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Hedwig und Volkmar fanden während des Fortgangs des Festes keine Gelegenheit mehr, allein miteinander zu sein, oder vielmehr, sie gingen ihr aus dem Wege. Es lag wie ein seltsamer Bann über den beiden. In Gedanken beschäftigte sich der eine nur mit dem andern, und doch vermieden sie es geflissentlich, sich das anmerken zu lassen. Nur die Blicke, die sich bisweilen durch einen Zufall kreuzten, verrieten allerlei.
Magnus Heckes suchte im weiteren Verlauf dieses Abends nur noch Herrengesellschaft auf. Er war merkwürdig guter Laune heute, es erregte allgemeines Verwundern. Man sah ihn selten so; aber wenn er einmal derartig aus sich herausging, so lag etwas Machtvolles auch dann in seiner Persönlichkeit. Er war sprudelnd witzig, und hatte – gerade weil niemand dem sonst Unzugänglichen das zutraute – etwas Faszinierendes in seinem ganzen Wesen, dem sich nur schwer jemand entzog.
Eleonore Vermeren sah ihn so aus der Entfernung. Er saß drüben in einer Ecke an dem Tisch, wo sich eine Gruppe der einflußreichsten Leute im Kohlenrevier zusammengefunden hatten – sonst Konkurrenten, vielleicht scharfe wirtschaftliche Gegner, aber heute vergaß man das, saß man einmal für ein paar Stunden kollegial beisammen, und die verstaubten Flaschen eines alten, schwerblumigen Schloßabzugs aus dem Rheingau – Fürstlich Metternichsche Kreszenz – halfen angenehm dabei mit.
Mit einem eigenen Empfinden sah ihn Frau Eleonore Heckes da drüben sitzen, mit lachendem Antlitz und blitzenden Augen; ja dann und wann hörte sie sein lautes Lachen herüberschallen. Magnus Heckes lachen! Es kam nicht oft vor. Aber sie kannte diese Stunden an ihm, und wie hatte gerade sie einst der starke Zauber seines Wesens dann umstrickt! Die Vergangenheit stand so lebendig wieder vor ihr.
Eleonore Vermeren war eine Zeitlang sehr still geworden. Sie vermied es, dort drüben hinzusehen; aber das Lachen konnte sie doch nicht abwehren – jenes unbekümmerte Lachen, das ihr genug sagte.
Daß er gerade heute in dieser Stimmung war! Ahnte er denn wirklich nicht, wie es in Wahrheit bei ihr aussah? Daß da vorhin, während ihr Mund das stolze Wort gesprochen, das ihn abwies, das Herz sich ihr zusammengekrampft hatte vor Weh? Wie dieser Moment noch jetzt in ihr nachzitterte? Und er konnte lachen, sorglos scherzen und pokulieren; er zog sie alle da drüben mit Gewalt in seinen Bann, wie um ihr zu zeigen: Sieh her, so wenig hat es mich getroffen! Und sieh auch, wer ich bin – wen du dir verscherzt hast!
War es wirklich Absicht, daß er sich heute so gab? Aber doch beachtete er sie ja überhaupt gar nicht. Kein einziger Blick streifte auch nur flüchtig herüber. Seine Aufmerksamkeit galt nur dem Kreise um ihn her, als wäre sie gar nicht mehr hier im Saale anwesend.
Frau Eleonore litt schwer, und wäre nicht ihr Stolz gewesen, sie hätte dieser stummen Qual ein Ende gemacht, hätte ihren Mann um den Aufbruch gebeten. Aber das sollte Magnus Heckes nicht auch noch erleben, damit nicht sein unbekümmertes Lachen noch hinter ihr, der gebrochen Zurückweichenden, herklang. Und so blieb sie und gewann es sogar über sich, sich auch ihrerseits wieder an der Unterhaltung zu beteiligen, denn ihre ungewohnte Schweigsamkeit war bereits aufgefallen, und ihr Mann war schon ein paarmal mit gut gemeinter Sorge in sie gedrungen, ob ihr nicht wohl sei – ohne zu ahnen, wie gerade er sie mit diesen Fragen quälte. Nun aber nickte sie ihm wieder mit stillem Lächeln zu, wie: Es ist vorüber! und er trank ihr mit froher Miene zu. Der Bergrat Vermeren war ja ein sprichwörtlich glücklicher Ehemann, und er trug seine schöne, liebenswürdige Frau noch heute auf Händen.
Die Animiertheit, die Heckes nach außen zeigte, kam ihm nicht von Herzen. Sie war gewollt, teils um sich schneller jener unangenehmen Eindrücke von vorhin zu entledigen, teils um damit unauffällig die Zwecke zu fördern, die er hier in dem kleinen Kreise seiner Berufsgenossen verfolgte. Denn es war keineswegs sein Vergnügen, was er hier suchte.
Sein Vorhaben ward ihm leicht gemacht insofern, als die Herren – nach jenem ersten Aufflackern der Weinlaune – bald wieder ernst und gründlich wurden und so ganz von selbst auf die Dinge zu sprechen kamen, die er im Sinne hatte. Wie immer, wenn im Revier Männer der Industrie »gemütlich« beisammen saßen, sprach man im Grunde auch hier von nichts anderem als dem Geschäft. Vielleicht in etwas leichterer Form als sonst, mehr im Plauderton – aber die Sache blieb die ewig gleiche: die Kohle mit allem, was drum und dran hing, beherrschte das Gespräch.
»Wirklich hundsmiserable Zeiten! So schlecht haben wir sie überhaupt noch nicht gehabt. Da waren ja selbst die schwarzen Jahre 93 und 94 noch golden gegen. Man kann nächstens seinen Pütt überhaupt getrost ganz zumachen.«
»Weiß der Kuckuck, ja! Die Betriebskosten laufen weiter, nach wie vor, und es kommt nichts ein. Wer soll denn das noch aushalten?«
»Meinen Koks werd' ich überhaupt nicht mehr los, und meine ›Eßkohle‹ kann ich nächstens man alleine aufessen – ein anderer mag sie doch nicht!«
Die Herren lachten über den Scherz und stießen mit dem Sprecher an, der mit sorgenvoller Miene dasaß, aber trotzdem behaglich das edle Naß in seinem Römer mit Kennerschluck tropfenweis über die Lippen schlürfte.
Aber dann wurde man doch gleich wieder ernst.
»Nee, nee, die Sache ist, weiß Gott, nicht zum Spaßen. Und wenn man wirklich noch was los wird, erzielt man Preise – geradezu schandbar.«
»Ja, das ist ja eben das Schlimmste, diese verdammten Unterbietungen, zu wahren Schleuderpreisen. Wir sind ja unter uns« – der Sprecher blickte um sich – »da sind so ein paar Kerls mit ihren Kummerquetschen, die sonst nicht leben und nicht sterben können, die machen jetzt das Geschäft, verkaufen zu jedem Preis. Nach ihnen die Sintflut – wenn sie nur jetzt noch einheimsen, was mitzunehmen ist.«
»Und wenn's noch bloß solche kleinen Krauter wären, aber nein, selbst große angesehene Werke. Da hörte ich doch gestern erst« – der Redende dämpfte seine Stimme zum Flüsterton, daß man außerhalb des kleinen Kreises den Namen der von ihm genannten Zeche, einer der größten im Bezirk, nicht verstehen konnte – »auch die selbst! Sollte man's für möglich halten?«
»Ein Skandal, wirklich ein Skandal! Ja, wenn selbst solche Leute sich nicht entblöden, dann freilich! Aber wo soll das bloß noch hinführen?«
»Zu einer Krisis – einer schweren Krisis, bei der mancher von uns kopfheister gehn wird.«
Magnus Heckes hatte es gesagt, der bisher, schweigend rauchend, zugehört hatte. Nun warf er plötzlich die schwerwiegenden Worte dazwischen, aber mit einer Ruhe und den Zigarrenrauch von sich blasend, als spräche er da von den gleichgültigsten Dingen der Welt.
Stille trat ein, eine ernste, nachdenkliche Stille. Es war, als hätten die Worte ein Schreckgespenst öffentlich heraufbeschworen, an das schon manch einer insgeheim mit Sorgen gedacht haben mochte.
Die Herren sahen auf Heckes mit allerlei gemischten Empfindungen. Wie er da saß, kühl bis ans Herz hinan! Ja freilich, der hatte ja nichts zu befürchten mit seinem kolossalen finanziellen Rückhalt. Der konnte es aushalten und würde auch über diese Kalamität wieder hinwegkommen, ja noch seinen Profit dabei machen. Denn wenn's bei den andern an das »Kopfheistergehen« ging, dann kaufte er ihre Gruben auf für einen Pappenstiel. Das war kein bloßes Hirngespinst – ach nein. In den schwarzen Jahren damals, anno 93 und 94, hatte er es ja tatsächlich gemacht. Der Hauptzuwachs seiner Werke stammte ja gerade aus jener Zeit – er hatte aufgekauft, was am Zusammenklappen war. Genau so würde er es auch diesmal wieder machen, und wenn dann nachher wieder die Hochkonjunktur kam – kommen mußte sie ja mal! – dann pflügte er wie der »große Klaus«: »Hü, ich mit allen meinen vier Pferden!« Und sie, die andern, durften zusehen.
Magnus Heckes kannte diese unausgesprochenen Gedanken nur zu gut, und es zuckte wie in heimlicher, sarkastischer Belustigung um seine Mundwinkel. Wie still sie da alle saßen, und wären doch, ach so gerne, allesamt über ihn hergefallen, um ihm den Garaus zu machen – wenn sie nur gekonnt hätten!
