Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
In der lateinischen Welt trat die Renaissance als Wiedergeburt des klassischen Heidentums auf: in der germanischen wurde sie zur Renaissance des evangelischen Christentums. Es war die vereinigte Wirkung dieser beiden Hälften des europäischen Geistes, welche die moderne Kultur erschuf.
Die veredelte Menschlichkeit der Kirche und des Staats, der Völker und der Bürger kann sich aus diesem Prozeß nur durch die Arbeit der Zeit gestalten, aber sie ist doch schon im fünfzehnten Jahrhundert als der aufgehende Keim des neuen Kulturideals sichtbar, welches an die Stelle des katholischen Ideals des Mittelalters trat, wie es in der Kirche und dem Reich, den universalen Formen des Abendlandes, bisher ausgedrückt gewesen war.
Seit dem Konzil zu Konstanz Das Konzil zu Konstanz (1414-1417), von Kaiser Sigismund und Papst Johann XXIII. einberufen, beendete das Große Schisma (1378-1417), die Spaltung der Kirche, während der jeweils ein Papst in Rom und in Avignon residierte, verurteilte Huss und Hieronymus von Prag zum Scheiterhaufen und vertagte die beabsichtigte Reformation der Kirche. Papst Johann XXIII. dankte ab, Papst Martin V. wurde gewählt. erfuhr die Menschheit eine tatsächliche Verwandlung. Sie trat aus der Phantasiewelt des Mittelalters in einen praktischen Zustand über. Den Zauberbann dogmatischer Übersinnlichkeit, worin sie die Kirche gefesselt hielt, lösten das Wissen und die erfinderische Arbeit allmählich auf.
Große Tatsachen eröffneten dem Menschen des fünfzehnten Jahrhunderts einen weiteren Horizont, und sie schufen eine unermeßliche Fülle von Lebensstoff. Lateiner und Germanen teilten sich in die Erzeugung dieser Tatsachen mit gleich bewundernswürdigem Genie. Jene weckten die Götter, Weisen und Dichter des klassischen Altertums wieder auf, erleuchteten mit der Fackel antiker Wissenschaft das kritiklose Dunkel, worin die scholastische Theologie und der Aberglauben ihre Herrschaft gehabt hatten, und verschönerten das Leben durch den Reiz der Kunst. Aber zu gleicher Zeit durchbrachen sie die geographische Grenze der Alten Welt: sie schifften kühn durch die Säulen des Herkules, zwischen Gibraltar und Ceuta, fanden die Seewege nach Indien und endlich eine neue Welt, Amerika.
Die Germanen empfingen von den Lateinern die Schätze der antiken Kultur, deren sie sich so schnell und gründlich bemeisterten, daß sie ihre kommende Macht auch im Reiche des Wissens schon ahnen ließen. Aber sie selbst erfanden die praktische Buchdruckerkunst, welche dem Gedanken Flügel der Verbreitung und ewige Dauer gab. Ihr philosophischer Geist reformierte bald auch zwei veraltete Weltsysteme, das ptolemäische Ptolemäus lebte und lehrte zu Alexandrien um 120 n. Chr. als Geograph, Astronom und Mathematiker. Sein Werk »Syntaxis mathematika« behandelt das »Ptolemäische Weltsystem«, wonach die Erde der Mittelpunkt unseres Planetensystems ist. Dagegen stellte im Jahre 1543 mit seinem Werk »de revolitionibus orbium coelestium« Nik. Copernikus die Lehre auf, daß alle Planeten (auch die Erde) sich gesetzmäßig um die Sonne drehen. des astronomischen Himmels und das gregorianische Papst Gregor I. (590 bis 604) und Papst Gregor VII. (1073-1085) waren die beiden Päpste, die die geistliche Gewalt als unbedingte Herrschaft über die weltliche erstrebten. des alleinherrschenden Papsttums.
War es nur Zufall, daß in jene Epoche der Untergang des oströmischen Kaiserreiches fiel? Die furchtbare Türkenmacht ließ sich als mohammedanisches Cäsarentum in der Stadt Constantins nieder, bedrohte Europa mit asiatischer Barbarei und zwang dessen Staaten zu politischen Verbindungen und zu lebhafterem Verkehr. Die Päpste faßten den Gedanken der Renaissance der Kreuzzüge, doch die mittelalterlichen Ideen erwiesen sich als tot, denn der kirchliche Glaube begeisterte die praktisch gewordene Welt nicht mehr, die nur noch von politischen Trieben bewegt wurde.
An die Stelle des theokratischen Prinzips Theokratie: Gottherrschaft, Priesterreich. trat die Politik selbständiger Staaten. Nationale Ländermassen oder monarchische Erbreiche bildeten sich, wie Spanien, Frankreich, England und Österreich. Sie rangen nach der europäischen Vorherrschaft. Kongresse der Mächte traten an die Stelle der Konzile, das politische Gleichgewicht an die Stelle der internationalen Autorität des Kaisers und Papstes.
Das Papsttum selbst, tief erschüttert und alt geworden, fand sich, nach Überwindung des großen Schisma Das Konzil zu Konstanz (1414-1417), von Kaiser Sigismund und Papst Johann XXIII. einberufen, beendete das Große Schisma (1378-1417), die Spaltung der Kirche, während der jeweils ein Papst in Rom und in Avignon residierte, verurteilte Huss und Hieronymus von Prag zum Scheiterhaufen und vertagte die beabsichtigte Reformation der Kirche. Papst Johann XXIII. dankte ab, Papst Martin V. wurde gewählt., in einer neuen Zeit im veralteten Rom wieder, doch nicht mehr als die weltbewegende Universalgewalt des Abendlandes. Wenn es auch, noch stark durch sein Verwaltungssystem, sein dogmatisches und hierarchisches Hierarchie: Priesterherrschaft, Rangordnung der geistigen Gewalten. Ansehen wiederherzustellen vermochte, so war doch seine große Idealmacht schon untergegangen. Die Epoche der Renaissance Europas wurde die Zeit seiner eigenen profansten Verweltlichung auf den Grundlagen eines kleinen monarchisch werdenden Fürstentums. Diese zeitgemäß praktische, aber der Kirche selbst nachteilige Verwandlung erklärt sich aus dem Selbständigwerden der Staaten und Volksgeister, aus dem Verlust der großen geistlichen Aufgaben des Mittelalters, aus dem Aufhören des weltgeschichtlichen Kampfes mit der Reichsgewalt, und endlich aus dem Fall der städtischen Freiheit Roms.
Der Fortbestand der römischen Republik würde die Päpste des fünfzehnten Jahrhunderts ohne Frage genötigt haben, ihre Tätigkeit hauptsächlich auf die geistliche Sphäre zu wenden: unumschränkte Herren Roms geworden, verließen sie ihre höchsten Aufgaben als Oberpriester der Christenheit, um sich als weltliche Fürsten ihren Kirchenstaat einzurichten. Sie versenkten sich aus Herrschbegier und Familientrieb in die politischen Händel der italienischen Staaten, und doch besaßen sie nicht Stärke genug, um die wirkliche Herrschaft über Italien zu erlangen. Dieses Land wurde nicht minder durch die Nepotenpolitik, der Vetternwirtschaft seiner Päpste, als durch die dynastische Eifersucht seiner Fürsten endlich die Beute fremder Eroberer.
Das Papsttum der Renaissance, entstanden aus den es umformenden Trieben der Zeit, bietet meist nur ein abschreckendes Schauspiel dar, und die hohen Verdienste einiger Päpste um die Kultur der Wissenschaft und Kunst ersetzten nicht den unermeßlichen Verlust, den die allgemeine Kirche durch die Ausartung der schrankenlos gewordenen Papstgewalt erlitt. Die Natur dieser Übel zu verschleiern oder ihre wahren Ursachen zu fälschen, ist heute ein vergebliches Bemühen. Wenn die Päpste der Renaissance die von ganz Europa begehrte Reform nicht verweigert, wenn sie die Vorteile des Papsttums nicht an die Stelle der Kirche gesetzt hätten, so würde die große Kirchentrennung schwerlich erfolgt sein. Europa sah sich mit einer neuen römischen Absolutie bedroht, die um so unerträglicher war, weil ihr keine erhebende religiöse oder soziale Idee zugrunde lag. Gemeine weltliche Triebe der Herrschsucht und Habsucht beherrschten das Papsttum in einer Zeit schrankenloser Sittenverderbnis. Die murrenden Völker duldeten die tiefste, heute kaum glaublich scheinende Entheiligung des Christentums und die fortgesetzten Eingriffe der alles verschlingenden Kurie, des päpstlicher Hofes, in ihre Staaten und Bistümer, in ihr Gewissen und ihr Vermögen, bis im Beginne des sechzehnten Jahrhunderts das Maß voll ward. Deutschland, durch die Reichsidee seit langen Jahrhunderten an Rom gekettet, riß sich vom Papsttum durch seine nationale Reform los, und das Resultat der unerträglichen Mißhandlung edler Völker war die Selbständigkeit der germanischen Welt und durch sie eine neue Kultur, deren Mittelpunkt nicht mehr die Kirche ist. In der Befreiung der Völker und Staaten von der Führung Roms durch die deutsche Reformation endete demnach die zweite römische Weltherrschaft und das Mittelalter überhaupt.
Die Gärung der europäischen Geister in diesem denkwürdigen Umwandlungsprozeß erzeugte gewaltige politische Erschütterungen und dämonische Leidenschaften, während das Licht der Wissenschaft und die Blüte der Schönheit über der Welt aufgingen, um in ewigen Denkmälern fortzuleben.
Nach seiner Rückkehr vom Konstanzer Konzil, wo er zum Papst gewählt wurde, beschäftigte Martin V. (1417-1431) die schwere Aufgabe, den Kirchenstaat wiederherzustellen, die Stadt aus ihrem Verfall zu heben Der Kirchenstaat, das sogenannte Patrimonium Petri, ging aus einer Schenkung Pippins hervor, die er 755 dem Papst Stephan III. machte. Karl d. Gr. erweiterte 774 diese Gebiete, die später durch »Erwerbungen« immer größer wurden. Erst 1870 fand der Kirchenstaat sein Ende. Er wurde dem Königreich Italien einverleibt. Seitdem ist der Papst nur noch im Besitz des Vatikans und des Laterans.. Sie gelang ihm so weit, daß er die Fundamente legen konnte, auf denen seine Nachfolger ihr Papstkönigtum aufgebaut haben. Das erschöpfte römische Volk widerstand ihm nicht, es begrüßte vielmehr in seinem erlauchten Mitbürger den Befreier von Tyrannen und den Friedensstifter. Zwar lebten noch die republikanischen Grundsätze, aber nur in einzelnen Geistern. Rom konnte von der alten Freiheit nichts mehr bewahren als die Selbstregierung der Gemeinde, ein Gut, welches freilich noch unschätzbar war. Martin hielt diese kommunale Verfassung stets in Ehren. Auf seinen Befehl trug Nicolaus Signorili, der Schreiber des Senats, die Rechte der Stadt in ein Buch zusammen. In hergebrachten Formen regierte der Magistrat. Doch diese Körperschaft besaß nur noch kommunale, polizeiliche und richterliche Befugnisse.
Die Verwilderung der Stadt war übrigens so groß, daß es dem Papst nur mit Mühe gelang, die Ordnung wiederherzustellen. Das Rom Martins V. war noch die Stadt des vierzehnten Jahrhunderts, ein von Türmen überragtes Labyrinth schmutziger Gassen, worin das Volk in Armut und Trägheit freudelose Tage hinbrachte. Blutrache hielt die Geschlechter entzweit: Bürger lagen mit Baronen und diese miteinander in Kampf. Im Jahre 1424 erschien ein damals berühmter Heiliger in Rom, Buße zu predigen, der Franziskaner Bernardino von Siena. Der Scheiterhaufen, welchen er am 25. Juni mit Symbolen des Luxus und der Zauberei auf dem Kapitol anzündete, und die Hexe Finicella, die drei Tage später verbrannt wurde, waren Schauspiele, welche Martin an die Tage von Konstanz erinnern mußten, wenn dies nicht ohnehin der wilde Hussitenkrieg getan hätte.
Räuberschwärme machten die Landschaft unsicher. Ein Räubernest Montelupo ließ Martin zerstören, einige Bandenhäupter hinrichten, und die Sicherheit kehrte zurück. In Tuskien
Tuskien: Tuscien, mittelalterliche Bezeichnung für Toskana. Mittelitalienische Landschaft vom Tyrrhenischen Meer bis in den Apennin; 1139-1266 unter staufischer Reichsverwaltung, später unter der Oberhoheit von Florenz. war der Stadtpräfekt Johann von Vico emporgekommen und so kriegstüchtig, daß Martin ihm Amnestie geben mußte. Dagegen waren die meisten römischen Adelsgeschlechter verschuldet
und verarmt. Die Anibaldi saßen machtlos auf ihren lateinischen Erbgütern, nicht minder die Conti, die Gaetani und Savelli. Nur die Orsini und Colonna
Orsini, röm. Fürstengeschlecht, das zuerst mit Papst Cölestin III. (1191-98) auftritt, fast durchgängig an der Spitze der Guelfen stehend.
Colonna, ebenfalls römisches Adelsgeschlecht, Erbfeinde der Orsini, Anhänger der Ghibellinen. Papst Martin V. und Vittoria Colonna (Dichterin) waren die berühmtesten Vertreter. waren noch stark genug, um in Rom Bedeutung zu haben. Beide Geschlechter besaßen außer ihren Landgütern auf beiden Seiten des Tiber auch große Lehen im Königreich Neapel, und sie hatten in den letzten Zeiten des Schisma durch den Kriegsruhm einiger ihrer Mitglieder Ansehen erlangt. Ihre ererbte Feindschaft fand jetzt neue Nahrung, seitdem ein Colonna (Martin V.) Papst geworden war. Liebe zu seinem Hause wie das Bedürfnis eigener Sicherheit trieben gerade Martin V. zu einem maßlosen Nepotismus, und mit ihm begann das Bestreben der Päpste, ihre Familien auf Kosten bald Neapels, bald des Kirchenstaates groß zu machen. Der Papst selbst mehrte die Erbgüter des Hauses durch viele Kastelle im römischen Gebiet, welche er von Abgaben befreite. Die Colonna erhielten nach und nach Marino, Ardea, Frascati, Rocca di Papa, Petra Porzia, Soriano, Nettuno, Astura, Palliano und Serrone, und sie wurden so die Gebieter des größten Teils von Latium im mittleren Italien. Selbst in fernen Burgen Umbriens und der Romagna gab der Papst seinen Nepoten das Besatzungsrecht. Aber die Vermehrung der Hausmacht Colonna mußte neue Fehden mit ihren Erbfeinden herbeiziehen. Während der Kern der Besitzungen jener in Latium lag, herrschten die Orsini in Tuskien und der Sabina
Sabina: Landschaft nördlich von Rom.. Dort hatten sie schon im vierzehnten Jahrhundert große Landschaften am See von Bracciano erworben, während sie seit uralten Zeiten Monterotondo und Nomentum wie das umliegende sabinische Land bis zu den Grenzen der Abruzzen besaßen. Denn hier hatten sie längst Tagliacozzo an sich gebracht. Um den Besitz gerade Mittelitaliens, in welches sich jetzt die Colonna eindrängten, entspann sich der Streit der beiden Familien. Martin verfuhr zwar mit den Orsini vorsichtig, die er schon in den ersten Jahren seines Papsttums zu gewinnen suchte, zumal der hochgebildete Kardinal Giordano einer seiner Beförderer zum
Papsttum gewesen war; doch konnte der Kampf beider Häuser nicht lange auf sich warten lassen.
Der Papst sah übrigens seine Brüder schnell dahinsterben: Lorenzo kam schon im Jahre 1423 in einem brennenden Turme der Abruzzen um, und Giordano starb kinderlos zu Marino am 16. Juni 1424. Antonio, Prospero und Odoardo, die Söhne Lorenzos, setzten den Stamm fort. Den jungen Antonio, Fürsten von Salerno, hoffte Martin sogar auf den Thron Neapels zu erheben; Prospero ernannte er am 24. Mai 1426 zum Kardinal von S. Georg in Velabro, proklamierte ihn aber seiner Jugend wegen erst im Jahre 1430. Martins Schwester Paola war die Gemahlin Gherardos Appiani, des Herrn von Piombino, und ihr hatte er Frascati verliehen. Catarina, eine Tochter Lorenzos, hatte er am 23. Januar 1424 mit Guidantonio Montefeltre, dem Grafen von Urbino, vermählt. Diese in Rom feierlich abgeschlossene Verbindung eröffnete die lange Reihe von Nepoten-Vermählungen des fünfzehnten Jahrhunderts. So ganz lebte Martin in den Erinnerungen seines Hauses, daß er sogar im Palast der Colonna bei den Santi Apostoli seit 1424 seinen Sitz nahm, um furchtlos unter den Römern und auf der Stätte seiner Ahnen zu wohnen. Er hatte jenen Palast neu ausgebaut. Er baute auf der Campagna auch das Schloß Genazzano; hier war er selbst geboren, und er hielt sich in ihm bisweilen auf, wenn ihn Hitze oder Pest aus Rom vertrieben. Mit Kraft und Klugheit in der Stadt herrschend, wo ihm der Magistrat, die Barone, die Kardinäle huldigten, wurde Martin V. auch in den Provinzen des Kirchenstaates vom Glück begünstigt. Ein nur loser Verband mit der päpstlichen Autorität gab jenen Ländern kaum noch den Begriff eines Staates. Die Städte in Umbrien, der Romagna und den Marken, der Landschaft am adriatischem Meer, waren entweder frei oder in der Gewalt von Tyrannen, welche die Hoheit der Kirche hier gar nicht, dort nur als Vikare anerkannten. Unter diesen Vasallen war Braccio von Montone der mächtigste. Martin hatte seine eigene Rückkehr nach Rom nur durch den Vertrag mit diesem Condottiere Condottiere – im Mittelalter Anführer von Söldnertruppen. möglich gemacht und sich hierauf seiner Waffen bedient, um Bologna zum Gehorsam zurückzuführen. Aber er hatte ihm Perugia, Assisi, Todi und andere Orte als Vikariate überlassen müssen. Braccio, dieser furchtbare Tyrann Umbriens wartete nur auf die Gelegenheit, sich aus Ländern der Kirche ein Fürstentum zu gründen. Er wurde indes in die Verwirrungen des Königreichs Neapel hineingezogen, wo er sein Ende fand.
