Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Schon einmal hat vor Jahren ein ähnlicher Auszug aus Preussen statt gefunden; auch hier war die Gelegenheit und das Terrain schlecht gewählt, die Sterne schienen feindlich hinein, die Winde bliesen den Staub ins Angesicht, und die Sonne stand in der Queere; die Manöver wurden mit geringem Geschicke ausgeführt, und der Ausgang hat daher alle Erwartung getäuscht. Das jetzige Gebrause aber kömmt aus Schlesien und hauptsächlich von Sachsen hereingewirbelt, und man kann vergleichungsweise mit Wahrheit sagen: jene Windsbraut ist im Vergleich mit der neuen eine glänzende, nur etwas plump ablaufende Waffenthat gewesen, die den Staub von den Landstraßen doch weggefegt, den die andere uns wieder zurückgebracht. Auch hier wollen wir uns am sächsischen Stamme nicht versündigen; wir haben einen Theil seiner damaligen Jugend im Befreiungskriege am Rhein gesehen; es ist ein nüchternes, stilles, ruhiges, sehr gutmüthiges Volk, nicht eben von ausgezeichneten Geistesgaben, aber gut haushaltend mit der wirklich verliehenen Gabe; liebenswürdig zum Theil durch anspruchlose Bescheidenheit, und in seinem gemäßigten Redefluße ein wahrer Ohrentrost in Mitte des Gesurres vorlauter Renomisterei rund umher. Aber einen Schaden, oder wenn man es so nennen will, ein Unglück scheint dieser Stamm an sich zu haben. Es giebt gewisse Sträucher, die man in die Gärten pflanzt, um alles Geschmeiß in ihrem ganzen Umfange an sich zu ziehen; ist es das milde Pflanzenblut, das weiche Blatt, der Geruch oder was sonst; kurz keine Art von Ungeziefer vermag der Lockung zu widerstehen, sie finden sich alle wie zum Pikenik auf ihnen zusammen, und nehmen Wohnung unter ihren Zweigen. Da kommen denn aus allen Weltgegenden die Raupen herbeigekrochen, die Wickler und die Spanner, die Stechfliegen halten ihre Lufttänze um sie her, die Gallwespen und die Schlupfwespen und die Afterwespen mauern ihre papiernen Häuser an sie an; die Blattläuse und Schildläuse mehren sich auf ihnen im Segen der Fruchtbarkeit wie der Sand am Meere, und die Beerenwanze und das Uferaas und die Wiesenschnacken thun sich gütlich; während die Werren und Heimchen am Wipfel zirpsen, und das wandelnde Blatt, oder der betende Weinhandel, als Commis voyageur, emsig nach Fraß im Gezweig umherlauft, kommen die Nashornkäfer, und die Roß-, und Mist- und Mondhornkäfer herangeschnurrt, und die Pillenkäfer wälzen unter ihnen ihre Ballen, Molch und Kröte und Pipa schlagen am Fuß ihr Lager auf; die Schnirkelschnecke steigt bedächtig auf und nieder, und Ohrenschlüpfer und Kelleresel und Schaben sitzen in allen Sprüngen in der Rinde. Der Zuspruch solcher unbequemen Gäste scheint nun ein endemisches Uebel dort zu Lande zu seyn; in der Reformationszeit hat es gleichfalls stark grassirt, und jetzt ist es neuerdings dort ausgebrochen. Wie aber bei den Aegyptiern die Priester des Gottes in die Thierlarve desselben sich gehüllt, so sind hinter diesen Insekten Larven menschlicher Angesichter verborgen. Die nun alle haben in ihrem thierischen Instincte eine Passion gegen alles Katholische gefaßt; halten sich berufen, in ihren Schwärmen es mit Stumpf und Stiele auszurotten, und haben darauf all ihr Studium gerichtet. Ihre Väter hatten noch bei Kotzebue die Moral gehört, bei Krug an den Knochen der Philosophie genagt, im Conversationslexicon sich Kenntniß von allen Dingen in der Welt zum Hausgebrauche angeschafft, im Nachlasse Godscheds die schönen Künste einigermaßen excerzirt, im Nicolai den Jesuitenhaß scharf geschliffen, und in 24 Auflagen der Stunden der Andacht Gott mit ihren Gebeten zu drangsaliren und langzuweilen sich bemüht, damit er die lästige Ceremonie endlich abzuschaffen geruhen möge. Diese ihre anjetzt blühenden Söhne aber haben, da serenissimus allzulange mit dem Entscheid gezögert, selber brevi manu alle diese Possen abgeschafft, und sich nur vorbehalten, alljährlich bei heiterem Mahle ihr Credo festzustellen. Sie sind dabei musicalisch; mit den Hinterfüssen wird nur ein seitwärts hervorstehendes trockenes Blättchen sanft angestrichen, daß es leicht vibrirt; dann gehen in dem süßen