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Der äußerliche Charakter Constantinopels war, wie derjenige Roms, noch ganz heidnisch. Das Christentum, welchem Constantin aus politischen Gründen erst die Duldung neben der alten Religion, dann den Vorzug vor ihr gegeben hatte, war von diesem abergläubischen Kaiser selbst mit dem Heidentum vermischt worden. Er hatte in seiner neuen Stadt Kirchen gebaut, aber auch hellenische Tempel, wie den der Rhea auf seinem Forum, das Tycheion, worin er das Bild der städtischen Glücksgöttin aufstellte, und einen Tempel der Dioskuren beim Hippodrom.
Einige der alten byzantinischen Heiligtümer, unter denen die Tempel der Minerva Ekbasia, des Poseidon, der Hekate und Proserpina, des Zeus und Apollos Zeuxippos berühmt waren, hatte er in Kirchen verwandelt, andere, namentlich die Tempel des Helios, der Aphrodite und Artemis auf der Akropolis, verschont; und erst Theodosius der Große ließ diese zerstören oder zu dem profansten und verächtlichsten Dienste verwenden.Ein Tempel der Diana Phosphora wurde von diesem Kaiser der heiligen Photina geweiht. Hammer, Constantinopel und der Bosporus, I, 189.
Nichts ist charakteristischer für die constantinische Verschmelzung der christlichen Religion mit den Anschauungen und Cultusformen des Hellenentums, als die magischen Talismane, welche jener Kaiser in der neuen Stadt anbringen ließ. Der Porphyrmonolith auf seinem Forum trug seine eigene Bildsäule, aber diese war eine alte Apollofigur von Erz aus Ilium, nur ihr Kopf war neu und des Kaisers Porträt. Ein Stralennimbus umgab denselben, aus sieben Nägeln geformt, mit denen der Heiland sollte an das Kreuz geschlagen worden sein. Splitter dieses Kreuzes selbst waren in den Körper der Apollofigur eingeschlossen.
Auf dem Prachtbau des Milium sah man die Colossalfiguren desselben Kaisers und seiner Mutter Helena; beide hielten zwischen sich das Kreuz, aber auf diesem Sinnbilde des Christenglaubens war die magische Tyche oder Anthusa der Stadt Constantinopel an einer Kette befestigt. Die heidnische Glücksgöttin stand auch auf dem Sonnenwagen des Helios am Forum und sie hatte auf ihrem Haupte das Symbol des Kreuzes.
Dieselbe Schicksalsgöttin ruhte auf der Hand des vergoldeten Colossalbildes Constantin's, welches, nach seiner eigenen Bestimmung, bei der Wiederkehr des Tages der Einweihung der Stadt (11. Mai 330) in feierlicher Procession mit Fackeln durch den Hippodrom getragen und vor das Tribunal, den Sitz des Imperators geführt wurde, wo der jedesmalige Kaiser diese Statue und die Tyche der Stadt knieend verehren mußte.Malalas, XIII, 322: καὶ πεφύλακται του̃το τὸ έθος έως τὸ νυ̃ν. Siehe auch Lasaulx, Untergang des Hellenismus, S. 45.
Die eine Stadt am Bosporus war von ihrer Glücksgöttin dazu bestimmt, die moralischen und physischen Kräfte der Länder um sie her auszusaugen; durch sie wurden die antike Religion und Cultur Griechenlands zerstört, und die altheiligen Denkmäler der hellenischen Kunst, die mit jener Religion unzertrennlich zusammenhingen, als Beute hinweggeführt und zu ihrem äußerlichen Schmucke verwendet.
Constantin hatte zu diesem Zweck die Provinzen des Reichs, sogar die Stadt Rom, vor allem aber Hellas und das griechische Asien zahlloser Kunstschätze beraubt. Diese vandalischen Plünderungen setzten seine Nachfolger fort, zumal Theodosius I. Als ein fanatischer Feind des Heidentums behandelte dieser Kaiser die Meisterwerke Griechenlands wie herrenloses Gut; wo er solche nicht mit den Tempeln selbst zerstören ließ, entführte er sie nach dem Bosporus.
Selbst sein Enkel hat athenische Kunstwerke in die Hauptstadt fortschaffen lassen. Unter ihnen befand sich wahrscheinlich eins der Athenabildnisse von der Akropolis. Sein Patricier Proklus entführte einen Monolith aus Athen, welcher im Hippodrom aufgestellt wurde.Codinus de signis, S. 48. Gebilde von Elephanten aus dem Tempel des Ares in Athen wurden von demselben Kaiser an der Porta Aura in Constantinopel aufgestellt.Codinus de signis, S. 47. 48. Anonym. Antiquit. Constant. bei Banduri Imp. Orient., I. 21. Dieses Tor war mit vielen Statuen geschmückt, unter denen sich auch die Theodosius des Großen befand. Auch sein Enkel stellte daselbst sein Standbild auf, nachdem er die neuen Mauern vollendet hatte.Diese Bildsäule ist wol im Zusammenhang mit jenem Elephanten zu denken. Da aber Cedrenus sagt, dieselben hätten jene dargestellt, mit welchen Theodosius II. seinen Einzug in die Stadt gehalten, so ist die Notiz des Codinus von ihrer Herkunft aus Athen zweifelhaft.
