Jeremias Gotthelf
Leiden und Freuden eines Schulmeisters – Zweiter Teil
Jeremias Gotthelf

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Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Wie an einer Gräbd den Leuten die Mäuler aufgehen.

Es war anfangs stille gewesen, und nur Messer und Gabeln hatten geklappert; aber allmählig erhob sich ein Surren wie in einem Bienenstock, der stoßen will, und aus demselben scholl hie und da ein helles Lachen, das immer häufiger wieder kam, je lauter das Gesurre wurde. Ganz heiter, ungeniert waren jetzt die Erben und machten verstohlen hie und da mit einem Gesundheit, daß die Gläser klangen; und dieses Gläserklingeln, das man an Gräbden sonst nicht hört, ward immer häufiger und lustiger.

Die Spaßvögel der Gesellschaft tauchten auf, und: »Los ume, los ume,« so begann der lustige Peter alle Augenblicke einen lustigen Spruch, daß die Weiber kickerten und die Männer lachten, daß die Fenster zitterten und die Teller klangen auf den Tischen. Aber mitten unter der lustigen Gesellschaft sah man sitzen einige finstere Männer, die lachten nicht zu den Späßen; die aßen nicht munter, sie tranken selten; aber wenn sie einmal das Glas ansetzten, so setzten sie es nicht ab, bis es leer war. Es waren dicke Männer; ihre Bäuche ragten weit über den Tisch hinein. Man sah deutlich, daß die sonst mehr geessen und früher kein so kummerhaftes Gesicht sie geplagt hatte. Sie redeten schon von Heimgehen. Ein Fremder hätte sie für die Erben angesehen, die über den entstehenden Lärm sich ärgerten und denen der Schmerz den Appetit genommen. Da trat der lustige Peter zu ihnen und sagte zu einem: »Es wird üser eim, so emene gringe Mannli, wie-n-i bi, das sys Vermögeli alles uf sym Buggel zuehe-gchräzt het, wohl erlaubt sy, mit dene Manne cho Gsundheit z'mache?« Die Männer hoben die Gläser, als ob es Centnersteine wären, und sie klangen, als ob sie alle gespalten wären. »Los ume, Statthalter,« sagte Peter dem einen, »du machst my armi türi es Gsicht, wie we dyni vier Noß daheim uf-em Rücke läge oder dn Schwäher angers gwybet hätt.« – Er hätte heute noch nichts Süßes gehabt, gab dieser ihm puckt zur Antwort. – »U du, Amme, oh,« fuhr Peter fort, »du lasch ja dr Trümmel hange, daß me e styfe Säustall druf abstelle chönnti. U, dr Stier soll my hudle, üse Kilchmeyer dä ha-n-i ume no nit emal gseh; dä luegt ja dry, wie we me-ne blutte dür e Dörnhag zöge hätt. Isch's de Mathei am letzte mit üse Gmeinsvätere? Herr Yses, essit doch, trinkit doch; mr hei bis dahi usbotte ds Land uf u ab, sellig toll Manne heig ke Gmeind mit sellige Büche. Es isch e-n-Ehr gsi für die ganzi Gmeind, we sie im Chor gstange sy eine am angere u eine schwerer als der anger, u der Leydisch unger-ne wenigstens 2&frac12; Centner schwer. Losit ume, mr hei mit de Küngiwylere z'Bern i ds Gritlis Cheller gwettet, üses Chorgricht u üses Gricht mach wenigstens 6 Centner meh als ihres, u sie chönne no dr Pfarrer u dr Grichtschryber derzue näh, u mr welle-ne no üse Pfarrer u üse Schryber drüber y gä. Aber we dr dGringe laht lampe wie dFülli-Mähre, su vrspiele mr's.« – »Los, Peter, lah-n-is ume rüyhig,« sagte der Ammann, »du chasch jetz de selber i's Chor u dr Mantel umhänke; du chasch de luege, ob du drüyisch oder nit; mr we dr scho Platz mache.« Peter lehnte die Ehre gar mächtig ab und behauptete, so ein gering Mannli dürfte nicht neben sellige Manne hocke im Chor. Sie aber sagten, sie begehrten gar nicht mehr dort zu sitzen; es könnten es jetzt andere auch probieren, wie es dort sei. Man habe nichts als Mühe, zur Mühe Verdruß, zum Verdruß Schaden; ein jeder Schnuderbub wolle einen zum Schelmen machen. Es möge gegangen sein, was wolle, so müsse man schuld daran sein, und von hundert Jahren her sollte man alles gut machen aus dem eigenen Sack. Sie wollten jetzt andere auch dazu lassen; die könnten dann auch versuchen vom Schleck; der neue Gemeinderat werde dann wohl alles gut machen. So stichelten die Männer. Peter aber that gar unschuldig, versprach sich gegen die Männer, daß er nicht wisse, was sie meinten, und daß er nicht wüßte, wer es besser machen wollte als sie. Einmal er habe oft gesagt, denen wollte er alles anvertrauen, sein Hab und Gut, ohne einen Buchstaben Gschriftlichs. Sie hielten ihm aber vor, daß er von zweier Gattig Reden sei, und daß sie wohl wüßten, daß er auch einer von denen sei, die den Landvogt gegen sie aufstüpfen, und alle die, die vor hundert Jahren unter Vogts Händen gewesen, aufstüpfe, daß sie die Rechnungen untersuchen ließen, und daß er auch seine große Freude daran gehabt habe, daß da ein neuer Gemeinderat eingeführt werde und die Chorrichter und Gerichtssäßen nichts mehr zur Sache zu sagen hätten. Die D....hätten lange genug in ihrem Geld gekrüschelt; es sei jetzt Zeit, daß andere auch die Finger darin hätten, habe er gesagt. Und er stifte auch an, Tauner in den Gemeindrat zu wählen statt Bauren mit einem zahlten Hof; das werde schön gehen, wenn solche dChünge würden.

