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Bald darauf legte Hatson ein volles Geständnis ab. Darin erklärte er auch, wie er zuerst auf den Gedanken des Verbrechens gekommen war, das er nachher mit so teuflischer Beharrlichkeit ausgeführt hatte.
Er war immer ein ehrenwerter, fleißiger Diener gewesen, hatte niemals von einem anderen Leben geträumt als von unermüdlicher Tätigkeit in dem Haushalt, dem er seit so vielen Jahren angehörte. Da wurde er eines Tages von seinem Herrn in das Hinterzimmer hineingerufen, und um den Auftrag, den der alte Gillespie ihm geben wollte, genau verstehen zu können, mußte Hatson ganz nahe an den Schreibtisch herantreten, um sich ein Papier anzusehen. Neben diesem Papier lag ein aufgeschlagenes Notizbuch; unwillkürlich warf der Diener einen Blick darauf und las unter verschiedenen Namen auch den seinigen und daneben vermerkt die Notiz: 2000 Dollars. Nun war es zu jener Zeit im Hause kein Geheimnis, daß der alte Herr damit beschäftigt war, sein Testament aufzusetzen; gerade an jenem Morgen war sein Sachwalter dagewesen. Hatson schloß also ganz natürlicherweise, daß jene Zahl den Betrag darstellte, der ihm bei seines Herrn Tode als Vermächtnis zufallen sollte. In jenem Augenblick empfand er nur Dankbarkeit ob der gütigen Absicht seines Herrn, bald aber stiegen seltsame ehrgeizige Wünsche in ihm auf. Der Gedanke, daß er eine so schöne Summe Geldes empfangen solle, verwandelte diese Wünsche in anfangs noch unbestimmte Pläne, die ihm aber Tag und Nacht keine Ruhe mehr ließen.
Der täglichen aufreibenden Arbeit enthoben zu sein – ein kleines Haus in einem Landstädtchen sein eigen zu nennen, mit einem Gärtchen, worin er Gemüse ziehen könnte – im Dämmerlicht auf seiner eigenen Bank vor seinem Eigentum zu sitzen und behaglich sein Pfeifchen zu rauchen – dies alles erschien dem alten Mann als ein wahres Paradies. Und wenn er sich in all diese reizenden Träume versenkt hatte, dann erwachte er plötzlich zu dem Bewußtsein, daß sein Herr sich noch einer kräftigen Gesundheit erfreute und um eine ganze Reihe von Jahren jünger war als der Diener. Und da kam ihm – anfangs zurückgewiesen, aber dann immer zudringlicher – der Gedanke: natürlich würde es ihm ja leid tun, wenn sein Herr krank wurde und stürbe, aber schließlich wäre das doch noch lange nicht so hart wie für ihn, Hatson, ein endloses, jahrelanges Warten auf ein bißchen Freiheit und Glück. Und kurz und gut: der Mann vergaß, daß er ein ganzes Leben dem Dienst des alten Herrn Gillespie und seiner Söhne gewidmet hatte, daß es ihm in dem Hause gut gegangen war, und als sein Herr in eine ernstliche Krankheit verfiel, da wurden aus den Wünschen Hoffnungen. Und aus diesen Hoffnungen entwickelte sich der feste Entschluß, er wolle auf alle Fälle sein kleines Vermögen haben, und zwar ehe er zu alt würde, um es so recht von Herzen genießen zu können.
Hatson genoß das volle Vertrauen der Familie Gillespie. Man besprach in seiner Gegenwart alle möglichen Sachen, die eigentlich nicht für fremde Ohren bestimmt waren. So erfuhr er, während er bei Tisch aufwartete, an welcher Krankheit sein Herr litt, und daß dieser als Arznei kleine Gaben eines sehr starken Giftes erhielt – eines so gefährlichen Giftes, daß die Gaben auf das vorsichtigste bemessen werden mußten. Diese Umstände erfuhr er, ohne jemals die geringste Aufmerksamkeit zu erregen, beim Ab- und Zugehen während der Mahlzeiten. Schließlich war davon die Rede, Herrn Gillespies Gesundheit habe sich bedeutend gebessert, und er würde bald wieder ganz hergestellt sein. Da trat der Versucher an ihn heran: drei Tropfen mehr aus dem Fläschchen, das stets neben des alten Herrn Bett auf dem Nachttischchen stand, und alles war in Ordnung. Auf die einfachste, völlig unverdächtige Art war der einzige Mensch, der zwischen ihm und dem von ihm schon als Eigentum angesehenen Gelde stand, aus der Welt geschafft.
