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Sechsundzwanzigstes Kapitel

Wie ein altväterischer Götti aufgeklärt handelt

Dem dämmernden Morgen entgegen fuhr in stiller Morgenandacht der Götti. Dunkel sei es auf Erden ohne Sonne, dachte er, kein Licht hätte die Erde, und ohne Licht sei kein Leben, vor dem Lichte sei das Chaos gewesen, ein grauses, wildes Gemische ohne Ordnung, ohne Entfalten; mit dem dämmernden Lichte hätte das Söndern begonnen, auf die rechte Stelle, ins rechte Maß sei alles gekommen, das Gleichgewicht sei entstanden, und in feste Bahn sei die Erde getreten, und auf dieser Bahn halte der Zug der aufgegangenen Sonne sie fest, wie sehr ihr auch zu entfliehen strebten die Kräfte, die im Dunkel walten.

Dunkel aber sei es auch im Herzen der Menschen, dachte er, ohne eigenes Licht der Mensch, und ohne Licht kein geregeltes Leben in ihm, ein Chaos widerstrebender Kräfte, ein Streit der Elemente, ein gegenseitig Zerstören, kein Maß, keine Ordnung, kein Gleichgewicht. Erst wenn es dämmere vom Himmel her, komme Ordnung ins Gewühle, die Kräfte träten an ihre Stelle, kämpften sich nicht gegenseitig nieder, vereinigten sich zur Entfaltung eines Lebens, und es richte sehnsuchtsvoll das Auge nach oben sich, woher es dämmere, immer heller, harre in sehnsuchtsvollem Warten der Sonne, des Lebens, erschaue in ihr wie in einem Spiegel das Leben, zu dessen Widerschein das eigene Leben werden solle, empfange von ihr Licht und Kraft zu diesem neuen Leben. Es werden die widerstrebenden Kräfte gebunden, und in fester Bahn walle der Mensch durch dieses Pilgerleben, durch eine geheimnisvolle Kraft an die Sonne gefesselt. Er ging in seiner Andacht die drei Stufen wieder, über die er geschritten war, gedachte der Zeit, da es noch dunkel war in ihm, nur dunkel das Feuer sinnlicher Lust glühte im Streite mit Furcht, Eigennutz und Eitelkeit, wie dann die Dämmerung begonnen mit der Unterweisung, die Sonne aber erst ihm aufgegangen, als er mit einem treuen Mädchen die christliche Ehe begonnen und zugleich ein neues Leben in Klarheit und Wahrheit, das sich immer schöner gestaltete, als ein treuer Widerschein des Lebens, das da alleine ein reines und unbeflecktes gewesen auf Erden, eine wahre Himmelsblume hier in der öden Zeit. So sann und dachte der Götti, und als die Sonne über die Berge stieg, zog er sein Käpplein ab und betete innig die Sonne an, welche ihm im Herzen aufgegangen war. Der Götti war ein schlichter Bauersmann, aber er las viel und dachte tief, er war des Abends daheim und lief auch am Sonntage nicht herum, er war kein aufgeklärter Halbschoppenmann, der nichts denkt, nur räsoniert, nichts liest, höchstens eine Zeitung, der nirgends sitzen kann als im Wirtshause und am Sonntage nirgends ein festes Bleiben hat, sondern unstet und flüchtig, fast wie Kain, herumirren muß von einem Pintli ins andere, von einer Speisewirtschaft in die andere.

Als die Sonne hell über die Landschaft schien, da stieg des Göttis Sinn aus den lichten Höhen nieder, die Kleeäcker traten ihm ins Auge, die Haberfelder, die weiten Kartoffelplätze, prächtige Bäume und verwahrlosete; alles das sah er unwillkürlich, doch selten kam ein Gegenstand, an den er nicht einen höhern Gedanken knüpfte, aus dem ihm nicht ein ernst Urteil zufloß. Wer solche Augen hat und solchen Sinn, der reiset schnell, fliegt auf seinen Gedanken, ist am Ziele, er weiß nicht wie.

