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Mit Bakis' Weissagen vermischt
Wir sind vielleicht zu antik gewesen;
Nun wollen wir es moderner lesen.
*
»Sonst warst du so weit vom Prahlen entfernt,
Wo hast du das Prahlen so grausam gelernt?«
Im Orient lernt ich das Prahlen.
Doch seit ich zurück bin, im westlichen Land,
Zu meiner Beruhigung find ich und fand
Zu Hunderten Orientalen.
*
Und was die Menschen meinen,
Das ist mir einerlei;
Möchte mich mir selbst vereinen,
Allein wir sind zu zwei;
Und im lebendgen Treiben
Sind wir ein Hier und Dort:
Das eine liebt zu bleiben,
Das andre möchte fort;
Doch zu dem Selbst-Verständnis
Ist auch wohl noch ein Rat:
Nach fröhlichem Erkenntnis
Erfolge rasche Tat.
*
Und wenn die Tat bisweilen
Ganz etwas anders bringt,
So laßt uns das ereilen,
Was unverhofft gelingt.
*
Wie ihr denkt oder denken sollt,
Geht mich nichts an;
Was ihr Guten, ihr Besten wollt,
Hab ich zum Teil getan.
Viel übrig bleibt zu tun,
Möge nur keiner lässig ruhn! –
Was ich sag, ist Bekenntnis
Zu meinem und eurem Verständnis.
Die Welt wird täglich breiter und größer,
So machts denn auch vollkommner und besser!
Besser sollt es heißen und vollkommner;
So sei denn jeder ein Willkommner.
*
Wie das Gestirn,
Ohne Hast,
Aber ohne Rast,
Drehe sich jeder
Um die eigne Last.
*
Ich bin so guter Dinge,
So heiter und rein,
Und wenn ich einen Fehler beginge,
Könnts keiner sein.
*
Ja, das ist das rechte Gleis,
Daß man nicht weiß,
Was man denkt,
Wenn man denkt;
Alles ist als wie geschenkt.
*
»Warum man so manches leidet,
Und zwar ohne Sünde?«
Niemand gibt uns Gehör.
Wie das Tätige scheidet,
Alles ist Pfründe,
Und es lebt nichts mehr.
*
»Manches können wir nicht verstehn.«
Lebt nur fort, es wird schon gehn.
*
»Wie weißt du dich denn so zu fassen?«
Was ich tadle, muß ich gelten lassen.
*
»Bakis ist wieder auferstanden!«
Ja! wie mir scheint, in allen Landen.
Überall hat er mehr Gewicht
Als hier im kleinen Reimgedicht.
*
Gott hat den Menschen gemacht
Nach seinem Bilde;
Dann kam er selbst herab,
Mensch, lieb und milde.
Barbaren hatten versucht,
Sich Götter zu machen;
Allein sie sahen verflucht,
Garstiger als Drachen.
Wer wollte Schand und Spott
Nun weiter steuern,
Verwandelte sich Gott
Zu Ungeheuern?
*
Und so will ich, ein- für allemal,
Keine Bestien in dem Götter-Saal!
Die leidigen Elefanten-Rüssel,
Das umgeschlungene Schlangen-Genüssel,
Tief Ur-Schildkröt im Welten-Sumpf,
Viel Königs-Köpf auf einem Rumpf,
Die müssen uns zur Verzweiflung bringen,
Wird sie nicht reiner Ost verschlingen.
*
Der Ost hat sie schon längst verschlungen:
Kalidas' und andere sind durchgedrungen;
Sie haben mit Dichter-Zierlichkeit
Von Pfaffen und Fratzen uns befreit.
In Indien möcht ich selber leben,
Hätt es nur keine Steinhauer gegeben.
Was will man denn vergnüglicher wissen!
Sakontala, Nala, die muß man küssen;
Und Megha-Duta, den Wolkengesandten,
Wer schickt ihn nicht gerne zu Seelenverwandten!
*
»Willst du, was doch Genesene preisen,
Das Eisen und handhabende Weisen
So ganz entschieden fliehen und hassen?«
Da Gott mir höhere Menschheit gönnte,
Mag ich die täppischen Elemente
Nicht verkehrt auf mich wirken lassen.
*
Als hätte, da wär ich sehr erstaunt,
Der Nabel mir was ins Ohr geraunt,
Ein Rad zu schlagen, aufm Kopf zu stehn,
Das mag für lustige Jungen gehn;
Wir aber lassen es wohl beim alten,
Den Kopf wo möglich oben zu halten.