Dieses alte Lehn des Heiligen Stuhls nahm in der weltlichen Politik Martins die erste Stelle ein. Schon manche Päpste hatten es an ihre Verwandten zu bringen gesucht, und auch er hoffte darauf; denn die Königin Johanna von Neapel, die letzte Erbin des Hauses Anjou-Durazzo war ein charakterloses Weib, ein Spielball der Hofkabalen und dem Willen ihres Günstlings, des Groß-Seneschall Ser Gianni Carraciolo, Untertan. Vor seiner Rückkehr nach Rom hatte Martin diese Königin Johanna II. anerkannt und durch seinen Gesandten krönen lassen; aber schon in Florenz geriet er in Streit mit ihr, wozu die Rückstände des Tributs die nicht unwillkommene Veranlassung boten. Noch mehr erzürnte es ihn, daß die Königin Sforza Sforza: die von Muzio Attendolo, genannt Sforza, abstammende Familie, aus der 6 Mitglieder als Herzöge von Mailand herrschten: Francesco Sforza (1401-1466), der Schwiegersohn und Nachfolger (1450) des Herzogs Filippo Maria Visconti; Galeazzo Maria Sforza, der 1476 infolge einer Adelsverschwörung ermordet wurde; Giov. Galeazzo Sforza (1469-1494); Massimiliano Sforza, gest. 1530 und sein Bruder Francesco II., gest. 1535. Der Söldnerführer Sforza starb 1424. nicht unterstützte, nachdem sie diesen General ausgeschickt hatte, Braccio aus dem Kirchenstaate zu vertreiben. Der beleidigte Sforza forderte Ludwig von Anjou zur Eroberung des Königreichs auf, und diesem Plane gab auch Martin noch in Florenz seine Zustimmung. Als nun jener Condottiere die Fahne Anjou in Neapel wieder erhob, trieb dies die haltlose Königin zu dem folgenschweren Entschluß, den König Alfonso von Aragon Alfons V., König von Aragonien. Als König von Neapel und Sizilien Alfons I. Geboren 1401, regierte er seit 1416 Aragonien. 1421 wurde er von der Königin Johanna, die ihn adoptierte, gegen Ludwig von Anjou zu Hilfe gerufen. Seit 1443 war er im Besitz von Neapel. Er starb bei der Belagerung von Genua 1458. in ihr Land zu rufen.
Der kühne Alfonso (1401-1458) belagerte eben Bonifazio in Korsika, als ihm neapolitanische Boten die Aussicht auf die Krone des herrlichsten Reiches eröffneten und ihn aufforderten, Johanna von ihren Bedrängern, Sforza und Anjou, zu befreien. Er schickte eine Flotte ab, welche Neapel entsetzte, dann traf er selbst dort im Juli 1421 ein, worauf ihn die Königin als Nachfolger adoptierte. Dies brachte den Papst auf; denn wie durfte er den Thron Neapels von einem Monarchen einnehmen lassen, welcher bereits Aragon, Sizilien und Sardinien besaß? Fortan stritten beide Prätendenten um die neapolitanische Krone: auf der Seite Aragons kämpfte Braccio, welchen Johanna herbeigerufen, zum Befehlshaber ernannt und mit Capua und Aquila beliehen hatte; auf der Seite Anjous standen Braccios Todfeinde: Sforza und der Papst. Ludwig von Anjou war unglücklich; bald kam er hilfeflehend nach Rom: und Martin suchte jetzt, was ihm die Waffen versagt hatten, mit diplomatischen Künsten zu erreichen. Die wankelmütige Johanna entzweite sich in der Tat mit Alfonso; sie widerrief am 1. Juli 1423 dessen Adoption und übertrug diese zur großen Freude des Papstes auf Ludwig von Anjou. Martin, der jetzt alles aufbot, diesen zur Anerkennung zu bringen, lud den Herzog von Mailand ein, mit ihm gemeinsam Aragon von Italien fernzuhalten, und wirklich unterstützte ihn Filippo Visconti durch eine genuesische Flotte. Braccio unterdes, schon Herr Capuas und Parteigänger Alfonsos, war gegen Aquila gerückt, welches sich noch für Johanna behauptete. Wenn er diese Stadt mit seinen Besitzungen vereinigte, so würde der große Condottiere von dort wie von Perugia aus einen eisernen Ring um Rom gelegt haben.
Der Papst erkannte die Wichtigkeit Aquilas; er schickte Truppen dem Sforza zu Hilfe, welchen die Königin im Dezember 1423 zum Entsatz jener Stadt hatte ausrücken lassen. Aber dieser berühmte Kriegsmann versank 1424 vor den Augen seines Heeres in den Wellen des Flusses Pescara, als er ihn gepanzert durchreiten wollte. Sforza, der sich von der Ackerscholle zu den höchsten Ehren emporgeschwungen und Italien mit seinem Ruhm erfüllt hatte, vererbte seinen Namen, seine Güter, seinen Ehrgeiz und ein größeres Glück einem seiner Bastarde, dem bald weltberühmten Francesco, welcher seine Laufbahn unter den Fahnen des Vaters begonnen hatte, sie im Dienst der Königin von Neapel und anderer Herren fortsetzte und auf dem Herzogsthron Mailands glorreich beschloß.
Der Untergang seines einzigen ebenbürtigen Gegners eröffnete jetzt Braccio unermeßliche Aussichten auf Erfolg. Dem Papst ließ er sagen, er wolle ihn bald soweit bringen, daß er für ein Goldstück hundert Messen lesen werde. Er verdoppelte seine Anstrengungen, Aquila zu erobern, aber diese einst vom Hohenstaufen Konrad gegründete Stadt glänzte durch den Heldenmut ihrer Bürger, die den Feind vor den Mauern dreizehn Monate hindurch siegreich bekämpften. Zu ihrem Entsatz schickten Martin und Johanna Truppen unter Lodovico Colonna, Jacob Caldora, Francesco Sforza, so daß sich in beiden Lagern die ersten Kriegskapitane der Zeit versammelten. Endlich entschied am 2. Juni 1424 eine Schlacht das Schicksal Süditaliens und auch des Kirchenstaates: Braccio fiel verwundet in die Hände des Feindes. Ein wütender Ausfall der Bürger gewann den Sieg, und die Befreier zogen in die jubelnde Stadt ein. Den sterbenden Condottiere trug man auf einem Schilde aus der Schlacht; er sprach kein Wort mehr; er verschied am folgenden Tage. Fast gleichzeitig mit Sforza geboren, starb er auch in demselben Jahre wie dieser. Die Namen dieser großen Kapitäne lebten in jenen militärischen Schulen fort, welche sie gestiftet hatten; denn die Sforzeschi und die Bracceschi wurden zu Parteien mit politischer Färbung, wie einst Guelfen und Ghibellinen
Guelfen und Ghibellinen – »Hie Welf, Hie Waiblinger!« Die Guelfen (Welfen) waren schon z.Zt. Karls des Großen in Deutschland reich begütert; Anhänger der Partei des Papstes.
Die Ghibellinen (Waiblinger, von der hohenstaufischen Burg Waiblingen im Remstale) waren Parteigänger des Kaisers. im Mittelalter.
Lodovico Colonna brachte die Leiche des Feindes, der im Bann der Kirche gestorben war, nach Rom. Der tote Held, einst der Schrecken von Päpsten, Fürsten und Städten, wurde wie ein wildes Tier vor das Tor S. Lorenzo geworfen, wo er tagelang liegen blieb, bis man ihn verscharrte. Die Römer feierten Freudenfeste; mit einem Fackelzuge geleitete der Adel Jordan, den Bruder des Papstes, nach dem Vatikan, und in Wahrheit konnte Martin froh sein, denn nun war der Mann tot, welcher ihn bisher an der Wiederherstellung des Kirchenstaates gehindert hatte. Alle von Braccio besetzten Städte: Perugia, Todi, Assisi, ergaben sich der Kirche alsbald oder in wenigen Jahren; denn seine Witwe, Nicolina Varano, vermochte sie nicht zu halten, zumal nachdem ihr Sohn Oddo im Kriege gefallen war. Die Macht des Papstes schreckte jetzt auch die kleinen Dynasten in den Marken; der junge Sforza zog in seinem Dienst gegen Foligno, wo er Corrado Trincio zur Unterwerfung zwang. Bald huldigten auch Forli, Fermo, Imola, Ascoli, Sinigaglia dem Heiligen Stuhle wieder, dem sie sich unter ihren Signoren während des Schisma Das Konzil zu Konstanz (1414-1417), von Kaiser Sigismund und Papst Johann XXIII. einberufen, beendete das Große Schisma (1378-1417), die Spaltung der Kirche, während der jeweils ein Papst in Rom und in Avignon residierte, verurteilte Huss und Hieronymus von Prag zum Scheiterhaufen und vertagte die beabsichtigte Reformation der Kirche. Papst Johann XXIII. dankte ab, Papst Martin V. wurde gewählt. entzogen hatten.
Wie unbeständig indes die Treue seiner Untertanen war, mußte auch Martin V. erfahren; denn Bologna vertrieb im Jahre 1428 seinen Gesandten, den Erzbischof von Arles, und erst nach heftigen Kämpfen und glücklicheren Unterhandlungen gelang es dem Papst im September 1429, diese mächtige Stadt wieder zur Aufnahme eines Gesandten, des Dominicus von Capranica, zu bewegen. Sie unterwarf sich der Kirche, aber sie blieb eine sich selbst regierende Republik, welche noch hundert Jahre lang den Päpsten trotzte. Die italienischen Verwirrungen zur Zeit Martins V. bieten nur ein Chaos kleiner Kriege dar, in welchen, außer dem einen Alfonso, nirgend das Genie eines Staatsmannes, sondern nur das Talent von Kapitänen aus der Schule Sforzas und Braccios bemerklich wird, wie Carmagnola, Niccolò Piccinino. Francesco Sforza, Niccolò Fortebraccio, Jacopo Caldora, Niccolò da Tolentino und andere. Aber in dieser inneren Gärung suchten sich doch einige Nationalmächte zu befestigen und einander das Gleichgewicht zu halten: nämlich Mailand, Venedig, Florenz, der Kirchenstaat und Neapel.
Filippo Maria Visconti Die Visconti wurden 1312 von Kaiser Heinrich VII. zu Statthaltern in Mailand eingesetzt. Das Geschlecht erreicht unter Johann Galeazzo Visconti seinen Höhepunkt. Er erobert Pisa, Siena, Perugia, Padua, Verona und Bologna. Kurz vor seinem Tode 1402 wollte er sich zum König von Italien machen. Sein Sohn Filippo Maria war der Letzte der Visconti. Nach dessen Tode 1447 erringt der Condottiere Francesco Sforza die Herrschaft und wird 1450 Herzog von Mailand. versuchte auf den Spuren seines Vaters Johann Galeazzo ein lombardisches Königreich zu gründen; doch das Talent dieses launenhaften Tyrannen von riesigem und häßlichem Körperbau war dem nicht gewachsen. Ihn bekämpften Florenz und Venedig, welche der gemeinsame Feind zu Verbündeten machte, und nur die Vermittlung des Papstes rettete ihn. Denn Martin konnte die zu große Schwächung Mailands nicht dulden, weil sie Venedig zu sehr gestärkt hätte, und diese Republik trachtete unablässig nach Ravenna und den Marken. Sie ging aus dem Kriege mit Visconti mit dem Erwerb Bergamos hervor.
Auch die letzte der Guelfenrepubliken, Florenz, bildete noch einen kraftvollen Volksstaat. Sie besaß Pisa und strebte nach Lucca und Siena, ihr Gebiet in Toskana abzurunden. Sie fiel schwer ins Gewicht für diejenige Macht, welcher sie sich zuneigte, und sie war stark genug, das Gleichgewicht unter den italienischen Staaten zu erhalten, als deren Schwerpunkt sie sich bald unter den Medici
Das Geschlecht der
Medici gelangt um 1400 in Florenz zu hohem Ansehen und fürstlicher Stellung.
Johann von Medici, reicher Bankier, Begründer der Macht des Hauses.
Cosimo, der Sohn (gestorben 1464), Begründer der Platonischen Akademie und der mediceischen Bibliothek. Unter Lorenzo, Cosimos Enkel (gest. 1492), hatte Florenz seine glanzvollste Zeit. betrachten konnte. Der Kirchenstaat wiederum bildete sich erst jetzt auf den Trümmern der römischen Gemeinde und anderer Städteverfassungen, noch schwach und unsicher, aber schon mit dem sichtbaren Prinzip des weltlichen Papst-Königtums. Indem die Päpste in die Reihen der italienischen Landesfürsten eintraten, hätten sie die Hegemonie Italiens zu erlangen vermocht, wenn sie das Vasallenland Neapel in ihr Ländergebiet aufnehmen durften. Aber das Erlöschen des Stammes Durazzo erzeugte dort eine dynastische Umwälzung, welche für das Schicksal der ganzen Halbinsel entscheidend wurde. Aragon, und durch dieses später Spanien, trat als Prätendent der Krone Neapels auf, während das Haus Anjou auf denselben Schauplatz Frankreich zog. Im Norden drohte wiederum Mailand, worauf die Orleans Viscontische Erbansprüche geltend machten, der Gegenstand des Streites zwischen Frankreich und dem Reiche zu werden, welches seine Hoheitsrechte zu günstiger Zeit wieder aufnehmen konnte.
Die Regierung Martins war im ganzen eine glückliche Wiederherstellung des Papsttums. Im Jahre 1429 erlosch auch der letzte Rest des Schisma durch die Abdankung des Gegenpapstes Muñoz, wozu außer dem Kardinal Peter von Foix der Rat des aragonischen Königs, Alfonso Borgia, viel beigetragen hatte. Er erhielt zum Lohn das Bistum Valencia, und so begann der Name Borgia bekannt zu werden.
Dagegen zogen sich aus dem Konzil in Konstanz noch tiefe Wirkungen in den Pontifikat Martins hinüber: die hussitische Ketzerei und die Verpflichtung, die Kirche zu reformieren. Huß lebte im Geiste seiner Freunde und Rächer fort; sein Martertod und seine Lehre entflammten das Böhmenvolk und erzeugten jenen schrecklichen Religionskrieg unter Ziska und Prokop, welcher den Albigenserkriegen i. J. 1229 an Wut gleichkam, sie an Ausdehnung überbot und das Deutsche Reich in tiefe Zerrüttung stürzte. Martin rief die Christenheit zu Kreuzzügen wider die Hussiten auf, doch die deutschen Heere erlagen fast überall. Diesen Brand hätte die Kirche nur durch ihre eigene Reformation zu stillen vermocht, aber der Forderung der Zeit hatte sich der Papst schon in Konstanz entzogen. Er erneuerte die monarchische Autorität des Papsttums, unterwarf das Kardinalskollegium seinem Willen und legte den Grund zur Fürstenmacht des Heiligen Stuhls. Für die Reformation auch nur der eigenen Kurie tat er nichts. In Wirklichkeit entfernte er keinen der Mißbräuche, wogegen das Konzil aufgetreten war, sondern er vermehrte noch diese Übel. Die Beschlüsse in Konstanz hatten ihm die Pflicht auferlegt, das Konzil nach fünf Jahren in Pavia zu erneuern; er berief es notgedrungen dorthin im Jahre 1423 und schickte seine Gesandten, es zu eröffnen. Als die ausbrechende Pest ihm den gesuchten Vorwand gab, es nach Siena zu verlegen, erhob sich auch hier alsbald bedenklicher Streit wider die päpstliche Alleingewalt. Den europäischen Widerspruch gegen diese und gegen die Anmaßung der Rechte der allgemeinen Kirche durch die römische Kurie hatte Martin V. nur augenblicklich zurückgedrängt. Ihm selbst genügte der äußere Friede, in welchem sich die Kirche wieder als Einheit darstellte und das bisher mißachtete Papsttum nochmals zu Glanz und Macht gedieh. Er setzte dieses an die Stelle jener, ohne auf die Folgen zu blicken, welche die verweigerte Reform nach sich ziehen mußte. Weil nun sein einziges Prinzip die Papstmacht war, schreckte er vor dem Gedanken an die Erneuerung jenes furchtbaren Widerspruchs zurück, den jedes Konzil notwendig erheben mußte. Martin eilte auch, die Kirchenversammlung in Siena, am 19. Februar 1424, aufzulösen: erst nach sieben Jahren, so gebot er, sollte sich diese in Basel versammeln. Die Reformen an der Kurie beschränkten sich schließlich auf eine Konstitution, wodurch der Luxus der Kardinäle gemindert werden sollte, obwohl dies Gesetz vollkommen erfolglos blieb. Dagegen war es ein wirkliches Verdienst des Papstes, daß er in das heilige Kollegium mehr Männer brachte, denen Tugenden oder Bildung bald ein hohes Ansehen gaben. Unter denen, die er am 24. Mai 1426 ernannte, befanden sich der reformeifrige Erzbischof von Arles, Louis d'Aleman, der fromme Albergati, der von seinen Zeitgenossen bewunderte Julian Cesarini, ein Mann von vollendetem Adel des Geistes und der Natur, ferner der hochgebildete Domenico Capranica, und auch Martins Verwandter Prospero Colonna sollte einst durch seine Pflege der Wissenschaften beweisen, daß er des Purpurs, des Kardinalmantels, würdig war.
Die Zeit der Eröffnung des Konzils in Basel nahte heran. Martin hoffte wohl, auch diese Kirchenversammlung umgehen zu können, doch zwang ihn das heftige Drohen der deutschen Reichsfürsten, welche die Beilegung der Hussitenkriege durch jenes Konzil zu erreichen hofften, seine Gesandten dafür zu ernennen. Am 8. November 1430 fand man einen Anschlag am Vatikan, welcher Papst und Kardinäle als Ketzer mit Absetzung bedrohte, wenn sie die Kirchenversammlung versagten. Da starb der Papst, und wohl zu seinem Glück, plötzlich am Schlagfluß, im Palast bei den Santi Apostoli, am 20. Februar 1431.
Die geschichtliche Größe Martins V. beruht nur darauf, daß er das Schisma abschloß und als alleiniger Papst den Heiligen Stuhl wieder in Rom bestieg. Er war ein kluger Mann voll scharfen Verstandes für alles Naheliegende und Praktische, mäßig und fest, von fürstlicher Willenskraft, mild von Sitten und von einnehmenden Formen: der Wiederhersteller des Papsttums und auch Roms. Man darf ihn rühmen, daß er aus Sparsamkeit Pomp und Glanz verschmähte. Der Renaissance, welche kaum zwanzig Jahre nach ihm das Papsttum mit theatralischer Pracht umgab, ging eben erst unter Martin, einem Sohne noch des rauhen vierzehnten Jahrhunderts, die ganz praktische Restauration voran. Er fand die Kassen der Kirche tief erschöpft. Dies war vielleicht der Grund nicht allein für seine Sparsamkeit, mit welcher er »elendiglich im Palast der Apostel Hof hielt«, sondern auch für seinen Geiz und seine Habsucht. Denn diese Fehler wie den Nepotismus haben die Zeitgenossen an ihm zu tadeln Grund gehabt. Er brachte die Güter der Kirche rücksichtslos an seine Verwandten, ohne des Widerspruchs der Kardinäle zu achten. Hundert Jahre später fällte der Kardinal Egidius über Martin V. das Urteil, daß er den Grund zur Größe und zum Glanz der Kirche (das heißt des Papsttums) legte, welche zur Zeit Julius' II. ihre höchste Höhe erreicht hätten; daß er der Kirche ein goldenes Zeitalter des Friedens zurückgab, aber daß in ihr über dem Gewinn von Reichtümern und Macht die Autorität der Tugend verloren ging.
Rom verschmerzte den Verlust der republikanischen Freiheit unter einem Papst, welcher dem Volk ein gerechtes Regiment und steigenden Wohlstand gab. Während seiner Regierung wurde kaum ein Waffenlärm gehört. Mit Gold auf der Hand, so sagt ein römischer Chronist, konnte man zur Zeit Martins V. viele Meilen weit von Rom gefahrlos umhergehen. Auch für die Stadt selbst begann mit ihm eine neue Epoche. Sie erhob sich allmählich aus der Barbarei zu einer menschlicheren Gestalt. Auf dem bronzenen Grabmal Martins V. im Lateran, dem päpstlichen Palast, schrieb sein dankbares Geschlecht den schönsten Ehrentitel, den man einem Fürsten geben kann: »Temporum suorum felicitas« Tempororum suorum felicitas: Seine Zeit war Glückseligkeit.. Und dies Lob war nicht ganz unbegründet, wenn man an die schrecklichen Leiden der Zeit des Schisma zurückdachte.