Aber Peter ließ sich nicht erschrecken. Er fuhr fort, unschuldig zu thun, die Manne zu rühmen, über das neue d. Werk zu schimpfen, zu beteuren, einmal er begehre nichts davon; so ein gering Mannli wie er vermöchte es nicht, ein Jahr lang dr Mantel z'tragen oder im Gemeindrat zu sitzen; das müsse man denen überlassen, die Kümi hätten.

Ich weiß nicht, ob die Vorgesetzten dem Peter glaubten; aber der Anlaß war ihnen willkommen, ihren Kropf zu leeren und auszuschütten, was ihr Herz drückte. »Ich kann nicht begreifen,« sagte der Kirchmeier, »warum unser Oberamtmann auf den Rechnungen ist, wie der Teufel auf einer armen Seele. Es wird ein armer Hung sein, der nach allem stechen muß, was etwas einträgt, und drei Passationen in sechs Jahren statt nur einer machen einen Unterschied. Solche Gesetze sind für nichts anders gut, als für den Herren die Fische in die Bähre zu jagen.«

Die Regierung meine es gut, sagte der Statthalter, und die Gesetze seien nicht halb so bös gemeint. Es seien im Rat immer einige wunderliche Herren, denen immer etwas Neues in Sinn komme. Um sie nicht böse zu machen, gebe man dann das Neue auf das Land hinaus; das seien die Gesetze. Aber es sei keineswegs meiner Gnäd. Herren Meinung, daß die müßten gehalten sein: man gebe sie nur heraus, damit man davon schweige in Bern und sie nicht immer die Ohren voll bekämen. Das seien gar gute Herren in Bern; die begehrten niemand zu kujinieren. Aber zum Unglück kämen auch wunderliche, apartigi Herren auf das Land hinaus und die bildeten sich ein, sölche narrochtige Gesetze müßten gehalten werden, und kujonierten die Leute damit. Im nächsten Amte sei z. B. ein gar verständiger, guter Herr. Er kenne in dessen Amte Gemeinden, wo in der einen seit dreizehn Jahren keine Warenrechnung und in einer andern acht Jahre lang keine Armenrechnung abgelegt worden. Kein Mensch sage da etwas. Nur ihr Landvogt sei so exakt. Aber wenn er auf Bern komme, so habe er dort auch seine Herren, die auf ihn hörten; denen wolle er ein Wörtchen ins Ohr sagen, es komme so nicht gut; es werde dann schon luggen. So redete der Statthalter.

