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Fortunata. Was ist dir? – 239
Erdmann (für sich). Ha! – bin ich von Sinnen!
Fortunata. Freund!
Du zitterst und erblassest, sprich warum?
Was läuft gewitterschwül die Seele an?
Erdmann
(in sich gekehrt).
Mein Weg! – mein Weg! – Verachte mich! – mein Weg!
Sank mir die Fahne aus der Hand,
Die ich dem ewigen Menschen schwingen wollte! –
Fortunata. O sprich, was dir nun neu die Brust durchstürmt,
Und mich um dich betrügt –
Erdmann. Laß, ich muß weiter!
Fortunata
(erbleichend).
Weiter? – Mußt du?
Erdmann
(sich prüfend). Muß ich? – muß ich? – – Ich muß!
Zu lange ruht ich schon vielleicht und säume,
Von dieses Glückes jähem Rausch getäuscht.
Die schmetternde Trompete ist verstummt,
Die eben noch so feurig mich empörte –
Nun ruft sie wieder! – Mädchen, du erbleichst?
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Fortunata. Verkenn es nicht, o Freund, verkenn es nicht!
Ich war so glücklich schon! Muß nun die Brust,
Die eben kaum nach einem langen Durst
Die deinige genossen, die Entbehrung
Nicht wieder lernen! – Und sie lernt es wieder,
Sie
hat es schon gelernt – mit einem Zuge
Sog sie den überbittern Tropfen ein,
Und wird schon wieder süß davon! – O Freund,
Wie dich dein Inneres bestimmt, so tue!
Ich glaub an dich, wie an das Gute selbst,
Und bin von diesem Augenblicke selig,
In dem du mich erlöst, und will nichts mehr.
Was nun das Schicksal schickt, ist alles gut!
Auch dieser Gang – du mußt ihn gehn – so geh ihn!
Du gehst ihn mit mir und für mich, ich weiß es!
So trennt er uns auch nicht! geh ihn getrost!
Doch trennt er uns, sind wir noch Trennbares,
So geh ihn auch getrost –
Erdmann. Weib!
Fortunata. Nein, ich glaub an dich!
Was dieser Krieg von unserm Glücke will
Ich weiß es nicht! doch ruft er dich, so geh
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Den Weg, den grausamen, uns beiden, geh ihn,
Daß ich dich ehren kann und – suchen muß!
Erdmann
(sich windend).
Weib – Männin – daß es mich nicht noch einmal
Vor deine Füße legt! – Wer gab dies Wort –
Was gab die Kraft der stählenden Entsagung
Dir in die Seele?
Fortunata. Wer? – das Glück!
Erdmann. Das Glück?
Fortunata. Bin ich nicht glücklich?
Erdmann. – Mädchen –
Fortunata. Blitzt es nicht
Aus einem Schlitz des dunkeln Himmels her
Und stärkt durch die entzückende Gewißheit:
Es ist ein Glück – o über aller Schalheit,
Die mich verwirrte durch die langen Jahre,
Ist Glück, ist tiefes Glück! Nun reif ihm zu!
Durch Schmerz und Dunkel reif ihm zu!
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Erdmann. O Gott –
O mehr von diesem Sang! anbetend hör ich
Und frage zitternd dich, bist du noch Weib!
Fortunata
(lächelnd).
O – manchmal sehr, und doch gewiß nicht mehr
Als du noch Mann! Denn bin ich nicht der Raum
Für deine Seele? –
Erdmann. Geh, ich werde bang
Ob ich ihn fülle –
Fortunata. Dehne dich!
Erdmann. Ich will's!
Du hohes Weib, mach meinen Stolz nicht rasen,
Daß ich dir anerschaffen sei –
Fortunata. O still!
Ein heißes Wallen zieht um meine Brust
Und löst die schmelzende ins Grenzenlose –
Nun eine Bitterkeit mir, einen Schmerz,
Um stark zu bleiben, dieses Glück zu tragen!
Erdmann. O Glück, mit nassem Aug und weicher Hand!
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O Mädchen! Schuldgenossin! Männin! Weib!
Du machst mich taumeln – darf ich taumelnd gehn?
Was gehen –
fliegen! – Weib mit dir gemeinsam!
Entgegen
einem Lose,
einem Glück
Und wär es
eine zuckende Sekunde,
Die uns begräbt? Ist denn ein Tod noch denkbar,
Da dieses lebt? O heilig Schicksal, Dank
Für diese neue Kluft voll Brand und Blut,
Die jauchzend mich mit diesem Busen eint,
Nicht mehr das Grab des Manns, nein seine Wiege,
Der höhere Schoß, der höher ihn gebärt!
Tod oder Leben, aber beide heiß!
Gib Arbeit dieser ungeheuren Kraft,
Gib Arbeit, Arbeit ihr, nur schwer und heiß!
Fortunata
(lächelnd).
Willst du noch heißere als einen Krieg?