Endlich ergriff doch einer das Wort.
»Ja, Sie haben recht, Heckes – wir treiben einer Krisis entgegen, das wissen wir alle. Aber wissen Sie mehr als wir? Wissen Sie auch Rat? Was soll man tun dagegen?«
Die Augen der Umsitzenden ruhten alle auf dem Angeredeten. Ja, zum Teufel, wenn er ihnen wenigstens Hilfe schaffen könnte mit seiner Macht! Dann wollte man ihm ja allenfalls sein Glück noch gönnen.
Magnus Heckes saß unbeweglich, den Rauch seiner Zigarre mit den Blicken verfolgend, als interessiere ihn das ausschließlich in diesem Augenblick. So verharrte er eine Weile schweigend – man konnte sich geradezu ärgern über diese kaltschnäuzige Gelassenheit – dann aber sagte er langsam die Achseln zuckend:
»Da wird guter Rat teuer sein, lieber Hilbert. Uns fehlt eben eines, die Grundbedingung für jede Abwehr der Gefahr – Solidarität!«
Hell und scharf tönte das letzte Wort in die Stille am Tisch hinein, und es weckte bei allen eindringlichen Nachhall.
Weiß Gott, da hatte er recht, daran fehlte es ihnen in der Tat! Und Heckes sprach nur aus, was jeder von ihnen empfand, wie er nun weiter sagte:
»Da stehen wir alle wie ein Haufen hungriger Hunde um den Knochen herum, knurren uns zähnefletschend an und möchten einer dem andern den guten Bissen schleunigst wieder abjagen, sollte er ihn wirklich erwischen – und keiner kriegt ihn.«
Kopfnicken von mehreren Seiten und einer rief:
»Recht hat er! So ist's, Gott sei's geklagt.«
Heckes aber fuhr fort, immer in dem gleichen gelassenen, leise ironischen Ton, als spräche er von einer Sache, an der ja doch einmal nichts zu ändern war:
»Und jetzt in diesen schlechten Zeiten rächt sich das eben an uns. Statt daß wir zusammenständen, Produktion und Preis regelten, und so wenigstens den Schaden je nach unserm Tragvermögen unter uns teilten, da suchen wir uns auch jetzt noch den Rang abzulaufen, unterbieten uns gegenseitig, so daß die Preise nur noch immer miserabler werden und richten uns also selber mit zugrunde – wenigstens die unter uns, die nicht mehr mitkommen können.«
»Hol's der Henker!« ein anderer schlug mit der Hand auf den Tisch, »wahr ist's – jedes Wort unterschreib' ich. Wir selber sind mit schuld dran!«
Magnus Heckes sah mit leisem Spott zu dem Betreffenden hin. Ja, jetzt im Augenblick, wo der Wein mitsprach, wo die allgemeine Stimmung ihn mit fortriß, jetzt war er von allem überzeugt; aber morgen, wenn er wieder im Kontor saß und sich ihm eine Chance bot, seine Kohlen zu verkaufen, wenn nur die Tonne um einen Groschen billiger als die andern, da griff er zu mit beiden Händen, machte das Geschäft unbesehen und pfiff auf alle Solidarität – er kannte seine Pappenheimer!
»Ja, es ist schon was dran, an dem, was Sie sagen, Heckes,« nahm jetzt ein dritter, ein bedächtiger Denkender, den Faden auf. »Es könnte uns nichts schaden, wenn wir zusammenständen, uns organisierten wie alle Welt jetzt. Nur, es müßte dabei auf die besonderen Bedürfnisse jedes einzelnen von uns Rücksicht genommen, jedem genügend freier Spielraum gelassen werden – und darin liegt die Schwierigkeit.«
»Ja, darin liegt sie!« Mit unverhülltem Sarkasmus bestätigte es Heckes. »Es will eben jeder soviel Spielraum für sich, daß zu guter Letzt von einer geschlossenen Phalanx überhaupt nichts mehr übrig bleibt. Und darum, meine Herren« – er legte jetzt seine Zigarre weg, die er gelassen zu Ende geraucht hatte – »erübrigt sich eigentlich jede weitere Diskussion. Wir sind noch nicht reif für die Sache. Es muß uns erst noch viel schlechter gehen – dann läßt sich vielleicht einmal ernsthaft darüber reden. Freilich, für manchen von uns ist es dann schon zu spät.«
Und er griff zum Glase, tat einen langen Schluck und entnahm seinem Etui sodann eine neue Importe, die er sorgfältig von allen Seiten betrachtete, ehe er sie langsam in Brand setzte. Das Thema war augenscheinlich für ihn erledigt.
Es war es in der Tat.
Das, was Magnus Heckes gewollt, das war erreicht. Er sah: das Menetekel, das er heute hier an die Wand geschrieben, es hatte doch manchen aufgerüttelt und würde ihm noch weiter durch den Kopf gehen. Und ebenso der Gedanke an einen Zusammenschluß aller Kohlenproduzenten, den er so ganz von ferne hatte aufleuchten lassen – unauffällig, unaufdringlich. Mehr hatte er für den Augenblick nicht beabsichtigt. Der Funke, der einmal zwischen sie geworfen war, würde schon von selbst langsam weiter glimmen und weiter zünden.
Und zufrieden mit sich lehnte Magnus Heckes sich wieder in den Sessel zurück. Der heutige Abend war also doch nicht ganz verloren gewesen. –
Zu später Stunde erst erfolgte die Rückfahrt. Die Nacht war stockdunkel, aber die Scheinwerfer des Automobils hellten die Chaussee in ihrem Bereich auf dreißig Meter taghell auf. So sauste das Gefährt mit Schnellzugsgeschwindigkeit dahin. Die Bäume am Straßenrand, die in dem blendend grellen Lichtschein auftauchten, flogen blitzschnell vorüber nach rückwärts, wo eine endlose, lange Staubwolke, dicht wie eine kompakte Masse, hinter dem Gefährt hing – im Dunkel der Nacht einem riesigen, gespenstischen Ungeheuer vergleichbar, das drohend hinter den vor ihm Flüchtenden nachjagte, ihnen stets auf den Fersen.
Auch die Kurven nahm das Auto mit fast unverminderter Geschwindigkeit – ein sich Schräglegen des Wagens, ein kurzer Ruck, als wolle er die Insassen herausschleudern, dann flog die Maschine auf den elastischen Gummireifen wieder kaum merkbar auf der ebenen Straße dahin – eine beinahe unkörperliche Bewegung wie ein sausendes Schweben, der leichten Schwalbe vergleichbar, die an gewitterschwülen Tagen auch so blitzschnell, dicht über den Boden hinschießt – eine Bewegung, die froh macht, einen vermessenen Promethidenübermut in die Seele gießt: Wir Herren der Erde – wir neiden die Götter nicht mehr! Wir entrissen ihrer Hand den Blitz, er ward uns dienstbar. Nun duckt er sich gehorsam unserer Hand und trägt uns wie ein gebändigtes Roß pfeilschnell über Land.
Ob die drei, die schweigend in dem Wagen saßen, das auch empfanden?
Vielleicht unbewußt Regina Heckes, als den gleichgestimmten Hintergrund zu den stolzen Triumphgefühlen, die sie beseelten. Das heutige Fest hatte ihr gehalten, was es versprochen hatte. Sie war glänzend gefeiert worden an der Seite ihres Verlobten – ein Vorgeschmack dessen, was da noch kommen sollte. Und während sie mit geschlossenen Augen in die weichen Kissen zurückgelehnt lag, den übergeschlagenen Fuß im schmalen, zartfarbenen Promenadenschuh mit der kostbaren Agraffe von echten Steinen auf den Vordersitz, auf den leeren Platz neben dem Bruder gestützt, träumte sie von lockenden Zukunftsbildern – glänzenden Festen und Jagden, sie im Mittelpunkt der ihr huldigenden Gäste.
Volkmars Gedanken waren bei Hedwig Vermeren, mit einem seltsamen Zwiespalt: Hier das Erinnern an die Minuten jenes ersten Tanzes mit ihr, das ihn noch jetzt in verschwiegenem Glück erschauern ließ – dort das ungelöste Rätsel ihres Wesens, das ihn anlockte und ihm weh tat zugleich. Und er versank wieder in ein Grübeln.
Wortlos gleich den andern saß auch Magnus Heckes, auf dem Rücksitz neben der Tochter. Er lehnte ganz für sich in seiner Ecke. Von Zeit zu Zeit sah man den Brand seiner Zigarre rötlich aufglimmen, und der schwache Schein ließ dann seine Züge ungewiß durch das Dunkel erkennen. Auch er schien in ernste Gedanken verloren.
Beschäftigte auch ihn noch einmal der heutige Abend? Aus seinen eigenen Gedanken heraus sah Volkmar zu dem schweigsamen Vater hinüber.
Dessen Mienen verrieten nichts. Nur einmal machte er eine instinktive Bewegung mit der Hand – kurz, entschlossen, wie man eine Sache endgültig abtut.
Wer vermochte in seiner Seele zu lesen?
* * *
Volkmar Heckes war nun schon eine Zeitlang als Hilfssteiger tätig. Jeden Tag befuhr er sein Revier; auch heute war er schon seit sechs Uhr früh in der Grube. Es lag ihm ob, die Arbeiter zu kontrollieren, und so kam er auf seinem Wege kreuz und quer von einem Betriebspunkt zum andern, auch jetzt wieder zu einem Ort, in einem Flöz von nur geringer Mächtigkeit.
