Emil Gött
Die Wallfahrt
Emil Gött

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Geschichtchen

Zimmermannsweisheit

Wenn ich es kann, will ich einen Denzlinger Zimmermann so unsterblich machen wie den Verfertiger der »Kammertür«, der auf der Heimfahrt im Lokalzug seine Genossen über das Legen von Riemenböden belehrt und meint:

»Weisch, Obacht muesch gä, daß de kei Bock machscht, hauptsächlich kei Loch! Weisch: e Buckel derfsch mache, aber ke Loch: e Buckel – dä kantsch wieder wegputze, aber e Loch nit ruff zue hoble!«

Der Zähringer Fuhrmann

Einen energischen Ausdruck verdanke ich – und durch mich die Menschheit – einem Zähringer Bauern und Fuhrmann. Er begründete die Notwendigkeit, einen Fuhrknecht zu halten, damit, er könne nicht selber fahren, denn:

»Wenn i uf e Bau kumm, so sotti gleich e par Mark keie lo! – ›Zalsch eins?‹ – ›Wo hesch's Fäßli?‹ – ›Loß e par Flasche gumpe!‹ – so geht's in eim tuschuhr furt! – Un wissener, das isch grad, wie wemmers in Dreck keit! Wissener, das isch so: Z'erscht wenn sie soviel, bis sie genue henn, un wenn sie genue henn, so wenn sie's zum Kotze!« 183

Einen Weg muß man pflanzen!

»Einen Weg muß man pflanzen!« sagte mir ein alter Straßenwart ausdrucksvoll. »Denn ein Weg, den man nicht pflanzt, ist bald keiner mehr, sondern ein Unweg!«

Gut. Wie pflanzt man aber einen Weg? Durch Einlegen und Beschottern, und es ist wohl in der weiten Welt niemand, der nicht über einen frisch beschotterten Weg schimpft oder doch seufzt, selbst der Straßenwart nicht, wenn er den selbst gepflanzten Weg nun zu begehen und zu befahren hat. Einen Weg einlegen, um ihn als Weg zu erhalten, heißt nichts anderes, als ihn von Zeit zu Zeit auf einige Zeit zum Unweg zu machen. Aber indem man ihn mit Grimm im Herzen, knirschenden Sohlen und Rädern stolpernd und holpernd begeht und befährt, wird er wieder Weg, guter Weg, besserer Weg als zuvor. Und man ist dem Schotter dankbar, der uns eine Weile die Sohle zerrissen, die Räder zerschunden und dem Zugvieh die Hufe miniert hat.

Trost

Das Regiment hatte einen ganzen Tag in einem aufgeweichten Feld hinter einem Wald gestanden, naß, müde, hungrig und fröstelnd, in Sack und Pack, ohne abzukochen. Mißmutig kauten die Soldaten ihr altes Brot und tranken Wasser, das sie sich in ihre Helme regnen ließen. Ringsum aber in weiter Ferne grollte die Schlacht. Am Abend kam der Feldherr vorbeigeritten.

»Kinder«, sagte er, »nun kommt ihr ins Quartier; wir haben glänzend gewonnen!«

»So? War denn eine Schlacht?« knurrten die Soldaten.

»Kinder!« sagte der Feldherr. »Hättet ihr hier nicht gehalten, hätten wir dort nicht geschlagen!« 184

Kinder

Die Mutter hat am Vormittag noch mit einem Besuche über Kindererziehung gesprochen und lebhaft versichert, daß sie niemals ihr Kind anlüge, um so das beste Fundament zur Charakterbildung zu haben. Am Nachmittag gehen sie spazieren, die Mutter, der Besuch und das fünfjährige Söhnchen. Sie kreuzen eine öffentliche Anlage, in der sehr viele Kindermädchen und Frauen mit sehr vielen Kindern sind.

»Mutter!« fragt das Söhnchen auf einmal. »Wo kommen die Kinder denn eigentlich her?«

Die Mutter, überrascht durch die unerwartete Frage, faßt sich gut und gibt die sibyllische Antwort:

»Die Kinder kommen nirgends her – sie werden geboren!«

Sie glaubt, sich schon von einer weiteren Entwicklung des unzeitgemäßen Themas geborgen, und ganz gewiß konnte sie nie auf die Gegenfrage gefaßt sein, die nach einigem Stutzen und Sinnen des Knaben erfolgt:

»Ja, aber – wie bohrt man sie denn?«

Scham

Ein Rudel Kinder ist auf einer Landpartie beim Onkel, an einem heißen Sommertag. Gegen Abend sprengt der Onkel die Rosenbeete mit dem Schlauch. Die Kinder umjubeln und umnecken den Wasserstrahl. Plötzlich eine Idee:

»Onkel, wir ziehn uns aus und du spritzt uns, bis wir ganz naß sind!«

Gut. In lustigem Tumult entschält sich bald eine Putengalerie lieblichster Art und tiefster Unschuld, Knaben und Mädchen. Was erwachsen ist, sieht in heiterer Andacht dem Spiel zu und schimmert davon.

185 Endlich heißt es: Den Becher dieser Lust abgesetzt, sich getrocknet und in die Kleider. Aber diese sind alle auf einen Haufen geschmissen worden im Trubel der Entkleidung und nun entsteht ein großes und langes Suchen und Reißen und Streiten, bis jedes das Seine wieder hat.

Der kleine vier- oder fünfjährige Willi hat glücklich sein Hemd erwischt, kann aber sein Höschen nicht bekommen. Wimmernd hüpft er herum:

»Wo ist denn meine Hos – meine Hos – Tante Anna! Wo ist denn meine Hos – meine Hos?«

Die junge Tante, die ein wenig die Ordnerin spielt, verwehrt ihm das Getue.

»Aber ich schäm mich doch so! – Ich schäm mich doch so!« wimmert er weiter und klemmt die Beinchen zusammen.

»Aber, geh doch!« sagte das Tantchen. »Vorhin bist du ja ganz nackig herumgehopst!«

»Ja, aber im Hemm – im Hemm!«

 


 


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