Erdmann. Ah – Krieg! – Es wäre eine Knabenrauferei,
Wär es kein heiliger, um heilige Dinge!
Fortunata. So ernst nimmst
du ihn? Freund, ich schäme mich;
Ich war nur eines leichten Unmuts voll.
Erdmann. Es wär ein Krieg wie jeder andre war,
Wär nicht der Mensch ein andrer! Unerträglich
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Ist dieser Krieg, dem Menschen
unerträglich!
Der Menschheit innre Sache geht er an,
Der neuen Menschheit, die soeben lernt
Um eine innre Sache sich zu scharen.
Wo Frechheit, Habsucht und Gewalt die Hand
Entehrend anlegt, da entehrt sie uns,
Bedroht sie uns und trifft uns, wenn sie will.
Wo Mensch auf Menschen tritt, tritt er auf uns!
Von unsrer eignen Stirne trieft die Schmach,
Der faul und feig beim Bruder wir nicht wehren!
In mein Haus fiel er ein und tobt und lärmt,
Mein Leben ist bedroht und meine Freiheit,
Mein Recht und meine Ehre, Stolz und Glück!
Befleckt ist meine Ruh, zerstört mein Schlaf,
Mein Lager zittert vom Gestampf der Rosse,
Das Rollen der Geschütze jagt mich auf –
Nur fort und mit! – im Ohre gellt's und klirrt's
Und vor dem Auge fiebern tausend Bilder
Des fernen Krieges, der mich hier zerstört – –
In langen Zügen zieht's mit Roß und Wagen
Und reisigen Kolonnen durch die Berge,
Ein bunt Gemisch von Knaben, Männern, Greisen –
Von Knaben, die das Leben nicht verstehn,
Von Männern, Brust von tausend Kämpfen voll,
Von Greisen, die bald schlafen gehen wollen –
Und aller glühende Augen suchen ihn,
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Den Fried- und Freiheit-, Stolz- und Ehrebrecher –
Und ich bin nicht dabei! mein Aug sucht dich
Und ruht in deiner blühenden Ruhe aus!
Kein Sattel scheuert mich, kein wunder Fuß
Läßt vorwärts mich durch Sand und Steine knirschen!
Hier wieg ich mich um dich! – In keinem Frührot
Erheb ich mich, vom Reif der Nacht bedeckt
Und klamm und steif gefroren von der Erde,
Unausgeschlafen, hungrig, müd und traurig,
Vom nahen Tage die Entscheidung bittend
Auf Sieg und Tod – –
Und jene frieren, hungern, dürsten, fiebern?
Und nun ein Schuß da vorn, ein Blitz am Flügel,
Ein Knattern nun und fliegende Signale –
Auffaucht die Schlacht, wie ein gereizter Tiger
Und rennt die Berge hin und wirft sich wütend
In laut aufbrüllende Täler – Tod und Teufel –!
Und ich bin hier! – In keiner Schützenkette
Dring vorwärts ich, in keiner Bodenfalte
Harr ich in dumpfer Unruh des Kommandos,
Auf keinen Hügel schlepp ich atemlos
Als Mensch, was dir kein Roß mehr zieht, Geschütz,
In keinem Reiterangriff stürm ich vor,
Verhängt die Zügel und gesenkt die Fahnen;
In keiner Sturmkolonne rück ich an,
Indes aus hundert heisern Feuerschlünden
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In unsre Reihe der Eisenhagel brescht –
Und ich lieg nicht darunter, wenn der Abend
Hernieder sinkt, der bleiche Mond sich hebt
Und traurig auf die wüste Stätte schaut,
Auf der die Schlacht verkocht, verkeucht, verstöhnt – –
Da liegt es, einzeln da, und dort in Haufen,
Zerhackt, erstochen, wie es traf, zerschossen,
Zerschmettert und zerstampft, wund oder tot,
Und stöhnt vor Schmerz und bleckt den Tod zum Himmel –
Und meine Brust hat sich nicht dargeboten
Dem gleichen Los? Ich leb und lebe frech,
Und spiel mit deinem seidenen Gelock –
Und dort krallt eine Hand sich in den Sand
In unsagbarem Schmerz! für mich, für mich! –
O einen Atemzug nur harr noch aus,
Mein kleines, wackres Völkchen, harr noch aus,
Bis ich bei dir bin, und dann – mir die Fahne!
Wohl bin ich einer nur, ein kleiner Mensch,
Und nur die dünne Wandung einer Brust
Hab ich zum Schild für dich dem Mord zu bieten –
Doch sage, kann ich mehr als alles bieten?
So nimm sie hin, und kann sie dich nicht decken,
So sei doch hingelöscht, was in ihr brennt:
Das Flammenherz, das Menschenherz darin,
Das du o Vater, Sonne, mir entzündet,
Des dunkeln Staubes dunkler Qual entrungen,
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Zur höchsten Lust, zum tiefsten Leidgenuß!