Da kehre er nicht die Hand um, rief einer unten herauf, um das, was einer besser sei, als der andere. Jener Landvogt werde wohl etwas zwischen die Finger gekriegt haben, daß er so weit durch dieselben sehen könne. Es seien Leute darnach hinter den Rechnungen. Da werde man aber einst etwas vernehmen, wenn es losbreche. Er wollte es nicht mit 30,000 Pfund gut machen, was da der Gemeinde für Schulden zum Vorschein kommen würden. Und dem sehe der Landvogt ganz gelassen zu. Die Gesetze seien nur dafür da, daß man sie denen richte, denen man nicht wohl wolle, daß man sie aber für alle auf die Seite thäte, die sich einzukaufen wüßten in ihre Gunst.

Er glaube das nicht einmal, sagte der Weibel: aber die Landvögt seien halt von Natur verschieden. Giner sei ein Schlufi, der andere ein Gusli; daher ließe einer alles schlitten, der andere stöberte alles auf. Aber die Gesetze, die seien nichts wert, die mahnten ihn an ein Lätschenbrett. Bhange man in einem Lätsch nicht, so gebe es einem in einem andern, und man werde ein Fressen für die Advokaten oder für die Landvögte. Das sei die dümmste d. Sache von der Regierig, daß sie die Advokaten die Gesetze einrichten ließe nach ihrem Belieben; das mahne ihn gerade daran, als wenn man den Bock zum Gärtner mache.

Das hätte er erfahren, fchrie ein gewaltiger Mann, der eine Nase hatte wie eine Blutwurst und zwei Lippen wie zwei Leberwürste. Ihm habe man auch eine alte Waisenrechnung aufgestochen, die ihm der Schreiber gemacht. Man habe ihm noch 1000 Pfund Restanz herausgefordert manches Jahr hinten drein. Er hätte nichts darum gewußt; der Schreiber hätte die Rechnung so gemacht, der verstünde sich doch darauf. Nun hätte er sich beraten; man hätte ihm recht gegeben; er hätte sich gewehrt; mehr als 1000 Pfund Kosten hätte es gegeben und alles hätte ihm immer gesagt: »Du hesch recht, du hesch recht!« Endlich hätte er es doch verspielt, hätte Kosten und Restanz zahlen und am Ende noch Gott danken müssen, daß man ihn nicht zum Schelmen gemacht. Der Landvogt hätte ihm davon düderlet, aber da hätt' er de afe welle afa luege. Wegen 2000 Pfund mehr oder minder luege er notti nit nebe umme, aber verfluecht taube heig-es-ne gmacht u er wellne dra sinne.

Die Gemeinde hätte auch so einen Handel, sagte der Ammann, und zuletzt werden die Vorgesetzten zuehe müeße; die müsten immer darha für Sachen, für die sie nichts könnten. Er hätte öppe alles verstanden, was einem Ammann wohl anstehe, und mit dem Lesen fürchte er keinen, da könne er jede Gschrift lese wie Schnupf; nume dem Pfarrer sein Gchafel könne er nicht verstehen; der schreibe aber auch, wie wenn er einen Tannast auf dem Papier hie ume u dert ume schleipfti. Jetzt aber sehe er nichts mehr zu machen, wenn das so gehen müsse. Er sehe wohl, die Bauren sollten z'Bode. Aber so ring gehe das doch nicht. Er selber sei z'alte, für das Neue z'lere, aber sy Bueb müeß e ganze gäh, und wenn er ihn hundert Duble kostete, so wolle er den z'weg bringe, daß er so a-me-ne Landvogt y heig. Schulmeister du kannst dich nur stelle mit ihm und Fleiß haben; es düecht mi geng, es chönnt viel meh fürers gah.