Schwirren, das nun entsteht, alle Tonarten der Welt zusammen: Religion, Moral und Weltweisheit und Kunst, sie fließen alle in einen Universalschleim auseinander, in dem der Produzent, ein Gott, sich selbst beschmaußt; und so ist diese Jugend zur Weltüberwinderin angewachsen. Ihnen haben die Winde nun vom Rheine her ein Klingen und ein Singen und das Glockenläuten zugetragen, das sie nun einmal von Natur aus nicht leiden mögen; und das hat sie, in dieser ihrer so absonderlichen Natur aufs heftigste erschüttert; und sie haben sich vorgenommen, dem Unwesen ein für allemal ein Ende zu machen. Gattung vor Gattung und Art vor Art sind sie daher in große Züge zusammengetreten; des Willens, die Rheinlande zu überziehen und nach ihrer Art einmal recht zu hausen, und nicht grünend Kraut noch Gras, noch das Laub auf den Bäumen zurückzulassen. Das ist der Anfang der Geschichte gewesen, und des feinen Jahrmarkts am Contrapunkte von Trier aufgethan; wir werden nun den fernern Verlauf und das Ende auch berichten müssen.

Jedem Heere muß ein Heereszeichen vorangehen, und man schaute mit einiger Verlegenheit nach einem Tauglichen sich um. Dem Bedürfniß kam ein verunglückter Theolog entgegen. Er überschaute seinen Vorrath theologischer Gemeinplätze, wählte nach Bedürfniß Paßliches und Unpaßliches aus, und band Alles in eine stroherne Epistel (um abermal mit Luther zu reden) zusammen, die er durch die vaterländischen Blätter dem Bischof von Trier zusandte. Er gebrauchte sich des Ausdrucks: der Rock gehört dem Henker! also zum Henker den Rock! das war das längst gesuchte Zeichen; Einer, der sich einen katholischen Priester nannte, hatte dies dem der Kirche gegenüber aufgeworfen; keine glücklichere Conjunction siegweissagender Zeichen konnte gefunden werden, sie wurde mit Jubel und Entzücken aufgenommen. Der Henker ist nur die Kraft, die das Schwert schwingt, oder das theilende Messer führt; dem Henker den Rock, heißt daher auch: er werde von dem theilenden Messer zerschnitten! dies trennende, mit scharfer Schneide lösende Messer ist also zum Feldzeichen aufgeworfen, während die rheinischen Völker die gottgewebte Einheit zum Ihrigen gemacht. In der That sind auch beide Zeichen die schicklichsten Ausdrücke für die Sache, über die es sich in diesem Streite handelt. Soll nämlich in religiöser Einheit auch die politische, sittliche, wissenschaftliche und ästhetische Einheit fortan in Deutschland herrschen; oder mit der fundamentalen Zwietracht auch der Riß durch alle Gebiete klaffend alles in wilde Anarchie auflösen? das ist die Frage, die sich aufgeworfen. Die also gegen die Einheit das Schwert gezogen, müssen die Klinge auch auf ihrem Labarum aufstecken. Unter diesem Zeichen sind die Bilderstürmer des Orients gezogen; die Hugenotten haben unter ihm Frankreich durchwüthet; bis nach Island hinauf haben glaubensverwandte Stürmer die Erinnerungen der Völker an ihre alte Zeit, und die Denkmale, an die sie geknüpft erschienen, vernichtet und zerstört. Als im Jahre 1566 die Gheusen in Belgien mit den Colignys in Frankreich gemeine Sache gemacht, da war unter einem solchen Panniere in Niederflandern das Unwetter losgebrochen. Ein Haufen Fanatiker mit Prügeln, Aexten, Hämmern und Stricken, nur wenige mit Schwertern bewaffnet, hatte in der Gegend von St. Omer sich erhoben; durch die Kirchen war das Unwetter durchgebraust, alle Gegenstände, die bisher dem Volke ehrwürdig gewesen, niederwerfend. In Ypern öffneten die Gleichgesinnten den Ziehenden die Thore; auch hier ließ die Zerstörung nur Ruinen übrig; einer anschwellenden Lavine gleich war das Verderben dann über Menin, Comines, Vervich gegen Lille gewandert. Ueberall hatten, wo das Unwetter hergezogen, die Magistrate sich versteckt und verborgen; nur die von Seclin bewaffneten sich, schlugen die Räuber von ihren Gränzen und versprengten sie in die Sümpfe. Aber die Massen des Aufstandes durchrasten indessen Belgien, und immer wachsend in Verwegenheit, je weniger Widerstand sie auf ihren Wegen gefunden, waren sie endlich vor den Thoren Antwerpens angelangt. Hier wurde nun in der Cathedrale, die große Jubelmette des Festes aufgeführt; am 