So war auch unser Götti auf der Gnepfi, er wußte nicht wie. Öde wars ums Haus, als er anfuhr; stille blieb es, wie ausgestorben, niemand zeigte sich, in den Ställen war nichts Lebendiges, in der Gaststube niemand; nicht einmal eine Fliege, die privilegierten Gäste einer Gaststube, die nichts bezahlen, sich nichts befehlen lassen und doch über alles herfahren, rührte sich; in der Küche war kein Feuer, keine Maus hörte man chäfle hinter irgend einem verbotenen Schmaus.

Da ward es dem Götti angst, was das zu bedeuten hätte, alles offen und doch nirgends was Lebendiges. Sind sie fort, oder was ist das? dachte er, und allerlei Unheimliches fuhr ihm durch den Sinn.

Er schritt durchs Haus, öffnete eine Türe nach der andern, keine war verschlossen, immer unheimlicher ward es ihm, er ging immer hastiger, und wenn er bei einer Türe war, so öffnete er sie doch immer zagender. Endlich quoll ihm beim Öffnen einer Türe heiße Luft entgegen, und als er zum Sehen kam, sah er zwei Betten voll Kinder und in die Fensterecke gelehnt Eisi, schnarchend mit offenem Munde, neben ihm, das Köpflein auf dem Tische, das kleine Mädchen.

«Guten Tag gäb ech Gott allesame», sagte der Götti bewegt. Da fuhren Kindsköpfe auf aus den Betten, starrten mit noch dunkeln Augen den Mann an; Eisi schnellte es ebenfalls zusammen, aber es war nicht recht bei sich, mußte erst sein Bewußtsein mühsam suchen, ehe es sich in Zeit und Lage finden konnte; den Götti, den es nicht viel gesehen, erkannte es erst nicht. «Was soll das sein, was heyt dr welle? Was da isch, isch alles mys», sagte es. «Lue recht, Base, du chennst mih de», sagte der Götti. «Ih bi da mit Roß u Wägeli u will ech cho reyche, ih ha Platzg u z'esse u ha däycht, es syg dr viellycht aständig, es Wyltschi rüehig z'sy, bis dih öppe bsinnt hest, was de afa wellist, u sygist bas bi Vrwandte as bi frömde Lüte, du u dyni King allisame.» «Eh, Göttima, syt dihrs!» sagte Eisi, «ha ech emel nit chennt.» Das sei sich nicht zu verwundern, sagte der Alte, sie hätten öppe einander nicht alle Tage gesehen, er hoffe, sie lernten einander fürohin besser erkennen, denn wie gesagt, er sei da, sie abzuholen.

Es hätte nicht im Sinne fort, sagte Eisi, ume tot bringe man es hier weg, hier wolle es leben und sterben. Es wäre anständiger für ihn gewesen, wenn er früher daran gesinnet, daß er der Götti sei, und wenn er ihm jetzt noch helfen wolle, he nu so de, su söll er mache, daß es hier Wirtin bleiben könne, es sei noch alles früh genug, wenn er ume e chly sih zuechela well.

Der gute Götti erschrak, als er diese Verblendung wahrnahm und zugleich die Not, in welcher die Familie war. Was das für eine Auferstehung war, für ein Geschrei und Zank, erst nach Kleidern, dann nach Essen und Trinken, wie schmutzig alle aussahen, wie seltsam Eisi hoffärtig angetan, aber mit wirrem Haar und unsauber über und über! Es kam dem guten Mann schwer übers Herz, als er dieses sah, als er der Morgen gedachte, die solche Auferstehungen in sein stilles Hauswesen bringen würden.