Die Ausführung dieses Gedankens war nicht schwer. Er wußte, daß sein Herr bereits wieder so wohl war, um die Nächte allein schlafen zu können, und daß er sich der für ihn zurecht gemachten Medizin ohne fremde Hilfe bediente. Er brauchte sich nur zu stiller Nachtstunde in das Zimmer zu schleichen und vorsichtig aus dem Giftfläschchen ein paar Tropfen dem Arzneitrunk zuzusetzen.
Es kam die Nacht, und Hatson führte seinen Plan, wie er glaubte, erfolgreich durch. Am Morgen aber blieb der Alarm aus, den er erwartet hatte, und bald erfuhr er, daß Herr Gillespie aus Versehen das so sorgfältig präparierte Glas mit der Arznei umgestoßen hatte. Aber was für Hatson noch schlimmer war: er sah, daß der Inhalt des Giftfläschchens bis auf den letzten Tropfen ausgeleert war, und er hörte, daß Herr Gillespie in Zukunft eine andere Medizin und zwar eine völlig harmlose einnehmen würde.
Was hatte das zu bedeuten? Und wie konnte er jetzt noch hoffen, den Plan auszuführen, zu dem er fester denn je entschlossen war? Eine Zeitlang hatte er wirklich alle Hoffnung aufgegeben; dadurch wurde ihm aber seine Arbeit nur immer verhaßter, und schließlich der Entschluß, das Verbrechen auf jeden Fall zu begehen, nur immer stärker; er begann jetzt gegen seinen Herrn einen persönlichen Haß zu empfinden, weil er das Glas umgestoßen hatte, anstatt es auszutrinken und dadurch den braven Hatson in den sofortigen Genuß eines hübschen kleinen Vermögens zu setzen.
Immer sein Ziel im Auge behaltend, machte Hatson sich so oft wie möglich etwas in den Privatzimmern seines Herrn zu schaffen, besonders wenn der Doktor da war. Und da der alte Diener eigentlich mehr als ein Stück vom Hausinventar denn als ein lebendes, sprechendes und vernunftbegabtes Wesen betrachtet wurde, so legten Herr Gillespie und sein Doktor sich in seiner Gegenwart nicht den geringsten Zwang auf und sprachen über die Gegenstände, die sie gerade vorhatten, ruhig weiter. So hörte er sie denn oft sich über die verschiedenen Gifte unterhalten und erfuhr daraus manches neue, worauf er früher, als er sich noch nicht mit solchen Mordgedanken trug, wohl kaum geachtet haben würde. Unter anderem erfuhr er, daß eine nach bitteren Mandeln riechende Säure schnell und ohne große Schmerzen töte; zugleich aber merkte er sich wohl, daß eben durch diesen Geruch das Gift sich leicht verriete. Erfreut über diese Entdeckung, zerbrach er sich nunmehr den Kopf darüber, wie er seinem Herrn einen Trunk beibringen könnte, ohne dessen Verdacht zu erregen. Wochenlang machte er immer und immer wieder neue Versuche, eine wohlschmeckende Mischung herzustellen. Endlich gelang ihm eine, die er unter Herrn Gillespies Augen und teilweise nach dessen Anleitungen zusammenbraute, und die so stark gewürzt war, daß sein Herr den Geruch von bitteren Mandeln, den Hatson vorsichtigerweise niemals fehlen ließ, nicht entdeckte oder zum mindesten nicht unangenehm fand. Im Gegenteil, Herr Gillespie fand immer mehr Geschmack daran und schien – aus Gründen, die nachher nur allzu klar waren – das von dem alten Diener ihm gebrachte Getränk den feinsten Weinen vorzuziehen, die ihm von seinen Söhnen eingeschenkt wurden.
Nachdem Hatson auf diese Weise ein Mittel gefunden hatte, das Gift zu verdecken, sobald er sich welches verschaffen konnte, sann er darüber nach, wie er dies am besten ins Werk zu setzen hätte, ohne sich selber in Gefahr zu bringen. Obwohl er ein unwissender Mensch war, so war ihm doch klar, daß er nicht so ohne weiteres in eine Apotheke gehen und ein derartig gefährliches Gift kaufen konnte, ohne Verdacht zu erregen. Daher wartete er. Aber nicht lange. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, oder besser vielleicht gesagt: Wenn ein Missetäter einen Weg braucht, zeigt ihm der Teufel einen.