21. August hat, nachdem an den vorhergehenden Tagen seine Vigilien sich gefeiert, unter dem Rufe: es leben die Gheusen! die Feier damit angefangen, daß das Bild der Jungfrau höhnisch aufgefordert wurde, in diesen Ruf einzustimmen; da dies natürlich unterblieb, wurde ein Psalm Davids bei verschlossenen Thüren angestimmt; und nun während die liederlichen Weiber, die dem Zuge sich angeschlossen, mit den Kerzen der Altäre dazu leuchteten, das Bild der Jungfrau zuerst, dann die andern Bilder mit Aexten zerschlagen; das alte große Crucifix in Mitte des Chores niedergerissen, und nur die Bilder der beiden Mörder verschont; die Hostien wurden unter die Füße getreten, mit dem geweihten Oele die Schuhe geschmiert; siebenzig Altäre mit ihren gemalten Bildern zerstört, die Grabmäler erbrochen und ausgeraubt. Das Alles wurde binnen vier Stunden, vom Einbruche der Dunkelheit bis Mitternacht, von verhältnismäßig wenig Menschen ausgeführt; die, nachdem sie damit glücklich zu Stand gekommen, in die Ueberreste der Stadt sich vertheilten, und mit den andern Kirchen und Klöstern in gleicher Weise verfuhren. Als die Buben das Alles vollbracht, und drei Tage lang jeden Gräuel in der volkreichen Stadt am hellen Tage geübt, hatte sich keiner von den Bürgern blicken lassen; alle Katholische, wie die, welche zur neuen Lehre hielten, hatten in ihre Häuser sich verschlossen; durch den Schrecken gelähmt, ihre Kirchen und Heiligthümer, wie von einem unabwendbaren Schicksal getroffen, dem Untergange verfallen geglaubt, und nur das Ihrige zu schützen gesucht. Als aber nach dreien Tagen die Wuth auch am Privateigenthum sich auszulassen Lust bezeugte, und aus ihrem Versteck hervor die sich Bergenden die geringe Zahl der Wüther wahrgenommen; da waren sie endlich bewaffnet aus ihren Winkeln hervorgegangen, und hatten die Thore ihrer Stadt beschlossen, eines nur zum Entrinnen offen lassend; durch welches dann der rabiate Haufen entwich, um draußen sein Zerstörungswerk fortzusetzen; denen innerhalb den Schaden und die Scham, sich feig einer Hand voll tollen Gesindels preisgegeben zu haben, zurücklassend. Es ist die Art des zerstörenden Fanatismus, bei seinem Erscheinen wie mit Choleraschrecken die Menschen zu schlagen; daß sie, statt dem Gespenst mit ruhiger Fassung entgegenzutreten, und es schon durch die bloße Besonnenheit zu zerstreuen, sogleich alle Haltung verlierend, sich vor ihm verkriechen und es schalten lassen nach seinem Wohlgefallen. In solchen Gelegenheiten aber ist Jeder auf sich selbst und Alle aneinander angewiesen; bei der Heftigkeit des Uebels kann, selbst beim besten Willen, die Regierung nicht hilfreich seyn; Jeder für sich und Alle insgemein müssen auf sich selber sehen; haben sie wie Memmen sich gehalten, wird ihnen auch Memmensold, den zehn Jahre später auch die Wuth der Spanier denen von Antwerpen ausgezahlt. Sieben und zwanzig Jahre lang ist die Rache durchs übrige Land gegangen, blutige Sühne für den Frevel einfordernd von denen, die ihn geübt und von den Andern, die ihn gehegt, wie von denen, die ihn geduldet haben. An Lust, Aehnliches zu versuchen, mögte es auch jetzt nicht fehlen. Aber die Zeiten sind nicht mehr recht darnach; nachdem eine Revolution hinter uns, sind alle Zeichen zu bedenklich; es will nichts mehr gelingen, und die jüngste Heerfahrt der Gebrüder Schweizer ist zum Erschrecken niederträchtig abgelaufen. Also müssen wir uns schon entschließen, den no popory Kitzel in Effigie auszulassen. Die Rheinländer, als sie das Zeichen aufwerfen sahen, haben einen Augenblick aufgemerkt; sie haben mit gutem Augenmaaße ihre Leute gemessen, und jede ernstliche Besorgniß bald sich ausgeschlagen. Sie haben sich selber zugesprochen: da wir klug bei Sinnen geblieben, so laßt uns die Thoren vertragen! und haben nun fortan Verachtung im Auge, und Spott um die Mundwinkel spielend, dem weitern Tanze der Gimpel um die Simpel zugesehen. Solche Haltung ist erquicklich gewesen; denn hätten auch sie zu rasen angefangen, wer würde die Ehre des deutschen Namens retten, und wer könnte aufsehen, wenn er an den Bänken vorüberginge, auf denen die Spötter bei den andern Völkern sitzen?