Er sah, daß er in diesem Geschrei und bis die Kinder gespiesen und getränkt seien, zu keinem vernünftigen Worte kommen werde, sagte Eisi, es solle zMorgen machen, unterdessen wolle er das Roß versorgen. Befehlen gehe ring, sagte Eisi, aber zMorge z'mache mit Nichts, selb sei eine Kunst, dKing chönn es ihm nicht kücheln. Es sei ihm leid, sagte der Götti, er hätte das nicht gewußt, es solle das ihm nicht für übel nehmen, dem Mangel werde wohl abzuhelfen sein, und gab ein Hämpfeli Münze, damit Eisi das Nötige holen lassen könnte.

Draußen spannte der Götti seinen Kohli aus, führte ihn in den Stall und konnte ihn anbinden, denn eine Halfter hatte er wie gewöhnlich bei sich, sowie auch den Haber, und beides kam ihm wohl, und doch hatte er nicht, was er mangelte. Kein Hälmchen Heu sah er, ja nicht einmal ein Schübeli Stroh fand er, die Krippe auszuwischen, da war eine Öde, wie er sie noch nie in einem Stalle gesehen hatte, keine Maus hätte den kleinsten Bissen mehr gefunden. Der Götti war ein Mann, der selten in Verlegenheit kam, der in seiner gelassenen Ruhe immer den besten Ausweg fand und allezeit das Gehörige vorzukehren wußte. Er nahm den Kohli an die Hand und ging mit ihm dem Nachbarhause zu und nicht der Speisewirtschaft, frug dort in seiner freundlich ernsten Weise um Herberge für seinen Kohli, welche ihm ebenso freundlich bewilligt und alsobald der Kohli ihm abgenommen ward. Als er zurückging, den im Stall gelassenen Haber zu holen, fand er die ältesten Buben in der Krippe beschäftigt, Seigel aus dem Bahren zu brechen, dMuetter hätte kein Holz zum Feuern, sagten sie, sie hätten niene kes meh gwüßt, da syge ne die Seigel zSinn cho, die syge dür u brönnte schön. «Nit, nit», sagte der Götti, «chömit, dr müesset Holz ha», und ging kopfschüttelnd mit ihnen dem Nachbarshause zu. Diese kuraschierte Selbsthülfe gefiel ihm eben nicht sonderlich, doch dachte er: Die wüsse sih z'helfe, we me dene Meister cha werde, su gits neuis us ne. Im Nachbarhause bat er um Holz mit dem Anerbieten, es zu zahlen. «Späß das», sagte der Bauer, «es wär sih dr wert wege es paar Schytere! Näht da en yedere en Arfel!»

«Het dMuetter Kaffee?» fragte die Bäurin, welche sonst Eisi haßte wie Gift, aber durch das eigentümliche Wesen des Göttis bezwungen war und gerne auch etwas Gutes tun wollte. Es gibt nämlich Leute, in deren Gegenwart jeder alles Bösen sich schämt, das Beste herauskehrt, was er in sich hat, und unwillkürlich das Möglichste tut, um ihnen wohlgefällig zu sein. Es ist etwas Zauberisches in ihrem Wesen, aber eben dicht sind solche Leute nicht in der Welt. «DMuetter het welle la Pulver reyche, aber kes übercho, jetz sött si no röste, aber mir meu nit warte», antwortete der ältere Knabe, «u für z'röste het si ke Pfanne», meinte der jüngere. «Su chumm, ih will dr gä», sagte die Bäurin und brachte ihm in einem Papiersack eine brave Portion. Der Götti redete mit dem Bauer ein vertraut Wort, welches ihn ins Klare setzte. Der Bauer versprach, dem neuen Besitzer Bescheid zu machen, daß er so bald als möglich da sei, und als der Götti glaubte, das zMorge könnte zweg sein, wußte er vollkommen, woran er war.

Eisi machte über dem Essen ein sauer, gespannt Gesicht, während der Götti mit den Kindern zu reden versuchte, aber eben nicht erfreuliche Antworten bekam, außer von dem kleinen Meyeli, das alsbald gar freundlich und zutäppisch gegen ihn ward.

