Johann Wolfgang von Goethe
Zur deutschen Literatur. Rezensionen
Johann Wolfgang von Goethe

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Athenor, ein Gedicht in sechzehn Gesängen

Mannheim, in Kommission b. Schwan u. Götz: Athenor, ein Gedicht in sechzehn Gesängen. Neue verbesserte Ausgabe. 1804. VIII, übrigens mit den Anmerkungen 286 S. 8. (2 Rtlr. 12 gr.)

Als wir dieses Gedicht mit Sorgfalt zu lesen anfingen, uns durch den, jedem Gesang vorgesetzten, Inhalt mit dem Ganzen und seinen Teilen bekannt zu machen und in der Ausführung selbst vorwärts zu dringen suchten, haben wir eine ganz eigene Erfahrung gemacht. Wir empfanden nämlich eine Art von Schwindel, wie sie den zu überfallen pflegt, dem etwas ganz inkongruentes und also seiner Natur nach unmögliches doch wirklich vor Augen steht. Nach einigem Besinnen erinnerten wir uns schon einer ähnlichen Empfindung, es war die, wie wir den Garten und Palast des Prinzen Pallagonia besuchten, der nicht allein, wie bekannt, durchaus mit Ungeheuern ausstaffiert ist, sondern wo auch, was weniger bekannt, an der Architektur sorgfältig alle horizontalen und vertikalen Linien vermieden sind, so daß alles im Stehen zugleich einzustürzen scheint. Gestärkt durch diese Reflexion wagten wir dem Helden Athenor nochmals ins Gesicht zu sehen, fanden uns aber um nichts gebessert; was wir jedoch zuletzt über ihn bei uns zusammen bringen konnten, aber freilich für kein Urteil ausgeben, wäre ungefähr folgendes.

Wenn man Wielands poetische Schriften stückweise in eine Hexenpfanne neben einander setzte, und sodann über einem gelinden Feuer so lange schmorte, bis Naturell, Geist, Anmut, Heiterkeit mit allen übrigen lebendigen Eigenschaften völlig abgeraucht wären, und man alsdann die überbliebene zähe Masse mit einem Löffelstiel einigermaßen durcheinanderzöge, und einen solchen Brei, der fast für ein caput mortuum gelten kann, völlig erstarren und erkalten ließe: so würde ohngefähr ein Athenor entstehen. Da jedoch der Fall von der Art ist, daß wir nicht wissen können, ob unsere Empfindung bei diesem Werke nicht vielleicht idiosynkratisch sei, so wünschten wir, daß einer unserer kritischen Kollegen durch umständlichere Untersuchung unsere Meinung zu bestärken, oder zu widerlegen geneigt wäre.

Am kürzesten und geratensten halten wir jedoch, daß jeder, der eine kleine Bibliothek deutscher Art und Kunst sich angeschafft hat, auch diesem Athenor einen Platz gönne: denn es ist doch auch kein geringer Genuß, wenn man sich nach Belieben beim Aufschlagen eines Buchs einen solchen ästhetischen Tragelaphen vergegenwärtigen kann. Zu diesem Behuf aber müßte der Verleger den Preis, der durch die artig punktierten Kupfer unverhältnismäßig erhöht sein mag, ein für allemal herabsetzen.


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