Die einstimmige Wahl der versammelten Kardinäle, unter denen die Partei der Orsini überwog, machte am 3. März 1431 den Venetianer Gabriel Condulmer zum Papst. Eugen IV., Schwestersohn Gregors XII., erst Mönch im Benediktinerkloster S. Giorgio in Alga zu Venedig, war im Schisma emporgekommen, von seinem Oheim zum Bischof Sienas, dann im Jahre 1408 zum Kardinal von S. Clemente gemacht worden. Unter Martin V. war er Gesandter in den Marken gewesen. Sein kräftiges Alter von 47 Jahren, ein ernstes vornehmes Wesen bei hoher Gestalt ließen einen gebieterischen Geist vermuten, doch er besaß eine schwankende und leicht entzündbare Natur. Der fromme Condulmer war ohne humanistische Bildung, in weltlichen Geschäften unerfahren und vielleicht gerade deshalb versucht, mit Hast in solche einzugreifen.
Noch im Konklave Konklave: Die Versammlung der Kardinäle zur Papstwahl. beschwor Eugen IV. die Artikel einer Wahlkapitulation. Gleich den Kurfürsten des Reichs stellten nämlich die Kardinäle solche Konklave-Kapitulationen auf, wodurch sie den neuen Papst verpflichteten, die Kurie nicht aus Rom zu verlegen, ein Konzil zu berufen, die Kirche zu reformieren. Im Grunde war das eine Beschränkung der Papstgewalt, welche zumal nach dem Tode Martins notwendig schien, da dieser sich so viele Eingriffe in das Kirchengut zugunsten seiner Verwandten erlaubt und das heilige Kollegium durch seine Willkür verletzt hatte. Nun suchte sich das Kollegium die Rechte eines mitregierenden Senats zu sichern, und dies gelang bei schwachen, niemals bei kraftvollen Päpsten. Jeder neugewählte Papst beschwor seither, die Privilegien der Kardinäle zu achten, ihre Einkünfte, Würden und Personen nicht anzutasten; alle Vasallen und Rektoren im Kirchenstaat, wie alle Offizialen der Stadt Rom sowohl den Kardinälen als sich selbst zu verpflichten; kein Kirchengut auszuleihen, keinen Krieg zu machen, und was den Kirchenstaat betraf, nichts von Bedeutung zu unternehmen ohne die ausdrückliche Zustimmung der Kardinäle. So bildeten diese eine mit immer größeren Rechten ausgestattete Oligarchie Oligarchie: die Herrschaft weniger. und die Verfassung des Papsttums würde aristokratisch geworden sein, wenn die Päpste nicht tausend Mittel, namentlich die Verleihung von Pfründen, in Händen hatten, ihre Günstlinge von sich abhängig zu machen.
Am 11. März ward Eugen IV. geweiht und gekrönt. Sein Papstname war nicht glückverheißend; er erinnerte an die Bedrängnisse Eugens III., für welchen einst der heilige Bernhard das Buch von der Betrachtung geschrieben hatte, und diese Unterweisung in der schwierigen Kunst, Papst zu sein, eilte der gelehrte Camaldulenser Traversari, dem vierten Eugen gleich nach seiner Erhebung zu überreichen.
Nach der Restauration besaß der Papst wieder Ansehen in der Welt, Einfluß in Italien, fürstliche Macht in Rom und dem Kirchenstaat und einen gefüllten Schatz. Aber dennoch erlebte schon der Nachfolger Martins so viel Unglück, daß die finstern Zeiten des Schisma wiederzukehren schienen. Das Konzil zu Basel, dessen Berufung Eugen IV. schon am 12. März 1431 bestätigt hatte, bedrohte ihn, und noch ehe es sich versammelte, brach in Rom der Sturm über ihn herein.
Eugen war kaum Papst geworden, als er sich den Orsini zuneigte und die Colonna verfolgte, aufgereizt von den Feinden dieses Hauses, den Kardinälen Jordan Orsini und Lucido Conti. Martin V. hatte seine Nepoten in Reichtum und Macht zurückgelassen. Es waren dies die jungen Söhne Lorenzos und der Sveva Gaetani: Antonio Fürst von Salerno, Odoardo Graf von Celano und der zweiundzwanzigjährige Kardinal Prospero. Ihr Kriegsvolk lag in der Engelsburg, dem Grabmal Hadrians, in Ostia und andern Schlössern der Kirche. Ihre Soldbanden hielten sogar Städte in den Marken besetzt. Sie übergaben zwar dem neuen Papst die römischen Kastelle und brachten ihm Huldigungsgeschenke dar, aber man beschuldigte sie, sich der Schätze, die ihr Oheim zum Türkenkriege gesammelt hatte, und auch der päpstlichen Kleinodien bemächtigt zu haben, welche im Palast der Santi Apostoli verwahrt lagen. Der aufbrausende Eugen ließ die Kämmerer seines Vorgängers am 11. April festnehmen, um von ihnen ein Geständnis zu erpressen. Diese Verhaftung vollzog Stefano, der Sohn des Nicolaus Colonna vom Hause Sciarra, damals Kapitän der Kirche und mit seinen Vettern entzweit, mit so großer Gewaltsamkeit, daß der Papst selbst ihn zu bestrafen drohte. Er entwich nach Palestrina. Auch der Kardinal Prospero verließ die Stadt. Diese stolzen Nepoten eines hochgefeierten Papstes begegneten der Hitze Eugens mit gleich blindem Ungestüm. Sein Verfahren war gewaltsam, aber nicht unbegründet; denn er selbst, der nichts von Nepotismus wissen wollte, erkannte sehr wohl, daß er in Rom nicht regieren konnte, ohne jene Colonna zu demütigen, welche sein Vorgänger so groß gemacht hatte. Als er auch die Herausgabe vieler Orte verlangte, deren rechtmäßige Verleihung durch Martin V. er bestritt, sammelten diese Barone ihr Kriegsvolk, mit dem sie nach Marino zogen. Zu ihnen stießen Verwandte und Anhänger von den Conti, Gaetani und Savelli und auch Konrad von Antiochia, ein Abkomme jenes alten Ghibellinenhauses, welches noch immer das Kastell Piglio besaß. Mißvergnügte Römer, Freunde der alten Republik boten ihnen ihre Dienste an. Noch einmal erhob sich der ghibellinische Adel zum Kampf gegen das wiederhergestellte Papsttum. So saß Eugen IV. kaum einen Monat auf dem Thron, als er sich schon von allen Schrecken des städtischen Krieges bedrängt fand.
Der Prinz von Salerno erstürmte am 23. April die Porta Appia. Stefan Colonna drang sogar in die Stadt, wo er sich in seinem Palast bei S. Marco verschanzte. Jedoch das Volk erhob sich nicht, vielmehr wurden die Eingedrungenen durch päpstliche Truppen verjagt. Diese plünderten die Häuser der Colonna, selbst den Palast Martins und die Wohnung des Kardinals Capranica. Domenicus Pantagati aus dem Colonnischen Felsenkastell Capranica bei Palestrina, damals Bischof von Fermo, war nämlich von Martin V. schon im Jahre 1426 zum Kardinal ernannt, aber noch nicht proklamiert worden; doch hatte dieser Papst geboten, die noch nicht publizierten Kardinäle nach seinem Tode zum Konklave zuzulassen. Capranica war deshalb in die Nähe Roms geeilt, seine Zulassung zur Papstwahl zu fordern; sie wurde ihm verweigert, weil die Partei der Orsini dies begehrte. Er entfloh mit Mühe den Nachstellungen Eugens, der ihm den Kardinalshut absprach und gegen ihn einen Prozeß erhob. Er appellierte hierauf an das Konzil.
Von Rom zurückgeschlagen, behaupteten die Colonna das Stadtgebiet. Sie setzten sich mit Filippo Visconti in Verbindung, welcher in einem venetianischen Papst mit vollem Recht seinen Feind erkannte. Soviel Liebe Martin V. in Rom entgegengekommen war, soviel Haß verfolgte hier Eugen. Man kam einer Verschwörung auf die Spur, wonach die Engelsburg überrumpelt, der Papst selbst getötet oder samt den Orsini verjagt werden sollte. Ein Hochverratsprozeß ward eingeleitet; ihm fielen mehr als zweihundert Menschen teils im Kerker, teils auf dem Schafott zum Opfer; und so war Rom wie über Nacht in die Greuel seiner wildesten Vergangenheit zurückgestürzt. Nachdem Eugen die Colonna am 18. Mai 1431 gebannt hatte, wurde in ganz Latium wütend Krieg geführt. Die Königin Johanna schickte Truppen unter Jacopo Caldora; aber diesen Kapitän bestachen die Colonna, so daß er bald untätig blieb. Besser wirkten Hilfsvölker aus Venedig und Florenz: denn Niccolò von Tolentino brachte die Barone in so große Not, daß sie Eugen vernichten konnte, wenn ihn nicht plötzliche Krankheit, die man Vergiftung zuschrieb, kraftlos gemacht hätte. Er bot ihnen Frieden, und sie schlössen ihn am 22. September 1431 unter folgenden Bedingungen: sie zahlten 75 000 Dukaten, gaben Narni, Orte und Soriano heraus und zogen ihre Kapitäne aus allen Burgen des Kirchenstaates, deren Besetzung ihnen von Martin V. übergeben worden war. So hatte Eugen die Genugtuung, das mächtigste Geschlecht Roms gedemütigt, aber zugleich sich rachlustige Feinde erzeugt zu haben. In diesen Krieg war auch der Stadtpräfekt Jacob von Vico, ein Verbündeter der Colonna, verwickelt worden; Niccolò Fortebraccio, damals Kapitän der Kirche, und Johann Vitelleschi, der Bischof von Recanati, hatten ihn aus seinen Besitzungen nach Toskana verjagt.
Kaum war dieser Kampf beendigt, als die Zeit erschien, wo das Konzil eröffnet werden sollte. Wichtige Fragen mußten hier verhandelt werden: die Reform der Kirche, die Beilegung der hussitischen Wirren, die Union der griechischen und lateinischen Kirche, zu welcher der von den Türken bedrängte byzantinische Kaiser Johannes VIII. die Hand bot. Der römische Kaiser Sigismund hoffte von dem Konzil die Versöhnung mit dem böhmischen Lande, die Stärkung seiner Reichsgewalt und endlich die Vereinigung aller christlichen Streitkräfte zum Türkenkriege. Eugen ging mit Furcht dieser Kirchenversammlung entgegen. Denn seit den Konstanzer Beschlüssen trat das Konzil als Organ der Bedürfnisse der allgemeinen Kirche mit der Papstgewalt in Widerspruch. Es bedrohte die römische Hierarchie mit einer Reform, welche beim Haupte beginnen sollte. Die Päpste bebten davor zurück, sowohl weil hundert Mißbräuche zugleich hundert Privilegien ihrer Herrschaft geworden waren, als weil die Reform selbst in Wahrheit eine fast übermenschliche Aufgabe war. Martin hatte die bischöfliche Opposition Europas zu vermeiden vermocht; jetzt aber mußte sie sich, zwölf Jahre lang zurückgehalten, mit doppelter Gewalt gegen seinen Nachfolger erheben.
Eugen bestätigte als Bevollmächtigten beim Konzil den Kardinal Cesarini, welchen schon Martin dazu ernannt hatte. Dieser ausgezeichnete Mann stammte aus einer römischen Familie, die erst mit ihm geschichtlich wurde. Sein Vater Julian war ein armer Edelmann. Cesarini, im Jahre 1398 geboren, hatte beide Rechte studiert, noch jung einen Lehrstuhl in Padua mit Ruhm eingenommen und war von Martin im Jahre 1426 zum Kardinaldiaconus von S. Angelo ernannt worden. Wissen, Beredsamkeit, Begeisterung für die moralische Größe der Kirche und diplomatisches Talent sicherten ihm eine bedeutende Zukunft. Martin hatte ihn als Legaten nach Deutschland gesandt, wo er die Reichsfürsten zum Hussitenkrieg entflammen und zugleich dem Konzil Vorsitzen sollte, und Cesarini übernahm diese hohe Stellung voll glühenden Eifers für die Kirche, deren Rettung aus der Verderbnis er von der Tätigkeit eines Konzils mit voller Überzeugung erwartete. Eugen gebot nun diesem Kardinal, das Konzil zu eröffnen, sobald sich eine hinreichende Menge von Prälaten eingefunden haben würde.
Spärlich trafen die Bischöfe in Basel seit dem März 1431 ein. Cesarini selbst, noch beim Feldzuge gegen die Hussiten anwesend, erschien dort erst am 9. September nach der schrecklichen Niederlage des deutschen Reichsheeres bei Taus im Böhmerwald am 14. August. Doch hatte er das Konzil schon am 23. Juli durch seine Stellvertreter zusammentreten lassen.
Tiefes Mißtrauen der Kurie gegen die Kirchenversammlung und dieser gegen jene erschwerte von vornherein die Verhandlungen, und Eugen bereute es bald, das Konzil in einen von Italien entfernten Ort verlegt zu haben, wo es an dem nahen Frankreich, am römischen Könige und dem von ketzerischen Elementen tief durchdrungenen Deutschland festen Anhalt finden mußte. Unter nichtigen Vorwänden hob er es schon am 18. Dezember 1431 durch eine Bulle auf und bestimmte Bologna als Ort, wo es nach achtzehn Monaten neu zusammentreten sollte. Dieser Schritt riß sofort eine Kluft zwischen ihm und dem Konzil auf, denn dieses bekämpfte nun die Papstgewalt als eine verfassungswidrige Eigenmacht und stellte sich auf den in Konstanz gewonnenen Boden. Die versammelten Väter weigerten sich, der Bulle zu gehorchen: sie schickten Proteste nach Rom; Sigismund tat das gleiche; Cesarini selbst, im Innersten betroffen, stellte dem Papst die Verwirrung vor, in welche die Kirche stürzen mußte, wenn sie auch jetzt wieder um die Reform getäuscht werde. Er weissagte die Zukunft.
Die Mächte wie die Völker traten auf die Seite des Konzils. Die Zahl der Versammelten mehrte sich mit jedem Tag.
Im Frühjahr 1432 erschien auch Capranica, ein Mann von fleckenloser Reinheit des Charakters, begleitet von seinem Sekretär Aeneas Sylvius Piccolomini, der spätere Papst Pius II., um gegen Eugen Klage zu erheben. Das Konzil bestätigte seine Kardinalswürde, und bald trafen auch andere Kardinäle ein, welche Rom in heimlicher Flucht verlassen hatten. Die öffentliche Meinung richtete sich entschieden gegen die Alleingewalt des Römischen Stuhls und die Lehre, daß der Papst unfehlbar und der absolute Diktator der Kirche sei.
Schon am 21. Januar erneuerten die Basler die großen Grundsätze von Konstanz, daß die allgemeine Kirchenversammlung die gesamte Kirche darstelle, selbständig und unauflösbar sei und über dem Papst stehe, und sie forderten am 29. April Eugen auf, in drei Monaten persönlich oder durch Stellvertreter zu seiner Rechtfertigung zu erscheinen. Die Zustimmung sowohl des Königs von Frankreich, als vor allem die Aufmunterung des reformeifrigen Sigismund gab ihnen Mut, diesen Verfassungskampf mit dem Papst zu wagen, dessen Ausgang das Schicksal der Kirche für die Zukunft entscheiden mußte.
Der römische König Sigismund befand sich damals in Italien, wohin er schon im November 1431 gegangen war, um die Rechte des Reiches wieder herzustellen und nach alter Sitte beide Kronen in Mailand und in Rom zu nehmen. Wenn dieses späte Verlangen nach einem Titel fast launenhaft erschien, so war es wenigstens damals verständlich. Ohne Heer, nur mit einigen hundert ungarischen Reitern konnte Sigismund keinen Eindruck auf die Italiener machen, die seiner Majestät spotteten. Er brachte außerdem die Sache der Reform in Gefahr, indem er dem Papst Gelegenheit gab, die Bewilligung der Kaiserkrönung an Bedingungen zu knüpfen, welche gegen das Konzil gerichtet waren.
Sigismund fand Italien von jenen innern Kriegen erfüllt, welche dieses Land noch fast hundert Jahre lang peinigten. Noch immer kämpften Florenz und Venedig wider den Herzog von Mailand, und diesen begünstigte der römische König, ja er war von ihm zu Hilfe gerufen und hatte mit ihm ein Bündnis gegen Venedig gemacht, während Eugen als Venetianer sich veranlaßt fühlte, wider den Visconti Partei zu ergreifen. Am 25. November 1431 nahm Sigismund in S. Ambrogio die eiserne Krone Eiserne Krone, mit der seit Ende des 6. Jahrhunderts die lombardischen Könige (Langobarden), dann Karl der Große und die meisten deutschen Könige gekrönt wurden als Regenten der Lombardei. 1805 noch Napoleon I. und 1938 Kaiser Ferdinand I. von Österreich. Napoleon I. stiftete den Orden der Eisernen Krone. Die Krone besteht aus einem goldenen, mit Edelsteinen besetzten Reif, innen aus einem schmalen eisernen Reif, einem Nagel vom Kreuze Christi. und blieb den Winter in Mailand, ohne daß ihn Filippo Maria einer persönlichen Begrüßung würdigte. Er wollte schnell nach Rom gehen, wo die Colonna ihn erwarteten. Aber Eugen widersetzte sich der Romfahrt, sowohl aus Feindschaft gegen Mailand, als aus Mißtrauen gegen das Konzil, welches Sigismund beschützte. Am Anfange des folgenden Jahres zog dieser nach Piacenza. Dort erfuhr er die Veröffentlichung der Bulle Eugens zur Auflösung des Konzils und protestierte durch ein Schreiben an den Papst. Sodann ging er nach Parma und Lucca. Lucca wie Siena waren Verbündete des Herzogs gegen Florenz, und diese Republik mahnte den Papst dringend von der Krönung Sigismunds ab. Sie bewog ihn, seine Truppen mit den ihrigen zu vereinigen, um den Übergang des Königs über den Arno zu verhindern, was jedoch nicht gelang. Denn glücklich erreichte er Siena, wo er am 11. Juli 1432 einzog und mit prachtvollen Festen geehrt wurde. Sigismund blieb dort, gleichsam eingesperrt, neun lange Monate, zur Verzweiflung der Sienesen, welche den kostbaren Gast und seinen gierigen Hof verpflegen mußten. Er unterhandelte eifrig wegen der Kaiserkrönung mit dem Papst, denn Eugen forderte als ihren Preis die Zustimmung des Kaisers zur Verlegung des Konzils in eine Stadt Italiens. Doch dieses erreichte er nicht. Den Baslern selbst hatte Sigismund feierlich gelobt, nicht eher die Kaiserkrone zu nehmen, bis nicht der Papst das Konzil anerkannt habe. Bereits war das Konzil machtvoll gegen Eugen eingeschritten; es hatte ihn am 6. September 1432 in Anklage versetzt und am 18. Dezember aufgefordert, seine Bulle innerhalb sechzig Tagen zu widerrufen, unter Androhung des Prozeßverfahrens. Fürsten und Völker, Synoden und Universitäten stimmten diesen kräftigen Handlungen bei und ließen das Papsttum sinken.