So düechte es noch andere und sie gaben mir es zu verstehen. Der Gerichtsätz auf dem Felde sprach mir besonders zu, daß ich recht auf Schreiben und Rechnen hielte; bei dem schießige Fragenlehren komme nichts heraus. Das Auswendiglernen sei nur, die Kinder zu quälen, und wenn sie schon alles könnten, so helfe es ihnen doch nichts. Sein Bube hätte ihm letzthin eine Quittanz schreiben sollen; aber er hätte einen halben Tag daran gemacht und am Ende hätte er doch noch zum Gemeindschreiber gehen müssen. Das muß anders gehen, sonst komme es so, wie der Ammann sage. Das sei doch noch nicht so böse gemeint, sagte der Statthalter. Die Herren zu Bern meinten es mit den Bauren besser, als man glaube. Wenn ein Landvogt zu weit fahre, so könne man ja jetzt oben für; es sei einer am Justizrat und hinter dem sei noch ein anderer, die hätten die Landvögte verflucht auf der Mugge und wenn sie so eim könne e Täsche gäh, so warten sie nicht lange. Wenn man etwas habe, wo man glaube, man komme z'weg, so hätte man ja nur zum Dökti zu gehen; der sei bei denen zwei gar wohl an und es müßte nicht zu machen sein, so erhielte er recht. Deswegen brauche man also noch nicht Kummer zu haben und zu meinen, man müsse das mit seinen eigenen Buben zwängen; die hätte man anders zu brauchen, als sie da zu Schreibern zu machen. Ich versprach mich auch so gut ich konnte. Ich werde mein mögliches thun, sagte ich; aber der Platz, der Platz sei gar zu klein; wenn ich da mit allen schreiben sollte, so müßte ich die Hälfte heimschicken.

»Wer sagt dir, Schulmeister, daß du mit allen schreiben sollest?« sagte der Weibel, »das wäre mir ein lustig Dabeisein, wenn jeder Taunerbub und jedes Verdingmeitschi schreiben sollte. Nei nadisch, Schulmeister, so wey mr de nit, da chasch di i-n-Acht näh. U üses Schuelhus isch no lang wyts gnue.«

»Die Lättikofer bauen jetzt ein Schulhaus wie dNarre,« sagte der Kirchmeier; »es kostet sie wenigstens 10,000 Pfund.«

»Die können lang bauen,« sagte der Chorrichter, »sie bleiben immer die Lättikofer; würden sie eine Feuerspritze anschaffen oder einen brävern Dorfmuni, das wäre ihnen nützer.«

»Der Pfarrer hat zu mir gesagt,« sagte der Statthalter, »die Lättikofer bauten jetzt ein recht tüchtiges Haus und ihr altes sei doch nicht ganz so schlecht, als das unserige. Es sei ihm leid, daß er uns nicht auch einen neuen Bau zumuten dürfe; aber er sehe wohl, wir vermöchten es nicht und seien zu arm dazu; darum müsse er Geduld mit uns haben.«