Als die Kinder das Feld geräumt hatten, sagte er: «Los, Base, du chunst jetz mit mr, ih däich, du miechist dih süferli zweg.» Da begann Eisi das alte Lied, lebigs bring mes nit da weg, u we mes zwänge well, su chönn me luege, was me mach, es well de a nüt dschuld sy. Man sieht, Eisi hatte es mit der Welt akkurat so wie unsere Radikalen mit der Tagsatzung. Wenn diese der Tagsatzung das widersinnigste, bundeswidrigste Zeug zumuten mit schrecklichen Gebärden und knackerenden Phrasen, und die Tagsatzung erkennt es nicht, schiebt es von der Hand, so erheben sie ein gräßlich Gebrüll über die Ohnmacht der Tagsatzung und machen sie verantwortlich in Zeit und Ewigkeit über das Unglück, welches aus ihrer Ohnmacht entstehen werde. Das ist eine neue Logik das, jemand Ohnmacht vorwerfen, wenn er nicht nachgaggen will alles, was fremde Schlingel oder durch fremde Schlingel inspirierte Hohlköpfe vorsagen. Das ist eine Unverschämtheit sondergleichen, jemand verantwortlich machen für unglückliche Folgen, welche nicht aus einer gesetzlichen abschlägigen Antwort entstehen, sondern aus dem bubenhaften Trotze, der an kein Gesetz sich kehrt, aus der verfluchten Lehre, daß in staatlichen Verhältnissen kein Recht gelte. Ebenso meinte es Eisi, was aber einem dummen Weibe so übel nicht zu nehmen ist als Professoren u der Gattig Züg. Darum fuhr es den Götti mit solch schwernötigen Drohungen an. Der Götti aber erschrak nicht, wußte von politischem Schlotter nichts, er sagte gelassen: «Nit, nit, Base, lue, ih wott dih nit erzürne, aber es vrnünftigs Wort möcht ih mit dr rede, du hest Vrstang, ih weißs, u wed mr lose witt, su hest mih grad bigriffe u wirst gseh, daß ihs guet mit dr meine.»

Nun setzte er ihm auseinander, wie man ihns zum Besten gehalten mit dem Akkommodieren, wie das beim Stand der Dinge unmöglich gewesen, man es nur habe ausbeuten wollen und zum Besten haben. Was es nun unter solchen Leuten, die es so mit ihm meinten, wolle, da komme es sein Lebtag nie auf einen grünen Zweig, alles red ihm z'böst, alles sei auf ihm, dLüt dürften nicht einmal bei ihm einkehren, wenn sie schon wollten, und komme jemand, so lache man ihn aus, und zum zweitenmal sehe es ihn nicht mehr. So das Gespött von allen Leuten sein und alle Tage tiefer hineinkommen und zletzt doch mit Schimpf und Schand fortmüssen, das werde es nicht wollen. Dann solle es denken, wie es ihm wäre auf die Länge in dem geplünderten Hause und wie ungern es es hätte, wenn es alle Augenblicke sagen müßte: «Das han ih nimme, das ist no nit da, alles ungereinist cha me nit aschaffe.» Vo wege, bis me so in es Wirtshus yche ume ds Nötigist heyg, chosts Geld, un es söll denke, wie ja allerwelts nichts mehr da sei, nicht einmal ein Schübeli Stroh, die Krippe auszuräumen. Das solle es aus dem Sinn schlagen und mit ihm kommen in allen Ehren, mit Roß und Wägeli sei er da, es brauche nicht zu zügeln wie die Mäuse bei Nacht und Nebel, und seine Sachen wolle er selbst abholen, die Leute sollten sehen, daß es doch noch jemandem sei und Leute seien, die seiner sich annähmten. Bei ihm könnte es machen, was es wolle, bös haben solle es nicht. Er wolle nicht sagen, daß es immer dableiben solle, es könne mit Zeit und Weil etwas wieder anfangen, wenn es Lust dazu hätte. Aber solches wolle überdacht sein, ds Pressiere hätte schon Manchen ins Unglück gebracht. Das könnte es bei ihm in aller Ruhe, und wenn er sehe, daß es etwas Rechtes an der Hand hätte, dann wolle er ihm gerne helfen, warum nicht, dann könne es zwegcho wie noch nie, es sei noch jung und hätte doch viel erfahren, und wenn es sich das zNutze machen wolle, so sei es imstande, allen denen Leuten, die jetzt seiner spotteten, als eine rechte Frau unter die Augen zu treten; es sei nur daran gelegen, wie es jetzt es anfange. Es hätte so oft Leuten gehorcht, die ihm übel, aber zu ihrem Vorteil geraten, es solle doch jetzt auch einmal jemand Gehör geben, der es gut mit ihm meine und apart seinen Vorteil nicht dabei hätte.