Eines Morgens fand Hatson in Leightons Zimmer ein Fläschchen, dessen bloßer Anblick einen seltsamen Eindruck auf ihn machte. Es war ganz klein, enthielt eine Flüssigkeit und sah ganz eigentümlich aus. Er nahm das Fläschchen in die Hand und roch daran. Bittere Mandeln! Ganz aufgeregt und beinahe erschrocken setzte er es wieder hin. Dann aber, kurz entschlossen, steckte er es in die Tasche und nahm es mit.
Wenn man danach fragen sollte, dachte er bei sich selber, so sag' ich einfach, ich hätte es umgestoßen und zerbrochen.
Hatson glaubte aber im Grunde gar nicht, daß man irgend welche Fragen stellen würde. Wenn Herr Gillespie plötzlich stürbe, würde man in der Aufregung darüber an eine solche Kleinigkeit gewiß nicht denken.
Nachdem er auf solche unverhoffte Weise sich das sehnlichst gewünschte Gift verschafft hatte, schüttete Hatson den ganzen Inhalt des Fläschchens fort und ließ nur ein paar Tropfen übrig, da diese, wie er gehört hatte, zu sofortiger tödlicher Wirkung genügten. Dann verbarg er das Fläschchen in einer Teetasse und wartete auf eine passende Gelegenheit. Sie kam bald.
Am Abend machte er wie gewöhnlich das Mischgetränk für den alten Herrn zurecht. Während Hatson darauf wartete, daß ihm befohlen würde, das Glas hineinzubringen, sah er George in den Speisesaal kommen und die Sherryflasche aus dem Büffet nehmen; kurz nachher erschien auch Alfred und suchte nach seinem Schreibstift. Noch später hörte er Leighton die Treppe herunterkommen; doch wartete er nicht ab, was dieser unten wollte, denn er war jetzt mit seiner Aufräum- und Abwascharbeit fertig und dachte, es wäre besser, wenn er sich mal in der Küche sehen ließe. Plötzlich aber wurde er durch die Speisesaalklingel wieder nach oben gerufen. Leighton wünschte ein Glas Sherry für seinen Vater. Dies war ein ganz unerwarteter Befehl, und Hatson war im ersten Augenblick sehr verblüfft darüber. Denn wenn der alte Herr jetzt Sherry tränke, würde er natürlich nachher von seiner Mischung nichts mehr wissen wollen. Er ließ sich indessen nichts anmerken, schenkte ein Glas voll und reichte es Leighton, der es seinem Vater brachte. Einen Augenblick darauf hörte Hatson die Haustür öffnen und schließen. Leighton war ausgegangen, jedenfalls in eine seiner religiösen Versammlungen, und der alte Herr blieb allein zurück.
Der alte Diener wußte selbst nicht, warum – aber er empfand eine unwiderstehliche Lust, einen Blick in das Arbeitszimmer zu tun und nach seinem Herrn zu sehen. Leighton hatte unmittelbar vor seinem Fortgehen einen lauten Wortwechsel mit seinem Vater gehabt. Hatson war neugierig, zu sehen, was für ein Gesicht der alte Herr dazu machte – oder wollte er sonst noch etwas? Das wußte er selber kaum. Genug, er schlich sich an die Tür des Speisesaales, und da die gegenüberliegende Tür des Hinterzimmers offen stand, so konnte er dieses überblicken.
Herr Gillespie stand neben seinem Schreibtisch und starrte unverwandt auf das von ihm in Augenhöhe gehaltene Weinglas, dessen Inhalt noch völlig unberührt war. Er sah verstört und leidend aus. Plötzlich sah er sich verstohlen um – fast wie jemand, der auf unrechten Wegen wandelt –, doch konnte er Hatson auf der anderen Seite der Halle nicht bemerken, dann eilte er an das Fenster, machte es auf und goß den Inhalt des Glases in den Hofraum. Nunmehr stieß er einen tiefen Seufzer aus, der auf eine große innere Unruhe schließen ließ, machte das Fenster wieder zu und trug persönlich das Glas nach dem Speisesaal, aus welchem Hatson sich inzwischen herausgeschlichen hatte.
Der Diener konnte nicht begreifen, warum Herrn Gillespie plötzlich der von ihm bestellte Wein dermaßen zum Abscheu geworden war, daß er ihn fortgoß. Offenbar aber war der Umstand seinen Plänen günstig, und er beschloß, ihn sich zunutze zu machen, stellte sein eigenes Gebräu auf einen Präsentierteller, schlich hierauf nach dem Büffet, zog das Giftfläschchen aus dem Versteck unter der umgestülpten Teetasse hervor und goß den ganzen Inhalt in den Trank hinein. Das Fläschchen schien ihm sicherer an seinem eigenen Leibe aufgehoben; er schob es daher in seine Westentasche und zwar mit dem Hals nach oben, denn er hatte den Stöpsel fallen lassen und konnte ihn in der Dunkelheit nicht wiederfinden.