»Potz D.,« sagte der Ammann und schlug mit seiner feißen Faust auf den Tisch, daß selbst die Thüre zitterte, »woher weiß dann der Pfarrer, daß wir arm seien; es ist ihm doch noch keiner von uns öppis ga heuschen. So gut als die Lättknuble vermögen mir das Bauen, wenn es dann darauf abkömmt. Wir wollen sehen, wer es am besten aushält. Einmal entlehnen wollen mir das Geld nicht dazu, wie sie es machen. Aber vrfluecht uverschant isch es de vom Pfarrer, das säg i frank use, uns so zu verbrüllen, wir vermöchten es nicht. Es wäre ihm wohl angestanden, uns zuerst zu fragen, ehe er so was sagte. Nei, b. Sacker, dem wey mr zeige, daß mr de keiner Hudle syge, daß mr Geld heige mehr als er. Aber er wird auch einer von denen sein, die meinen, die Bauren sollten nichts lernen; aber mr wey ihm's zeige, bim –, daß üser Buebe das Recht haben, soviel zu lernen, als so ein F... Burger von Bern, der nume dr halb Teil vom Jahr halb gnue z'esse het und dr anger halb Teil vom Schmöcke mueß lebe, was mir Bauren a-mene Zystig fresse z'Bern inn.«

Er helfe auch bauen, schrie der mit der Blutwurst zwischen seinen zweien Leberwürsten heraus, ume daß der Landuogt sehe, daß er sie noch lange nicht ausgesugget, daß sie noch mehr Kümi hätten. Ihm z'Trutz helfe er es machen; der müsse sehen, daß er noch z'mutze sei, sie zu stumpe, wenn er schon gesagt: man sollte die Bauren alle drei Jahre stumpen, wie die Weidstöcke.

Ihm sei es auch graglych, sagte der Kirchmeier, ume daß die Lättikofer sie nicht auslachen könnten. Das brauche dann nadisch kein so großes Haus, wenn de am End ume-n-es neus syg. Daß man die Kinder dann mehr in die Schule schicken wolle, selb sei nicht, und daß ein jeder Hintersäß schreiben und rechnen lere, selbs möchte er auch sehen. Werchen müsse man; mit dem Werche verdiene man Geld. Geld sei die Hauptsache; mit Geld könne man alles machen. Er hätte noch nie gehört, daß einer mit dem Lere reich geworden sei. Man solle ume-n-e Schulmeister neben einen Bauren stellen und einen Pfarrer neben einen Landvogt, und dann solle man sagen, welche mehr lernen und welche reicher seien? So ein Pfarrer sei ja immer hinter den Büchern, und wenn ihnen der Lohn einmal acht Tage ausbliebe, so wolle er wetten, die Halben würden brüllen, wie die Kühe vor einem leeren Bahren. Er aber frage, wer je einen Landvogt und ein Buch zusammen gesehen? (der Kirchmeier war also nie im Oberland, wo einer während seinen Audienzen immer las) und dann solle man sehen, wie reich die Landvögte seien und wieviel Geld sie auf die Post thäten?

