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Vater und Mutter

(Er ist mit den Topf- und Kübelgewächsen beschäftigt, die um die Freitreppe stehen; sie geht mit einer kleinen Handarbeit)

Mutter. Sprich du mit ihr – –

Vater (etwas unwirsch).             Ach, ich! was sag ich ihr!
Du bist die Mutter, und 's ist Weibersache!
Der Mann, der mit der Tochter spricht, wird rot –
Vor was? vor Scham? vor was für einer Scham?
Ich weiß es selber nicht! vielleicht vor Feigheit!
Das muß es sein, ja, Feigheit muß es sein,
Das Kind zur Ehe zu betören – –

Mutter.                                                   Wie? –
Betören? bist du recht gescheit? betören?
Ist es Betörung, wenn wir in sie bitten,
Dem treuen Werber, dem verlobten Mann,
Dem Mann, an dessen Hals sie weinend hängt – – 180

Vater. Ja siehst du, Hanna, sieh das ist es ja:
Wenn sie es lachend täte, braucht' es Worte?
Nun da es Worte braucht, wird sie wohl lachen?
Ein feurig Roß braucht Zügel, nicht die Peitsche –

Mutter. Doch Mahnung manchmal –

Vater.                                                     Ja doch, aber – rückwärts.

Mutter. Doch wenn es störrig ist –

Vater.                                                   Ist Tuna störrig?
Sie will nicht, wie wir möchten, das ist alles,
Und wird wohl ihre eignen Gründe haben,
Um an den unsern nicht genug zu haben!

Mutter. Doch einmal muß es doch ein Ende nehmen;
Das vierte Jahr schon quält sie ihn dahin,
Und hat das Wort nur: »Laß, ich kann noch nicht,
Noch immer nicht!« – Du hättest sehen sollen,
Wie traurig er soeben wieder schied,
Und sie, sie weinte, Gott, und welche Tränen! 181
Und ich war zornig, ach du weißt nicht wie!
Ich hätte mich dazwischen stürzen mögen,
Und hätt's getan, wär ich nur angezogen! –
Wie trüb und bleich er ging! – Du wirst es sehn,
Sie kommt noch um die glänzendste Partie,
Von der ein junges Mädchen träumen kann!
Er läßt sie sitzen, o du wirst es sehn!
Einmal wird er des ewigen Wartens satt!
Und sie? nun sie – das weißt du selber auch:
Ein junges Mädchen wird nicht – jünger!

Vater.                                                                   Nun,
An Tuna scheint es doch. Es ist mir oft,
Als lebe sie ein andres, innres Leben,
Das äußre sparend –

Mutter.                             Geh mir nur damit!
's ist freilich seltsam, wie das Kind sich hält.
Ich aber glaub, 's ist ein gefährlich Blühen –
Ihr Blick liegt mir zu tief im Aug, zu tief,
Als meinem Leben lieb ist! Gib nur acht,
Sie bricht uns noch zusammen!

Vater.                                                   Und vor dem,
Glaubst du, soll das – – 182

Mutter.                                   Ich sage nichts als das –
Ich hab's noch von der Mutter: gut versorgt,
Hält viel beisammen! – (Handbewegung) Evangelium. –
Und außerdem noch die privaten Gründe – –

Vater. Frau! davon schweige! Weck mir dieses nicht
Im selben Augenblicke, wo du willst,
Daß ich das Kind bestimmen soll! Nur hier
Laß mich nicht daran denken, was es uns,
Uns Alten nützt, die wir in sieben Jahren
Oder in vierzehn auch, doch aber auch
In sieben oder vierzehn Tagen gehn,
Und unser Kind noch vierzig Jahre lassen! –
Mag es sich selber betten! – Auf ein Wort,
Auf ein vernünftig Wort kommt mir's nicht an.
Doch ehrlich laß es sein, bis tief hinein!
An ihrem Zögern ist mir etwas heilig,
Gerade weil es unerklärlich ist,
Und – darin liegt die Scham! – ich kann sie nicht
Um diese Spur von Heiligem betören!
Vielleicht liegt hier ihr Glück – –

Mutter.                                                   Jetzt aber geh! –
So sind die Männer: immer weit hinaus! 183
Ins Ferne, Blaue, Schwanke, Mögliche –
Die schönste, grüne Weide vor den Füßen
Zertrampeln sie so dumm, und ihre Hälse
Sind immer lang vor Hunger! – Nun, gib acht:
Ich werde mit ihr reden! Ganz in Güte,
Wie immer, das versteht sich, will ich doch
Ihr Bestes nur! denn ist es nicht mein Kind? –
Wahrhaftig, schau, da stehn sie noch am Tor
Und halten liebreich sich an beiden Händen
Und sehn sich an und – da! – sie küssen sich! –
Doch jetzt – da sieh – wie er sich förmlich neigt
Und geht – geht! – sieh, wie ein Gebrochner geht,
Und kein vom Kuß der Braut Belebt-Berauschter!
Und dieses soll ich sehn? – Ich lieb ihn selbst –
Ich sag's dir offen! – Aber wart, ich rede! –
Komm nur hierher! – Sie hört nicht – Fortunata!

 


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