Das Zeichen war gefunden, und so glücklich war der Wurf, daß mit ihm auch der Führer der Freischaar gegeben war. Wer konnte das anders seyn, als der, welcher zuerst das Panner aufgeworfen; wie mußte es die Gegner mit Schrecken schlagen, sahen sie Einen der Ihrigen erhöht sich gegenüber kämpfen! Die unvergleichliche Kriegslist wurde sofort ausgeführt. Die Franken, ehe sie über den Rhein gegangen, haben den Pharamund auf dem Schilde zum Könige über sich erhoben. Den Schild hatten diesmal die von Thorn in Pfefferkuchen-Teig geliefert; ihm wurde dann der Helm des Mambrin aufgesetzt, ein rother Mantel ihm angelegt, die Schürze mit den Emblemen ihm vorgebunden, und er dann auf ein stattliches Kriegsroß hinaufgehoben. Als der General Laudon im Türkenkriege Belgrad weggenommen, da hat eine solche Begeisterung die Wiener Bürgerschaft übernommen, daß als die blasenden Postillone mit der Siegesbotschaft eingeritten, sie einen Mauthbeamten Namens Laudon ergriffen, und ihn auf ihren Schultern im größten Jubel dem Zuge vorangetragen. So jetzt hier. Von den Zeitungsschreibern banden die Einen sich Trommeln an, die Andern stellten die blasenden Postillone mit hohlen Händen vor, und sie trommelten und bliesen ihr Ecce homo! und der Charivari verkündete, der Marschall vorwärts sey gefunden. Die Dickteufel und die Dünnteufel verführten großen Lärm, und verkündeten: Alle, die seines Zeichens seyen, sollten zur Fahnenweihe auf den roncalischen Feldern sich versammeln. Die Deputationen fanden sich von allen Seiten ein, sie umgaben den neuen Feldherrn im Kreise; er von kleiner Statur, ragte noch immer um eines Kopfes Länge über alle Umstehenden hinaus. Sie kreuzten vor ihm die Hände auf der Brust, ihr Salem Aleikum mit Discretion leise aussprechend; sie neigten sich vor ihm, und machten ihre Kniebeugungen ohne alle Gewissensbisse, und nannten ihn immerfort mit ungeheucheltem Respecte Euer Hochwürden! und edler katholischer Priester! würdiger Gottesmann! Die Sache war sehr rührend. Neisse, die Stadt, die der Jugend des Propheten sich gefreut, nimmt zuerst, mit später nicht mehr erreichter Beredsamkeit, das Wort. »Männer,« sagte sie, »die den hehren Geist unserer so ernsten Zeit mit Inbrunst erfassen; Männer, die sich nicht scheuen, mit einem zur That gewordenen, nur für das Gute eisernen Willen, jenem finstern, uns zu umnachten strebenden Thun und Treiben frei und deutsch entgegenzutreten; solche Männer haben Anspruch auf die Anerkennung und den Dank gleichgesinnter Zeitgenossen. Wir haben Ihr Urtheil über den heil. Rock zu Trier in den vaterländischen Blättern gelesen, und begrüßen in Ihnen, Hochwürdiger Herr! nicht allein einen Vertreter unserer Denkungsart, sondern wir erkennen auch in Ihnen einen kräftigen Gewahrsamer, einen muthigen Vertheidiger der Interessen des gesammten deutschen Volkes. Es wird nicht fehlen, daß man Sie mit allerlei Waffen, auch der eulenhaften Anonymität und der frechen Lüge angreifen wird; nichts destoweniger aber lassen Sie Ihren Feuereifer, nur für das Gute erglühend, nicht erkalten; sondern fahren Sie fort, der großen Zeit, die lichtvoll einbricht, das Wort zu reden, und bleiben Sie so der guten Sache Freund, wie wir es Ihnen, Hochwürdiger Herr! sind und bleiben in Ewigkeit Amen!