»Kirchmeier,« sagte ein grauhaariger, etwas gebeugter Alter, »du hast etwas recht. Ja, was man hie ume und in unsern Schulen lernt, das trägt nichts ab, weder öppe dRegelion, daß man nicht in die Hölle muß; sonst mit dem andern könnte man nicht verdienen in zehn Jahren, um ein halb Jahr lang einer Maus z'fresse z'gäh. Aber da im Wältsche hinger, da lere sie Neuis, das treyt öppis ab, i cha dr's säge, Chilchmeier. I ha's susch no Niemere brichtet, aber euch will ig's säge. Ihr kennet meinen nachältesten Buben, der, wo jetzt im Neuenburgische ist und so ganz herrschelig dahar chunt. Der mochte zu Hause nicht arbeiten; man konnte ihn gar nicht brauchen, und jemehr ich ihn prügelte, desto dümmer wurde er und desto fanler. Er ist manchmal einen ganzen Tag auf der Reyti am Schatten gestanden und hat zum Heiterloch aus gesehen. Wenn er eine Brattig oder eine Zeitig hat in die Hände kriegen können, so hat er sie nicht daraus gelassen, bis man ihm Schläge gegeben. Er ist uns nach und nach übel erleidet; wir wußten gar nichts anzufangen und waren recht froh, als er uns einmal erklärte, er wolle fort und in das Wältsche hingere ga dSprach lere; die komme einem immer kumlich und besonders bei den Roßwältsche; wenn man selbst mit ihnen reden könnte, käme man immer besser z'weg, als wenn man an die Schmausgumper kommen müsse. Das gefiel mir nicht übel; überhaupt war ich froh, wenn er weg kam. Er war drei Jahre fort, wir wußten nicht einmal recht wo. Dann kam er heim. Er war schön gekleidet und hatte zwei Sackuhren und eine guttuchige Bchleidig. Er war z'weg fast wie ein Herr, lachte uns nur aus und rührte mit keinem Finger ein Werkholz an. Mit dem Pfarrer hat er gwältschet, daß es mi es wunderligs düecht het, o kes einzigs Wörtli ha-n-i vrstange u bi doch grad bi ne ane gstange. Dann ist er wieder fort, und wo er das letztemal wieder da gewesen ist, habe ich ihn herum geführt und ihm unsere Kornacker gezeigt, unsere Kühe und Rosse und den Spycher voll Sachen. Er hat über alles nur so obenhin weggesehen und mich endlich gefragt: was mir denn eigentlich mein Hof abtrage? »He«, fagte ich, »wenn ich unsere Arbeit nicht rechne, so würde ich nicht 4000 Pfund für den Abtrag nehmen. Der Hof ist aber gut und der Stall trägt mir auch was ein«, sagte ich. Da lachte er spöttisch und sagte: da sei viel Gscherr u weni Wulle. »Du hast nicht Ursache zu lachen, Bueb,« sagte ich, »du kannst noch viel mehr scherren und bringst doch deiner Lebtag nicht so viel Wulle z'weg.« Hof begehre er keinen, sagte er; bloß mit seinem Gring wolle er bald mehr als 4000 Pfund in einem Jahr verdienen. Da habe ich doch müsse anfangen, ihn zu gschauen und ha da sy Gring agluegt u de recht, u ha-n-ihm du gseit: wenn er de n-e Nar ha well, su söll er de e hölzige lah mache. I heig sechs Chüeh im Stall u die leydeste von ihnen heig dr bräver u größer Gring als er, und doch wäre sie mir für zehn Dublonen feil dahin und daweg. Er gebe zu, sagte er, daß zu Gytiwyl zwischen Kühgringe und Menschegringe kein Unterschied sei, als was einer schwerer sei als der andere. Im Neuenburgische aber sei es anders; da gebe es Köpfe, die mehr wert seien als der größte Baurenhof im Kanton Bern. Ja, einer habe mit seinem Kopf mehr als 25 Millionen verdient. Zugleich zog er eine ganze Handvoll Dublonen heraus und spienzelte sie mir und sagte: ob ich aus meinen Kühen auch solche gelbe Vögelchen löse? I ha gluegt wie-n-e Nar u hätt fast Lust übercho, o no i ds Neueburgische z'gah, aber i bi z'alte drzue. Aber mein jüngst Meitschi habe ich ihm mitgegeben, das ist so e's lüftigs; und er hat gesagt, das müsse etwas Rechtes werden. Wir haben ihm eine Lismete mitgeben wollen; aber er hat gesagt, die brauch es nicht; es werde da innen nichts machen müssen, als öppe d'Stube wüsche-n-u brodiere.«

»Und dann er, was macht er?« fragte glustig der Statthalter.

Er sei bei einem gar grausam fürnehmen Herrn, dem müsse er zu allen seinen Sachen sehen, müsse in den Kellern sein, damit die Küfer den Wein nicht allen trinken, und müsse für den Herrn laufen, wenn er nicht selbst gehen möge oder wenn es strub Wetter sei, z. B. auf die Post oder ins Kaufhaus oder zu andern fürnehmen Herren. Und das andere Jahr wolle der Herr ihn zu seinem Gumi machen; dann brauche er nicht mehr zu Fuß zu laufen, sondern er könne immer Chaise fahren und habe einen Lohn wie hier ein Landvogt. »Was will das sagen, Gumi?« fragte der Kirchmeier.