Es war ein stockdunkler, niedriger Raum – kaum vier Fuß hoch – wie mit glattpolierten Felswänden, in denen sich matt die Grubenlichter spiegelten, und einer feuchtwarmen Treibhausluft, jener charakteristischen Grubenluft – einem Gemisch von den Gerüchen faulenden Holzes, Kohlenoxydgasen und den karbolgetränkten Wettertüchern.
Unter der drückend über ihren Häuptern hängenden schwarzen Gesteinsdecke arbeiteten ein halbes Dutzend Leute. In hockender Haltung, manche auch auf dem Rücken liegend, hieben sie die Kohle heraus, die hier zwischen zwei Gesteinslagen in breiter aber niedriger Schicht eingepreßt war. Man saß hier eingepackt wie in einer riesigen, flachen Kiste, nur halb mannshoch, deren Deckel durch viele Stempel, starke Holzpfähle, abgestützt war, um ihn vor dem Zusammenbrechen zu bewahren.
»Glück auf!« Und Volkmar kroch zu dem nächsten Hauer, der, halb auf der Seite liegend, unablässig seine Streiche gegen den schwarzflimmernden Kohlenstoß führte. »Es arbeitet sich wohl nicht ganz leicht hier?«
Er sah auf den Mann, der jetzt tief Atem schöpfend mit der Arbeit innehielt und einen ungewissen Blick auf den neuen Hilfssteiger warf. Sie wußten es ja schon alle hier in der Grube – es war der Sohn ihres Brotgebers, man mußte sich also vor ihm in acht nehmen. Andrerseits – es konnte nichts schaden, wenn der da oben vielleicht mal durch den Sohn erfuhr, wie es hier unten eigentlich aussah. Und so gab der Befragte denn schließlich Auskunft.
»Et geht all – et mott! Wenn mi ok middags, wenn ick von'n Pütt goh, de Knocken zittern. Ick bin dat Arbeten in't Flach noch nich rech gewönnt. So altid dat Hacken in't Liggen, dat mäk em de Bost kapott. In't Steil, wo ick fröhr süst arbet heww, dor machte mi dat nix ut. Dor wör'k noch fidel un konn bi flöten. Dat flutschte ganz anners fort – obers hier!«
Doch dann nahm der Mann gleich wieder seine Arbeit auf, wie wenn er fürchtete, als untüchtig von dem Sohne des Brotherrn bewertet zu werden – man konnte ja nicht wissen –
Volkmar empfand das nur zu wohl, mit einem leisen Gefühl von Bitterkeit. Überall dies Mißtrauen, wohin er auch hier in der Grube kam – scheue oder finstere Blicke, argwöhnische Zurückhaltung, als ob er ein Angeber wäre, der hier nur herumspionierte, um die Leute nachher oben bei seinem Vater zu verklagen. Keiner schien es ihm zuzutrauen, daß es doch nur warmes, menschliches Empfinden bei ihm war, das ihn sich den Leuten nähern und sie nach Arbeit und Leben daheim fragen ließ. Wie tief wurzelte doch schon der blinde Argwohn, der in jedem Bessersituierten nur noch den Feind sah.
Volkmar dachte es, während er sich in der Nähe der Leute für ein paar Augenblicke niedersetzte. Er war etwas ermüdet von dem stundenlangen Hin und Her, zumeist in gebückter Haltung, rutschend oder kriechend; sein Revier hatte ja fast nur flache, niedrige Flöze. So auf dem Boden kauernd, sah er gedankenvoll zu den arbeitenden Leuten hin, die weiter keine Notiz mehr von ihm nahmen.
Es war still hier unten. Das Ort lag weit ab von den großen Förderstrecken, wo auf den Schienen beständig die Züge der eisernen Förderwagen vorüberrasselten, von Pferden, Lokomotivkraft oder durch das elektrisch angetriebene Drahtseil fortbewegt. Hier war ein toter Winkel, in den sich nur selten einmal ein Laut von dem emsigen Getriebe im übrigen Bergwerk verlor. In die Stille drang nur der dumpfe Schall, den der gleichstimmige Schlag der Keilhauen gegen den Kohlenstoß hervorrief. Dann und wann löste diesen Taktschlag das dumpfe Krachen und Schollern ab, mit dem die losgehauenen Kohlenstücke zu Boden stürzten.
Von Zeit zu Zeit wechselten die Leute vor ihm ihre Tätigkeit. Sie griffen zur Schaufel und warfen sich gegenseitig die abgelöste Kohle zu. Der letzte zum Schlepper hin, nebenan in der Strecke, der sie auf den schon bereit stehenden Förderwagen lud. Dann tönte für Minuten lang hier unten nur der scharfe, schurrende Laut, mit dem die Schaufel zupackte, das Rieseln der von Mann zu Mann gehenden Kohle und das laute Gerassel der dann in den Eisenwagen fallenden Stücke. Oft waren darunter größere Blöcke, die der Schlepper am Wagen mit beiden Händen hineinheben mußte.
Dieser Schlepper war ein junger, stämmiger Bursche. Seine Arbeit war noch schwerer als die der Hauer. Wenn er den Wagen vollgeladen hatte – an die zwanzig Zentner wohl mit Inhalt – stieß er, sich mit dem ganzen Körper dagegenstemmend, jedesmal den Wagen auf das kleine Gleis und schob ihn auf diesem entlang bis um die Ecke zur Förderstrecke, wo ein anderer Mann die Wagen zu einem langen Zug aneinander reihte, den dann das Pferd bis zum Füllort an den Förderkorb weitertransportierte. Von der Förderstrecke brachte der Schlepper entweder wieder einen neuen, leeren Wagen mit zurück oder eine Ladung Steine, die er einfach durch Umkippen des Wagens seinen Kameraden hinwarf – ein donnerndes, polterndes Krachen in dem kleinen Raum.
Ununterbrochen ging das so: Hin mit dem Wagen, her mit dem Wagen, zwischendurch rastloses, schnelles Einschaufeln der Kohle, die ihm die Hauer indessen schon wieder in dichten Haufen an sein Gleis hingeworfen hatten – auch er hatte keine Minute Zeit, sich zu verschnaufen und er arbeitete unverdrossen, daß ihm der Schweiß lange Rinnen in die Rußschicht zog, die das Gesicht und den ganzen bloßen Oberleib bedeckte. Wahrlich, hier unten lernte man erst, was das Wort besagen will: »Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen.«
Ernst dachte es Volkmar, während er so dem rastlos arbeitenden Mann zuschaute, und altgewohnte Gedanken stiegen wieder in ihm auf: Wie das Schicksal die Lose ungleich verteilte! Nun, wenn er einmal hier der Herr sein sollte, er wollte dafür sorgen, daß den Leuten ihr hartes Los wenigstens erträglicher gemacht würde, daß nach der schweren Mühsal auch die Freude in ihr Leben leuchtete.
Zu all dieser Arbeit von Schlepper und Hauer leuchteten mit ihrem matten, kleinen Schein die Grubenlampen, die mit dem scharfen Haken oben in die Stempel eingehängt waren.
Um das eine der Lichter flatterte eine winzig kleine Motte – ein Lebewesen hier unten, 700 Meter tief in der Erde! Wie mochte es hergekommen sein? Durch den einziehenden Wetterstrom oder hatte es, in der Rinde eines der Grubenhölzer sitzend, die Einfahrt mitgemacht? Nun taumelte es dumpf um das armselige Lichtlein – seine Sonne in dieser Welt der Finsternis.
Während Volkmar noch, neben den Hauern sitzend, gedankenverloren dem Tierchen zuschaute, machte ihn plötzlich ein schwerer Sturz – ein Krachen, daß der Boden zitterte – dicht neben ihm auffahren.
Ein massiges Stück hatte sich über ihm aus der Steindecke gelöst, ein trichterförmiges Loch gähnte im Hangenden. Volkmar wußte: Ein sogenannter »Kessel«, wie sie öfter im Steinkohlenbergbau vorkamen und sich nicht selten als gefahrbringend erwiesen. Einen Fuß breit weiter, und auch er hätte ein Lied davon singen können – oder auch nicht mehr.
Die Leute neben ihm hatten sich bei dem Krachen umgekehrt, aber als sie sahen, daß dem Steiger nichts passiert war, fuhren sie gleichmütig in ihrer Arbeit fort. Was auch weiter? So etwas konnte hier unten alle Augenblicke vorkommen.
Volkmar betrachtete den schweren Stein zu seinen Füßen nachdenklich. Da hätte nun so ein Baumstubbenrest aus dem verkohlten Koniferenwald der Urzeit bald einen Menschen erschlagen – ein Lebewesen, von dem die Erde damals noch nichts ahnte, und der sich jetzt so gern den »Herrn der Erde« nannte.
Den Herrn! Ein vermessenes Wort. Was war der Mensch im großen Weltganzen anderes als jenes armselige Insekt, das da vorhin in trunkenem Wahn um das Licht geflattert war? Ein plumper Zufall wie eben, und die ganze erträumte Gottähnlichkeit war dahin.
Wie nichtig war im Grunde doch alles: Jenes Herrenmenschentum, das ehrgeizig nach Macht und Reichtum die Hand ausstreckte, und der leidenschaftliche Neid jener anderen, der Millionen in der Tiefe, die sich verzehrten im Verlangen nach dem Glück da oben. Wozu das alles? Ein verzweifeltes Ringen – um eine Seifenblase.