*
Die Deutschen sind ein gut Geschlecht,
Ein jeder sagt: Will nur, was recht;
Recht aber soll vorzüglich heißen,
Was ich und meine Gevattern preisen;
Das übrige ist ein weitläufig Ding,
Das schätz ich lieber gleich gering.
*
Ich habe gar nichts gegen die Menge;
Doch kommt sie einmal ins Gedränge,
So ruft sie, um den Teufel zu bannen,
Gewiß die Schelme, die Tyrannen.
*
Seit sechzig Jahren seh ich gröblich irren
Und irre derb mit drein;
Da Labyrinthe nun das Labyrinth verwirren,
Wo soll euch Ariadne sein?
*
»Wie weit soll das noch gehn!
Du fällst gar oft ins Abstruse,
Wir können dich nicht verstehn.«
Deshalb tu ich Buße;
Das gehört zu den Sünden.
Seht mich an als Propheten!
Viel Denken, mehr Empfinden
Und wenig Reden.
*
Was ich sagen wollt:
Verbietet mir keine Zensur!
Sagt verständig immer nur,
Was jedem frommt,
Was ihr und andere sollt;
Da kommt,
Ich versichr euch, so viel zur Sprache,
Was uns beschäftigt auf lange Tage.
*
O Freiheit süß der Presse!
Nun sind wir endlich froh;
Sie pocht von Messe zu Messe
In dulci jubilo.
Kommt, laßt uns alles drucken
Und walten für und für;
Nur sollte keiner mucken,
Der nicht so denkt wie wir.
*
Was euch die heilige Preßfreiheit
Für Frommen, Vorteil und Früchte beut?
Davon habt ihr gewisse Erscheinung:
Tiefe Verachtung öffentlicher Meinung.
*
Nicht jeder kann alles ertragen:
Der weicht diesem, der jenem aus;
Warum soll ich nicht sagen:
Die indischen Götzen, die sind mir ein Graus?
Nichts schrecklicher kann den Menschen geschehn,
Als das Absurde verkörpert zu sehn.
*
Dummes Zeug kann man viel reden,
Kann es auch schreiben,
Wird weder Leib noch Seele töten,
Es wird alles beim alten bleiben.
Dummes aber vors Auge gestellt
Hat ein magisches Recht:
Weil es die Sinne gefesselt hält,
Bleibt der Geist ein Knecht.
*
Auch diese will ich nicht verschonen,
Die tollen Höhl-Exkavationen,
Das düstre Troglodyten-Gewühl,
Mit Schnauz und Rüssel ein albern Spiel;
Verrückte Zierat-Brauerei,
Es ist eine saubre Bauerei.
Nehme sie niemand zum Exempel,
Die Elefanten- und Fratzen-Tempel!
Mit heiligen Grillen treiben sie Spott,
Man fühlt weder Natur noch Gott.
*
Auf ewig hab ich sie vertrieben,
Vielköpfige Götter trifft mein Bann,
So Wischnu, Kama, Brahma, Schiven,
Sogar den Affen Hannemann.
Nun soll am Nil ich mir gefallen,
Hundsköpfige Götter heißen groß:
O, wär ich doch aus meinen Hallen
Auch Isis und Osiris los!
*
Ihr guten Dichter ihr,
Seid nur in Zeiten zahm!
Sie machen Shakespeare
Auch noch am Ende lahm.
*
Im Auslegen seid frisch und munter!
Legt ihrs nicht aus, so legt was unter.
*
Was dem einen widerfährt,
Widerfährt dem andern;
Niemand wäre so gelehrt,
Der nicht sollte wandern.
Und ein armer Teufel kommt
Auch von Stell zu Stelle;
Frauen wissen, was ihm frommt,
Welle folgt der Welle.
*
»Ich zieh ins Feld!
Wie machts der Held?«
Vor der Schlacht hochherzig,
Ist sie gewonnen, barmherzig,
Mit hübschen Kindern liebherzig;
Wär ich Soldat,
Das wär mein Rat.
*
»Gib eine Norm zur Bürger-Führung!«
Hienieden,
Im Frieden,
Kehre jeder vor seiner Türe;
Bekriegt,
Besiegt,
Vertrage man sich mit der Einquartierung.
*
Wenn der Jüngling absurd ist,
Fällt er darüber in lange Pein;
Der Alte soll nicht absurd sein,
Weil das Leben ihm kurz ist.
*
»Was hast du uns absurd genannt!
Absurd allein ist der Pedant.«
*
Will ich euch aber Pedanten benennen,
Da muß ich mich erst besinnen können.
*
Titius, Cajus, die wohl Bekannten! –
Doch wenn ichs recht beim Licht besah,
Einer steht dem andern so nah,
Am Ende sind wir alle Pedanten.