»Ich habe ihn auch gefragt,« sagte der Alte, »und er sagte mir, das sei gerade das, was der Joseph bei dem Pharao gewesen sei.«

Wenn ein Gring mehr wert sei, als ein Hof, so gebe er zuletzt noch der Reichste von Allen, meinte Peter, mit seinen zehn Kindern. Wenn er wüßte, daß ein jedes 4000 Pfund verdienen könnte, er wollte noch heute sechs schicken und morgen mit den vier andern nachgehen.

Das käme lustig, sagte der Ammann, dem es angst wurde, Peter und seine Kinder könnten so geschwind reich werden, wenn so einer, wie er sei, seine Kinder ins Welschland schicken wollte; das sei doch sonst nur für die Reichen gewesen. Aber er sehe wohl, es drücke alles auf sie Bauren los. Die Herren kujonierten sie, die Tauner und Hintersäßen hätten auch dGringe auf und fänden überall Recht und werden bald alleine regieren in den Gemeinden. Aber sie seien auch noch da; da muß doch noch ein Fack gehen, ehe sie sich ganz untern thun ließen.

Dem Pfarrer z'Trutz wollten sie afange ein Schulhaus bauen, sagte der Kirchmeier. Die Lättikofer sollten sie nicht ausführen mit ihrer alten Hütte. Es sei denn nicht gesagt, daß ein jeder das Recht hätte, in demselben zu lernen, was er wollte. Er meine, daß die, welche das Geld dazu geben, ihre Kinder könnten lernen lassen, was sie wollten; die andern, was man dann gerne wolle.

Es sei eine schreckliche Sache, wie es jetzt gehe in der Welt, sagte der Chorrichter. Ehedem sei man so ruhig bei seiner Sache gewesen und hätte leben können, wie man gewollt hätte. Jetzt gehe alles darunter und drüber und ein jeder Hudel könne einem sein Maul anhängen, und man komme um Hab und Gut, man wisse nicht wie. Aber so gehe es, wenn man immer neue Gesetze mache und auf sellige Büechere mehr hielte als auf der Bibel. Daran sei die Regierung schuld, aber sie werde es einmal erfahren, daß sie die Bauren von der Bibel weg zum Gsatz getrieben.

Da stund der Statthalter auf und sagte: es düech ne, es wäre afe Zeit heimzugehen, der Wirt hätte die Lichter ja schon lange gebracht.

Nicht pressiere solle er doch, hieß es von allen Seiten. Aber der gute Mann fürchtete, die Reden möchten zu scharf werden, und er war klug genug, zu fühlen, daß er und die andern genug geladen hätten und eine Maß mehr den Kübel umleerte. Er hatte es nicht wie mancher andere Statthalter; er wußte, wenn er genug hatte.

Nun wirrten sich die Stimmen durcheinander an unserm Tische, wie schon lange vorher an den andern. Jedes wollte noch geschwind allen alles sagen, was es sich vorgenommen hatte. In diesem Babylonischen Lärm vernahm ich nur, wie der Kirchmeier den Auftrag erhielt, mit einem Zimmermann zu reden über den Schulhausbau, und wie in einer Ecke der Statthalter den Alten fragte, wie man den Brief adrässieren müsse, wenn man einen an dessen Sohn schicken wolle? Und ich sah, wie der Chorrichter sein Glas geschwind zweimal hintereinander ausleerte und tief aufseufzte: es könne gewiß nicht lange mehr gehen, bis der letzte Tag komme; es gehe ja gerade so wie es in der Offenbarung St. Johannes heiße. »Gäll, Schumeister!« sagte er und hielt sich an mir, um mit mir die Treppe hinunter zu gehen. Ich hätte mein Lebtag nicht geglaubt, was das für eine Arbeit sei, einen Chorrichter heimzuführen von einer Gräbd, wenn ich es nicht selbst erfahren hätte.


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