Und dann nahmen seine Gedanken ganz plötzlich wieder eine andere Richtung: Wenn es ihn nun hier getroffen hätte – würde sie wohl seinen Verlust empfunden haben, Hedwig Vermeren? Seit jenem Tanz neulich, wo er sie zum erstenmal mit einem Schauer des Glückes in seinen Armen gehalten hatte, war es ihm ja klar geworden: das war nicht bloß Jugendfreundschaft mehr. Aber sie! War er auch ihr mehr? Was hätte er für die Gewißheit dessen gegeben!
Ein tiefes »Glückauf!« ließ Volkmar auffahren. Er hatte, in sein Sinnen verloren und bei dem Rasseln der Kohlenschaufeln, das Herannahen jenes anderen ganz überhört. Nun erkannte er den Hinzugekommenen – Jupp Freukes.
»Glückauf!« und er schüttelte dem Freunde die Hand.
»Ich suchte dich,« fuhr der Fahrsteiger fort. »Ich will mal wieder drüben die alte Wetterstrecke untersuchen und dachte, das würde dich interessieren.«
»Aber gewiß,« bestätigte Volkmar, »ich komme gern mit. Ich bin sowieso fertig mit meinem Rundgang.«
Die beiden verließen den Ort und gingen zu der anderen Abteilung hinüber, in der die bewußte Stelle lag und die wegen der Schlagwettergefahr schon seit längerer Zeit ganz außer Betrieb gesetzt war. Ein Stückchen im letzten Querschlag hinauf, und nun rauchte plötzlich im Schein der Grubenlichter vor einer dunkel gähnenden Öffnung in der Gesteinswand ein Bretterverschlag auf. Daran hing, düster und ernst, ein großes schwarzes Kreuz mit der warnenden Inschrift: »Feuer.«
Nachdenklich schaute Volkmar auf das Kreuz, während der Fahrsteiger seine Lampe abseits in die Holzverschalung einhakte. Erinnerungen stiegen unwillkürlich in ihm auf, an Rom, – an die Katakomben draußen an der Via Appia – und versonnen sagte er:
»Man könnte meinen, vor einer unterirdischen Begräbnisstätte zu stehen.«
»Hätte auch leicht zu einer solchen werden können.« Freukes erwiderte es, ohne sich nach ihm umzudrehen. Er war schon dabei, mit dem Hammerstock durch kräftigen Ruck ein paar Bretter in dem Verschlag zu lockern. »Du weißt doch? Es hing damals an einem Haar, daß wir hier nicht die schönste Schlagwetterkatastrophe hatten.«
»Nein, wirklich? Erzähl' doch!«
»Na also – es sind jetzt rund anderthalb Jahr – da waren da hinten vor Ort, wir kommen ja nachher hin, sechs Kerls vor der Kohle. Es war gerade morgens, kurz nach Beginn der Schicht. Wer weiß wie lange hatten sie schon in dem Pfeiler gearbeitet und nie was Verdächtiges wahrgenommen. Da, an jenem Morgen, kaum daß sie die ersten Schläge getan haben, plötzlich ein verdächtiges Geräusch im Kohlenstoß – ein Rieseln und leises Zischen – sie halten an, leuchten vorsichtig ab – und richtig, ganz unten, wo der Stoß ansetzt, da quillt's hervor, ein paar dünne Wasserstrahlen, die sich schnell zu einer kleinen Lache ansammeln. Und aus dieser Lache steigt's auf wie lauter kleine Sprudel, Gasblasen, die an der Luft zerplatzen: Schlagwetter!«
»Verdammt! Und was machten die Leute?«
»Ja, es war eben ein Glück, daß sie einen so besonnenen Ortsältesten bei sich hatten, der kommandierte sofort: ›Lampen klein machen und raus aus dem Berg! Aber ganz langsam!!‹ Und die Kerls benahmen sich allesamt brillant, muß man ihnen lassen. Die Gefahr im Rücken, die Wetter strömten ja immer stärker aus, wichen sie schrittweise zurück, ohne jede Überstürzung – eine einzige hastige Bewegung, das Durchschlagen einer Lampe – und sie wären ja allesamt beim Teufel gewesen und mit ihnen vielleicht alles, was in der Grube war. Aber, wie gesagt, sie machten ihre Sache tadellos, kamen glücklich raus, nach vorn in den Schacht – Meldung am Grubentelephon – in einer halben Stunde war der ganze Berg von Menschen geräumt. War aber auch verdammt die höchste Zeit; denn wie nun die inzwischen auch schon alarmierte Grubenwehr einfuhr mit Atmungsapparaten und elektrischen Sicherheitslampen – ich auch mit dabei und der alte Schürmann – da stand schon der ganze Pfeiler hier voll Wetter. Wir mußten ihn schleunigst zumauern – da!«
Freukes klopfte an das in der Tat sichtbare Mauerwerk rechts und links von der dunkeln Öffnung.
»Nur die Strecke hier ließen wir frei. Und nun pumpen wir sie schon volle anderthalb Jahre lang aus, schicken gleichzeitig jeden Tag Hunderttausende von Kubikmetern frische Luft hinunter, aber kriegen das verdammte Loch noch immer nicht wetterfrei. Ein Jammer! Wir waren so flott im Fördern, ein tadelloses Flöz angefahren, das beste in der ganzen Grube, die schönste Fettkohle. Nun liegt die ganze Abteilung still, und die Zimmerung vermodert uns. Na, was hilft's – bin nur begierig, was wir heute finden werden. Hab' schon 'ne ganze Weile nicht mehr nachgesehen. Aber ich bin sicher, die Sache ist noch heute schönstens im Gang.«
Während Freukes so sprach, hatte er die Bretter mit den starken Nägeln vollends herausgerissen. Eine Lücke entstand, groß genug, daß ein Mann durchkriechen konnte.
»Na, dann wollen wir mal!«
Er nahm seine Lampe und kletterte hinüber in die Wetterstrecke, Volkmar ihm nach.
Wortlos gingen sie jetzt weiter. Jeder hatte von selbst die Lampe herabgeschraubt. Sie waren ja auf einem Patrouillengang – gegen den Feind.
Schwarze Finsternis umgab sie, und seltsam hohl klang der Schall ihrer eigenen Tritte in dem langen Gange wider. Es war eine feuchtwarme Moderluft hier unten; an den Eichenstempeln und Schalen der Zimmerung, auf die ihr Lampenlicht fiel, hing in dichten Flocken grauer Schimmel. Und lautlos still war es um sie her – eine Grabesstille. Nur dann und wann drangen leise, geheimnisvolle Geräusche, deren Ursache in der tiefen Dunkelheit nicht zu ergründen war, an ihr Ohr: Ein seltsames Rieseln, ein dumpfes Pochen – wie aus einer weiten, unsichtbaren Ferne, wie Geisterlaute aus einer anderen Welt.
Volkmar war ja kein Neuling mehr in der Grube. Aber doch empfand er die geheime Spannung, die eigenartige Stimmung, wie sie beide hier so dahingingen, tief drunten im Erdinnern, fern von jeder menschlichen Hilfe, allein mit einem furchtbaren, heimtückisch lauernden Gegner; um so furchtbarer als kein menschlicher Sinn ihn wahrnehmen konnte.
Plötzlich ein unheimliches Rascheln, dicht neben ihnen – unwillkürlich zuckte Volkmar zusammen. Aber Freukes schritt gleichmütig weiter.
»Eine Ratte wahrscheinlich. Das Viehzeug hat jetzt hier gute Zeit.«
Und weiter gingen sie, immer tiefer in den Berg hinein, immer näher dem Sitz der Gefahr entgegen. Bis der Fahrsteiger stehen blieb.
»So, nun können wir immerhin schon mal nachsehen – wollen die Wetter mal kommen lassen«
Langsam hob er die Lampe zur Firste empor, wo sich die Gase auch in geringen Mengen schon zu zeigen pflegen. Gespannt sah Volkmar hin, nicht lange und schon war der blaue Lichtsaum da. Schnell wuchs er empor ohne erkennbare Ursache, lautlos, geisterhaft, zu einem langen bläulichen Lichtkegel, einer Art Stichflamme, die nun bis an den oberen Rand der Lampe leckte – der den menschlichen Sinnen sonst verborgene Feind war gesichtet.
»Hallo – da haben wir's!«
Mit einem Gefühl von Befriedigung nickte Freukes zu dem Freunde hin. Er hatte schon recht gemutmaßt.
Und vorsichtig seine Lampe wieder herunterlassend, sie noch kleiner schraubend, daß sie nur noch wie ein winziges blaues Pünktchen leuchtete, schritt er die letzten zwanzig, dreißig Schritte weiter vorwärts. Er fand sich ja hier unten auch im Dunkeln zurecht, war ja oft genug allein diesen Weg gegangen.
»So, hier war's.« Er blieb nun stehen und wandte sich zu Volkmar um, der langsamer, mit dem Fuße tastend, nachkam. »Nun sieh du mal nach – du kannst hier ruhig gleich unten probieren, am Boden, wo damals der Bläser auftrat.«
Volkmar kam ganz heran. Im Hauch des Lichtchens in seiner Hand sah er: vor ihnen eine dunkle schwarze Wand, die die Strecke abschloß – der Kohlenstoß, vor dem die Geschichte seinerzeit passiert war.
Langsam ließ er sich aufs Knie und machte nun seinerseits die Probe. In der Tat: in kürzester Frist war schon, selbst hier dicht über dem Boden, der hohe Lichtkegel da – ein Beweis, daß das verderbenbringende Gas noch immer in erheblichen Mengen aus dem verborgenen Reservoir da hinten in der Kohle ausströmte.