Es hat dann seine Arbeit wohl getan
Und schafft sich so den Frieden und den Sieg!
Fortunata. So bleibe stehen – einen Blick des Augs! –
So lieb ich dich, nach ausgetrotztem Sturm,
Die Seele groß und still, ein deutsches Blut!
So sah ich dich im Mädchentraum von dir,
Ein sichres Land des Schweigens meiner Stürme,
Ein Berg, an dich zu lehnen! Bleib mir so!
Und geh nun deinen Weg, doch – nimm mich mit!
Verkenn es nicht! nicht
um mit dir zu sein,
Nein, dort nur, wo dein Platz ist. Dieser Platz
Hat einen leeren Raum noch, seine Hälfte!
Sie auszufüllen seh ich mich geschaffen,
Seit du mein Aug geöffnet –
Erdmann. Tapfres Herz,
Und leichte, linde Hand, den wunden Krieger
Zu pflegen und zu heilen –
Fortunata. O, auch das!
Erdmann. Auch das? Was noch wohl? 248
Fortunata. Seh ich besser hier,
Als du Scharfsichtiger, Tieffühlender?
Bin nicht gesund und stark und kühn auch ich
Mit unermüdlich risch und raschen Gliedern?
Und ziemt es wohl der weichen Hand noch nicht,
Die rauhen, blutigen Waffen selbst zu tragen,
Zeigt Arbeit mir der Krieg, mehr als genug:
Kein Fuß und keine Hand von euch ermüde,
In einem Dienste, den ich leisten kann.
Sei du das wohlgeschliffene Schwert allein,
Das unvernützt und ungebrochen wirke,
Und ich die Esse, die es immer frischt.
Erst wenn der Tag kommt, wo des Sieges Glor
Mit einem dunkelroten Flor sich schmückt,
Und ihr zum letzten Gang die schlechten Massen,
Die ringsum uns umschnüren werden, anrennt,
Dann laßt auch uns mit, daß kein gutes Weib
Den Helden überlebe, der ihm fiel!
Denn besser ist
der Tod als dieses Leben,
Das Leben einer Witwe, ohne Kind,
Das sie zum Rächer dir erziehen könnte!
Dann laß dein Mädchen mit dir sterben, Freund!
Erdmann. Noch faß ich nicht das Hohe, das ich halte –
Es zwingt mich noch einmal vor dir aufs Knie – –
249
Fortunata
(ihn hindernd).
Nicht doch! nicht doch! – Was tu ich doch so Großes!
Es ist ja nur das Eine, Einfache
Was hier zu tun ist. Alles andre ja
Wär mir viel schwerer zu ertragen, Lieber –
Du siehst, es ist die Lust ganz, der ich folge –
Was ist da Wunderbares denn dabei?
Erdmann. Die Lust! Die Lust! Geh, ich zerlodre ganz!
Gruß diesem Worte! Gruß der Feuerseele,
Die diese Kraft ob auch in Wehn geboren!
Gruß dir für dieses Wort und diese Kraft,
Denn Lust ist Kraft, o Mädchen, Lust ist Alles:
Lust ist das Herz, Lust ist der Sinn der Welt,
Ist Licht und Feuer, Kraft und Leben selbst!
Lach auf denn, Lustige, und laß uns spielend
Den heißen Weg begehn, nicht betend, singend,
Und wenn die Worte fehlen, einfach lachend!
Nun komm uns, Schicksal! triff uns, wie du willst:
Heb uns frohlockend auf den Thron der Welt,
Bereit uns gnädig einen tiefen Tod,
Laß uns vergehn am schlimmsten Marterpfahl,
Wir lieben dich und wollen dich! Heil dir!
Ich grüße dich und Dank für dieses Leben,
In das du uns zur langen Suche schicktest:
Hier fand es sich, und hier hast du es wieder!
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Schick was du willst noch, schür uns wie du willst,
Wir sind im Blute des erschlagenen Drachen
Im Blut der Not, wir sind in Lust gehürnt –
Versuch uns, wo wir noch verwundbar sind!
Und auf zur Arbeit jetzt, du Schildgenossin! –
Und dann, wenn wir's erkämpft, wenn ausgetobt
Das Chaos, dem wir Ordnung aufgezwungen,
Und der erprobte und erstarkte Mensch
Am hellen Mittag wiederkehrt, gebräunt,
Verschönt, von Kraft geschwellt und Überkraft,
Ein Herr des Lebens – –
(Verstummt)
Fortunata
(ein wenig hell und leicht und feurig).
Dann?
(Pause)
Erdmann (sie ansehend). Dann? (Pause)
Fortunata
(das ›Angedrohte‹ ganz erfühlend, und sich erschauernd an ihn schmiegend, hauchend).
Dann!
(Pause; dann sehen sie sich an; Erdmann wird dunkel und zittert leise, sie erschauert noch einmal, das Haupt gegen seine Brust senkend)
Der Vorhang fällt.