jahren zurückzugeben, den schuldigen Census (Steuer) zu zahlen, dem Papst Truppen gegen jeden Feind zu stellen. Hierauf wurde er durch den Kardinal Latino Orsini in Barletta gekrönt. Die Freundschaft Neapels kostete dem Papst jene Frankreichs, dessen Gesandte Einspruch erhoben, doch sie war für ihn notwendig, nicht allein um des Türkenkriegs willen, sondern auch, um sich der kleinen Tyrannen zu erwehren, welche, wie Eversus, Malatesta und Piccinino, den Kirchenstaat in Aufruhr hielten. Jacopo Piccinino stand im Dienste Ferrantes gerade in den Marken, wo er Gismondo Malatesta bekriegte, als durch den Tod Calixts die Borgia zu Falle kamen. Don Pedro Luis war Herzog von Spoleto gewesen, und in vielen Burgen dieses Landes lagen seine catalanischen Vögte. Alsbald erkaufte Piccinino von diesen Assisi; andere Städte nahm er mit Gewalt. Pius II. nun fand sich ohne Waffenmacht und ohne Geld, da sein Vorgänger viele Einnahmen der Kirche an die Borgia gebracht hatte; er mußte jetzt stärkere Geldsummen auftreiben, um Piccinino zu überbieten, und so löste er Spoleto, Narni, Soriano, Viterbo, Civita Castellana, selbst Civitavecchia von den Vögten der Borgia ein. Piccinino, welchen der Graf Eversus aufstachelte, war trotzig nach Umbrien gerückt; aber die drohenden Vorstellungen Sforzas und auch der Befehl Ferrantes vermochten ihn, umzukehren und endlich am 2. Januar 1459 Assisi und andere Schlösser dem Papst für 30 000 Dukaten herauszugeben.

In Rom selbst verbündete sich Pius II. die mächtigste der städtischen Parteien, indem er am 16. Dezember 1458 den Bruder des Kardinals Prospero, Antonio Colonna, Fürsten von Salerno, zum Präfekten ernannte. Die Römer, selbst manche Kardinäle, murrten über die bevorstehende Abreise des Papstes nach Mantua. Sie erinnerten sich nur zu wohl an die Folgen des langen Exils Eugens, und sie fürchteten dessen Wiederholung. Pius beruhigte sie durch ein Dekret, welches befahl, daß im Falle seines Todes außerhalb der Stadt die Wahl seines Nachfolgers nur in Rom erfolgen solle. Er ließ die Barone schwören, während seiner Abwesenheit Frieden zu halten; den Richterkollegien befahl er, auf ihrem Posten zu bleiben; den Bevollmächtigten aller Orte des Kirchenstaats bestätigte er deren Freiheiten und einen Steuererlaß. Zum Senator ernannte er Gianantonio Leoncilli von Spoleto, zu seinem geistlichen Vikar den Kardinal von S. Pietro in Vincoli, den berühmten deutschen Philosophen Nicolaus von Cusa. Ganz von romantischen Ideen des Kreuzzuges erfüllt, stiftete er noch wenige Tage vor seiner Abreise, am 18. Januar 1459, einen neuen Ritterorden der heiligen Maria zu Bethlehem, welchem er die vom Kardinal Scarampo eroberte Insel Lemnos zum Sitze anwies; doch dieser Orden trat nie ins Leben.


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