»Unglaublich! Welche unerschöpfliche Mengen müssen hier angespeichert sein. Da wird wohl noch lange nichts zu machen sein.«
Langsam erhob er sich wieder, und langsam schritten sie denselben Weg zurück; den Weg, den auch jene sechs damals so beschritten hatten, ruhig zurückweichend, die Gefahr hinter sich. Beide hingen ihren Gedanken nach.
»Bist du dir eigentlich jedesmal, wenn du einfährst, der Gefahr bewußt?« Volkmar fragte es, nach einer Weile.
»Da hätt' ich viel zu tun!«
Und der andere lachte hell auf.
Dies Lachen klang seltsam grell wider in dem stillen Steingang – wie wenn boshafte Berggeister da hinter ihnen in der Finsternis es höhnend, heimtückisch nachäfften.
Ein eigenes Gefühl beschlich dabei Volkmar: Als ob das herausfordernde Lachen des Freundes die Rachsucht irgendwelcher dunkeln, vergeltenden Gewalten wachrufen könnte. Und noch ernster sagte er, seinerseits bei seinem Gedanken beharrend:
»Ich bin es stets. Schon damals, als ich mein Jahr praktisch arbeitete, war ich mir bei jeder Einfahrt bewußt: Es kann dich treffen. Und so auch heute noch. Selbstverständlich gebe ich dem Gedanken weiter keine Gewalt über mich – ich empfinde das mehr unbewußt. Aber es würde mich nie überraschen, nie unvorbereitet treffen, wenn es eines Tages doch mal passierte.«
Jupp Freukes schüttelte den Kopf – sie waren inzwischen wieder am Ausgang der Wetterstrecke angelangt – und dann sagte er:
»Na, jeder nach seiner Fasson! Mir kommt so ein Gedanke nie – und es ist ja auch Unsinn. Mein Wahlspruch ist: Glück muß der Mensch haben. Und ich hab's noch immer gehabt.«
Während er so sprach, hatte er schon die Bretter wieder in ihre alte Lage gebracht. Nun hing er auch das schwarze Wetterkreuz wieder davor. Da kam ihm der Vergleich Volkmars vorhin wieder in den Sinn, mit den Katakomben.
»So,« scherzte er, »nun wäre ja unser Erbbegräbnis wieder in schönster Ordnung!«
Aber der Freund erwiderte nichts. Ihm war gar nicht nach Scherzen zumute. Ein sonderbares, dumpfes Gefühl lastete auf ihm, wie die Ahnung von irgend etwas Dunkelm, Schwerem. Und er atmete erst leichter auf, wie sie einige Minuten später wieder in der im Betrieb befindlichen Abteilung waren. Gott sei Dank, da war doch wieder Leben um sie herum! Und die seltsame Überspannung seiner Nerven schwand wieder.
Die Sonne war eben in den Rhein getaucht. Eine große, stille Ruhe lag über dem Land und dem Strom, der sich in einem weiten Bogen zur Ferne verlor. Tiefsattes Indigo zeigte sein Spiegel, jetzt in der Dämmerstille glatt, von keinem Hauch gekräuselt. Nur einige letzte, verlorene Reflexe von einem leuchtenden Goldbronzeton da hinten im Wasser verrieten die Stelle, wo vor Minuten das große Gestirn schweigend versunken war.
Feine, duftigblaue Schleier verhüllten die Ferne, die Konturen der Weiden drüben am jenseitigen Stromufer, und darüber, an dem dämmernden Himmel, stand eine schwere, gewaltige Wolkenburg, golden durchleuchtet, mit dem Nachglanz der versunkenen Strahlen noch jetzt das Auge blendend. Eine jener Luftstimmungen, groß, schwer, heroisch – wie sie der Abend in der Ebene des Niederrheins so oft hervorzaubert.
Wortlos schauten Hedwig und Volkmar in das tiefe Schweigen hinaus. Sie saßen nun am Stromufer, nachdem sie von dem Vermerenschen Besitz aus noch ein Stück stromabwärts gegangen waren – an den jetzt verdunkelnden, satten Uferweiden entlang, wo auf den Kampen hinter dem Drahtgehege das schwarzscheckige Vieh in träger Ruhe lag, dem Schlummer entgegendämmernd.
Auch auf dem Strom, wo tagsüber rastlos die Schlepperzüge zu Tal und Berg fuhren und mit schwerem Schaufelschlag die Fluten aufpeitschten, daß sie in zahllosen Wellen unermüdlich zum Ufer liefen, lag jetzt die Stille des Abends. Das Leben des Tagesverkehrs war eingeschlafen, die breite Strombahn leer – nur ein einzelner Dampfer kam zu Tal.
Groß und massig stand seine dunkle Silhouette jetzt gegen den Abendhimmel. Hoch ragte der Bug aus dem Wasser, das von der schnellen Bewegung ausgeschnitten, hinter ihm in grader Kiellinie auf dem dunkeln Spiegel des Stroms glitzerte. Wie ein langer, schwarzer Wimpel hing vom Schlot die Rauchwolke rückwärts.
Die beiden am Ufer schauten jetzt träumerisch auf das stattliche Schiff, das unhörbar vorüberglitt. Sein ganzer Bau ließ erkennen: Ein Seedampfer von Hamburg oder Bremen her, der nun die breite Wasserstraße hinabeilte, hinaus mit dem Strom dem unendlichen Meere zu. Vom Bord des Dampfers, auf dem schon die Signallichter glänzten, rot und grün, scholl deutlich Musik herüber, der melancholische Klang einer Harmonika. »Ade, du mein lieb Heimatland!«
Still sahen Hedwig und Volkmar dem schnell enteilenden Schiff nach; ihre Gedanken glitten verloren mit ihm, weiten Fernen zu – in unbewußtem, dunkelm Sehnen.
In tiefem Atemzug hob sich die Brust des Mädchens. Volkmar vernahm es in der lautlosen Stille des Abends, und sein Blick suchte die Begleiterin. Sie saß in sich versunken, die Hände weit vorgestreckt, um die Knie gefaltet und blickte so dem Schiff nach, bis es in der Ferne verschwand. Da sank ihr langsam der Kopf herab. So verharrte sie, selbstvergessen, regungslos mit geschlossenen Augen.
Volkmars Blicke wichen nicht von ihr, als wollten sie ihr die geheimen Gedanken von der Stirn lesen.
Wie war sie heute so ganz anders! Das war wieder ganz die alte, versonnene Hedwig Vermeren – das Bild, das er von ihr immer im Herzen getragen hatte. Aber wie erklärten sich nur diese Wandlungen – diese Gegensätze in ihrem Wesen, die ihn so beunruhigten?
Es war, wie wenn sie die unausgesprochene Frage verstanden hätte; denn plötzlich wandte sie sich ihm zu, mit jenem seltsamen, stillen Lächeln, das sie ihrer Mutter so ähnlich machen konnte.
»Ich komme Ihnen heute wohl ganz besonders sphinxenhaft vor?«
Er nickte leise, und ein Bitten lag in seinem Blick:
»Werden Sie mir denn nie Ihr Vertrauen schenken. Sie wissen doch –?«
»Ja –« sie neigte, sich ihrer Zusage erinnernd das Haupt; aber dann sagte sie, ohne ihn anzublicken, mit den schlanken Fingern durch die Grashalme neben ihr streifend: »Wozu aber schließlich? Auch Sie können mich ja nicht ändern.«
Er schwieg. Aufdrängen wollte er sich ihr nicht. Da sah sie zu ihm auf; es stand heute eine weiche Schwermut in ihren Augen, die sie mit einem ganz eigenen Liebreiz ausstattete.
»Ich glaube, Sie machen sich mehr Sorge um mich, als ich verdiene.«
»Fräulein Hedwig!«
Es verriet sich viel in den zwei Worten. Da senkte sie langsam wieder den Blick, tief atmend hob sich ihre junge Brust, und dann sagte sie leise:
»Daß Sie noch so treu an mir hängen! Ich bin doch gar nicht mehr die, die ich damals war.«
»Denken Sie wirklich bisweilen noch an jene Zeiten?«
»Mehr als Sie glauben – ich war ja so glücklich damals.«
»Und warum sind Sie es heute nicht mehr?«
Sie zuckte die Achseln.
»Man ist eben vertrieben aus dem Kindheitsparadiese.«
»So glauben Sie an kein Glück mehr nachher – bei den Großen?«
Ihre Hand hatte wieder das Spiel mit den Halmen neben sich aufgenommen. So fragte sie verloren:
»Glück?« Und dann schüttelte sie leise das Haupt.
»Fräulein Hedwig!« Es klang erschrocken. »Woher diese Hoffnungslosigkeit? In Ihren jungen Jahren!«
»Man kann trotz seiner Jugend allerlei gesehen haben, was einem die Augen öffnet.«
Mit einem traurigen Ton erwiderte sie es.
Volkmar blickte auf sie, die schlanke, anmutige Gestalt, die da so still vornübergeneigt saß, wie unter einer schweren Bürde, die ihre Jugend zu Boden drückte. Da quoll es warm in ihm auf, und seine Rechte legte sich auf ihre Hand, die neben ihm im Grase ruhte.