Eugen fürchtete seine Absetzung; er unterhandelte mit Basel und mit Sigismund zugleich. Am 14. Februar machte er ein erstes Zugeständnis: er erließ eine Bulle, worin er zweideutig erklärte, daß er durch seine Legaten ein Konzil in Basel abhalten lassen wolle. Aber die Väter verlangten die Rücknahme der Auflösungsbulle und die klare Anerkennung, daß das Konzil bereits eröffnet sei und zu Recht bestehe. Sie forderten Sigismund auf, heimzukehren. Der König hatte sich jedoch schon in zu tiefe Unterhandlungen mit dem Papst eingelassen; er befand sich zu Siena in drückender Verlegenheit, wollte nicht mehr ohne die Kaiserkrone vor den Toren Roms umkehren und gab sich deshalb mit den Versprechungen Eugens zufrieden.
Am 8. April schlossen seine Machtboten, der Kanzler Caspar Schlick und Graf Matiko, in Rom den Krönungsvertrag. Sie gelobten, dahin zu wirken, daß Eugen IV. als der unzweifelhafte Papst von der Christenheit anerkannt werde. Als das Konzil davon Kunde erhielt, kam seine Mahnung an den König zu spät. Da nun auch der Friede zwischen Florenz, Venedig und Mailand am 26. April unterzeichnet worden war, rief Eugen den König nach Rom. Dem Vertrage gemäß sollte er nur mit seinem Hofgefolge kommen, und als solches galten die 600 Reiter und einige hundert Mann Fußvolk, mit denen derselbe Sigismund kläglich einherzog, welcher einst in den Zeiten des Konzils zu Konstanz so groß gewesen war.
Er ritt in Rom ein am 21. Mai 1433, auf einem weißen Roß unter goldenem Baldachin, ein freundlicher Herr mit ergrauendem Bart, würdevoll und voll Humanität. Er nahm Wohnung im Palast des Kardinals von Arles am S. Peter. Eugen IV. krönte ihn am 31. Mai, worauf der Kaiser die Konstitutionen seiner Vorgänger in bezug auf den Kirchenstaat und die Immunität des Klerus bestätigte. Bei seinem Krönungsritt nach dem Lateran Der Lateran, ein Palast in Rom, von den Päpsten bis zum Exil in Avignon bewohnt (1309), seit 1843 ein Museum. fehlten die strahlenden Ritter, die Städteboten, die großen Vasallen Italiens, und des Kaisers Roß führten statt der Senatoren oder Barone der Soldan, das heißt der Polizeikapitan des Papstes, und ein Römer vom Haus Mancini. Auf der Engelsbrücke schlug er viele Herren zu Rittern, unter ihnen auch Caspar Schlick, den er zum lateranischen Pfalzgrafen erhob. Durch den Akt seiner Krönung hatte sich Sigismund den Traditionen des Mittelalters wieder zugewendet und der neuen Zeit abgekehrt; dagegen hatte der Papst durch sie eine moralische Stärkung gegenüber dem Konzil zu Basel erlangt. Er gewann jetzt vom Kaiser, was ihm der römische König nicht zugestanden: Sigismund erkaltete für das Konzil. Noch bis zum 14. August blieb er in Rom, im freundlichsten Verkehr mit dem Papst und eifrig mit der Besichtigung der Monumente der Stadt beschäftigt, wobei ihm der berühmte Altertumskenner Cyriacus von Ancona zum Führer diente. Die Kosten seines römischen Aufenthalts und seiner Heimreise erbettelte er von den Reichsständen, selbst von Venedig. Er zog endlich ruhmlos von Rom ab, ging über Todi, Perugia, Ferrara nach Mantua, wo er Gianfrancesco Gonzaga am 22. September zum Markgrafen ernannte. Dann eilte er nach Tirol, jetzt Freund der Venetianer und Feind Viscontis. Als gekrönter Kaiser und bescheidener Reisender traf er am 11. Oktober 1433 in Basel ein.
Der Kaiser hatte kaum Rom verlassen, als hier ein neuer Sturm wider den Papst losbrach. Er ging nicht geradezu vom Konzil aus, aber das stand doch im Hintergrund als die Autorität, welche die Feinde Eugens ermunterte, über ihn herzufallen und den Kirchenstaat in Besitz zu nehmen. Unter diesen Feinden war der unversöhnlichste Visconti. Er reizte zuerst Fortebraccio, einen Schwestersohn des berühmten Braccio, gegen Eugen, in dessen Dienst er mit Vitelleschi und Ranuccio Farnese den Präfekten Jacobus von Vico bekriegt hatte, ohne, wie er behauptete, hinlänglich belohnt worden zu sein. Der Condottiere drang im Fluge durch die Sabina bis vor Rom, nahm am 25. August 1433 Ponte Molle und besetzte die Aniobrücken, unterstützt von dem rachelustigen Colonna. Eugen floh in die Engelsburg, dann nach S. Lorenzo in Damaso. Zugleich brachen andere Kapitäne, Italiano Furlano und Antonello von Siena, in die spoletische Mark ein. Der Papst zog Kriegsvolk nach Rom und rief Vitelleschi, den damaligen Rektor der Marken, herbei. Dieser warf sich Fortebraccio und den Colonna bei Genazzano entgegen, mußte aber bald nach der rebellischen Romagna zurückkehren. So konnte Fortebraccio am 7. Oktober 1433 in Tivoli bei Rom einziehen, von wo aus er durch das Stadtgebiet streifte und Rom monatelang belagert hielt. Er nannte sich in Briefen den Exekutor des heiligen Konzils.
Auf Grund ihrer Verbindung mit diesem Feind erneuerte Eugen den Bann gegen die Colonna am 9. Oktober. Prospero, der Kardinal dieses Hauses, war nach Basel entflohen, und ihn wie seinen Bruder empfahlen die Väter des Konzils achtungsvoll dem Schutze des Virginius Orsini. Eugen erfuhr auch den Abfall der Marken durch den verräterischen Einbruch des Francesco Sforza, welchen der Herzog von Mailand in Sold genommen und durch das Versprechen der Hand seiner unehelichen einzigen Tochter Bianca an sein Haus gefesselt hatte. Sforza, vom Visconti im November 1433 in die Marken geschickt, begehrte Durchzug nach Apulien, wo er Lehen besaß, und kaum hatten ihm die päpstlichen Behörden diesen zugestanden, als er die Maske abwarf. Viele Städte, selbst Ancona, durch das gewalttätige Regiment Vitelleschis erbittert, nahmen ihn auf, und der mailändische Condottiere beschönigte seine Usurpation mit der Erklärung, daß er durch das Konzil dazu ermächtigt sei. Der Herzog von Mailand nannte sich den Vikar eben dieses Konzils in Italien. Sforza rückte nach Umbrien, sodann in das römische Tuskien, wo sich die päpstlichen Städte für ihn erklärten. So wurde Rom von beiden Seiten des Tibers bedrängt, von der tuskischen her durch Sforza, von der lateinischen durch Fortebraccio.
In dieser Not entschloß sich Eugen zur Unterwerfung unter das Konzil, wozu ihm die Gesandten Sigismunds und Frankreichs dringend rieten, da doch der ganze Kirchenstaat von ihm abfalle. Am 15. Dezember 1433 hob er seine drei Bullen auf, anerkannte das Konzil feierlich als die höchste Autorität und bestätigte auch die Kardinäle Hugo von Cypern, Casanova und Capranica wieder. Dies war die tiefste Demütigung, ja die Entsagung der Papstgewalt, und der größte Triumph des Konzils.
Die Zahl der Prälaten in Basel war groß geworden. Mehr als sieben Kardinäle saßen in der Versammlung. Bedeutende Männer, wie der Kardinal Aleman und wie Nicolaus von Cusa, oder aufsteigende Talente, wie Piccolomini, verfochten die Rechte des Konzils, welchem noch Cesarini präsidierte. Nachdem nun Eugen, ganz kleinmütig, sich dem Konzil ergeben hatte, eilte er, daraus den nächsten Vorteil zu ziehen, nämlich sich in Rom Luft zu schaffen und die Condottieri zu entfernen. Fortebraccio wies seine Unterhandlungen zurück, aber der kluge Sforza nahm sie an. Er hielt seine Winterquartiere in Calcarella beim alten Vulci, um mit der besseren Jahreszeit vor Rom zu rücken. Als ihn dort die Boten des Papstes trafen, der Bischof von Tropea und Flavio Biondo, der Geschichtschreiber dieser Epoche, schloß er mit ihnen einen Vergleich. Eugen verwandelte aus Not seinen Feind in einen nicht minder gefährlichen Vasallen, denn am 25. März 1434 ernannte er Sforza zu seinem Vikar in der Mark Ancona und zum Bannerträger der Kirche. Dieser Vertrag bot dem jungen Condottiere die erste feste Stellung in Italien und begründete seine Zukunft.
Er schickte sofort seinen Bruder Leo dem Papst zu Hilfe. Die Sforzeschi, mit den Päpstlichen unter Micheletto und Attendolo vereint, zogen von Rom aus, Fortebraccio aus Monterotondo zu vertreiben, was ihnen nicht gelang. Doch sie besiegten ihn bei Mentana und belagerten dann Tivoli. Aber ganz unverhofft fand Fortebraccio Unterstützung durch den Peruginer Niccolò Piccinino, einen tapferen Bandenkapitan, welchen Visconti selbst abgeschickt hatte, Sforza in den Weg zu treten, dessen eigenmächtiger Vertrag mit dem Papst ihn erbitterte. Rom wurde jetzt von den Bracceschi so hart bedrängt, daß dieser endlose Krieg das Volk zur Empörung trieb. Die Römer faßten den Plan, den Papst im Namen des Konzils festzusetzen, welches dann, wie sie hofften, seinen Sitz in Rom nehmen werde. Agenten Mailands, Piccininos, der Colonna und vielleicht auch des Konzils wiegelten die Stadt auf, wo die Erinnerung an die alte Freiheit endlich wieder erwachte.
Eugen hatte sich zuerst in den Palast bei S. Crisogono, die Wohnung seines Nepoten, des Kardinals Francesco Condulmer, begeben, wohnte aber damals bei S. Maria in Trastevere auf der rechten Tiberseite. Hier bestürmten ihn Abgesandte der Bürgerschaft. Sie beklagten sich über die endlose Kriegsnot; sie forderten vom Papst, daß er die weltliche Gewalt abgebe, Ostia und die Engelsburg dem Volk überliefere und endlich seinen Neffen als Geisel stelle. Eugen weigerte sich dessen. Sein Nepot behandelte die römischen Deputierten mit der Verachtung eines venetianischen Adeligen. Als sie wegen der Zerstörung ihrer Campagna-Güter Klage erhoben, spottete er über die bäuerische Beschäftigung der Römer, und auch den feinen Florentinern erschienen diese damals als ein plumpes Volk von »Viehhirten«.
Am Abend des 29. Mai 1434 erhob sich Rom mit dem alten Ruf: »Volk! Volk!« und »Freiheit!« Poncelletto di Pietro Venerameri führte die Verschworenen gegen das Kapitol zum Sturm; verwundet ergab sich der Senator Biagio von Narni. Nun wurde die Republik ausgerufen, das alte Bannerherrenregiment der sieben Verwalter wieder eingesetzt. Diese neue Signorie begab sich zum Papst und führte ihn mit Gewalt aufs Kapitol. Eugen bekannte jetzt, daß die weltliche Regierung für ihn nur eine Last sei, die er gern ablegen wolle, und die freiheitstrunkenen Römer hörten mit ungläubigem Lächeln seinen Seufzern zu. Sie forderten ihn auf, ihnen nach Rom zu folgen, hier im Palast seines Vorgängers zu wohnen, was er natürlich ablehnte.
Als Eugen durch sein eigenes Ungeschick die Staatsgewalt verloren hatte, beschloß er, wie so viele seiner Vorgänger, die Flucht. Ein Seepirat, Vitellius von Ischia, den er bereits in Dienst genommen und welcher seines Befehls gewärtig mit seinem Schiff bei Ostia ankerte, sollte ihm dazu behilflich sein. Die Flucht wurde auf den 4. Juni festgesetzt, denn am Abend dieses Tages wollten die Römer Eugen gewaltsam nach der Stadt abführen. Es war Mittagszeit. Während sich einige Bischöfe den Schein gaben, als warteten sie im Vorzimmer auf den Papst, hüllte sich dieser und sein Soldan Soldan: Im Sold des Papstes stehender Beamter., Johann Miletus, in Benediktinerkutten. Sie bestiegen Maultiere und ritten von S. Crisogono nach Ripa Grande, wo ein Boot bereit lag. Der Barkenführer Valentin, ein Dienstmann des Piraten, nahm den Papst auf seinen breiten Rücken und trug ihn in den Kahn. Man ruderte hastig den Fluß hinab. Aber der ausgesprochene Verdacht von Zuschauern am Ufer, daß einer der so seltsam forteilenden Mönche der Papst sei, reichte hin, Trastevere und bald auch Rom in Bewegung zu bringen. Die Römer stürzten zur Verfolgung der Flüchtlinge am Ufer fort. Man setzte ihnen in einem Kahne nach, doch dieser rannte sich im Kiese fest. Der Wind war widrig, die fliehende Barke untüchtig; die Römer kamen ihr noch bei S. Paul zuvor. Man warf mit unbeschreiblicher Wut Steine, Lanzen, was man ergreifen konnte, nach dem Kahn, und schoß mit Pfeilen. Die Ruderer arbeiteten keuchend fort, während der Papst, das gehetzte Jagdwild seiner Römer, rücklings im Kahne und unter einem breiten Schilde lag. Die Verfolger boten mit Geschrei dem Barkenführer große Summen, wenn er den Papst ausliefere; viele rannten vor, Kähne suchend, um sich in Hinterhalt zu legen. Die Flüchtlinge hatten S. Paul hinter sich, von wo ab der Fluß breiter wird; sie hofften Ostia zu gewinnen; aber gerade jetzt drohte die größte Gefahr, denn eine mit Bewaffneten angefüllte Fischerbarke stieß vom Ufer und suchte sich quer in den Fluß zu legen. Als der wackere Valentin diese Absicht erkannte, wendete er kurz entschlossen seinen Kahn, die feindliche Barke in den Grund zu rennen oder selbst mit dem Heiligen Vater unterzugehen, während der Soldan und vier andere Genossen ihre Armbrustgeschosse den Verfolgern grimmig entgegenstreckten. Zum Glück war die feindliche Barke alt und morsch; sie wich dem Stoße aus, und das Schifflein Petri glitt ungehindert den Strom hinab. Der seufzende Papst kam unter dem Schild hervor und setzte sich, von den jubelnden Gefährten getröstet, nieder, um Luft zu schöpfen. Der Turm von Ostia ward sichtbar; der gerettete Eugen stieg endlich in das Boot des Vitellius, worin er des Widerwindes wegen übernachtete. Aus der Stadt entronnene Anhänger holten ihn dort ein. Die Flucht wurde über Civitavecchia fortgesetzt. Am 12. Juni landete Eugen in Pisa; am 23. kam er nach Florenz, wo man ihm nach ehrenvollem Empfange ein Asyl in der S. Maria Novella gab. Die zersprengte Kurie fand sich dort langsam ein. Wie oft hat damals Eugen an die bedrängten Zeiten seines Oheims Gregor XII. sich erinnert, mit welchem er selbst einst die Gefahren der Flucht zur See geteilt hatte.
Die Florentiner Republik war zu dieser Zeit in einer heftigen Bewegung; ihr großer Bürger Cosimo Medici
Das Geschlecht der
Medici gelangt um 1400 in Florenz zu hohem Ansehen und fürstlicher Stellung.
Johann von Medici, reicher Bankier, Begründer der Macht des Hauses.
Cosimo, der Sohn (gestorben 1464), Begründer der Platonischen Akademie und der mediceischen Bibliothek. Unter Lorenzo, Cosimos Enkel (gest. 1492), hatte Florenz seine glanzvollste Zeit. hatte der Partei des Rinaldo degli Albizzi weichen und im Oktober 1433 nach Venedig gehen müssen. Die Folge seiner Verbannung war die tiefe Erschütterung des ganzen Staatswesens, bis die mediceische Partei wieder die Gewalt erlangte, Cosimo zurückrief und Rinaldo verbannte. Mitten in diese Unruhen kam Eugen nach Florenz. Er versuchte die Parteien zu beruhigen, konnte aber die Verbannung Rinaldos, der sich seiner Vermittlung vertraut hatte, nicht hindern. Am 1. Oktober 1434 kehrte sodann Cosimo im Triumph nach Florenz zurück, um den Staat fortan durch seinen Einfluß zu beherrschen.
Unterdes befand sich Rom im Besitz der wiedererlangten Freiheit, aber auch in der tiefsten Verwirrung. Das Volksregiment hatte sich der Stadt bemächtigt, nur in der Engelsburg behauptete sich der päpstliche Burgvogt Baldassar von Offida. Man belagerte ihn vergeblich; er feuerte mit Bombarden in die Stadt, während aus dem Lager in Tivoli sforzisches Kriegsvolk unter Micheletto heranrückte und die Porta Appia nahm. Mit List lockte eines Tages Baldassar acht Bürger, zum Teil Häupter der Republik, in die Engelsburg, wo er sie als Geiseln für die Auslieferung des Kardinals Condulmer festsetzte. Dies erregte große Bestürzung. Die Partei Eugens dagegen wurde ermutigt, weil der Papst die Liga mit Florenz und Venedig erneuert hatte und die Verbündeten den Herzog von Mailand in der Romagna mit Glück bekämpften, während die Bracceschi und Sforzeschi im Römischen, einander schonend, es zu keiner Entscheidung kommen ließen. Bei Rispampano und Vetralla standen sich Francesco Sforza mit Micheletto und die vereinigten Kapitäne Fortebraccio und Piccinino gegenüber; doch Boten des Mailänder Herzogs vermittelten zwischen ihnen, und bald zogen diese Bandenführer aus Tuskien fort, nachdem sie Waffenstillstand geschlossen hatten. Sforza blieb untätig; den Piccinino rief Visconti nach der Flaminia. Dort schlug dieser ausgezeichnete General die vereinigten Florentiner und Venetianer unter ihren Führern Niccolò von Tolentino und Gattamelata am 28. August 1434 bei Imola so vollständig, daß dieser Sieg den Mailänder Herzog zum Herrn des bolognesischen Gebiets machte. Die Florentiner aber ernannten jetzt Francesco Sforza zu ihrem Feldhauptmann. So war von jenen Condottieren nur noch Fortebraccio in der Nähe Roms. Die Römer, welche an der Eroberung der Engelsburg verzweifelten, hatten ihn dringend in die Stadt gerufen, und wider den Waffenstillstandsvertrag war er am 18. August wirklich nach Trastevere gekommen. Aber schon am Anfange des September ging er nach der Sabina. Jetzt blieb die Volkspartei ohne Stütze; die Regierung auf dem Kapitol war schlecht und kraftlos; die Gubernatoren raubten nur die Stadt aus. Alle Gemäßigten sehnten sich nach dem päpstlichen Regiment zurück. Man unterhandelte mit dem Papst; selbst vom Konzil kamen Gesandte mit Friedensvorschlägen. Die kapitolische Signorie, welche ihr Ende herannahen sah, rief vergebens den jungen Lorenzo Colonna zu ihrer Unterstützung herbei: mit wenigem Kriegsvolk erschien er am 19. Oktober, ohne irgendwelchen Einfluß zu gewinnen.