*
Das mach ich mir denn zum reichen Gewinn,
Daß ich getrost ein Pedante bin.
*
Tust deine Sache und tust sie recht,
Halt fest und ehre deinen Orden;
Hältst du aber die andern für schlecht,
So bist du selbst ein Pedant geworden.
*
Wie einer denkt, ist einerlei,
Was einer tut, ist zweierlei;
Macht ers gut, so ist es recht;
Gerät es nicht, so bleibt es schlecht.
*
Von Jahren zu Jahren
Muß man viel Fremdes erfahren;
Du trachte, wie du lebst und leibst,
Daß du nur immer derselbe bleibst.
*
Wenn ich kennte den Weg des Herrn,
Ich ging' ihn wahrhaftig gar zu gern;
Führte man mich in der Wahrheit Haus,
Bei Gott! ich ging' nicht wieder heraus.
*
»Sei deinen Worten Lob und Ehre!
Wir sehn, daß du ein Erfahrner bist.«
Sieht aus, als wenn es von gestern wäre,
Weil es von heut ist.
*
Das Beste möcht ich euch vertrauen:
Sollt erst in eignen Spiegel schauen.
*
Seid ihr, wie schön geputzte Braut,
Bei diesem Anblick froh geblieben,
Fragt: ob ihr alles, was ihr schaut,
Mit redlichem Gesicht mögt lieben.
*
Habt ihr gelogen in Wort und Schrift,
Andern ist es und euch ein Gift.
*
X hat sich nie des Wahren beflissen,
Im Widerspruche fand ers;
Nun glaubt er alles besser zu wissen,
Und weiß es nur anders.
*
»Du hast nicht recht!« Das mag wohl sein;
Doch das zu sagen, ist klein;
Habe mehr recht als ich! das wird was sein.
*
Da kommen sie von verschiedenen Seiten,
Nord, Ost, Süd, West und anderen Weiten,
Und klagen diesen und jenen an:
Er habe nicht ihren Willen getan!
Und was sie dann nicht gelten lassen,
Das sollen die übrigen gleichfalls hassen.
Warum ich aber mich Alter betrübe?
Daß man nicht liebt – was ich liebe.
*
Und doch bleibt was Liebes immer,
So im Reden, so im Denken;
Wie wir schöne Frauenzimmer
Mehr als garstige beschenken.
*
Bleibt so etwas, dem wir huldgen,
Wenn wirs auch nicht recht begreifen
Wir erkennen, wir entschuldgen,
Mögen nicht zur Seite weichen.
*
»Sagt! wie könnten wir das Wahre,
Denn es ist uns ungelegen,
Niederlegen auf die Bahre,
Daß es nie sich möchte regen?«
Diese Mühe wird nicht groß sein
Kultivierten deutschen Orten;
Wollt ihr es auf ewig los sein,
So erstickt es nur mit Worten.
*
Immer muß man wiederholen:
Wie ich sage, so ich denke!
Wenn ich diesen, jenen kränke,
Kränk auch er mich unverhohlen.
Störet ja! – mir sagts die Zeitung –
Unverletzten würdgen Ortes
Dieser jenem, heftgen Wortes,
Die beliebige Bereitung.
Was der eine will bereiten,
Einem andern wills nicht gelten;
Hüben, drüben muß man schelten:
Das ist nun der Geist der Zeiten.
*
Lässt mich das Alter im Stich?
Bin ich wieder ein Kind?
Ich weiß nicht, ob ich
Oder die andern verrückt sind.
*
»Sag nur, warum du in manchem Falle
So ganz untröstlich bist?«
Die Menschen bemühen sich alle
Umzutun, was getan ist.
*
»Und wenn was umzutun wäre,
Das würde wohl auch getan;
Ich frage dich bei Wort und Ehre:
Wo fangen wirs an?«
*
Umstülpen führt nicht ins Weite;
Wir kehren, frank und froh,
Den Strumpf auf die linke Seite
Und tragen ihn so.
*
Und sollen das Falsche sie umtun,
So fangen sie wieder von vornen an;
Sie lassen immer das Wahre ruhn
Und meinen, mit Falschem wärs auch getan.
*
Da steht man denn von neuem still,
Warum das auch nicht gehen will.
*
Niemand muß herein rennen
Auch mit den besten Gaben;
Sollens die Deutschen mit Dank erkennen,
So wollen sie Zeit haben.
*
Das Tüchtige, und wenn auch falsch,
Wirkt Tag für Tag, von Haus zu Haus;
Das Tüchtige, wenns wahrhaft ist,
Wirkt über alle Zeiten hinaus.