»Nein, nein – das kann ja nicht sein! Was Sie auch gesehen haben mögen, den Glauben an das Glück darf es Ihnen nicht nehmen!«
Sie schwieg, aber duldete für einige Augenblicke die Berührung seiner Hand, aus der es wie ein Strom warmer Zuversicht in sie überglitt. Es tat ihr wohl. Dann zog sie leise ihre Linke zurück und erwiderte:
»Ich danke Ihnen, Sie sind so gut zu mir. Und darum will ich Ihnen auch sagen – Ihnen allein, es weiß sonst keiner – was mich quält. Aber Sie müssen mir versprechen –«
»Fräulein Hedwig!« Er suchte ihr Auge. »Jedes weitere Wort würde mich kränken.«
»Gut, ich vertraue Ihnen.« Sie machte eine kurze Pause, dann sagte sie: »Sie wissen ja, wie ich an meinen Eltern hänge, besonders an meiner Mutter. Sie ist ja meine beste, ich kann sagen, meine einzige Freundin, denn die anderen –?«
Hedwig Vermeren machte eine geringschätzige Gebärde, dann fuhr sie fort:
»Ich war stets so stolz auf mein Elternhaus. Wie viele Familien kannte ich nicht, aber wie wenig glücklich sah es dort aus – im besten Falle ein gewohnheitsmäßiges, ruhiges Nebeneinanderherleben. Aber bei uns wie anders! Mein Vater trug meine Mutter auf Händen und sie liebte ihn, wenn sie es auch freilich nie öffentlich zeigte – es hätte ja gar nicht zu meiner stolzen, schönen Mutter gepaßt – aber ich wußte es. Und beiden Eltern gehörte mein ganzes Herz, wie mir das ihre. So war unser aller Glück vollkommen, war bei uns erfüllt, wonach andere sich sehnen mit heißem Herzeleid – so wähnte ich.«
Seltsam hart klang der kurze Nachsatz.
Tief betroffen sah Volkmar zu ihr hin, um deren Mund es jetzt zuckte. Was sie da eben über die Ehe ihrer Eltern gesagt, das war ja doch nicht bloß ihre Meinung gewesen; davon war ja doch alle Welt fest überzeugt und er nicht zuletzt. Und so fragte er beunruhigt:
»Das wähnten Sie nur?«
»Ja!«
Kurz und doch so schwer fiel das Wort von ihren Lippen, und dann bekannte sie ihm mit heiß ausbrechendem Schmerz:
»Nur ein Wahn von mir war es, nichts als ein Wahn! Das Glück dieser Ehe ist nur Schein – meine Mutter ist die unglücklichste Frau der Welt.«
»Nicht doch!« Ganz erschrocken fuhr er zusammen. »Das kann ja nicht sein – das ist ja nicht möglich! Ihr Vater, das sieht doch jeder Mensch, vergöttert Ihre Mutter ja doch geradezu.«
Sie nickte verzweiflungsvoll.
»Gewiß, und das ist ja gerade das Furchtbare: Trotzdem ist meine Mutter nicht glücklich. Verstehen Sie nun, was mir geschehen ist? Was für unbekannte Tiefen des menschlichen Herzens tun sich da auf, was für schreckensvolle Dunkelheiten – wenn eine Frau so geliebt wird und doch das Glück nicht finden kann! Kann man da nicht irrewerden an allem? Kann einen da nicht eine Angst packen?«
Volkmar verstummte. Nun war ihm das Rätsel ihres Wesens gelöst: Angst vor sich selbst, die Furcht, sich zu verlieren in den Wirrnissen des Lebens, in die sie, die Ahnungslose, allzufrüh hineingeblickt hatte – das war es. Und das raubte ihr den inneren Halt, ließ sie sich förmlich vor sich selber flüchten, hinein in ein Leben voll Nichtigkeiten und ewigen Ablenkungen – nur nicht allein sein mit sich, daß nicht wieder jenes dunkle Schreckhafte an sie herantrat!
Alles verstand er nun, und eine große, mitleidsvolle Liebe kam über ihn.
»Fräulein Hedwig, Sie sehen mich im Innersten erschüttert. Das hätte ich ja nie erwartet – das nie. Mir ist, als wäre mir selber in dieser Stunde etwas zerbrochen – etwas sehr Schönes und Wertvolles, an dem ich, solange ich denken kann, mit Verehrung gehangen habe. Das Haus Ihrer Eltern war ja geradezu vorbildlich für mich. Wie oft habe ich nicht, auch ich spreche heute offen, zu Ihnen hinübergeblickt mit einem schmerzlichen Sehnen – wenn es bei uns daheim so kalt und leer aussah. Und nun soll das auch nur Schein gewesen sein? Ich kann es ja noch immer nicht glauben – sollte nicht ein unseliger Irrtum –?«
Sie schüttelte in stummer Trauer, aber mit voller Entschiedenheit das Haupt.
»Da ist kein Irren mehr möglich – ich weiß es aus der Mutter eigenem Munde.«
»Wie – von Ihrer Mutter selbst?«
»Ja – eine Stunde, die ich nie vergessen werde, hat sie zum Sprechen gebracht – ein Zufall im Grunde nur. Ich überraschte meine Mutter einmal, der Vater war außerm Hause und sie wähnte mich schon längst zu Bett, in ihrem Zimmer, überwältigt von dem Gefühl ihres verfehlten Lebens. Zu Tode erschrocken sah ich sie weinen. Weinen! – meine Mutter, meine stolze, schöne Mutter, die ich für die glücklichste Frau der Welt hielt! Und da geschah es – ich flehte so lange, bis sie mir endlich alles sagte: Meine Mutter hat meinen Vater nie wirklich geliebt. Es ist nur Mitleid mit ihm gewesen, der so lange um sie vergebens geworben, der ohne sie ja nicht leben konnte, das sie endlich bewog, ihm ihre Hand zu reichen. Ihr Herz aber gehörte und gehört noch – einem anderen!«
Volkmar schrak zusammen. Ein seltsames, dumpfes Erschrecken. Wie sonderbar, daß gerade in diesem Augenblick wieder jene alten Geschichten aus der Kinderstube ihm durch den Kopfe gingen – jenes Gemunkel, das von einstigen Beziehungen Frau Eleonore Vermerens zu seinem eigenen Elternhause wissen wollte? Ein Gedanke zuckte plötzlich in ihm auf – sein Vater!
Aber dann wies er ihn gleich wieder zurück, fast heftig. Nein, nein! Wie konnte er überhaupt nur auf so etwas kommen? Der Mann von Stahl und Eisen, ganz harte Tatkraft, in dem kein Raum für weiche Gefühlsregungen war, und jene Frau – wie konnte er auch nur einen Augenblick daran denken!
Und Volkmar sah wieder auf das Mädchen neben ihm. Was mußte sie gelitten haben, deren Herz so innig an beiden Eltern hing und die nun plötzlich die unüberbrückbare Kluft sah, die diese beiden ihr liebsten Menschen innerlich trennte.
Regungslos saß Hedwig Vermeren da; aber nun sprach sie, wie wenn sie eben im Geist jene erschütternde Stunde noch einmal durchlebt hätte – leise, mit zitternder Stimme, wie zu sich selbst:
»Geh du mit keiner Lüge gegen dich selbst in die Ehe, mein Kind – und wäre es die wohlmeinendste! Das Herz läßt sich nicht betrügen; es fordert sein Recht, unerbittlich. Und weh' dem – der dann schwach ist! – – Ich werde diese Worte meiner Mutter nie vergessen – das Vermächtnis jener Stunde.«
Doch dann erhob sie sich. Drüben überm Rhein standen schon dunkle Abendwolken am Himmel.
»Wir müssen heim.«
Und langsam schritten die beiden nebeneinander her; schweigend, im weichen, schwermutsvollen Grau der Dämmerung, die sich um sie breitete.
* * *
Volkmar Heckes ging zur Frühschicht. Es war noch Nacht, aber die Helle der großen elektrischen Bogenlampen machte sie fast zum Tage – das Industrierevier kennt ja keine Nachtruhe. In den Hütten, Hochöfen und Gruben geht ununterbrochen der rastlose, eiserne Taktschlag der Arbeit weiter, ob draußen die Sonne scheint oder die Sterne blinken, darum ist alles auch zur Nachtzeit hier hell erleuchtet. Denn kaum daß die letzten Nachzügler von der Nachtschicht sich heimgefunden haben, rüsten sich ja schon die ersten Frühaufsteher für den Weg zur Morgenschicht.
Unwillkürlich mußte Volkmar an eine seiner Reisen denken, droben in Skandinavien. Auch da kannte man – in den Sommermonaten, wo er dort war – die erquickende, natürliche Ruhe der dunkeln Nacht nicht. Der im Schein der bleichen Polarsonne auch zur Nachtzeit helle Himmel mit seinem seltsamen, faszinierenden Lichte hatte etwas so Ruheloses, die Nerven Aufreizendes gehabt. Das stand jetzt plötzlich wieder mit größter Deutlichkeit vor seiner Erinnerung.
Von allen Seiten kamen dunkle Gestalten, die gleich ihm zur Frühschicht gehenden Leute, einzeln oder zu zweien und dreien, wie sie sich auf dem oft stundenlangen Weg zur Zeche zusammengefunden hatten; die Hände in den Hosentaschen, über der linken Schulter die »Kaffeetröt« am Riemen hängend, die Blechkanne mit dem trichterförmigen Ansatz, das Wahrzeichen des Bergmanns hier im Revier.
Volkmar sah im Vorübergehen auf die Leute. Wie die Verschiedenheiten der Menschen sich auch hier selbst zeigten: Ernst und schweigsam gingen die älteren; das junge Volk aber schwatzte munter, hier und da hörte er sogar einen die Melodie eines Gassenhauers durch das nächtliche Dunkel pfeifen. Andere wieder liefen im Trab voraus – die Eifrigen, Berechnenden. Es ging der Reihe nach in der Grube. Wer zuerst einfährt, kommt zum Schluß der Arbeit auch wieder am ersten heraus. Also rasch den Vorsprung vor den andern ausnutzen!