Dagegen kamen mit Truppen Sforzas und der Orsini am 25. Oktober 1434 die Kommissare des Papstes, Vitelleschi und der Bischof von Tropea nach dem Borgo S. Peters. Man ließ sie schon am folgenden Tage in Trastevere ein, und bald hallte der Ruf »Kirche! Kirche!« in der ganzen Stadt wider. Der Kastellan der Engelsburg wagte einen Ausfall, und Vitelleschi drang im Sturm gegen das Kapitol. Die Beamten entwichen sofort, der Nepot Eugens ward freigelassen, das päpstliche Regiment wieder aufgerichtet, und die republikanische Umwälzung erlosch nach einer tumultuarischen Dauer von kaum fünf Monaten.
Die Unterwerfung der Stadt war für Eugen IV. ein hochwichtiges Ereignis: denn sie stellte sein Ansehen wieder her und machte ihn dem Konzil gegenüber wieder selbständig. Er hätte jetzt ungehindert nach Rom zurückkehren können, aber es war praktischer für ihn, in Florenz zu bleiben, während sein Gesandter Vitelleschi es übernahm, auch die letzten Spuren des Aufstandes in Rom auszutilgen, und nirgends gab es einen Mann, der für solche Aufgaben geeigneter war. Johann Vitelleschi war Cornetaner von Geburt. In seiner Jugend hatte er dem Bandenführer Tartaglia, dem Tyrannen von Toscanella, als Schreiber gedient, in Corneto sich zum Haupt einer Partei gemacht und dann die geistliche Laufbahn gewählt. Martin V. ernannte ihn zum Obergeheimschreiber, aber Vitelleschi war für das Feldlager, nicht für den Meßaltar geboren und selbst im Gewande des Bischofs nur ein General. Gleich nach seiner Thronbesteigung hatte ihn Eugen IV. zum Bischof von Recanati gemacht und als seinen Legaten nach den Marken geschickt. Sein kriegerisches Talent zeigte er bereits im Feldzuge wider Jacob von Vico und die Colonna, aber die Marken empörte er durch Härte so tief, daß sie sich Francesco Sforza willig ergaben. Denn alles zitterte vor diesem blutgierigen Priester, der seine Hände bei dem gräßlichen Brudermord der Varani in Camerino im Spiel gehabt und Pietro Gentile nach Recanati gelockt und dort erwürgt hatte. Durch Sforza aus den Marken gejagt, entfloh Vitelleschi nach Venedig, von wo er zu dem gleich verjagten Eugen IV. nach Florenz ging. Der Papst machte seinem Günstling keinen Vorwurf wegen des Verlustes der Marken: er setzte das blindeste Vertrauen in ihn und überhäufte ihn mit Ehren. Er übertrug ihm die Unterwerfung, und als diese geschehen war, die Regierung Roms, wo Baldassar von Offida die Senatorwürde erhielt. Vitelleschi, grausam und erbarmungslos, vor keinem Verbrechen zurückbebend, war ganz dazu geschaffen, die zahllosen Tyrannen auszurotten, welche im römischen Gebiet ihr Wesen trieben. Die Colonna und Orsini machten hier jede geordnete Regierung unmöglich; Barone, welche selbst Banden besoldeten, hausten in ihren Felsenburgen, aller Gesetze spottend, immer bereit, Rom in Aufstand zu bringen oder mit den Feinden des Papstes gemeinsame Sache zu machen. Außerdem durchzogen hungernde Soldbanden mit der Fahne Sforzas, Fortebraccios, Piccininos, Antonios von Pontadera die Sabina, Latium und Tuskien. Denn in diese schrecklichen Zustande hatte Eugen IV. den Kirchenstaat zurückversetzt. Vitelleschi beschloß, mit Feuer und Schwert auszurotten, was ihm erreichbar war; aber da er nicht überall mit gleichen Mitteln verfahren konnte, gewann er einige Barone durch Verträge. Am 22. März 1435 machte er Frieden mit Jacob Orsini von Monterotondo; am 16. Mai schloß er Waffenstillstand mit dem Grafen Antonio und dessen Verbündeten Odoardo Colonna, Konradin von Antiochia, Cola Savello, Ruggieri Gaetano und Grado vom Haus Conti aus Valmontone. Am 24. August machte er mit Lorenzo Colonna einen Vertrag, und zugleich kehrte auch Tivoli, ein Kammergut des Senats, unter den Gehorsam Roms zurück.
Diese Verträge erlaubten Vitelleschi, sich mit aller Kraft gegen den gefährlichsten Tyrannen zu wenden, den Präfekten Jacobus von Vico, den Sohn des einst mächtigen Franciscus. Er belagerte ihn in Vetralla, und diese feste Burg ergab sich am 31. August. Am 28. September ließ Vitelleschi dem Stadtpräfekten im Schlosse Soriano den Kopf herunterschlagen. So endete das alte germanische Haus der Herren von Vico, worin seit dem zwölften Jahrhundert die Stadtpräfektur erblich gewesen war. Dies ghibellinische Geschlecht, ein wilder, trotziger Stamm, den Päpsten immer todfeind, in allen Umwälzungen Roms sichtbar, hatte das tuskische Präfektenland fast drei Jahrhunderte lang beherrscht, auch Corneto und Viterbo oftmals an sich gerissen und seine Macht unter dem Vater Jacobs sogar bis Orvieto ausgedehnt. Als es ausgerottet war, kehrten Ruhe und Sicherheit in das Patrimonium Der Kirchenstaat, das sogenannte Patrimonium Petri, ging aus einer Schenkung Pippins hervor, die er 755 dem Papst Stephan III. machte. Karl d. Gr. erweiterte 774 diese Gebiete, die später durch »Erwerbungen« immer größer wurden. Erst 1870 fand der Kirchenstaat sein Ende. Er wurde dem Königreich Italien einverleibt. Seitdem ist der Papst nur noch im Besitz des Vatikans und des Laterans. zurück. Das Geschlecht der Herren von Vico setzte sich zwar noch in einigen Bastarden des Jacobus fort, doch ohne je wieder Bedeutung zu gewinnen. Die Güter fielen an die Kirche; Vico selbst und andere Orte schenkte oder verkaufte Eugen IV. dem Grafen Eversus von Anguillara, um ihn sich zu verpflichten, und dieser Dynast aus dem Hause Orsini, der sich bald fast aller anderen Präfektengüter zu bemächtigen wußte, wurde dadurch im Lauf der Zeit ein so gewaltiger Tyrann, wie es nur immer die Herren von Vico gewesen waren.
Die Stadtpräfektur verliehen seither die Päpste nach Gutdünken. Am 19. Oktober 1435 gab sie Eugen dem Francesco Orsini, Grafen von Trani und Conversano, einem glänzenden Manne, welcher der erste Herzog von Gravina und Stifter des von diesem Ort benannten Geschlechts der Orsini wurde. Von dieser Zeit ab beschränkte der Papst die Gerichtsbarkeit des Stadtpräfekten wie des Senators dadurch, daß er zum Governator für die Stadt und das Stadtgebiet mit kriminaler und polizeilicher Gewalt den jedesmaligen Vize-Kammerherrn der Kirche einsetzte.
Eugen sah hocherfreut die Erfolge, die ihm aus seiner Flucht erwachsen waren; denn wie so viele seiner Vorgänger machte auch ihn erst das Exil zum Herrn Roms. So wenig Ansehen er hier genossen hatte, so große Verehrung fand er übrigens beim Florentiner Volk, auf welches die ungewohnte Erscheinung eines Papstes tiefen Eindruck machte. Man muß die Schilderungen eines Augenzeugen lesen, um zu erkennen, wie hoch wieder der Kultus des Papsttums in der italienischen Nation gestiegen war. Die verzweifelten Römer luden Eugen im Januar 1436 zur Rückkehr in die gehorsame Stadt ein, denn durch die Vergangenheit belehrt, erkannten sie, daß Rom ohne den Papst bald wieder einer wüsten Spelunke ähnlich werden müsse. Er ließ ihre Boten ungetröstet zurückkehren, begab sich aber selbst am 18. April nach Bologna, welche Stadt nach einer heftigen Umwälzung am 27. September des vorigen Jahres der Kirche sich wieder unterworfen hatte.
Vitelleschi war nach Florenz zum Papst gegangen, der ihm das Erzbistum dieser Stadt, auch die Patriarchenwürde von Alexandria erteilte und ihn dann nach Rom entließ, sein begonnenes Werk fortzusetzen. Hier hatten während seiner Abwesenheit Mißvergnügte neue Befreiungspläne entworfen. Ihr Haupt war Poncelletto Venerameri, der Leiter des ersten Aufstandes, dann ihr Verräter um Geld und jetzt gegen den Gesandten Vitelleschi erbittert, weil er die ihm versprochenen 100 000 Dukaten nicht erhalten hatte. Die Conti, Savelli, Colonna und Gaetani waren mit ihm und dem Grafen Antonio in Verbindung getreten. Antonio nämlich streifte noch immer mit seiner Soldbande in Latium, wo er schon seit zwei Jahren die lucanische Aniobrücke besetzt hielt. Er war im Dienst der Kirche gewesen; Eugen hatte ihn zum Hauptmann über die Campagna gemacht, und statt des rückständigen Soldes hatte er manche Orte in Pfand genommen. Dies gab Grund zum Streit mit ihm. Am 19. März 1436 besetzten die Barone die Porta Maggiore und gaben sie dem Antonio in Gewalt. Aber die orsinische Gegenpartei eroberte unter Eversus von Anguillara dieses Tor, und noch in demselben Monat erschien Vitelleschi mit Kriegsvolk aus Toskana. Der Patriarch – denn so wurde er jetzt genannt – rückte sofort ins Albanergebirge, die Savelli zu vernichten. Er nahm und zerstörte zum Teil Borghetto bei Marino, Castel Gandolfo, Albano, Rocca priora. Das Kastell Savello ließ er einreißen. Diese uralte Stammburg der Saveller bei Albano war schon im Anfange des elften Jahrhunderts bekannt und im dreizehnten von den Nepoten der beiden Päpste Honorius ausgebaut. Sie errichteten dort ein Kastell mit Palästen und einer Kirche, mit Wohnungen des Vasallenvolks und starken Türmen auf dem festummauerten Hügel. Alles dies warf der Patriarch zu Boden. Siebenundzwanzig Jahre später besuchte Pius II. die Ruinen der Burg, worin man den Palast des Ascanius zu sehen glaubte; das Kastell ließ er damals wiederherstellen; es bevölkerte sich wieder, und erst im Jahre 1640 ward es wegen Wassermangels verlassen. Heute liegen seine Trümmer in Efeu begraben.
Vitelleschi zog sodann gegen den Grafen Antonio, in dessen Lager sich viele verbannte Römer befanden. Er stürmte die lucanische Brücke, eroberte Sessa im Volskischen und belagerte Piperno. Antonio, der zum Entsatz herbeizog, ward am 15. Mai aufs Haupt geschlagen und mit vielen römischen Baronen gefangen. Ohne weiteres ließ der Patriarch diesen gefürchteten Kapitän bei Scantino an einem Olivenbaume aufknüpfen. Die ganze Campagna ergab sich hierauf dem schrecklichen Priester. Nur die Colonna trotzten noch, und mit diesen Signoren beschloß er jetzt ein gründliches Ende zu machen. In Rom hob er je einen Mann aus jedem Hause aus, führte sein dadurch verstärktes Kriegsvolk nach Palestrina und belagerte diese Hauptstadt der Colonna seit dem 2. Juni.
Der junge Lorenzo, Enkel Niccolòs, verteidigte sich dort mit Tapferkeit. Allein andere Burgen des Hauses fielen, und am 18. August ergab sich Palestrina aus Hungersnot. Lorenzo erhielt freien Abzug nach Terracina; Poncelletto Venerameri, der sich bei ihm befand, entfloh, ward aber in Cave ergriffen. Jetzt schlug der Patriarch die lateinischen Städte der Colonna zum Fiskus, und so ward die Macht des edlen Geschlechts, welche eben erst unter Martin V. so groß gewesen war, jählings zu Fall gebracht. Seit den Tagen des Republikaners Colas di Rienzo (1313-1354) war dies Haus nicht von gleich schweren Schlägen betroffen worden. Kaum war Lorenzo verjagt, so fiel ein berühmter Colonna durch Meuchelmord: Ludovico, welcher im Jahre 1415 den großen Condottiere Paul Orsini im Kampf erschlagen hatte, wurde von seinem eigenen Schwager Gianandrea von Riofreddo am 12. Oktober 1436 zu Ardea umgebracht.
Nach diesen Siegen zog Vitelleschi wie ein Triumphator in das zitternde Rom ein, wo jetzt sein Wille Gesetz war. Man begrüßte ihn mit solchen Ehren, wie sie sonst nur einem Papst oder Könige gegeben wurden. Auf dem damaligen Wege vom Lateran nach S. Maria Maggiore empfingen ihn am Triumphbogen des Gallienus die Regionenkapitane und die Magistrate, Fackeln in ihren Händen. Das Olivenzweige tragende Volk und Prozessionen der Geistlichkeit geleiteten ihn mit Musikchören durch die geschmückten Straßen nach S. Lorenzo in Damaso. Man rief: »Es lebe der Patriarch, der Vater der Stadt!« Er saß geharnischt auf seinem Streitroß, dessen Zügel angesehene Bürger hielten, während abwechselnd zwölf Edle aus jeder Region einen goldenen Baldachin über seinem Haupte trugen. Er betete zuerst in S. Lorenzo und bezog dann seine Wohnung in dem dortigen Palast. Hier erschien eine Gesandtschaft der Bürger, ihm einen mit Gold gefüllten Pokal zu überreichen.
Der furchtbare Tyrannenbändiger, jetzt selbst Tyrann Roms, vor dessen wilder Blutgier alles erbebte, ließ nun die gefangenen Rebellen hinrichten. Am 11. September ward der unglückliche Poncelletto vom Kapitol durch die Stadt geschleift, mit glühenden Zangen gezwickt und dann auf dem Richtplatz im Campo di Fiore gevierteilt. Am Tage darauf versammelte der kriechende Senat ein Bürgerparlament auf dem Kapitol, und dieses beschloß, die Verdienste des Zwingherrn um die Wohlfahrt des Volkes durch ein öffentliches Denkmal zu belohnen. Es bestimmte ihm eine marmorne Reiterfigur auf dem Kapitol mit der Inschrift: »Johann Vitelleschi, dem Patriarchen von Alexandria, dem dritten Vater der romulischen Stadt nach Romulus«. Außerdem sollten alle Cornetaner zu römischen Bürgern erklärt und an jedem Jahrestage der Eroberung Palestrinas ein silberner Kelch in S. Ludwig dargebracht werden, wie man einen solchen am 8. Mai zum Gedächtnis an den Sturz Francescos von Vico in S. Angelo darbrachte. Eine Ehrenstatue auf dem Kapitol war eine Auszeichnung, die seit Karl von Anjou niemand mehr erhalten hatte. Wenn nicht der Umschwung des Glücks es verhindert hätte, würde man heute auf dem Platz des Kapitals statt der Reiterfigur eines erlauchten Kaisers der Römer die eines kriegerischen Priesters im Harnisch stehen sehen.
Vitelleschi besaß unleugbare Verdienste um Rom: die Condottieren und die Campagnatyrannen hatte er ausgerottet, Ruhe in die Stadt zurückgebracht und ihre Märkte belebt. Wenn er mit seiner eisernen Kraft auch staatsmännische Weisheit verbunden hätte, so würde er Ruhm erlangt haben. Vielleicht konnte er in seiner Zeit nichts mehr sein als ein gräßlicher Würgengel. Er tilgte mit den Tyrannen auch ihre Städte aus, legte ganze Landschaften wüste und vernichtete deren ohnehin schon sparsame Kultur. Die Raserei eines Papstes nachahmend, befahl er, Palestrina auf den Boden zu werfen. Er kam deshalb aus Corneto, wo er den Winter zugebracht hatte, im März 1437 nach Rom zurück. Aus jeder Region oder Stadtviertel schickte er zwölf Werkleute nach Palestrina mit dem Befehl, diesen Ort zu zerstören. Zu solcher Grausamkeit trieb ihn die Anhänglichkeit der Untertanen an ihr Herrenhaus und die Furcht, daß Lorenzo Colonna eines Tages wiederkehren möchte. Über die alte Stadt Palestrina wurde demnach zum drittenmal der Fluch des Untergangs verhängt. Es ward jetzt noch gründlicher zerstört als unter Bonifacius VIII. Den ganzen April hindurch dauerte das Vernichtungswerk; selbst die Kathedrale wurde eingerissen. Vitelleschi ließ deren Glocken nach Corneto bringen; und er verwandte die marmornen Türpfosten jenes Domes für den Palast, den er selbst sich in seiner Vaterstadt erbauen ließ. Nur die zyklopische Burg S. Pietro wurde damals verschont; als aber Lorenzo Colonna im Jahre 1438 aus seinem Exil wiederzukehren versuchte, befahl der Patriarch, auch sie zu schleifen. Die Einwohner zerstreuten sich oder zogen nach Rom. Unter Nicolaus V. baute zwar Stefano Colonna Stadt und Burg wieder auf, doch Pius II. fand Palestrina noch als Trümmerhaufen und nur von wenigem Landvolk bewohnt.
Im Jahre 1439 erlitt auch Zagarolo ein gleiches Los; denn der von Rache glühende Lorenzo war mit Truppen zurückgekehrt und hatte sich dort festgesetzt. Vitelleschi erstürmte den Ort am 2. April, nahm den Colonna selbst gefangen und schickte ihn zu Eugen IV. nach Bologna, wo er wider Erwarten freundlich behandelt wurde. Sodann ward Zagarolo dem Erdboden gleichgemacht. Bei solchem Verfahren durfte man sich nicht wundern, daß Latium unter allen Provinzen Italiens die am mindesten angebaute war. Es scheint, daß Vitelleschi diese barbarischen Handlungen ohne Wissen des Papstes beging; doch hören wir nicht, daß Eugen gegen die Gewalttaten seines Günstlings Einspruch erhob. Aber die Kunde von der Zerstörung Palestrinas verbreitete sich in der Welt, und das Baseler Konzil machte daraus eine Anklage wider Eugen. Die Kriege im Kirchenstaat unter diesem Papst waren überhaupt so vernichtend wie wenige vorher. Viele Städte in Campanien, Tuskien und der Sabina wurden in Schutthaufen verwandelt. Poggio, der Freund Martins V., dessen Regierung er als ein goldenes Zeitalter gepriesen hatte, sagte daher von Eugen: »Selten hat die Regierung eines andern Papstes über die Provinzen der römischen Kirche gleiche Verwüstung und gleiches Unheil gebracht. Die vom Kriege gegeißelten Landschaften, die verheerten und zertrümmerten Städte, die verwüsteten Äcker, die von Räubern vergewaltigten Straßen, mehr als fünfzig teils zerstörte, teils von Kriegsknechten geplünderte Orte haben jede Art der Wut erfahren. Viele Bürger sind nach der Vernichtung ihrer Stadt als Sklaven verkauft, viele in Kerkern durch Hunger umgekommen.« Eine ähnliche Klage erhob der mit Eugen IV. befreundete Blondus, welcher in seinem Zeitalter mehr als dreißig zerstörte Städte zählte, auf deren Ruinen kaum ein armer Landbauer zurückgeblieben war.