Diese aus der antiken Welt zusammengeschleppten Bildwerke überboten die Kunstschätze des damaligen Rom, wenn auch nicht an Zahl, so doch sicher an idealem Wert. Zur Zeit der Athenaïs war Constantinopel schon das größeste Kunstmuseum, welches die Welt neben Rom überhaupt jemals gesehen hat. Tausende antiker Statuen, darunter berühmte Werke unsterblicher Künstler, die noch Pausanias auf seinen Wanderungen durch die Städte Griechenlands an ihrem Orte bewundert hatte, schmückten jetzt die riesigen Kaiserfora, die Bäder, die Säulenhallen, die Theater, den Circus, die Kaiserburg, den Senatspalast und die Paläste der Großen.
Alle diese Gebilde des hellenischen Genies waren dem Zusammenhange mit der Geschichte, dem Cultus und den ruhmvollen Erinnerungen Griechenlands entrissen, und auf den ehrwürdigen Stätten, den Marktplätzen, Gemeindehäusern und Tempeln der Heimat entführt worden, für deren architektonische und landschaftliche Verhältnisse sie einst von den Künstlern waren erdacht und berechnet worden. Sie dienten jetzt zu Trofäen der neuen welterobernden Religion und der byzantinischen Cäsardespotie, die aus dem Christentum ihre moralische Kraft bezog. Sie waren nur eine willkürliche Decoration für die Gebäude Constantinopels, welche, so colossal und prachtvoll sie auch sein mochten, im Mißverhältniß zu den griechischen Idealen der Schönheit standen, denn sie gehörten der Constantinischen Epoche des Verfalles an.
Das hellenische Gemüt der Athenaïs mußte in mehr peinliche als freudige Aufregung kommen, wenn sie überall auf Plätzen und Straßen die alten Götter und Helden ihres Vaterlandes wiedersah. Sie begegneten ihr schon im Kaiserpalast selbst, zumal in den Portiken der Chalke, denn dort waren viele Statuen, auch athenische, aufgestellt.’Εκ τὴς τω̃ν ’Αθηναίων γη̃ς. Codin. de signis, S. 60. In die Kaiserburg hatte Constantin zuerst die berühmten Musen vom Helikon bringen lassen; sie kamen von dort später in den Palast des Reichssenats und gingen mit diesem selbst und vielen andern in ihm bewahrten Meisterwerken zu Grunde, als im Juni 404 die Sophienkirche und jener Palast ein Raub der Flammen wurden. Nur der Zeus aus Dodona und eine Minerva wurden damals wie durch ein Wunder verschont.Zosimus, V, c. 24.
Wenn die junge Kaiserin auf dem Tribunal des Hippodrom Platz nahm, wo später ihre eigene Statue neben der ihres Gemals aufgestellt wurde, so erblickte sie auf der Spina des Circus und in den Säulenhallen unter den aus Athen und Hellas, aus Cyzikus, Rhodus und Cäsarea, Thralles und Ephesus und aus andern Städten dorthin gebrachten Kunstwerken auch den Dreifuß des pythischen Apollo von Delphi, das weltberühmte Weihgeschenk der Griechen aus dem Siege bei Platäae. Sie sah dort den Herkules des Lysippus, die Bildsäulen des Zeus, der Diana, des delphischen Apollo und der Athene.Καὶ αυτὸ τὸ του̃ Απόλλωνος άγαλμα: Zosimus, II, c. 31. Leake, Topographie Athens, S. LXI. Den goldnen Dreifuß trug ein Untersatz von Erz, aus gewundenen Schlangen gebildet. Nur dieser kam nach Constantinopel. Auf den Windungen liest man noch die Namen der Städte, die am Siege bei Platäae teilgenommen hatten. Der Rest dieser »Schlangensäule« steht noch im Atmeidan. O. Frick, Das platäische Weihgeschenk zu Constantinopel (Jahrbücher für class. Philol. von Fleckstein, III. Supplementband). Auch die Gruppe des Castor und Pollux vom Dioskurentempel war noch in dieser Rennbahn zu sehen.Petri Gyllii Topogr. Constan., S. 83.