Jetzt funkelte plötzlich ein Meer von bunten Lichtern vor den Nachtgängern auf. Rot, grün, gelb und weiß – wie besät von farbigen Lichtern war weithin die Erde. Gar lustig sah es aus, als wären es Lampions in einer italienischen Nacht, und waren doch sehr ernsthafte Dinge: die Signallichter und Weichenmarkierungen der Eisenbahn, die man nun überschritt. Es war ein stark frequentierter Knotenpunkt hier. Viele Linien kreuzten sich und zahlreiche Anschlußgleise der Berg- und Hüttenwerke mündeten an diesem Punkt ein.
Nun betraten sie das Terrain der Zeche. Zum Schalter des Pförtnerhauses rief jeder Ankömmling seine Nummer hinein und empfing die blecherne Kontrollmarke.
Auf dem Zechenplatz rangierte gerade eine Lokomotive. Gleich einem riesigen, schwarzen Ungeheuer der Vorzeit glitt sie durch das Dunkel heran, scheinbar gerade auf Volkmar zu, mit ungezähmter Wildheit aus ihrer ungeheuren Lunge fauchend, nun schrill aufheulend. Die Lichter in den beiden Reflektoren lauerten wie in den Augenwinkeln einer heimtückischen Bestie, die sich im nächsten Moment mit einer unerwarteten Wendung auf ihn stürzen wollte.
Über den Zechenplatz kam jetzt von der anderen Seite, wo die Werkstätten über Tag und auch die Ambulanzräume lagen, eine große dunkle Gestalt. Volkmar erkannte sofort Jupp Freukes.
»Glück auf!« Sie tauschten einen Händedruck. »Auch schon im Dienst?«
»Ja, ich wurde rübergerufen – ein Unfall. Dem Hilfsmaschinisten an der Pumpe ist die Hand in den Riemen geraten.«
Volkmar ließ einen Laut des Erschreckens hören.
»Doch hoffentlich nicht –?«
»Nein; der Arm wird ihm erhalten bleiben, aber steif – Invalide.«
»Armer Kerl!«
»Ja, gewiß – aber seine eigene Schuld. Vorschriften wieder mal nicht beachtet.«
Volkmar dachte daran, wie mancher so in jungen Jahren zum Krüppel wurde, wenn auch vielfach durch eigene Unvorsichtigkeit – es war doch ein bitter ernstes Los.
»Vielleicht kann man ihn noch nach seiner Heilung als Boten verwenden oder als Kauenwärter – daß er doch nicht ohne Tätigkeit ist. Ich werde mit meinem Vater sprechen.«
Sie schritten dann zusammen nach dem Beamtenbad zu, um sich für die Einfahrt umzukleiden. Wie Volkmar den Freund so in der Nähe sah, fiel ihm an diesem ein Ausdruck des Ernstes auf, der seinem frischen Wesen sonst fern lag. Was mochte er haben?
Sie hatten sich längere Zeit nicht mehr gesehen und über Jupps Pläne mit Maria Schürmann seit jenem Tage in der Grube überhaupt nicht mehr gesprochen. Mit teilnehmender Wärme fragte Volkmar daher den Freund:
»Nun, wie steht's mit deiner Angelegenheit? Bist du deinem Ziel noch nicht näher gekommen?«
Der Fahrsteiger schwankte erst, ob er reden sollte; dann aber offenbarte er sich dem Vertrauten doch. Mit gefurchter Stirn schüttelte er den Kopf:
»Nein – sie weicht mir aus, ganz offenbar. Es liegt etwas Scheues, fast Geängstigtes in ihrem Wesen, sobald sie mich bloß sieht. Auch zu Haus bei ihr fällt es schon auf. Der alte Schürmann tröstete mich zwar und meinte, das hätte nichts auf sich, das machten die jungen Dinger alle so. Doch sie will ihm auch sonst nicht gefallen. Seit einiger Zeit schon nicht. Er würde doch nächstens mal den Doktor holen müssen. Gewiß Blutarmut, wie seine Frau meint – sie sei ja immer etwas zart gewesen.«
Wieder war Volkmar im ersten Augenblick bei den Worten Freukes' ein quälender Gedanke gekommen – jene Befürchtungen in den Ostertagen waren ihm ja immer noch zu lebendig in der Erinnerung. Er atmete daher insgeheim auf, als er dann jetzt die beruhigende Aufklärung hörte.
»Nun, das wird ja wieder vorübergehen,« tröstete er den Freund. »Ein kleines Leiden, das ja häufig die Ehe ganz von selbst heilt.«
Aber Freukes schüttelte den Kopf, noch immer ohne Zuversicht.
»Wenn es nur überhaupt zur Ehe kommt – ich weiß nicht – ich glaube, das Mädel hat was gegen mich.«
Und vergebens bemühte sich Volkmar, ihn zuversichtlicher zu stimmen; er verharrte bei seiner Meinung. Es sei ihm zu auffällig, wie sie ihm aus dem Weg ginge; gerade jetzt, nachdem ihr die Mutter doch schon leise Andeutungen gemacht habe, mit was für Gedanken er sich trüge.
»Na, was ist da zu machen? Ich kann's ja nicht ändern,« resigniert griff er, nun fertig zur Einfahrt, nach seinem Hammerstock. »Aber es ist mir doch nicht so einerlei. Ich hab' das Mädel doch verdammt gern.«
Und als schäme er sich, dem Vertrauten das so offen bekannt zu haben, ging er schnell mit kurzem »Glück auf« hinaus.
* * *
Magnus Heckes saß zu Haus in seiner Bibliothek. Es war in der sechsten Nachmittagsstunde, die der Lektüre seiner Zeitungen und Fachblätter gehörte. Da wurde ihm Betriebsführer Schürmann gemeldet.
»Schürmann?«
Heckes sah zu dem Diener hin, als hätte er nicht recht gehört. Jetzt, hier in seiner Privatwohnung?
Der Diener verstand den zweifelnden Blick.
»Jawohl – Herr Schürmann in einer persönlichen Angelegenheit,« bestätigte er noch einmal seine Meldung.
»Na, dann lassen Sie ihn vor.«
Eine Minute später stand der Betriebsführer vor Heckes.
»Nun, was gibt's denn?«
Der Blick des Werkbesitzers, der, bis zum letzten Moment seine Zeit ausnützend, noch während Schürmann eintrat, auf einer technischen Zeitschrift geruht hatte, suchte jetzt seinen alten Beamten.
Schürmann hatte sich verneigt, nun stand er da, mit allen Anzeichen einer nur mühsam bekämpften Bewegung. Heckes sah unwillkürlich schärfer zu. Was war mit dem Mann? Sonst durch nichts aus dem Gleichgewicht zu bringen – seine unerschütterliche Ruhe, die »Bierruhe vom alten Schürmann« war ja schon sprichwörtlich auf der Grube – sah er jetzt geradezu verstört aus, wie er so, offenbar nach Worten ringend, dastand. Und noch einmal forschte daher Heckes:
»Was ist denn, Schürmann?«
Der Mann sah ja aus, als hätte ihn ein schweres Unglück ganz unerwartet betroffen.
»Verzeihen, Herr Heckes« – gewaltsam nur gewann sich der Betriebsführer die Worte ab – »daß ich zu so ungewöhnlicher Stunde – und hier in Ihrer Privatwohnung –«
»Schon gut,« Heckes machte eine bereits ungeduldige Handbewegung. Er war kein Freund von Einleitungen. »Sie sehen ja, ich bin für Sie da.«
»Herr Heckes« – die breite Brust des alten Schürmann hob sich in heftigster, innerer Bewegung, und dann brach es aus ihm heraus, ein kaum noch unterdrückter Aufschrei tiefster Qual: »Meine Tochter – mein Mädel, die Maria –«
Die Worte verklangen in einem dumpfen, unartikulierten Laut.
»Nun, nur immer ruhig, Schürmann – was ist denn?«
»Eben haben sie sie mir ins Haus gebracht – aus dem Weiher, hinten am Erlenbruch!«
»Wie – tot?«
»Nein, sie ist wieder zu sich gekommen; aber – es wäre ihr vielleicht besser gewesen, es wäre anders gekommen.«
Und wieder drang es wie ein Stöhnen aus Schürmanns Brust. Seine breite, schwere Arbeitshand preßte sich auf die Augen.
Heckes horchte auf. Aha – stand es so um das Mädel? Aber warum kam da der Alte zu ihm? Was ging ihn schließlich die Sache an?
Doch dann glaubte er zu verstehen. Gewiß war einer seiner Beamten mit in die Geschichte verwickelt, und er sollte nun mit seiner Autorität die Sache, so gut es ging, in Ordnung bringen: Eine Heirat! Nun ja; am Ende ja auch nur recht und billig. Und mit einem Anflug von Teilnahme wandte er sich seinem alten Beamten zu, der noch immer nicht Herr seiner selbst, ganz gebrochen vor ihm stand.
»Das ist ja freilich eine recht sehr bedauerliche Geschichte, lieber Schürmann. Tut mir recht leid für Sie und auch für die Tochter – ist ja wohl noch ein ganz junges Ding?«
»Gerade achtzehn.«
Der ganze Schmerz um das vernichtete blühende Leben sprach aus dem dumpfen Ton.