Während Vitelleschi die Herrschaft der Kirche im Römischen herstellte, wurde der Papst durch Alfonso von Aragon Alfons V., König von Aragonien. Als König von Neapel und Sizilien Alfons I. Geboren 1401, regierte er seit 1416 Aragonien. 1421 wurde er von der Königin Johanna, die ihn adoptierte, gegen Ludwig von Anjou zu Hilfe gerufen. Seit 1443 war er im Besitz von Neapel. Er starb bei der Belagerung von Genua 1458. und das Konzil bekämpft. Der König Ludwig, welchen er anerkannt hatte, starb erblos zu Cosenza im November 1434, und schon am 2. Februar 1435 erlosch durch den Tod Johannas II. das Haus Anjou-Durazzo. Zu ihrem Erben hatte die Königin Ludwigs abwesenden Bruder, René Grafen der Provence und Herzog von Anjou, eingesetzt. Aber die Gültigkeit ihres Testaments bestritten Alfonso, der von Sizilien in das Königreich eilte, und Eugen, welcher Neapel als heimgefallenes Kirchenlehn beanspruchte. Der Papst gebot den Neapolitanern, keinen der königlichen Prätendenten anzuerkennen. In diesem Eroberungskriege, welchen nun Alfonso begann, trat auch Visconti, der Herzog von Mailand, als sein Gegner auf. Visconti, Herr Genuas, den Spaniern feind und den Franzosen zugetan, hatte eine genuesische Flotte zur Rettung des belagerten Gaeta abgeschickt, und diese vernichtete die Schiffe Alfonsos von Aragon am 5. August 1435 bei Ponza. Alfonso selbst, seine Brüder Johann, König von Navarra, und Don Enrico, Großmeister von S. Jacob, seine ersten Barone fielen in Gefangenschaft.
Selten war ein so glänzender Sieg erfochten: mit einem Schlage, so sagte man sich, war der Krieg beendigt worden. Die Venetianer gerieten in Furcht; sie urteilten, daß Visconti sich zum Herrn Italiens machen könne, wenn er diesen Erfolg zu benützen verstand. Die Genuesen führten ihre kostbare Beute in ihre Hafenstadt und von dort nach Mailand. Der Herzog, ein Mann von unberechenbarem Wesen, empfing den König als einen gefangenen Feind, aber er selbst wurde bald durch dessen Genialität und Ritterlichkeit gefangen und bezaubert. Er sah die Richtigkeit seiner Vorstellungen ein, daß auf dem Throne Neapels Alfonso von Aragon für Mailand eine sichere Stütze, René von Anjou eine drohende Gefahr sein müsse. Er entließ Alfonso fürstlich beschenkt, ohne Lösegeld, als seinen ihm innig verbundenen Freund. Diese Großmut, deren Beispiele nur in romantischen Rittergedichten zu finden waren, machte unbeschreibliches Aufsehen in der Welt. Der Papst war tief aufgebracht. Das Volk Genuas, den Catalanen todfeind, sah sich um den Gewinn des ruhmreichsten Sieges betrogen, erhob sich wütend am 12. Dezember, erschlug den mailändischen Befehlshaber und stellte seine Unabhängigkeit unter Francesco Spinola wieder her.
Unterdes war Alfonso nach Gaeta zurückgeeilt, welches sich seinem Bruder Pedro ergeben hatte. Er rüstete Schiffe aus, Neapel zu erobern, wo seit dem Oktober Isabella, das kluge Weib Renés, die Regierung führte, während sich ihr Gemahl in der Haft des Herzogs von Burgund befand. Diesen René mußte jetzt Eugen IV. als Prätendenten anerkennen oder doch unterstützen, denn Alfonso bedrängte den Kirchenstaat von Terracina aus, im Einverständnis mit den Colonna und den Condottieren. Wir sahen bereits, wie Vitelleschi diese Gefahr durch seine Kraft beseitigte. Im April 1437 zog er als päpstlicher Legat Legat: Gesandter. ins Neapolitanische, der Regentin Isabella zur Hilfe. Dort hatte er jedoch kein Glück, nur daß er Antonio Orsini, den Prinzen von Tarent, den mächtigsten Anhänger Alfonsos, durch Überfall gefangennahm, wofür ihn Eugen am 9. August 1437 zum Kardinal von S. Lorenzo in Damaso erhob. Vitelleschi schloß im Dezember Waffenstillstand zu Salerno mit Alfonso und brach diesen sofort, indem er einen hinterlistigen Anschlag auf die Person des Königs machte; mit allen Parteien verfeindet, verließ er endlich das Königreich, schiffte sich an der adriatischen Küste ein und ging über Venedig nach Ferrara zum Papst.
Eugen war damals wieder im Kampfe mit dem Konzil und schon nahe daran, als Sieger daraus hervorzugehen. Diese Kirchenversammlung hatte ihren ersten Triumph über die Papstgewalt mit wenig Geschick und vielleicht mit zuviel Leidenschaft verfolgt. Ihre Reformdekrete wegen Abschaffung der maßlosen Einkünfte der Kurie trafen diese am empfindlichsten. Das Papsttum sah sich in Gefahr, die Quellen seiner Reichtümer, die aus der Brandschatzung der Christenheit, durch ungezählte Steuern flossen, einzubüßen und seine Autorität an die Gebote einer parlamentarischen Mehrheit abzutreten; es rüstete sich deshalb zum Widerstande auf Leben und Tod, und an Mitkämpfern fehlte es ihm nicht. Sein Anhang auf den Bänken zu Basel wuchs; seine Rechte verteidigten gelehrte Theologen, wie Juan Torquemada, der eifrigste Verfechter der päpstlichen Unfehlbarkeit seit Thomas von Aquino, und der Camaldolenser Traversari, während sich die Sympathie der Fürsten und Völker für das Konzil durch die abstumpfende Zeit und die geringen Reformresultate minderte. Ein Gegenstand des Streites war auch die Union mit der griechischen Kirche, wegen welcher seit langem unterhandelt wurde. Jede der Parteien begehrte diesen Ruhm für sich, und beide verständigten sich dahin, daß für jene Union das Konzil an einen den Griechen bequemen Ort zu verlegen sei. Die Basler wünschten dafür Avignon, der Papst Venedig oder Florenz. Endlich schob die römische Partei ein Dekret unter, welches im Namen des Konzils dieses selbst in eine italienische Stadt verlegte, und Eugen IV. erklärte durch eine Bulle am 18. September 1437, daß dies Ferrara sei. Die Griechen wandten sich von den Baslern ab, bereit, dem Papst zu folgen, welcher demnach dies Unionswerk in Händen hielt. Sein Glück stieg auf, das Ansehen der Basler sank.
Am 8. Januar 1438 eröffnete der Kardinal Albergati das sehr spärlich und nur von Italienern besuchte Konzil in Ferrara. Eugen selbst zog am 27. mit großer Pracht in diese Stadt ein, und am 4. März erschien auch Johannes VIII., Kaiser von Byzanz (1425-1448). Der Nachfolger Constantins kam mit seinem Bruder Demetrius, mit dem greisen Patriarchen Joseph und vielen Würdenträgern der orientalischen Kirche. Es befanden sich darunter die gelehrten Bischöfe Marcus Eugenikos von Ephesus, Isidorus von Rußland, Bessarion von Nicäa und dessen Lehrer, der Platoniker Gemistos Plethon. Nach seinem pomphaften Einzuge in Venedig auf dem Bucentaur und nach den Festen in jener Lagunenstadt, auf deren Dom die Spolien Spolien: Beutestück; erbeutete Waffen. von Byzanz schon seit mehr als 200 Jahren prangten, zog er in Ferrara ein, sitzend auf einem mit Purpur bedeckten Roß, während die Markgrafen von Este einen himmelblauen Baldachin über dem Haupt ihres Gastes entfalteten. Wenn diese traurige Kaisergestalt des Ostens zu Ferrara dem damaligen Kaiser des Westens hätte begegnen können, so würden sie einer des andern schwindsüchtige Majestät belächelt und mit Erstaunen bemerkt haben, daß, während die legitime Reichsgewalt, welche sie beide vertraten, zu einem bloßen Titel sich abgezehrt hatte, der Bischof von Rom allein noch eine tatsächliche Autorität in der Welt besaß. Indes war die Erscheinung des Paläologen Paläologen: die Herrscher der letzten Dynastie des Byzantinischen Reiches (1261-1453). beim Konzil nur ein theatralischer Sieg der lateinischen Kirche; denn die Hand, welche der byzantinische Kaiser dem Papst zur Versöhnung reichte, war eine Totenhand.
Die Theologen des Ostens und Westens, die späten Nachfolger des Origenes und Augustinus, maßen einander mit Mißtrauen und Eifersucht, und sie stürzten sich alsbald voll Leidenschaft in Disputationen über die beide Kirchen trennenden Dogmen, um eine Grundlage für deren Vereinigung zu finden. Die Byzantiner konnten freilich mit Ironie bemerken, daß sie die lateinische Kirche selbst in der heftigsten Spaltung über die Grenzen der Autorität des abendländischen Patriarchen vorfanden. Sie würden am liebsten sich wieder eingeschifft haben, wenn sie nicht die Bitten ihres bedrängten Kaisers zur geduldigen Unterwerfung nötigten.
In Basel hatte sich unterdes Cesarini vergebens bemüht, ein Schisma zu vermeiden. Auch er verließ endlich die dort noch versammelten Väter, um nach Ferrara zu gehen. Jene machten jetzt Louis d'Aleman zu ihrem Vorsitzenden, den leidenschaftlichsten Kämpfer und das glänzendste Talent der Reformpartei. Es gab demnach zwei Konzile, die einander verneinten; dieses zu Basel erklärte den Papst am 24. Januar 1438 für abgesetzt, jenes zu Ferrara erklärte sich als ökumenisches Konzil Ökumenisches Konzil: Eine Versammlung, auf welcher Vertreter aus der ganzen christlichen Welt erscheinen. unter dem Vorsitze des Papstes, und es gebot den Baslern, binnen Monatsfrist in Ferrara zu erscheinen.
D'Aleman, Johann von Segobia, der große Jurist Ludovico de Ponte und Nicola de' Tudeschi, Erzbischof von Palermo, die Freunde und Gesandten Alfonsos von Aragon ermunterten die Versammlung in Basel zum Widerstand. Auch Karl von Frankreich verwarf das Konzil in Ferrara. Auf der Synode zu Bourges ließ er die meisten Reformdekrete der Basler als pragmatische Sanktion, ein zu bleibender Dauer bestimmtes Staatsgrundgesetz, für Frankreich zum Gesetz erheben. Dieses Land allein erhob sich damals zu der kühnen Tat, die Selbständigkeit seiner Nationalkirche zu sichern. Was das Deutsche Reich betrifft, so hatte sich dort Sigismund ohne Erfolg bemüht, den Papst mit dem Konzile zu versöhnen. Dieser letzte Herrscher vom Hause Luxemburg starb am 9. Dezember 1437, sitzend auf dem Thron in kaiserlichen Gewändern, noch in der Todesstunde von irdischer Eitelkeit erfüllt. Er war ein tätiger und freundlicher Herr gewesen, doch vom Glücke nie begünstigt: groß in Konstanz, klein in Basel, unfähig, die wichtigste Aufgabe seiner Reichsgewalt, die deutsche Kirchenreformation durchzuführen. Sein Erbe war sein Schwiegersohn Albrecht von Österreich, als Gemahl Elisabeths König von Ungarn und Böhmen, dann durch die Frankfurter Wahl am 18. März 1438 König der Römer. Eugen anerkannte ihn sofort, hoffend, daß er als Advokat der Kirche gegen die Basler einschreiten werde. Doch er drang nicht durch, denn im Deutschen Reiche befestigte sich der Grundsatz der Neutralität.
Ferrara wurde bald für die Kurie unsicher. Visconti schickte im Frühjahr 1438 Piccinino in die Romagna, wo er sich Bolognas bemächtigte. Hierauf erhoben sich Imola, Forli und andere Städte. Selbst Ravenna erklärte sich für den Mailänder Herzog, dessen Oberhoheit der letzte Polentane Ostasio V. anerkennen mußte. So wurden die Venetianer aus Ravenna verdrängt, wo sie schon seit 1404 durch Verträge mit jenem Signorenhaus sich festzusetzen gesucht hatten. Doch benützten sie seither jede Gelegenheit, in Besitz jener Stadt zu kommen, was sie in fortdauernden Streit mit den Päpsten brachte.
Wegen der in Ferrara ausgebrochenen Pest und der Nähe Piccininos verlegte Eugen IV. am 10. Januar 1439 das Konzil nach Florenz. Wie ein Flüchtling erschien er dort am 24. Januar. Widerwillig folgten ihm der Kaiser Johannes VIII. mit seinen Griechen, den armen Kostgängern des Papstes, und die Mitglieder des Konzils. Nach langen Streitigkeiten streckten die byzantinischen Theologen, nicht aus Furcht vor S. Petrus, sondern vor Mohammed, jene Waffen, welche Photius Photius, griech. Kirchenschriftsteller und Gelehrter, geb. um 820 n. Chr. Er war 858-867 und 877-886 Patriarch von Konstantinopel. Sein Streit mit Papst Nikolaus I. bildete den Anfang der Trennung der Griechisch-Katholischen von der Römisch-Katholischen Kirche; Photius starb 891 in klösterlicher Verbannung. und dessen Nachfolger länger als ein halbes Jahrtausend geführt hatten. Sie legten am 3. Juni das Bekenntnis ab, daß der Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohne hervorgehe, der Leib Christi in gesäuertem wie in ungegorenem Weizenbrot sich verwirkliche, und daß die Seelen der Gläubigen im Fegefeuer gereinigt würden, während die ohne Beichte gestorbenen Sünder in die Hölle hinabsänken. Wenn ein freimütiger Philosoph die armselige Sophistik oder Schwäche des menschlichen Verstandes bemitleiden wollte, weil jene Artikel hinreichten, die Überzeugungen von Völkern jahrhundertelang feindlich zu trennen, so durften ihm Theologen bemerken, daß diese kindischen Dogmen nur den praktischen Kern des großen Schisma umschleierten. Dieser Kern war der absolute Primat des Papstes, ein Grundsatz, welchen, wie das ganze gregorianisch-thomistische System Papst Gregor I. (590 bis 604) und Papst Gregor VII. (1073-1085) waren die beiden Päpste, die die geistliche Gewalt als unbedingte Herrschaft über die weltliche erstrebten. der abendländischen Papstgewalt, die Griechen verabscheuten. Sie verachteten die Erdichtungen der Dekretalen des falschen Isidor Pseudoisidorische Dekretalen sind eine Sammlung unechter kirchlicher Rechtsquellen, um das Jahr 850 von Klerikern hergestellt; sie übertrugen die Machtansprüche der Päpste auf die ältesten Zeiten.; ihr Gewissen entsetzte sich vor dem Gedanken, den römischen Patriarchen als den Monarchen der Kirche und den Gebieter aller Bischöfe begreifen zu sollen, aber sie erklärten endlich aus verzweifelter Not, daß der Papst der Stellvertreter Christi und das erste Haupt der gesamten Kirche sei, während nach uraltem Kanon der Patriarch von Neu-Rom nur die zweite, der von Alexandria die dritte, der von Antiochia die vierte, der Jerusalemitaner nur die fünfte Stelle in der Hierarchie einnehme.
Am 6. Juli knieten die Byzantiner vor dem Papst nieder, küßten seine apostolische Hand, hörten die lateinische Messe und stimmten seufzend das »Veni creator Spiritus« Veni creator spiritus: alter Pfingsthymnus; von Luther übertragen in »Komm Gott, Schöpfer, Heiliger Geist«. an. Aber den »ökumenischen« Patriarchen Josef schien diese Selbstverleugnung ins Grab zu stürzen; er unterschrieb nur sterbend die katholische Glaubensformel und verschied am 9. Juni, bevor die Union vollzogen war. Der griechische Kaiser Johannes VIII. verließ bald darauf Florenz, um als Renegat und mit leeren Händen in sein untergehendes Reich zurückzukehren, wo das Volk die Union nur als ketzerischen Staatsakt betrachtete, die Apostaten Apostaten: die Abtrünnigen. mit Verwünschungen empfing und bei seinen Gebräuchen blieb. Die drei Patriarchen von Alexandria, Antiochia und Jerusalem verdammten im Jahre 1443 feierlich die »Räubersynode« von Florenz.
Die dogmatischen Siege Eugens verbitterten nur die Hartnäckigkeit der Schismatiker in Basel. Obwohl sich von dort alle Kardinäle, außer Aleman, und viele Bischöfe abgewendet hatten, setzten doch reformeifrige Theologen das Konzil mutig fort. Nachdem sie am 25. Juni 1439 Eugen abgesetzt hatten, schritten sie am 5. November zur Wahl eines neuen Papstes. Sie ersahen dazu Amadeus VIII. von Savoyen. Dieser kraftvolle Fürst aus dem uralten Grafenhause, welches, in einem Bergwinkel Norditaliens verloren, sich in die Händel der Nachbarn nur mit Vorsicht und stets mit Gewinn einmischte, war von Kaiser Sigismund am 26. Februar 1416 zu Chamberi zum ersten Herzog Savoyens erhoben worden. Er hatte sein Land glücklich und weise regiert, bis er nach dem Tode seiner Gemahlin im Jahre 1435 den seltsamen Entschluß faßte, die Regierung seinen Söhnen abzutreten und sich in die Einsamkeit zu Ripaille am Genfer See zurückzuziehen. Dort stiftete er den Ritterorden des S. Mauritius und lebte mit seinen sechs Genossen, die ihn bildeten, als der reichste und mächtigste aller Eremiten der Christenheit. Wenn langes Haar und wallender Bart, wenn eine Kutte, ein Strick, ein Eichenstab und ein schönes Kloster dessen Bewohner zum Heiligen machen könnten, so würde Savoyen seinen Herzog dafür gehalten haben. Aber diese verwitweten Ritter des Sankt Moritz mit dem goldenen Kreuz auf der Brust sahen eher verkleideten Helden eines Lustspiels als bußfertigen Anachoreten Anachoret: religiöse Einsiedler. Ihre immer steigende Anzahl war eine der Ursachen zur Gründung des Mönchtums und der Klöster. gleich; und wenn auch nur Verleumdung dem alternden Herzog sehr unheilige Motive für sein Einsiedlerleben nachsagen konnte, so war dieses doch eher eine heitere Sommerfrische als eine Buße und Pein. Coelestin V. vom Berg Murrone würde Felix V. vom Genfer See ohne Frage als einen durch den Teufel verführten Eindringling in das Paradies der Heiligen betrachtet haben. Das Basler Konzil, welchem Amadeus stets angehangen, erkannte in ihm den für das Schisma geeigneten Mann, weil er wie einst der Kardinal Robert von Genf zwei Nationen vermittelte, den einen Fuß in Frankreich, den andern in Italien hielt, mit den größten Fürsten verwandt oder befreundet war und für unermeßlich reich galt. Der Herzog-Eremit wurde von vielen Zweifeln bestürmt, als er das Wahldekret empfing, welches ihn kaum überraschte. Seine Vernunft erlag dem sinnlosen Ehrgeiz, sich auf der Bühne der Welt mit der dreifachen Krone zu zeigen. Er nahm seine Wahl am 5. Januar 1440 an und nannte sich Felix V. Dieser Name paßte nur auf die Vergangenheit als Fürst; er ward für ihn zur Ironie als Papst.