Die großen hellenischen Dichter, Philosophen und Redner, unter ihnen der sinnende Homer, ein wundervolles Kunstwerk, Sappho, Plato, Aristoteles, Perikles und Demosthenes, viele Staatsmänner und Feldherren, Götter und Heroen Griechenlands, sah Athenaïs zu einer umfassenden Sammlung vereinigt in den Prachtbädern des Zeuxippus, welche der Kaiser Severus angelegt und Constantin der Große erweitert hatte. Dieses wahrscheinlich reichste Kunstmuseum Constantinopels stellte die antike Mythe und Geschichte in ihren Hauptcharakteren dar. Es befand sich dort auch die ganze Reihe der Helden und Heldenweiber aus dem trojanischen Epos, darunter eine herrliche Statue der Helena, welche nach dem Ausdruck eines Epigrammendichters noch in Erz Liebesverlangen erweckte.Der Aegypter Christodorus beschrieb um 500 dieses Museum in 416 Versen, die wir besitzen (Anthol. Graeca ed. Jacobs, I, 37): ’Έκφρασις τω̃ν αγαλμάτων τω̃ν εις τὸ δημόσιον γυμνάσιον του̃ επικαλουμένου Ζευξίππου. Siehe außerdem Heyne's Abhandlung: Priscae artis opera quae Cpoli extitisse memorantur, in Comment. Soc. R. Gotting. A. 1793, XI, 7 ff.
Mit dem Entzücken einer classisch gebildeten Athenerin konnte Athenaïs in dem Palast des Lausus, welchen dieser unter Arcadius berühmte Patricier zwischen der Kaiserburg und dem Forum Constantin's erbaut hatte, die gefeierten Schöpfungen griechischer Kunst bewundern, den Eros von Myndos, die samische Hera des Lysippus, die Minerva von Lindos, das Werk des Skyllis und Dipoinos, und die Aphrodite des Praxiteles aus Knidos.Cedrenus, I, 564, hat die dortigen Statuen aufgezählt.
In demselben Palast soll auch der olympische Zeus des Phidias aufgestellt gewesen sein, nachdem er seinem Tempel, wie es scheint, im Jahre 394 auf Befehl des Kaisers Theodosius entrissen worden war.Cedrenus (I, 364) sagt, daß dieser Zeus in den Palast des Lausus gekommen war. Heyne bezweifelt es. Manche Antiken in Constantinopel wurden aus Pralerei für historisch berühmte Kunstwerke ausgegeben. Im Sommer des Jahres 393 hatten die bei den olympischen Spielen versammelten Hellenen zum letzten Mal dies hohe Zeusgebilde bewundert, das Götterideal der heidnischen Religion und aller plastischen Kunst. Denn gleich darauf erließ Theodosius der Erste ein Edict, welches die Feier der olympischen Spiele für immer verbot.
Eudokia kann noch den Untergang des Tempels in Olympia erlebt haben, in welchem der Anblick jener Zeusfigur Jahrhunderte lang die Hellenen begeistert hatte. Denn eine Feuersbrunst soll ihn unter der Regierung ihres Gemals zerstört haben.Lasaulx, S. 110, führt die betreffende Stelle des Scholiasten zu einer Schrift Lucians an. Der Palast des Lausus verbrannte mit jenen Kunstschätzen im Jahre 476.Cedrenus, I, 616. Zonaras, II, XIV, 41. Lasaulx, Hertzberg, III, 461. Indeß nennt Niketas Choniata (Fabricius Bibl. Graec. VI. 405) unter den von den Franken in Constantinopel im J. 1204 zerstörten Kunstwerken noch die Helena, den Herkules des Lysippus, die Hera von Samos und einen Athena-Koloß. Bald darauf ging in den Volksaufständen während der Usurpation des Basiliskus auch jene große Bibliothek Constantinopels durch Feuer zu Grunde, welche der geistvolle Kaiser Julian angelegt und auf 120000 Bände gebracht hatte.Zonaras, II, XIV, 41.
Weder Athenaïs, noch irgend ein heimatliebender Hellene zu ihrer Zeit, hat sich beim Anblick der in der Kaiserstadt versammelten Kunstwerke Griechenlands mit der Vorstellung trösten können, daß dieselben hier einen Zufluchtsort gefunden hatten, wo sie vor der Vernichtung in den Provinzen durch den Fanatismus der Christen oder durch die Zerstörungswut der Barbaren geborgen waren. Diese Kunstmuseen gingen noch in der byzantinischen Kaiserzeit durch wiederholte Erdbeben zu Grunde.Marcellinus verzeichnet zu 447 den Zusammensturz vieler Statuen im Forum Tauri durch ein Erdbeben. Feuersbrünste unter Theodosius II: 433, 448, 450, wo die troadischen Portiken untergingen. Heyne, Vol. XII. De Interitu operum quae Cpli etc. Viele zerstörte der entsetzliche Brand während des Nikaaufstandes unter Justinian im Jahre 532, wo die Chalke, das Augustäum, die Sophienkirche, der Senatspalast, die Bäder des Zeuxippus und viele andere berühmte Gebäude in Asche sanken.
Die kostbaren Reste jener Kunstschätze haben später die fränkischen Kreuzfahrer vernichtet. Die Museen der Stadt Constantins konnten daher auf die Fortbildung der Kunst keinen Einfluß ausüben. Sie gingen für die Menschheit verloren. Die legitimen Meisterwerke des alten Griechenlands waren längst entweder untergegangen oder vergessen, als aus dem Schutte Roms die antiken Götter und Helden wieder an das Licht stiegen, um die Renaissance der bildenden Künste in Europa möglich zu machen.