Eisi hatte manche Einrede getan, hatte zu weinen begonnen, hatte zu sich selbst gesagt: Ds Beste wirds sy, ih gang, was wett ih däweg hie, aber warte si de ume, wen ih wieder zweg bi, dene will ihs de zeige, zweuspännig fahre ih de dene unger dr Nase ume! Doch die letzte Bemerkung des Götti, daß es doch dene glauben solle, die apart nichts von ihrem Rate hätten, verdarb beinahe alles wieder. Jäso, flüsterte der böse, in jedem Menschen wohnende Feind ihm zu, jäso, ist das däweg! Sie werde alt sy u nüt meh möge, u da werde mr ne sölle ga dSach mache ohne Lohn um blaui Milch oder gar Käsmilch u ga bös ha u si de no welle die guete Lütleni sy, wo is dr Gottswille hey, so wirds sy. Warum sieg er sust, si wette ke Nutze von is, u vrspruch sih grad däweg? Aber ohä, Eisi isch nit dumm; ga dr Ofewüsch sy, so in es alts Hüsli nebe us zu wunderlige Lütlene, selb de nadisch no nit, für selb bin ih de nadisch no listig gnue. So begann es wieder aufzubegehren und mit der einen Hand zurückzunehmen, was es mit der andern gegeben hatte. Auf dem Lande zu arbeiten, sei es nicht mehr gewohnt, und sich dann jeden Bissen Brot vorhalten zu lassen, wäre ihm nicht anständig, an selbes könnte es sich nicht gewöhnen, u daß es niemere zNutze syg, bruch me ihm nit z'säge; aber öppere zSchade, selb begehrs o nit z'sy.

Der Götti begriff gleich, daß er sich in einem Wort verfehlt hätte, aber das Abbitten bei mißtrauischen Leuten die Sache nur schlimmer mache, das wußte er ebenfalls. Es sei ihm leid, sagte der Götti, zwängen könne er es nicht, er sei nicht sein leiblicher Vater, aber Vater an ihm und seinen Kindern, soweit es ihm möglich gewesen, hätte er sein wollen. Drnebe bruchte es wegen dem Arbeiten nicht Kummer zu haben. Er und sein Mütterli seien schon lange nicht mehr handlig mit der Arbeit, hätten Leute angestellt, die machten die Sache. Und wegem Brot sei das so: er hätte, was sie gegessen, fremden Leuten nie vorgehalten, und bei den Verwandten wolle er jetzt keinen neuen Brauch anfangen. Drnebe wie gseit, wie es well, aber düecht hätts ne, es chäm mit, ume für einstwyle, bis es neuis Bessers wüß, drnebe heyg es de geng dWehli z'gah, wele Tag es well. Diese Redweise drehte Eisis Sinn wieder; doch ehe es zur entscheidenden Antwort kam, stöffelete an seinem Stecken der neue Besitzer herbei und sagte: Er heyg welle cho luege, was es gebe, er heyg vrno, es syg neuere da.