So wurde das Schisma wieder zur Tatsache. Jedoch die Welt erschreckte die Erneuerung jener Leiden, welche die durch Martin V. beendigte Kirchenspaltung über sie gebracht hatte, und fast ganz Europa verdammte die Erhebung eines Gegenpapstes, von dem man nicht wußte, ob er Herzog oder Bischof sei. Die Könige und Völker anerkannten Felix V. nicht. Frankreich und England verwarfen ihn; nur einige kleine Fürsten hielten sich zu ihm; Alfonso unterstützte ihn, wie einst Pedro de Luna, nur um Eugen zu schrecken. Das Deutsche Reich blieb neutral. Dort starb Albrecht schon am 27. Oktober 1439, nachdem die Reichsstände mit würdigem Entschluß auf dem Tage zu Mainz am 26. März die Basler Reformartikel zu Gesetzen erhoben hatten. Alberts Nachfolger wurde sein Oheim Friedrich von Steiermark, Sohn des Herzogs Ernst, welchen die Deutschen am 2. Februar 1440 in Frankfurt zum römischen Könige wählten. Dieser ruhige, nüchterne und geistlose Fürst sollte länger als irgendein anderer Kaiser die Krone tragen und der zweite Gründer der habsburgisch-österreichischen Hausmacht werden.
Zu derselben Zeit, als Eugen IV. so tief in die Angelegenheiten der Kirche verflochten war, regierte Vitelleschi mit tyrannischer Allmacht die Stadt Rom. Er hatte dort eine Grabesstille verbreitet. Von Eugen war ihm als Legaten des gesamten Kirchenstaats der Krieg gegen Piccinino übertragen worden, welchem er, mit Hilfe von Florenz und Venedig, Bologna entreißen sollte. Statt dies auszuführen, wandte er sich am Ende des Jahres 1439 gegen Foligno, wo seit mehr als 100 Jahren die Trinci regierten. Diese Familie hatte einst die Vitelleschi, welche ursprünglich Foligno angehörten, aus der Stadt vertrieben, und so rächte der Patriarch an ihr eine alte Schuld. Eine Prophezeiung sagte dort, daß dies Tyrannenhaus stürzen werde, sobald fliegende Rinder sich vor den Stadtmauern zeigten. Die Trinci erbebten, als sie eines Tags die Banner des schrecklichen Kardinals mit dem Wappen seines Hauses, zwei Rindern, flattern sahen. Vitelleschi gewann Foligno durch List, nahm Corrado Trinci mit seinen beiden Söhnen verräterisch fest, führte sie nach Soriano und ließ ihnen dort die Köpfe herunterschlagen. Ihre Schätze wanderten nach Corneto. So wurden auch diese umbrischen Herren ausgetilgt. Der Kardinal zog darauf in Spoleto ein, wo er den Burgvogt, den Abt von Monte Cassino, im Kerker umkommen ließ. Dann ging er in die Winterquartiere nach Corneto und Rom. Seine Grausamkeit war der Schrecken aller, aber nach dem Geständnis eines Römers durch den heillosen Zustand der Stadt entschuldbar.
Vitelleschi, reich von erbeutetem Tyrannengut, gebot über eine ansehnliche Truppenmasse. Zu Corneto, Soriano, Castelnuovo, Civitavecchia und Ostia lag sein Kriegsvolk. Seinem Befehl gehorchten 4000 Reiter und 2000 Fußknechte, welche er im Frühling nach Etrurien führen sollte, um Piccinino und Visconti zu bekämpfen. Sein Charakter und seine Größe erregten Haß und Argwohn bei den Regierungen Italiens. Man warnte den Papst: der Kardinal strebe nach der Tyrannis im Kirchenstaat, ja nach der Papstkrone selbst. Der schwache Eugen liebte Vitelleschi: er bewunderte die Willenskraft eines Menschen, dem allein er die Unterwerfung Roms und eines großen Teils des Kirchenstaats verdankte. Es hielt daher schwer, ihn umzustimmen. Aber die Florentiner entdeckten ihm, daß sie Briefe aufgefangen, welche das verräterische Einverständnis des Kardinals mit Piccinino bewiesen. Danach wolle er, statt Toskana zu verteidigen, dort mit 6000 Mann auftreten, um sich mit dem Feinde zur Unterjochung von Florenz zu verbünden. Zum Sturz Vitelleschis bedienten sich die Florentiner des päpstlichen Kämmerers und Patriarchen von Aquileja. Ludovico Scarampo Mediarota, eines Paduaners von ähnlicher, doch geringerer Natur. Er war Arzt gewesen, dann in der Kurie emporgekommen und begierig, die Stelle des Günstlings einzunehmen, sobald sie leer geworden war. Der Papst ließ sich überzeugen, daß Vitelleschi mit Hilfe Piccininos und Mailands sich zum Herrn des Kirchenstaats aufzuwerfen gedenke. Wenn dieser Plan auch nicht erwiesen werden kann, so war doch ein großartiger Mann wie Vitelleschi, zumal in jener Zeit, vollkommen fähig, ihn zu fassen.
Eugen willigte in die Verhaftung seines Günstlings. Es handelte sich nämlich darum, ihm den Oberbefehl über die Truppen zu nehmen, welchen er als General behalten wollte, während er selbst um seine Enthebung vom Amt des Legaten gebeten hatte. In der Tat hatte Eugen bereits Scarampo zum Nachfolger ausersehen. Die Florentiner schickten Luca Pitti an den Vogt der Engelsburg, Antonio Rido, den Landsmann und Vertrauten Scarampos, mit einem schriftlichen Befehl des Papstes, sich Vitelleschis lebend oder tot zu bemächtigen. Rido selbst war in Streit mit dem Kardinal, welcher ihm die Befehlshaberstelle des Kastells nehmen wollte, um sie einem seiner Kapitäne zu übertragen.
Am 19. März 1440 wollte Vitelleschi von Rom nach Toskana aufbrechen. Er ließ jenem Hauptmann sagen, daß er beim Marsch über die Engelsbrücke ihn zu sprechen wünsche. Seine Truppen waren bereits hinübergezogen, er selbst kam arglos nach. Als er über die Brücke ritt, trat ihm der Schloßvogt mit allen Zeichen der Ehrfurcht entgegen. Während nun der Kardinal, im Gespräch mit ihm, links weg zur ehernen Pforte reiten wollte, fiel das Gatter nieder, und hinterwärts ward eine Kette über die Brücke gespannt. Rido erklärte dem Kardinal, daß er des Papstes Gefangener sei; Vitelleschi zog sein Schwert und gab dem Roß die Sporen, aber Bewaffnete stürzten aus der Engelsburg hervor und umringten ihn und seine Begleiter. Sie verteidigten sich tapfer, bis sie erlagen. Der Kardinal, am Knie, an der Hand, am Kopf verwundet, wurde durch eine Hellebarde vom Pferde gerissen und blutend in die Burg geschleppt. Auf die Kunde dieses Vorgangs kehrte sein Kriegsvolk wütend um, geführt von Eversus von Anguillara; es verlangte die Auslieferung seines Generals und drohte das Kastell zu stürmen. Aber der Burgvogt entfaltete von den Zinnen den Verhaftsbefehl des Papstes, worauf sich die Truppen beruhigten und nach Ronciglione abzogen.
Der Kardinal erkannte sein Schicksal. Er ließ die edle Matrone Hieronyma Orsini zu sich rufen; sie tröstete ihn, indem sie sagte, daß der Papst nichts von seiner Gefangennahme wisse und ihn bald befreien werde. Vitelleschi entgegnete ihr: »Ein Mann, welcher leistete, was ich geleistet habe, durfte nicht verhaftet werden, aber wenn er es ward, so darf man ihn nicht mehr frei lassen; ich sterbe nicht an meinen Wunden, sondern an Gift.« Ohne Zweifel geschah es so, auf Befehl Scarampos, welcher bereits als Legat in Rom eingetroffen war. Der Kardinal verschied in der Engelsburg am 2. April. Man brachte den Toten, kaum bekleidet, nach der Minerva, wo man ihn öffentlich ausstellte. Später erlaubte man seinen Verwandten, ihn im Dom Cornetos zu begraben.
So stürzte der gewaltige Mann, welcher mächtiger als der Papst gewesen war, wie viele seinesgleichen durch Verrat. Daß er selbst Verräter gewesen war, ist unerwiesen. Es gibt unter den Zeitgenossen kaum einen, der nicht das Andenken Vitelleschis verwünscht hat. Dies taten besonders die Geheimschreiber Eugens, Poggius und Blondus, und auch Valla benutzte die Gestalt dieses schrecklichen Prälaten in seinem Traktat über die falsche Schenkung Constantins, um darzutun, wie grausam und barbarisch gerade die Herrschaft von Priestern sei.
Vitelleschi war das vollkommene Vorbild des Cesare Borgia, welcher 60 Jahre später dessen Werk mit noch größerer Meisterschaft und größeren Mitteln fortsetzte und endlich, wie jener, durch Verrat unterging. Er war der erste Staatsmann in der Zeit des erstarkenden politischen Papsttums, welcher die Tyrannen des Kirchenstaats mit Feuer und Schwert, mit Recht und Unrecht, Gewalt und List auszurotten unternahm, um sich dann selbst aus einem Kardinal in den Herrn dieses Kirchenstaats zu verwandeln. Seiner Natur nach war er Condottiere, wie Braccio und Sforza. Wenn nun sein Untergang überall Freude erregte, so wurde die einzige Stimme des Bedauerns merkwürdigerweise in Rom vernommen; denn dieser Mann hatte die Regierungskunst der Tyrannen wohl verstanden. Der naive Chronist Roms schrieb bei seinem Fall: »Ich weiß nicht, ob dies ein Urteil Gottes war, denn wie ihr gehört habt, er war ein Mensch ganz voll von Grausamkeit, Hochmut, Zorn, Schwelgerei und Eitelkeit; doch sage ich: er hielt uns mit großer Zucht und im Wohlstande; solange er lebte, galt der Rubbio – 2,94 hl – Korn zwölf Carlin; nach seinem Tode stieg er in fünfzehn Tagen auf 22, so daß die große Mehrheit des Volkes sehr bekümmert war.« Der Stand der Brotpreise war stets der Gradmesser für die Empfindungen des Pöbels, und außerdem wird man den damaligen Römern nicht unrecht tun, wenn man annimmt, daß höhere politische Ideen nur noch in wenigen Bürgern fortlebten.
Corneto wurde durch den Sturz seines Mitbürgers empfindlich getroffen. Diese alte Stadt verdankte dem Kardinal sehr viel; er hatte sie durch Privilegien ausgezeichnet; viele Cornetaner waren von ihm mit Ämtern versorgt worden. Die Partei der Vitelli erhob sich deshalb, erbittert auch durch die Beschlagnahme der Güter des Kardinals. Gleich nach dessen Festnahme schickte nämlich der Papst Scarampo nach Rom mit dem Befehl, die Nachlassenschaft des Toten aufzunehmen, welche ihm zugehöre. Sie betrug in Geld und Kleinodien die für jene Zeit große Summe von 300 000 Dukaten. Scarampo setzte zur Aufnahme des Inventars eine Kommission ein und schickte seinen Bevollmächtigten nach Corneto. Diesen erschlugen die Vitelli, doch die Gemeinde stillte den Aufruhr und eilte, sich beim Papst zu entschuldigen. Peter und Manfred Vitelleschi lieferten hierauf die Burgen und die Schätze ihres Oheims aus, und so zerrann die furchtbare Macht des Bezwingers der Colonna, der Anibaldi, Savelli, Gaetani, des Antonio von Pontedera, der Vico, Trinci und Varani mit seinem Tode, ohne sich in dem Geschlecht seines Hauses fortzusetzen.
Eugen verschleierte seine Mitwissenschaft an dem Sturze seines um ihn so hochverdienten Ministers. Er erklärte, daß der Vorfall vom 19. März nur die zufällige Folge von Zwistigkeiten zwischen diesem und dem Burgvogt gewesen sei. Aber wenn er auch nicht den Tod, sondern nur die Verurteilung Vitelleschis gewollt hatte, so konnte er doch keinen Augenblick daran zweifeln, daß sein neuer Günstling Scarampo nicht halbe Maßregeln ergreifen werde. Er übertrug auf diesen in kurzer Zeit alle Ämter des Toten, und auch Antonio Rido wurde reichlich belohnt.
Den Krieg wider Piccinino übernahm jetzt Scarampo; die Florentiner, unter Micheletto d'Attendolo und Giampolo Orsini mit ihm vereinigt, erfochten bald den unblutigen, aber entscheidenden Sieg bei Anghiari am 29. Juni 1440. Die Truppen Piccininos zerstreuten sich, die toskanischen und römischen Landschaften wurden vom Feinde befreit, und dieser Erfolg machte Scarampo zu einem großen Mann. Eugen erhob ihn schon am 1. Juli zum Kardinal von S. Lorenzo in Damaso. Er machte zu gleicher Zeit Pietro Barbo zum Kardinal, und seit diesem Augenblick entspann sich zwischen dem Günstling und dem Nepoten eine unauslöschliche Feindschaft.
Scarampo, ein verschlagener Emporkömmling, nicht ohne Bildung, reich und schwelgerisch wie Lukull, ein Wüstling und doch zugleich ein tapferer Condottiere, regierte jetzt in Rom als Legat mit der eisernen Strenge seines Vorgängers. Die Barone regten sich nicht; die Bürger zitterten vor dem Machtgebot des neuen Statthalters und seiner Polizei. Hier hatten freilich mit der Entfernung des päpstl. Hofes Armut und Verwilderung schrecklich überhandgenommen, und wenn irgendwo der Beweis geliefert ward, daß die grausamsten Blutgesetze und der Anblick täglicher Hinrichtungen den moralischen Zustand des Volkes niemals verbessert haben, so geschah es in Rom zur Zeit Vitelleschis und Scarampos. Raub, Blutrache und Mord erfüllten die Stadt mit Greueln. Aus den verödeten Basiliken entraffte man, was Wert hatte, selbst den Marmor, weshalb Eugen eine Bannbulle gegen die Kirchenschänder erließ. Sie war so wirkungslos, daß sogar Geistliche, Benefiziaten des Lateran, jene Edelsteine raubten, mit denen Urban V. die Hüllen der Apostelhäupter geschmückt hatte. Nachdem man diese Kleinode wieder aufgefunden, wurden sie nach dem Lateran zurückgebracht; die Räuber selbst richtete man unter den gräßlichen Formen damaliger Justiz auf dem Platz S. Johann.
Die Römer bestürmten Eugen immer dringender um seine Rückkehr; aber noch hielten ihn Widerwille, das Schisma und die Kriege in der Lombardei, den Marken und in Neapel zurück. Der Krieg der Liga gegen Mailand, dessen Feldhauptmann Piccinino der beleidigte Francesco Sforza als Condottiere Venedigs siegreich bekämpfte, wurde endlich durch den Frieden zu Cavriana im Oktober 1441 beigelegt. Infolge desselben vermählte sich Sforza mit Bianca, der sechzehnjährigen Tochter Filippo Marias, die ihm Cremona als Mitgift brachte. Hierauf war nur noch der neapolitanische Krieg zu stillen. Auf Alfonso bauten die Basler Schismatiker, und die Hoffnung Eugens, diesen König durch die Waffen René von Anjou zu stürzen, erwies sich als eitel. René war im Jahre 1438, in dem furchtbaren Kriege Frankreichs und Englands, kaum aus der Haft des Herzogs von Burgund befreit, nach Neapel geeilt, wo ihn das Volk freudig aufgenommen hatte. Aber das Glück war ihm nicht hold. Nach heißen Anstrengungen eroberte Alfonso am 2. Juni 1442 die Hauptstadt des Landes. Vom Bord einer genuesischen Galeere blickte René mit Schmerz auf das schöne Neapel, das er für immer verließ. Er eilte nach Florenz. Eugen verhöhnte nur das Unglück des Flüchtlings, indem er ihm das Investiturdiplom für ein verlorenes Königreich ausstellte. Der letzte König Neapels vom Hause Anjou kehrte nach der Provence zurück; seiner Rechte bemächtigten sich die Monarchen Frankreichs, um sie später gegen die Nachfolger des glücklichen Alfonso geltend zu machen, welchem jetzt das ganze Königreich huldigte.
Die Erfolge seines mächtigsten Gegners brachten Eugen außer Fassung. Denn nun konnte Alfonso Rom ohne Mühe sich unterwerfen und außerdem dem Schisma Nachdruck geben. Der König hatte zwar Felix V., welcher am 24. Juni 1441 zu Basel geweiht worden war, nicht anerkannt, aber drohte damit, um von Eugen die neapolitanische Investitur zu erzwingen. Diese trug ihm der Gegenpapst an, und er unterhandelte mit beiden Päpsten zugleich. Endlich ging Eugen auf die Vorschläge ein, die ihm der König durch Borgia, den Bischof von Valencia, machen ließ. Zu solcher Änderung seiner Politik bewog ihn auch der Gedanke, sich der Waffen Alfonsos zu bedienen, um Sforza die Marken zu entreißen. Sforza war Feind Alfonsos seiner neapolitanischen Besitzungen wegen, die ihm dieser genommen hatte. Vor der Eroberung Neapels hatte ihn René zu seiner Rettung herbeigerufen, und schon war der Graf aufgebrochen, als ihn unerwartete Hindernisse zurückhielten. Denn Visconti, von Neid über das Glück seines Schwiegersohns gequält, in welchem er einen Nachfolger und Erben ahnte, hatte sich heimlich mit dem Papst verbunden und Piccinino nach Umbrien geschickt. Hier bemächtigte sich dieser Todis, einer Stadt, die damals dem Sforza angehörte. Die italienische Staatskunst jener Zeit ist abschreckend durch das Gewebe von Treulosigkeit und List, worin Eugen IV., Visconti, Alfonso und Sforza einander ebenbürtige Meister waren. Wenn man sich erinnert, wie arglistig Sforza sich in den Besitz der Marken gesetzt hatte, so wird man freilich nicht erstaunen, daß ihn der Papst mit gleicher Münze bezahlte.