Dann kam er mit seinem gewöhnlichen Schritt aus dem Speisezimmer heraus, so daß seine Fußtritte auf dem Marmorboden der Vorhalle gehört werden mußten. Wie er sich's gedacht hatte, rief Herr Gillespie ihn an, sobald die Schritte sich der Tür des Hinterzimmers näherten:
Wer ist da? Sind Sie's, Hatson?
Jawohl, Herr! antwortete der Diener in seiner unterwürfigen Weise. Ich kam herauf, um Ihnen das Getränk zurechtzumachen, das Sie so gern haben, aber Herr Leighton sagte, Sie nähmen lieber ein Glas Sherry.
Ja, ja. Aber ich habe Ihre Mischung auch gern. Brauen Sie ein Glas davon und bringen Sie's mir. Ich bin, wie es scheint, heute abend durstiger als gewöhnlich.
Ohne eine Miene zu verziehen, ja eigentlich ohne ein Bewußtsein davon zu haben, daß er ein entsetzliches Verbrechen begehe, brachte Hatson das Glas, das, wie er wußte, auf dieser Welt allen Beziehungen zwischen seinem Herrn und ihm ein Ende machen mußte. Er wartete sogar ganz ruhig, bis Herr Gillespie es ausgetrunken hatte, nahm es dann wieder mit und spülte es sofort aus.
Warum er diese Vorsichtsmaßregel beobachtete, wußte er selber kaum; vielleicht geschah es mehr, um über die Spannung des Augenblicks hinwegzukommen. Er dachte nämlich niemals auch nur eine Minute lang daran, daß er etwas Besonderes zu fürchten hätte. Fielen nicht jeden Tag Menschen in Wirtshäusern oder auf der Straße um und waren auf der Stelle tot? Warum sollte das nicht auch seinem Herrn passieren können? Daß die Polizei sich einmischen könnte, daß ein so schöner friedlicher Tod als Verbrechen beargwöhnt würde, kam ihm überhaupt nicht in den Sinn. Die Mordgeschichten, die in den Zeitungen standen, hatte er selten und nur flüchtig gelesen; er las überhaupt nicht gern. Er wußte nur, daß es ihm lieb wäre, wenn sein Herr stürbe, und daß das am schnellsten gehen würde, wenn er ihm eine Dosis recht starken Giftes beibrächte. Aber nachdem er's getan hatte, fühlte er doch eine nervöse Aufregung – nicht wegen des Verbrechens an sich, sondern weil die Wirkung so lange auszubleiben schien. Er hatte gedacht, Herr Gillespie würde sofort umfallen, vielleicht noch ehe er selber, Hatson, das Zimmer verlassen hätte – aber sein Herr fiel nicht. Hatson hatte das Glas ausgewaschen, es auf die Seite gestellt, war in die Küche hinuntergegangen und wieder heraufgekommen, ohne daß der dumpfe Fall sich hören ließ, den er mit ängstlicher Aufmerksamkeit erwartete. Sollte sein Anschlag ihm abermals mißlungen sein? War die so stark riechende Flüssigkeit etwa unschädlich gewesen? Sollte er also aus dem Leben voller Arbeit und Mühsal niemals herauskommen, ohne Aussicht auf Erlösung dazu verdammt sein? Diese Gedanken beschäftigten ihn dermaßen, daß er keine Ruhe mehr hatte und sich abermals nach der Tür schlich, um noch einen Blick in das Arbeitszimmer zu werfen. Da stieß sein Fuß an einen kleinen Gegenstand, der auf dem Fußboden lag. Selbst in diesem Augenblick peinvoller Spannung vergaß er seine pedantischen Gewohnheiten nicht. Mechanisch bückte er sich und hob den Gegenstand auf; es war Alfreds goldener Schreibstift. Er schob ihn, ohne sich etwas dabei zu denken, in seine Westentasche. Dann schlich er weiter.
Sein Herr ging mit unsicheren Schritten in dem kleinen Zimmer auf und ab; vielleicht war ihm gerade in diesem Augenblick sein furchtbarer Zustand zum Bewußtsein gekommen.
