Ferdinand Gregorovius
Athenaïs
Ferdinand Gregorovius

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XXXIII.

Athenaïs, die Philosophentochter aus Athen, die byzantinische Kaiserin Eudokia starb zu Jerusalem. Auf ihrem Sterbebette beschwor sie ihre Unschuld an dem Untergange des Panlinus.Chronicon Paschale, I, 585. Cedrenus, I, 590. In der von ihr geweihten Stephanskirche ist sie bestattet worden. Das Jahr ihres Todes ist nicht ganz gewiß, aber mit der größesten Wahrscheinlichkeit 460.Clinton, II, 136, der sich auf das Todesdatum in der Vita S. Euthymii beruft (20. October 460), und auf Nicephorus, welcher den Tod Eudokias in das 4. Jahr des Kaisers Leo setzt. Dieses aber begann am 7. Februar 460. Auch Tillemont ist für dieses Jahr. Cedrenus (I, 607) läßt sie im 5. Jahre des Kaisers Marcianus sterben. Nach den Angaben eines byzantinischen Geschichtschreibers hatte sie das Alter von 67 Jahren erreicht, aber das ist durchaus zweifelhaft.Nicephorus, XIV, c 50. Nach ihm war Athenaïs 20 Jahre alt, als sie sich mit Theodosius vermälte. Da dies 421 geschehen ist, so würde sie im J. 460 nur 59 Jahre erreicht haben. Die Confusion des Nicephorus ist so groß, daß er Pulcheria noch als lebend aufführt nach der Einnahme Roms durch Genserich.

An ihr einsames Grab kam ihre Enkelin, ihre eigenen Schicksale zu beweinen, und wahrscheinlich hat dasselbe auch ihre Tochter besucht. Der byzantinische Kaiser Leo hatte endlich im Jahre 462 vom Könige Genserich die Entlassung der erlauchten Gefangenen erlangt, mit Ausnahme der Prinzessin Eudocia, welche dem Hunnerich vermält war und in Karthago zurückblieb. Mit ihrer zweiten Tochter Placidia eilte Eudoxia, die Wittwe Valentinian's III., nach Constantinopel. Dort vermälte sie dieselbe dem edeln Römer Olybrius.

Sechzehn Jahre lang lebte ihre älteste Tochter Eudocia mit dem Prinzen Hunnerich in Karthago, dann gelang es auch ihr im Jahre 471 nach Constantinopel zu entfliehen. Von dort pilgerte sie nach Jerusalem, wo sie bald darauf starb. Neben ihrer Großmutter Athenaïs wurde diese zweite Eudocia bestattet.Theophanes, I, 183. Nicephorus, XIV, c. 12.

Ihrem Gemale Hunnerich hatte sie den Hilderich geboren. Dieser Urenkel der Athenaïs lebte längere Zeit in Constantinopel, wo er sich griechische Sympathien und Sitten aneignete. Sein Vetter Gelimer stürzte ihn vom Königstrone in Karthago und brachte ihn im Jahr 533 ums Leben. Dies hatte die Intervention des byzantinischen Kaisers und die Zerstörung des Vandalenreiches zur Folge. Die Töchter Hilderichs, vandalische Prinzessinnen, wurden von Belisar im Jahr 534 aus Karthago nach Constantinopel geführt, und hier am Hofe Justinians als Nachkommen zweier römischer Kaiser, des Theodosius II. und des Valentinian III., ehrenvoll angenommen.

Die zweite Enkelin der Athenaïs, jene an Olybrius vermälte Prinzessin Placidia, hatte das Glück als Kaiserin in denselben Cäsarenpalast Roms zurückzukehren, aus dem sie mit ihrer Mutter und Schwester in die vandalische Gefangenschaft war geführt worden. Denn dorthin begleitete sie ihren Gemal Olybrius, welchen der allmächtige Ricimer nach dem Tode des Anthemius im Jahre 472 zum römischen Kaiser erhob. Aber nach nur sieben Monaten seiner Regierung wurde Olybrius vom Fieber hinweggerafft. Seine Gemalin Placidia kehrte nach Constantinopel zurück. Auch sie soll nach Jerusalem gegangen sein, dort lange gelebt haben, und endlich in Verona am Hofe des großen Gothenkönigs Theodorich gestorben sein.Ducange, Famil. Byzant., S. 74. Dem Olybrius hatte Placidia die Julia Anicia geboren, die sich mit Ariobindus vermälte, einem Enkel des aus dem Perserkriege bekannten Feldherrn. (Chron. Paschale, I, 594.) Vorher hatte sie der Kaiser Zeno dem Gothenkönige Theodorich als Gemalin angetragen. Julias Sohn war Olybrius der Jüngere. Clinton, Fasti Romani, II, 127.

Dies sind die Lebensschicksale der Athenaïs und ihrer Nachkommen gewesen. Sie sind durch ihre Verflechtung mit dem absterbenden Hellenentum und dem untergehenden Römerreich besonders denkwürdig. Aber leider ist das Porträt der berühmten Athenerin nur so undeutlich auf uns gekommen, wie ein von der Zeit verdunkeltes byzantinisches Mosaikbildniß, aus welchem viele glänzende Stifte ausgefallen sind.


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