Der arme Stöffeler kam zu unglücklicher Stunde, denn wahrscheinlich hatte ihm sein Lebtag noch niemand so wüst gesagt, als Eisi jetzt losbrach. Ein rechter Mann halte sein Wort, aber auf einen Schelmen solle sich niemand verlassen, so begann es seine Rede. So eine tschäderende, bündige hat noch nie ein französischer Redner gehalten, viel weniger ein französischer Affe, das heißt einer, der nach französischen Mustern redet, wie zum Beispiel Berner Schneider nach Pariser Mustern schneidern. Indessen das Mannli, wie schwächlich sein Körper schien, hatte doch eine zähe Seele; es erschrak nicht, so wenig als ein echter Minister Louis Philipps erschrickt, die ganz andere Majestäten sind als neu-republikanische Majestäten, die auf ihren Sesseln erzittern, gäb wie leicht ein Fensterladen vom herrschenden Winde etwas hart zugeschlagen wird. Er ließ Eisi eine Weile tschädern, dann sagte er: Er habe fragen wollen, wann es ihm anständig sei, das Haus zu räumen, jetzt aber befehle er ihm, alsobald sich fortzumachen. Wenn es morgen um diese Zeit noch darin sei, so wolle er ihm unsauber hinaushelfen. Er solle machen, was er könne, antwortete Eisi, ein solch Kudermannli fürchte es noch lange nicht, er solle gleich jetzt probieren, wenn er dörf, er brauche ja nicht zu warten bis morgen.

Schon früher hatte der Götti einfallen wollen; da er aber nicht schreien wollte, was in solchen Fällen nicht sonderlich besänftigend wirkt, so war er nicht dazu gekommen, jetzt sagte er: «Es braucht sich da keine Gewalt, und bis morgen brauchts allerdinge nicht zu warten. Ich bin eben da mit Roß und Wägeli, um sie abzuholen, nur ihre Sachen kann ich nicht gleich mitnehmen, und hätte dich fragen wollen, ob wir sie hier lassen könnten bis morgen oder übermorgen. Da die Sach aber so ist, so kann ich sie da ins Nachbarhaus hinüberschaffen, sie werden nichts darwider haben. Öppe uf dr Gaß läst ih se morn doch neue nit gern zsäme, selb notti nit.» Für selb solle er öppe nit Chummer ha, öppe so syg me de notti hie nit, u daß die Stürme mit ihm furt well, heyg er nit gwüßt, u so wüest z'säge bruch de e selligi ihm nit; er hätt de meh über seye z'klage weder si über ihn. «Su säg de du, du kuderigs Mannli du, säg de, was hesch z'klage, du –!» «Nit, nit», sagte der Götti, «zangge wey mr nit. Aber düecht hätts mih, öppe bravs wärs gsi, we nit alles uf der Frau gsi wär, ufere Witwe, u se hätt bigehrt hingers Liecht z'füehre, se für e Narre z'ha u drnebe ere abzstehle, bis si um e letzte Chrüzer isch, selb hätt mih düecht, wär öppe nit ungattlich gsi gege son es arms, vrlasses Wybervolch.»

«He los», sagte das Mannli, «wed mr lose wettisch, u du hättisch mr die rechti Gattig drzue, su wett ih dr säge, wie dSach wär. Für e Narre han ih se nie gha, aber für e Narre isch si gha worde, selb isch wahr. Aber het neuer ere das welle säge un ere dNase drufstoße, su het si ihm wüest gseit u nüt glaubt un isch fürgfahre im alte Gstürm. Da han se la mache, es isch mr gsi, ih mög mr nit la wüest säge für nüt u wieder nüt, dSach werd sih de von ihm selber gä u se brichte, wos dure mueß. So isch dSach, u dran isch si selber dschuld, u we si seyt, ih heyg ere neuis vrsproche, su het sis nit vrstange oder sust lätz gseit. Aber wenn e Frau alles zwänge wott u dr Gring voll Hochmuet het, su hört Vrstang und Brichte uf.»