»Hm, hm –« Heckes wiegte den Kopf. »Ja, noch ein halbes Kind!« Und dann kehrte er sich wieder Schürmann zu. »Und wer ist denn der – Betreffende?«
»Herr Heckes –« Die Augen des alten Schürmann suchten die Blicke seines Herrn. Das war der furchtbarste Augenblick seines Lebens, wie er nun sagte, ganz tonlos: »Ihr eigener Sohn – der Älteste.«
»Was – mein Sohn Willibald?«
Schürmann neigte stumm nur noch einmal das Haupt.
Eine lange Weile standen sich so die beiden Männer gegenüber. Auge in Auge – der eine den andern beim Grund der Seele packend mit seinem Blick.
Dann machte Heckes plötzlich eine Bewegung wie in einem sich regenden Zweifel; aber das Auflodern in dem Auge Schürmanns, der das unausgesprochene Wort verstanden hatte, ließ ihn schweigen. Der Mann da wußte ja auch kaum noch, was er tat; man mußte sein Empfinden schonen. Und langsam kehrte sich Heckes ab; schweigend ging er ein paarmal im Zimmer auf und nieder.
Freilich, es konnte – es würde sogar wohl schon so sein. Er kannte ja Willibald. Es wäre nicht das erstemal gewesen – aber daß der leichtsinnige Patron auch gerade hier wieder etwas anbändeln mußte! Zum Teufel, mochte er doch in Berlin Unfug treiben, soviel er wollte – er war nun einmal jung, die Welt ist eben nicht anders – aber hier sollte er sich wenigstens beherrschen, Rücksichten nehmen auf ihn, auf den Namen, den er trug! Und ein heller Zorn auf den Sohn entbrannte in ihm.
Dann aber ward er wieder ruhiger. Mit Willibald würde er sich gründlich aussprechen, er würde ihn sofort telegraphisch herbescheiden. Doch nun galt es das Schwerere – sich mit dem Vater des Mädchens da auseinanderzusetzen. Eine mehr als fatale Sache wirklich – aber was half's? Und Heckes blieb nun vor dem Betriebsführer stehen.
»Ja, lieber Schürmann – wenn die Sache so liegt – und ich kann nach Ihrer bestimmten Erklärung ja nicht mehr daran zweifeln – so kann ich natürlich nur mein größtes Bedauern aussprechen. Die Handlungsweise meines Sohnes ist selbstverständlich unverantwortlich – ich werde ihn noch heute kommen lassen und ihm keinen Zweifel darüber lassen, wie ich über die Sache denke. Aber das ist doch bloß eine Seite der Angelegenheit – die andere ist schwieriger, sehr viel schwieriger ins reine zu bringen. Ja, nun reden Sie doch mal, Schürmann – was denken Sie sich? Was wollten Sie tun?«
In die starre Haltung des alten Schürmann kam jetzt eine matte Bewegung.
»Zum Denken bin ich bisher noch gar nicht gekommen – es kam ja alles so mit einemmal über mich –« er faßte sich nach seinem grauen Kopf. Da war noch jetzt alles so wirr und dumpf, nur ein klares Empfinden: Sein Kind, sein Liebling zerstört – vernichtet! Was nun auch jetzt noch kam, das war ja doch bloß alles Flickwerk – der Welt gegenüber, des guten Namens wegen – aber die Sache selbst verwand sie ja nie mehr. Und er auch nicht! Aber der Mann da vor ihm hatte recht: Geschehen mußte doch etwas. Und so sagte er denn:
»Es bleibt ja nur ein Mittel, das Unglück wieder gut zu machen.«
»Ich verstehe – eine Heirat. Das hab' ich mir auch gedacht. Und ich denke, das wird sich schon machen lassen. Schließlich kommen doch solche Dinge nur allzuoft vor im Leben – es ist eben ja nur zu menschlich – und es liegt kein Grund vor, wenn es nun einmal geschehen ist, die Geschichte so von der tragischen Seite zu nehmen, mein lieber Schürmann. Es ist ganz selbstverständlich, ja nur meine Pflicht, daß ich alles tue, was ich irgend kann. Ich denke also, wenn Ihre Tochter eine ansehnliche Aussteuer bekommt, ein Kapital, mit dem ein strebsamer junger Kaufmann oder Techniker sich eine gute eigene Existenz begründen könnte, so –«
»Herr Heckes!«
Die Augen des alten Schürmann ruhten ganz verstört auf dem Sprechenden. Etwas unangenehm berührt gab dieser den Blick zurück.
»Nun, und?«
»Herr Heckes, das ist doch ganz unmöglich! Es ist doch keinem andern zuzumuten, das Mädchen zu heiraten.«
Magnus Heckes' Züge bekamen plötzlich etwas Kaltes, Befremdetes. Das klang ja gerade – und in seiner Art ohne Rücksicht aufs Ziel gehend, sagte er schroff:
»Ja, was denken Sie sich dann aber? Sie – glauben doch wohl nicht etwa, daß mein Sohn selber Ihre Tochter heiraten soll?«
Der Betriebsführer hatte, wie er vorhin selber gesagt, bisher überhaupt noch nicht klar gedacht. Sein Handeln war rein triebhaft gewesen. Noch ganz unter dem Eindruck des Furchtbaren war er zu dem Mann hierher gestürzt, dessen Sohn das Unheil über ihn und sein Kind gebracht hatte. Das war ganz selbstverständlich, das Nächstliegende gewesen.
Inwieweit dieser Hilfe leisten sollte, darüber hatte er bisher selber noch keine klaren Vorstellungen gehabt. Nun aber rüttelte der harte, kalte Ton des andern mit einemmal etwas wach in ihm, was bisher vor dem Schmerz um sein Kind noch gar nicht zum Erheben gekommen war: den Stolz, den ganzen, doppelt empfindlichen Stolz des Mannes, der sich aus einfachsten Verhältnissen zu einer höheren sozialen Schicht durchgearbeitet hat, und zugleich den Stolz des Mannes, der seinen, ein ganzes Leben hindurch makelfrei erhaltenen, guten Namen plötzlich befleckt sieht.
Klang ihm nicht da eben aus den Worten seines Brotherrn eine kaltverächtliche Einschätzung seiner Person und seiner Angehörigen entgegen? Dessen Herr Sohn und seine Tochter, sich heiraten? Lächerlicher Gedanke! Nur zu dem andern – da war sie allenfalls gut genug gewesen.
Der furchtbare Schlag, den er heute empfangen, hatte in dem sonst so ruhigen und gerecht denkenden Manne alles aufgestört; er war nicht mehr fähig, auch den Standpunkt des andern zu würdigen, und jetzt diese vermeintliche kalte Verachtung obenein noch – es raubte ihm den letzten Rest von Besinnung. Das Blut schoß ihm in den Kopf, und in einem Ton, über den er sonst selber erstarrt wäre, rief er seinem Herrn zu:
»Ihr Sohn meine Tochter – und warum nicht? Wer ein Mädchen ins Unglück gebracht hat, der hat auch die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, ihr die Ehre wiederzugeben – das ist allenthalben auf der Welt so Sitte – wenigstens bei allen Leuten von Ehre.«
»Schürmann!«
Der befehlende Ruf schnitt dem andern jedes weitere Wort ab, und noch einmal, in alter Gewohnheit eines dreißigjährigen Gehorsams, schreckte der Betriebsführer beim Klang der Herrenstimme unwillkürlich zusammen. Er verstummte, während Heckes in strengem Ton fortfuhr:
»Ich nehme alle erdenklichen Rücksichten auf Ihren Seelenzustand, aber alles hat seine Grenzen. Vergessen Sie das nicht! – Ich will Ihre letzten Worte nicht gehört haben und erkläre Ihnen daher noch einmal: Ich nehme meinen Sohn keineswegs in Schutz – ich habe Ihnen das wiederholt klar zu erkennen gegeben – aber Ihre Tochter ist denn doch auch nicht frei von aller Schuld –«
»Herr Heckes!«
»Bitte, jetzt rede ich! Ein Mädchen von achtzehn Jahren weiß doch immerhin auch schon, was sie tun und nicht tun darf. Und im übrigen – wenn ich auf diesen absonderlichen Gedanken da von dem Heiraten wirklich ernsthaft antworten soll – wie können Sie so unverständig sein, Schürmann, von einer Sache überhaupt erst zu sprechen, die schon unter normalen Umständen ganz ausgeschlossen wäre, geschweige denn jetzt –«
»Wo das Mädel keine Ehre mehr hat! Nicht wahr, das sollte es doch heißen?«
Der kurze Augenblick der Besinnung war bei Schürmann schon wieder verflogen; von neuem loderte es in ihm auf. Überlaut klang seine Stimme zu dem Herrn hin, und es sah drohend aus, wie er jetzt einen Schritt näher auf Heckes zutrat.
»Aber wer hat ihr denn die Ehre geraubt – wer? Wollen Sie mir nicht auch das noch sagen?«
Magnus Heckes blieb einen Moment stehen, ohne sich zu rühren. So blickte er mit kaltem Ausdruck auf den seiner Sinne nicht mehr Mächtigen. Dann trat er langsam zur Wand hin und klingelte nach dem Diener.
»Es ist besser, Sie gehen jetzt – in Ihrem eigensten Interesse.«
In nicht mißzuverstehender Bedeutung sagte er es, kalt und ruhig.
Schürmann zuckte zusammen, dann ging er. Ohne ein weiteres Wort; aber in dem Blick, den er Heckes zuwarf, flammte es düster auf.
* * *