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Zu einer Zeit, da so mancher gebildete Mann für das teutsche Volk schreibt und dichtet, um es, nach und nach, einer höhern Kultur teilhaftig zu machen, muß ein Poet aus dieser Klasse selbst, dem man Genie und Talent nicht absprechen kann, allerdings Aufmerksamkeit erregen. Denn so wie es der Sache ganz gemäß zu sein scheint, daß man, in gewissen Verfassungen, die Bürger durch ihres Gleichen richten läßt, so möchte der Zweck, ein Volk aufzuklären, wohl am besten durch seines Gleichen erreicht werden. Wer von oben herunterkommt, verlangt meistens gleich zu viel, und statt denjenigen, den er zu sich heraufheben will, sachte durch die mittlern Stufen zu führen, so zerrt und reckt er ihn oft nur, ohne ihn deswegen vom Platz zu bringen.
Johann Conrad Grübel, StadtFlaschner und VolksDichter zu Nürnberg, hat eine Auswahl seiner Gedichte, welche, teils im Manuskript, teils einzeln gedruckt, in einem engern Kreise schon lange bekannt waren, auf seine Kosten herausgegeben. Sie betragen einen schwachen Band in Oktav, den er für zwölf Batzen anbietet, und wozu wir ihm viele Käufer wünschen.
In OberTeutschland, wo man mit dieser oder ähnlicher Mundart bekannt ist, wird man ihn mit Vergnügen lesen, aber auch in Sachsen und NiederTeutschland wird er jedem Freunde teutscher Art und Kunst willkommen sein, um so mehr als sich die Gedichte sämtlich, mit geringer Mühe, in ein verständliches Teutsch übertragen lassen, und jeder, der sich übt sie auf eine solche Weise vorzulesen, mit den meisten derselben, jede geistreiche und heiter gestimmte Gesellschaft angenehm unterhalten wird.
In allen Gedichten zeigt sich ein Mann von fröhlichem Gemüt und heiterer Laune, der die Welt mit einem glücklichen, gesunden Auge sieht, und sich an einer einfachen, naiven Darstellung des Angeschauten freut. Durchaus herrscht ein richtiger Menschenverstand, und eine schöne sittliche Natur liegt, wie ein Kapital, zu Grunde, von dem die Interessen nur sparsam, und gleichsam nur als Würze, in den Gedichten ausgespendet sind. Nirgends findet sich eine direkte, lästige, moralische Schulmeisterlichkeit, er stellt die Fehler und Unarten nicht anders dar, als wenn sie eben so zum gemeinen Leben gehörten; ja, in einigen Fällen bei Liedern, die Tabak, Bier, Kaffee, Wein und Branntewein zum Gegenstand haben, beschreibt er sich selbst als Liebhaber, in solcher Behaglichkeit, daß sie zu diesen Genüssen noch gleichsam einzuladen scheinen.
Wahrscheinlich trifft ihn daher der Tadel jener Personen, welche den Wert und die Wirkung solcher Darstellungen verkennen, und es ist vielleicht hier der Ort etwas weniges darüber zu sagen.
Es ist möglich, daß man durch Tadel und Schelten, durch Moralisieren und Predigen, durch Warnung vor üblen Folgen, durch Drohung von Strafen manchen Menschen vom Bösen abhält, ja auf einen guten Weg bringt, aber eine weit höhere Kultur wird bei Kindern und Erwachsenen eingeleitet, wenn man nur bewirken kann, daß sie über sich selbst reflektieren. Und wodurch kann dieses eher geschehen als durch eine heitere Darstellung des Fehlers, die ihn nicht schilt, aber ihm auch nicht schmeichelt, die weder übertreibt noch verringert, sondern das Natürliche, Leidenschaftliche, Tadelnswerte irgend eines Hanges klar aufstellt, so daß derjenige, der sich getroffen fühlt, lächeln muß, und in diesem Lächeln schon gebessert ist, wie einer, der vor einen hellen Spiegel tritt, etwas unschickliches an seiner Kleidung alsbald zurechtrückt? Freilich ist nur auf schöne Seelen, und deren gibt es in allen Ständen, auf diese Weise zu wirken, und man verkümmere dem Dichter, dem Künstler überhaupt diese ehrenvolle Bestimmung nicht, will er doch dadurch den moralischen und PolizeiRuten nicht ins Amt greifen. Denn es werden immer noch genug Menschen, trotz aller vereinten Bemühungen, mit Medäen ausrufen: Gutes kenn ich und schätz es, allein ich folge dem Schlimmen.
Wären die Arbeiten unsers Dichters in reinem Deutsch geschrieben, so brauchte es weiter keiner anzeigenden Empfehlung, da man aber das Gute derselben aus der Schale der wunderlichen Mundart herausklauben muß, so wird es wohl getan sein, den Leser auf einiges aufmerksam zu machen.