Er schien den Weg nach der Tür zu suchen, aber als Hatson näher heranschlich – vielleicht von dem Anblick des Leidens fasziniert, das er selber verursacht hatte –, da stand Herr Gillespie plötzlich still, sein Blick begegnete Hatsons lauernden Augen, er warf mit einer Miene der Ueberraschung die Arme empor, eilte an seinen Schreibtisch und fiel mit dem Oberkörper über die Tischplatte hin. Da wußte der ängstlich beobachtende Mörder, daß seines bisherigen Brotherrn Augenblicke gezählt waren.
Wahrscheinlich erkannte der alte Gillespie erst in diesem Moment, wer in Wirklichkeit sein Mörder war. Welche Gefühle mögen da sein Herz und sein Hirn durchtobt haben!
Hatson konnte den Anblick des Leidenden nicht mehr ertragen und begab sich wieder nach der Küche hinunter, wo die anderen Dienstboten alle versammelt waren. Gerade in diesem Augenblick lief Claire lachend dem Kindermädchen fort und sprang die Treppen hinauf zu ihrem Großvater.
Dies brachte Hatson zur Ueberzeugung, daß sein Kommen und Gehen keinem Menschen aufgefallen sein konnte, denn nicht einmal seine Mitdiener hatten etwas davon bemerkt. Sie hatten mit dem Kinde gescherzt und gelacht, und niemand hatte auf seine nervöse Erregung Obacht gegeben. Das machte ihm Mut, und bald, sehr bald hatten sie alle zusammen genügende Ursache zu nervöser Aufregung, so daß die seinige nicht besonders auffallen konnte. Endlich erhob sich im Hause der von Hatson so lange erwartete Alarm. Fremde Leute kamen in die Wohnung. Dann erschien die Polizei, und nun merkte der alte Schurke, der in all dem Trubel seine äußerliche Ruhe bewahrt hatte, daß die Sache gefährlicher werden konnte, als er sich jemals vorgestellt hatte. Sowie er sich dessen bewußt wurde, erwachte in ihm nicht nur der natürliche Trieb, sich zu retten, sondern auch die nötige Schlauheit, um allen Verdacht von sich abzulenken. Zu allererst mußte er das Giftfläschchen los werden, ehe er durchsucht wurde. Da er eine Minute lang im Speisesaal allein gelassen wurde, so zog er es aus seiner Westentasche, schüttete den goldenen Schreibstift, der hineingeschlüpft war, heraus, so daß er auf den Fußboden fiel, und verbarg das Fläschchen unter der Kaminuhr. Seine alten Arme vermochten die schwere Uhr kaum zu heben und zitterten, als er sie wieder auf ihren Platz stellte. Dabei stieß er denn das Glas um, das der alte Gillespie ein paar Minuten vorher auf das Kaminsims gestellt hatte. Das Klirren wurde zwar gehört und die zerbrochenen Scherben wurden sorgfältig untersucht; aber der Diener hatte davon nichts zu befürchten, da das Glas nur Sherry enthalten hatte.
Nicht so einfach ging die Sache mit des armen Alfreds Bleistift, dessen unteres Ende mit dem in der Giftflasche zurückgebliebenen letzten Tropfen Blausäure in Berührung gekommen war. Da ein deutlicher Geruch nach bitteren Mandeln daran haften geblieben war, so kam der Eigentümer des Stiftes in sehr ernstlichen Verdacht.
So ging für Hatson alles gut ab, und besonders vorteilhaft war es für ihn, daß der Ermordete selbst schriftlich seinen Verdacht gegen einen seiner Söhne ausgesprochen hatte. Da springt auf einmal dieser Teufel von einem Detektiv dem alten Mann an die Kehle und sagt ihm ins Gesicht, er und er allein sei der Mörder!
Es war das Plötzliche! das Plötzliche! so schloß der Schurke mit kläglicher Stimme sein Geständnis. Hätte ich mehr Zeit zum Nachdenken gehabt, so hätte ich mir ja überlegt, daß er nicht einen einzigen vollgültigen Beweis gegen mich vorbringen konnte, daß alles nur auf reinen Mutmaßungen beruhte, und daß nur ein Dummkopf vor so etwas Angst haben kann. Aber jetzt ist es zu spät. Ich hab's gesagt und ich bleibe dabei stehen. Ich habe nur einen einzigen Wunsch: könnte ich doch nur mal einen Augenblick die zweitausend Dollars, um derentwillen ich meisten Herrn ermordete, in barem Gelde in der Hand halten! Aus dem Häuschen mache ich mir nichts, auch nicht aus dem Abendpfeifchen, das ich angesichts der Hügel und grünen Wiesen zu schmauchen gedachte – wenn ich nur einmal das Gefühl haben könnte, all das Geld in der Hand zu halten und zu wissen, daß es mein wäre!