Am 3. August 1442 erklärte Eugen Sforza für einen Rebellen und forderte die Rückgabe aller von ihm besetzten, der Kirche zugehörigen Städte. Florenz und Venedig suchten ihren langjährigen Verbündeten und Feldhauptmann zu schützen, der Papst dagegen wider ihn eine Liga mit Visconti und Alfonso zu vereinigen, wobei er Piccinino zu seinem Bannerträger ernannte, so daß die Verhältnisse ihn plötzlich zum Freunde seiner bisher grimmigsten Feinde, zum Gegner seiner bisher wärmsten Bundesgenossen machten. Er ließ die Republik Florenz fallen, die ihm so lange Jahre ein Asyl, Geld und Waffen gegeben hatte. Er grollte ihr, weil sie Sforza im Besitze der Marken unterstützte. Indem er mit Alfonso und Filippo Maria unterhandelte, kündigte er seinen Entschluß an, Florenz zu verlassen. Diese Stadt, wie Venedig über die Umwandlung der päpstlichen Politik entrüstet, wollte Eugen erst mit Drohungen zurückhalten, dann ließ sie ihn seine Wege ziehn. Nachdem er im April 1443 das Konzil nach Rom verlegt hatte, ging er am 7. Mai nach dem Florenz feindlichen Siena, wo er mehrere Monate blieb. Hier bestätigte er am 6. Juli den Vertrag, welchen Scarampo am 14. Juni mit Alfonso in Terracina abgeschlossen hatte. Der König Alfonso gelobte darin, Eugen als Papst anzuerkennen, Lehnsmann der Kirche zu sein, Galeeren zum Türkenkriege auszurüsten und endlich Truppen zu stellen, um Sforza die Marken zu entreißen. Dafür wollte ihn Eugen als König Siziliens und seinen natürlichen Sohn Don Ferrante als legitimen Erben anerkennen, außerdem ihn auf Lebenszeit mit Benevent und Terracina belehnen. So wurde René, nachdem er jahrelang den Absichten des Papstes gedient und zweimal von ihm die Investitur Investitur: Einsetzung, Belehnung (von Bischöfen usw.), ein Recht, das in Deutschland dem Kaiser zustand und ihm vom Papst bestritten wurde. empfangen hatte, preisgegeben, und die Krone Neapels ging rechtskräftig auf das Haus Aragon über. Der Vertrag mit Alfonso veränderte sofort die ganze Lage des Papstes; er sicherte ihm die Oberhand sowohl in den italienischen Verhältnissen, als gegenüber dem Konzil. Auch der Herzog von Mailand trat jetzt zu Eugen, und Sforza geriet durch den Einmarsch des Königs in die Marken in große Bedrängnis. Eugen konnte demnach nach Rom zurückkehren, wo sein Legat Scarampo ihn erwartete, nachdem er durch Hinrichtungen solche Römer hinweggeräumt hatte, die unbequem oder gefährlich waren.
Am 28. September 1443 zog Eugen in die Stadt ein. Dasselbe Volk, welches ihn einst auf dem Tiber wütend verfolgt hatte, strömte ihm jetzt meilenweit über Ponte Molle entgegen und empfing ihn mit erzwungenen Huldigungen. Fünf Kardinäle begleiteten ihn. Er blieb die Nacht im Kloster S. Maria del Popolo. Am folgenden Morgen begab er sich in Prozession, unter einem Baldachin einherreitend, nach dem Vatikan. Als er den Platz Colonna erreichte, rief das Volk: »Es lebe die Kirche! Nieder mit den neuen Steuern und denen, die sie erfunden haben.« Er befahl, die von Scarampo aufgelegte Weintaxe abzuschaffen.
Nach einem Exil von mehr als neun Jahren fand Eugen Rom fast in demselben Elend wieder, in welchem es Martin V. gefunden hatte. Dies machte ihm viel Pein, und überhaupt war er nur mit Widerwillen zurückgekehrt. Wenn er den blühenden Zustand, die Anmut der Sitten und die geistige Regsamkeit in Florenz, der hohen Schule der Wissenschaften und Künste, mit der verwilderten Öde Roms verglich, so mußte er davor zurückschaudern. Sein Biograph sagt von dem damaligen Rom: »Die Stadt war durch die Abwesenheit des Papstes wie ein Dorf von Viehhirten geworden; Schafe und Kühe trieben sich darin umher, sogar dort, wo jetzt die Banken der Kaufleute stehen.« Der tägliche Anblick von Köpfen oder Gliedern gevierteilter Menschen, welche an den Toren festgenagelt oder in Käfigen oder auf Lanzen ausgestellt waren, oder das tägliche Schauspiel von Verbrechern, die man in die Kerker und auf die Richtplätze abführte, mochte selbst die abgehärteten Nerven der damals Lebenden erschüttern.
Eugen nahm nur für neunzehn Tage Wohnung im Vatikan, worauf er den Lateran bezog, um dort am 13. Oktober des spärlich besuchte Konzil zu eröffnen. Daß er dies in Rom tat, daß er seine Bannbullen gegen die Basler und den Gegenpapst aus dem Lateran schleudern konnte, war ein Vorteil für ihn, welcher ihm wie allen seinen Vorgängern in ähnlichen Lagen den Sieg sicherte. Seine Tage wurden freilich durch tiefe Sorgen beunruhigt, durch den Krieg wider Sforza, das Schisma und die Unterhandlungen mit dem Deutschen Reich, welches er zum Aufgeben der Neutralität zu bewegen suchte.
Sforza unterstützten Florenz und Venedig und einige Dynasten, wie sein Bruder Alessandro, Herr von Pesaro, und Sigismondo Malatesta, aber den Papst Alfonso und Visconti, welcher seinen Schwiegersohn mit der einen Hand angriff, mit der andern verteidigte. Das Konzil zu Basel, erschüttert durch den Abfall Alfonsos, täuschte sich auch in der Hoffnung, daß der Haß gegen den undankbaren Eugen Venedig und Florenz zur Anerkennung Felix' V. treiben würde. Es empfing zwar Boten Sforzas, welcher jetzt der wirkliche Vikar für dies Konzil zu sein begehrte; aber seine Geldforderungen machten an die erschöpften Kassen des Gegenpapstes zu große Ansprüche. Auch waren seine Verheißungen trügerisch. Sein großer Gegner Niccolò Piccinino starb zu Mailand am 8. September 1444 aus Gram über den Abfall Bolognas, welches unter Annibale Bentivoglio seine Freiheit hergestellt und mit Florenz und Venedig in Liga getreten war, und aus Kummer über eine Niederlage seines Sohnes Francesco, die der durch Sforza erhalten hatte. Und dieser erzwang am 10. Oktober 1444 einen Frieden von Eugen, der ihm den Besitz des größten Teils der Marken bestätigte. Doch bald erhob der Papst neuen Krieg. Sein Heer führte Scarampo als Legat und Kapitän. Sforza sah seine Städte fallen, bis auf das einzige Jesi, und er selbst mußte bei Federigo von Urbino Schutz suchen. Er ermannte sich wieder im Jahre 1446. Von Cosimo und den Florentinern, gegen welche der Papst Alfonso aufreizte, ermuntert und angelockt von der Aussicht auf Unterstützung römischer Barone, namentlich der Anguillara, faßte er im Mai 1446 den kühnen Entschluß, gegen Rom selbst zu ziehen. Er hoffte auf den Einfluß des Kardinals Nicola Acciapaccio von Capua, der mit Scarampo und Alfonso verfeindet und vom Papst verbannt worden war. Im Juni drang Sforza bis Bolsena vor; jedoch Eversus täuschte ihn; die Barone erhoben sich nicht; er mußte umkehren und sich bis unter die Mauern Urbinos zurückziehen. Nicht minder glücklich war Eugen in seinem Kampfe wider das Schisma. Wenn Felix V. den ehrgeizigen Gedanken hatte, durch ein europäisches Konzil als Unionspapst gewählt, vor der Welt zu glänzen wie Martin V. und dann seinen Sitz in Rom zu nehmen, so machte jeder Tag diese Hoffnung mehr verschwinden. Nur Savoyen, die Eidgenossen, kleine Fürsten, einige Bischöfe und Reichsstädte anerkannten ihn. Während er in Mißachtung zu Lausanne Hof hielt, überließ er die Geschäfte seinen Kardinälen, unter denen nur Aleman und Johann von Segobia, der Geschichtschreiber des Basler Konzils, bedeutende Männer waren. Er hatte eine Reihe von Kardinälen ernannt, und es ist der Bemerkung wert, daß er in ihre Zahl auch einen Nepoten Vitelleschis, Bartolommeo, den Bischof von Corneto, aufnahm. Vergebens bemühte sich das zusammengeschmolzene Konzil, seinem Papst die Anerkennung in Deutschland und Frankreich zu gewinnen; denn dort drang endlich Eugen durch. Ihm kam alles darauf an, den römischen König und die Reichsfürsten zur Aufgabe der Neutralität zu bewegen, denn dies Prinzip enthielt die größte Gefahr für das Papsttum. Das Reich nahm dadurch eine selbständige Haltung ein, woraus sich seine kirchliche Abtrennung von Rom durch eine deutsche Reform ergeben konnte. Der Widerstand der Kurfürsten und Reichsstände war heftig: sie forderten ein Unionskonzil in einer deutschen Stadt. Aber die anarchische Verfassung des Reiches und die Untüchtigkeit Friedrichs III., der für die wichtigsten Angelegenheiten des deutschen Volks keinen Sinn besaß, erleichterten der römischen Kurie den Sieg, zumal der mächtige Kanzler Friedrichs, Caspar Schlick, für Eugen gewonnen wurde. Aus endlosen Reichstagen ergab sich kein Erfolg. Die römischen Legaten, erst Cesarini, der sodann in der unglücklichen Türkenschlacht bei Varna am 10. November 1444 mit König Ladislaus den Tod fand, hierauf Carvajal, der Erzbischof Thomas Parentucelli von Bologna und der vom Basler Konzil abgefallene Nicolaus von Cusa, arbeiteten mit Erfolg an der Sprengung der deutschen Opposition. Die größten Dienste leistete der geistreiche Abenteurer Piccolomini aus Siena, welcher allen Herren und Parteien der Reihe nach gedient hatte, erst Sekretär Felix' V., dann Schlicks und Friedrichs III. gewesen war, erst die deutsche Neutralität verfochten hatte, dann durch glänzendere Aussichten zum Abfall bestimmt, seit 1445 das eifrigste Werkzeug für Eugen am Hofe Friedrichs geworden war.
Der römische König verkaufte in einem geheimen Vertrag mit dem Legaten Carvajal zu Wien die Reformation der deutschen Kirche dem Papst für die erbärmliche Summe von ein paar 100 000 Gulden, für die Aussicht auf die Kaiserkrönung und kirchliche Vergünstigungen in seinen Erblanden. Der am 21. März 1446 zu Frankfurt geschlossene Kurfürstenbund, welcher den Widerstand noch fortsetzen wollte, auf ein allgemeines Konzil drang und die Anerkennung der Basler Reformdekrete forderte, wurde durch den Abfall des Mainzer Erzbischofs Dietrich aufgelöst, und die zum Teil bestochenen Reichsstände willigten in die Anerkennungserklärung auf Grund der Frankfurter Vorschläge vom 5. Oktober 1446. Die deutsche Reform erlag dem Bunde des Papsttums und Kaisertums zur Aufrechterhaltung ihrer gefährdeten Autorität. Wenn der Trieb der deutschen wie gallikanischen Kirche Gallikanische Kirche: die Katholische Kirche in Frankreich, soweit sie sich eine gewisse nationale Selbständigkeit gegenüber dem römischen Stuhl sicherte. nach Autonomie sich gegen die absolute Papstgewalt richtete, so stand damit die feindselige Haltung der Kurfürsten und Stände in genauem Zusammenhang. Denn auch hier machte sich das Bestreben geltend, die Reichsverfassung durch die Selbständigkeit der landesherrlichen Fürstengewalt umzugestalten. Papst und Kaiser verständigten sich um dieser Gefahr willen. Das mittelalterliche Prinzip drängte noch einmal die Bedürfnisse der neuen Zeit zurück.
Mit jenem Vertrage eilten die Gesandten Friedrichs III., Piccolomini und Procop von Rebstein, am 16. November 1446 von Wien nach Rom, während die Boten von Mainz, von der Pfalz, von Sachsen, Brandenburg und anderen Reichsfürsten ebendahin abgingen. Die deutsche Gesandtschaft erregte großes Aufsehen in Rom. Sie wurde am ersten Meilenstein vom gesamten Klerus feierlich eingeholt. Seit der Wiederherstellung des Papsttums war der Einzug von Gesandten, sowohl zur Huldigung bei der päpstlichen Thronbesteigung, als bei andern Angelegenheiten, ein wiederholtes Schauspiel strengster zeremoniöser Form, welches dem Leben der Stadt ein neues Gepräge gab. Die fremden Gesandten wurden je nach den Umständen in Palästen von Großen und Kardinälen oder in öffentlichen Gasthäusern beherbergt. Die Deutschen bezogen ein Haus am Kapitol. Zur Audienz, um die Weihnachtszeit, vorgelassen, hielt Piccolomini die Rede an Eugen. Die Verhandlungen waren schwierig: die Obedienz Obedienz: Anerkennung der (eig. geistlichen) Oberhoheit des Papstes. Auch soviel wie Gehorsam, Dienstverpflichtung. ging nur von einem Teil des deutschen Volkes aus, und sie war an Artikel geknüpft, welche, wie namentlich der Costnitzer Beschluß des in bestimmten Zeiträumen abzuhaltenden Konzils, die Aufhebung der Jahresgelder und die Wiedereinsetzung der vom Papst suspendierten Erzbischöfe von Köln und Trier, der hierarchischen Partei unannehmbar erschienen. Die Ansicht dieser wurde von den meisten Kardinälen, zumal von Torquemada und Borgia mit Heftigkeit behauptet. Scarampo stimmte für die Annahme des Konkordats, und so auch die neu ernannten Kardinäle, der Spanier Carvajal und Parentucelli, welche als Legaten den Kurfürstenbund gesprengt hatten, vor kurzem zurückgekehrt und schon unterwegs mit dem roten Kardinalshut belohnt worden waren. Die Schwierigkeit des Abschlusses minderte übrigens das Nachgeben der deutschen Gesandten und auch die tödliche Krankheit, in welche Eugen am Anfang des Januar 1447 fiel. Als er sein Ende nahe fühlte, war es sein sehnlichster Wunsch, das Deutsche Reich wieder mit Rom fest verbunden zu wissen.
Nach langem Kampf bewilligte er die Artikel in ihrer von Piccolomini abgefaßten Form, aber er erschrak selbst vor diesem schwachen Zugeständnis der deutschen Reformation. Ehe er den Gesandten auf seinem Bette die Bullen aushändigte, legte er am 5. Februar eine urkundliche Verwahrung nieder: daß seine Zugeständnisse, bei einem durch Krankheit getrübten Urteil gemacht, nichtig sein sollten, wenn sie irgend die Lehre der Kirchenväter und die Rechte des Heiligen Stuhles beschädigten. Was konnte nicht jeder seiner Nachfolger aus dieser unredlichen Verwahrung machen! Am 7. Februar wurden die Konkordatsbullen ausgeliefert, und die Gesandten leisteten Obedienz: man feierte diese Rückkehr des Reichs zum römischen Papsttum mit Prozessionen, wobei die fabelhafte Tiara Sylvesters umhergetragen ward. Das Papsttum hatte in Wahrheit einen wichtigeren Sieg erfochten, als es die Union mit Griechen, Armeniern und Äthiopen sein konnte: es hatte die deutsche Reformbewegung für lange Jahre gehemmt.
Eugen lag sterbend im Vatikan. Schon am 9. Januar war Alfonso mit Kriegsvolk nach Tivoli gekommen, wo er lagerte, unter dem Vorwande, über die Sicherheit der Stadt zu wachen, aber mit der Absicht, die Neuwahl zu beeinflussen. Sein mit dem Papst verabredeter Feldzug gegen Florenz war eine der Ursachen seines Marsches, doch glaubte man, daß ihn der von ganz Rom gehaßte Scarampo zu seiner eigenen Sicherheit gerufen hatte. Noch am 14. Februar übertrug Eugen diesem Günstling die Bewachung aller festen Orte in und bei Rom; denn es gärte im Volk; man fürchtete die Rache der von Vitelleschi und Scarampo erdrückten Barone.
Als Eugen seine Todesstunde nahen sah, berief er die Kardinäle, welche alle bis auf Prospero Colonna seine Geschöpfe waren. Er überblickte die Schicksale seines Pontifikats; und diesen hatten Flucht und Exil, Schisma und Kriege den unseligsten Papstregierungen ähnlich gemacht, bis auf die meist selbst verschuldeten Leiden die Herstellung und der Sieg über das Konzil gefolgt war. Mit Genugtuung sprach er von der Union mit Deutschland, die er dem römischen Könige, dem Erzbischof von Mainz und dem Markgrafen von Brandenburg verdanke. Der niedrigen Mittel sich bewußt, womit er den Sieg über Deutschland erfochten hatte, rief er mit tiefem Seufzer aus, daß er für sein Seelenheil besser wäre, ewig Klosterbruder geblieben statt Papst geworden zu sein. Doch er starb als Papst, mit der Hoffnung, daß der Rest des Schisma nicht mehr lange Bestand haben werde, während er auch den ganzen Kirchenstaat, mit Ausnahme von Bologna und Jesi, seinem Nachfolger überliefern konnte. Zu diesem, so wünschte er, sollten die Kardinäle eher einstimmig einen mittelmäßigen, als hadernd einen hervorragenden Mann erwählen.
Eugen verschied am 23. Februar 1447, 62 Jahre alt. Mitwelt und Nachwelt haben diesen Papst, dessen Regierung nur durch eine zwar verunglückte, aber nicht spurlos verlorene Reformbewegung für die Geschichte bedeutungsvoll gewesen ist, verschieden beurteilt. Der ihm dankbare Piccolomini hat wohl das schmeichelhafteste Bild von ihm entworfen: »Er war ein großer und ruhmvoller Papst; er verachtete das Geld, liebte die Tugend; er war nicht hochmütig im Glück, im Unglück nie mutlos; er kannte keine Furcht; seine gefaßte Seele trug stets das gleiche Angesicht; gegen Feinde rauh und hart, war er freundlich gegen diejenigen, welche er in sein Vertrauen wieder aufnahm. Dazu war er von hoher Gestalt, von schönem Antlitz, im Alter voll Majestät.« Piccolomini fügte jedoch einen Tadel hinzu: er legte nicht das richtige Maß an sich und an die Dinge; er ergriff nicht, was er konnte, sondern was er wollte. Zu der Unüberlegtheit im Handeln gesellte sich Eigensinn bei mangelnder Welterfahrung eines in mönchischer Vereinsamung hingebrachten Lebens. Schwäche machte ihn zu diplomatischen Ränken geneigt. Die Stürme seiner Regierung würde Eugen nicht überdauert haben, wenn nicht bedeutende Menschen für ihn handelten. Kluge Staatsmänner, gelehrte Theologen, Tyrannen im Patriarchengewande fochten für ihn den Streit mit dem Basler Konzil aus, und sie eroberten für ihn den Kirchenstaat. Ein hohes Lob Eugens ist unbestritten: daß er vom Nepotismus frei blieb. Man nannte ihn sogar undankbar, weil er die Orsini, durch welche er das Papsttum erhalten und den Kirchenstaat zum Teil wiedergewonnen hatte, nicht belohnte. Er machte keinen dieses Hauses zum Kardinal. Nach dem Sturz der Colonna scheute er sich, deren Gegner zu erheben. Er liebte überhaupt nicht Rom. Unter den zuletzt von ihm ernannten Kardinälen gab es keinen Römer.