«Was seist?» fragte Eisi, das sich einem Kinde zugekehrt hatte. «Nüt Bös», sagte der Götti, «er meint bloß, wenn er dir hätt welle dr recht Bricht gä, su hättisch ihm nit glost. Aber chumm los neuis», setzte er hinzu, als Eisi von vornen anfangen wollte. Widerstrebend gehorchte Eisi. «Los mr jetz u folg mr, da chast nimme sy, eley la darf dih nit, er ließ dih usetue, u was wettisch mache, u denk, was si änefert für e Freud drüber hätte! Drum pack styf zsäme, was grad näh wotsch, ds anger tue is Stübli, wo dBett sy, u bschließ, morn will ih de alles zsäme reyche, so daß du wyter ke Müeh meh mit ha sotsch. Aber folg mr jetz, gang u mach wien ihs gseit ha, lue, ih meines wäger nit bös mit dr, u wegem Werche förcht dih nit.» «Oh, wegem selbe han ih mih de nüt z'förchte, o Jere, es isch de nit öppe, daß ih nüt gmacht heyg; wenn angeri gmacht hätte was ih, öppe so wyt wärs nadisch nit cho.» «Ih weiß», sagte der Götti, «u zwyfle nit dra, aber mach jetz, folg mr, es blanget mih, bis ih da furt cha, es wohlet mr erst, wenn mr ufghocket sy u fahre cheu.»

Eisi brummelte, aber der Götti ließ sich nicht mehr ein, machte mit dem Mannli die Sache noch aus, daß er Eisis Sachen dalassen könne bis morndrist, und hinderte ihn, daß er mit Eisi nicht mehr zusammenkam. Eisi war mit dem Zusammentragen bald fertig; länger ging es mit dem Zusammenjagen der Kinder. Meinte man, man hätte sie alle, husch, wußte man die halben schon nicht mehr, es war fast, als sollte man eine Kompanie Flöhe unter eine Wanne sammeln. Großes Geschick dazu hatte Eisi ebenfalls nicht, und nicht Augen, welche sahen, was an den Kindern abzuschaben gewesen wäre. Es düechte dem Götti, er sollte helfen und mit jedem apart zum Brunnen; indessen schwieg er, Eisi wollte er nicht wieder hinterstellig machen. Als er sie endlich auf dem Wägeli hatte, den ganzen Karsumpel, so erlebte er einen ihm noch nie vorgekommenen Spektakel.

Unter einem Fenster stand die Speisewirtin, um sie mehrere Kinder; als der Götti vorüberfuhr und grüßen wollte, sah er zu seinem großen Erstaunen, daß Wirtin und Kinder aus Leibeskräften ihre Zungen herausstreckten und gränneten nach Vermögen, und als er rückwärts blickte, sah er Eisi und dessen Kinder ebenfalls mit herausgestreckten Zungen und grännend, womöglich noch ärger als die Andern. Das war der Abschied, welchen zwei Familien, die jahrelang Nachbaren gewesen, voneinander nahmen. Der Götti konnte ihn nicht vergessen.

So schied Eisi von dem Orte, wo es den bedeutsamsten Teil seines Lebens zugebracht, wo sein Sinn zum Werk sich entfaltet, wo sein Werk seinen Namen gemacht, seinen Wert vor den Menschen bestimmt, ihn eingegraben in der Geschichte, das heißt in der Gedächtnistafel auf der Gnepfi, welche aber keine eherne ist und höchstens von einem Geschlechte zum andern geht, auf welcher ein Name den andern obenabstößt, höchstens das Großkind den Großvater noch duldet und bloß, wenn es ihn noch erlebt, mit eigenen Augen ihn gesehen hat. Ja, wer auf der Gnepfi lebt, der hat ein kurz Gedächtnis.


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