In den zwei Schwadronen Steckenpferde zeigt sich sehr viel Kenntnis menschlicher Neigungen und Liebhabereien, und zwar sind sie nicht etwa nur im Allgemeinen geschildert, sondern man überzeugt sich an individuellen Zügen, daß der Dichter sie an einzelnen Personen gekannt hat; übrigens tut die Wendung, daß alles wie in eine Art von Reuterei eingekleidet ist, nicht immer glücklichen Effekt. Die zwei Erzählungen, der Bauer und der Doktor, der Geißbock und die Totenbeine, sind ihm besonders wohl geraten. Die Erbschaft stellt die geschäftigen Erbschleicher dar, die sich in ihren Hoffnungen zuletzt betrogen finden, wobei der Dichter sich selbst zum besten gibt, als wäre er mit unter der Gesellschaft gewesen; eine Wendung, die er öfters anbringt, die sehr richtig gefühlt ist, und die wir jedem VolksDichter empfehlen können. Er überhebt sich nicht über die, welche er schildert, und erlangt Gehör, indem er sich selbst schuldig bekennt. Das Kränzlein, eine sehr lebhafte und glückliche Darstellung einer Gesellschaft nürnberger Handwerksleute, die ein vierzehntägiges Kränzchen auf dem Lande zelebrieren. Die Szene fängt nach Tische an und endigt vor dem Stadttore. Hier ist die Beschränktheit, Plattheit, Unart und Ungezogenheit mit dem Pinsel eines Ostade gezeichnet, und ausgeführt. Ein Gemälde, wovor wir jedoch die sittigen Leser, die gern Ärgernis nehmen, warnen müssen. Der Mann und die Frau, zwei Lieder als Gegenbilder. Jede von beiden Personen ist schon zum drittenmale verheuratet, das Verhältnis der zwei Geschlechter zum Ehestand, in so fern er vorteilhaft oder nachteilig werden kann, ist tief gefühlt und heiter ausgesprochen, die verstorbenen Gatten sehr artig geschildert, und die Behandlung überhaupt im Tone der französischen Vaudevilles, den wir Teutsche in unsern Liedersammlungen so sehr vermissen. Alte Liebe rostet nicht. Eine Nachbarin, auf die der Dichter selbst ehemals ein Auge gehabt, heuratet nun einen andern. Die Schönheit des Schlusses muß gefühlt werden. Der Dichter redet mit dem Frauenzimmer durchs ganze Gedicht in einer Art von vertraulichem Komplimenten Ton, und nennt sie Jungfer Bas und Sie; in den letzten zwei Zeilen scheint er sich zu vergessen, nennt sie bei ihrem Vornamen, und heißt sie Du. Den dritten Vers würden wir ausstreichen, nicht weil er unartig, sondern weil er nicht am Platz ist. Allgemeine StadtBegebenheiten sind sehr natürlich geschildert, im Steg und im Gedicht, das die Durchreise des Kaisers beschreibt, so wie in den alten Späßen. Von den Gedichten, welche die verschiedenen Genüsse, als Kaffee, Branntewein, und dergleichen anpreisen, ist oben schon gesprochen. Schnupf- und RauchTabak sind besonders mit großer Liebe behandelt. Die BasenGespräche, so wie das Gespräch der GeschwornenWeiber sind von großer Wahrheit; der Streit zwischen Sommer und Winter sieht aus, als wenn er für zwei Personen, die bei einer FastnachtsLustbarkeit solche Masken vorgestellt, geschrieben wäre, und ist sehr geistreich behandelt. Man sieht das ganze Leben eines Nürnberger gemeinen Bürgers, während der zwei Jahrszeiten, und der Sommer mag sich stellen wie er will, so behält der Winter die Oberhand, wodurch der Zweck, eine Winter Lustbarkeit herauszuheben, sehr schicklich erreicht wird. Das Gedicht auf den Mai, ein heiteres Gegenbild des vorigen. Die NeuFranken, ein Gespräch. Die Anschauungs- und DarstellungsKraft des Verfassers zeigt sich wohl nirgends so vorteilhaft als in diesem Gespräche, das, nach dem kurzen Aufenthalt der Franzosen in Nürnberg, zwischen einem ehemaligen FranzosenFreunde und einem andern leidenschaftslosen Bürger geführt wird. Das Durchziehen und nachherige Durchfliehen der fremden Gäste, die sonderbaren Verhältnisse, die dabei in einer alten, ins Herkömmliche und Gewohnte gleichsam versunkenen, Stadt entstehn, sind außerordentlich gut gefühlt. Die dumpfe Verwunderung des einen, daß die neuen Gäste gerade das Gegenteil von dem, was sie hoffen ließen, geleistet, ist sehr geschickt dargestellt, und die feinsten Züge glücklich ergriffen. Die Heiterkeit des dichterischen Charakters zeichnet sich hier besonders aus, da sie bei dieser Materie, die sonst immer wilde Leidenschaften erregt, auch die Probe besteht. Der Zug, daß die Weiber im größten Jammer lachen, weil ihre strenggebietenden Eheherren nun auch einmal ihren Meister an der militärischen Polizei finden, und Abends um neun Uhr aus der Schenke nach Hause müssen, ist so gut gesehen, als artig vorgetragen.
Daß ein Mann, wie dieser, auch sehr gute Einsichten in den Zustand des gemeinen Wesens haben müsse, welches er so lange beobachten konnte, läßt sich denken; daß er manches Gedicht auch über das politische Verhältnis seiner Vaterstadt gemacht haben mag, läßt sich vermuten; doch hat er, auch in denen, die wir als Manuskript von ihm kennen, so wie in den Äußerungen, die in gegenwärtigen Gedichten hie und da durchblicken, die Grenzen niemals überschritten, die einem wohldenkenden und ruhigen teutschen Bürger ziemen.
So viel von dieser bedeutenden Erscheinung, die vielleicht nicht allen gleich behagen wird, die aber keinem Beobachter teutscher Bildungsstufen unbekannt bleiben darf.