« Die von der Katzbach lassen sich vernehmen: »Ronge, Du ein wahrhaft deutscher Mann, ein wahrhaft christlicher Geistlicher, hast öffentlich Zeugniß abgelegt, daß der Geist Christi in der katholischen Kirche Schlesiens noch nicht erstorben. Dein Brief ist ein Aktenstück von unschätzbarem Werthe; jede Gemeinde wird es als ein theueres Vermächtniß auf die Nachwelt vererben; zum Zeugniß, daß ein schlesischer Geistlicher im Jahre 1844 Geist und Muth genug besaß, öffentlich die Wahrheit zu reden, und dem deutschen Volke die Augen zu öffnen. Ein solches Wort in solcher Zeit erquickt wahrhaft die Herzen, und es bringt zugleich den köstlichen Gewinn, daß es alle jene Falschmünzer hervorjagt aus ihrem Versteck; daß es alle diejenigen ans Licht stellt, welche ohne deutsche Gesinnung nur Verrath üben an dem theuern Vaterlande, von dem sie doch mit Liebe ernährt werden! Darum ist Dein Wort in kurzer Zeit hindurchgedrungen durch alle deutsche Gauen, von der Oder bis zum Rheine, wo es einschlagen sollte mit der Macht seiner Wahrheit. Tausende deutscher Bürger nennen begeistert den Namen Johannes Ronge, zur Zeit den Tapfersten unter den Streitern gegen die finstere Macht hierarchischer Tyrannei; Tausende reichen ihm die Bruderhand.« (Vaterl.-Bl. 26. Nov.) Darauf ließ die Deputation der Gegend von Löben, Ebersbach, Reichenbach etwas weitläufig, aber im Wesentlichen also sich vernehmen: In einer Zeit, wie die unsrige, wo die Bannerträger der Finsterniß, ermuthigt durch mancherlei betrübende Umstände, – immer dichtere Nebel zu verbreiten trachten über die ewigen Wahrheiten der Religion; wo man von einer gewissen Seite her den Blick der Menge immer geflissentlicher umdüstert mit dem Qualm der Lüge und der Finsterniß des Aberglaubens; in einer solchen Zeit ist es erhebend, dem allgemeinen Unwillen des deutschen Volkes über das unwürdige Gaukelspiel in Trier Worte geliehen zu sehen. Sie haben, würdiger Mann! ein solches Wort gesprochen; Sie haben es zugerufen den Finsterlingen, dem Bischof Arnoldi von Trier. Sonder Furcht und Scheu haben Sie, mit männlichem und kräftigem Wort, in unserm Sachsenland das Schwert der Wahrheit geführt als wackerer Mann, als muthiger Deutscher, als ein wahrhafter Priester Gottes. Mit heiligem Glutheifer haben Sie die Lüge offenkundig gemacht. Sie haben nicht der Dornen auf Ihrer Bahn geachtet; um so mehr wird dankbare Anerkennung aller, die mit Ihnen über jenes unwürdige Götzenfest in Trier sympathisiren, als freundliches Gestirn zu Ihnen hinüberstrahlend Ihre Wege erhellen. Auch die Unterzeichneten wollten Ihnen, als dem würdigen Sohne Deutschlands, eine Blume flechten in den Kranz der Anerkennung derjenigen Deutschen u. s. w. Die Judenschaft von Görlitz im Geleite von Protestanten und einigen so zu sagen Katholischen, that nun, fünfzig Thaler überbringend, einen Fußfall vor dem Herren Obercommandanten, bittend: Sie mögten doch ihnen den Rock erobern. Er habe ja doch, wie klärlich schwarz auf weiß in einem alten Buch zu lesen, einem Hebräer eigenthümlich angehört, dem er unversehens ins Meer gefallen Sie erbieten sich alsdann, auf Actien ihm eine eigene Wallfahrt, zum vaterländischen Vortheil, in Schlesien einzurichten, gleich der projectirten protestantisch-katholischen zum heil. Adalbert. – Alle guten Städte Schlesiens haben darauf der Reihe nach ihr Wort gethan; erhalten den Segen, und eilen nach Hause, um noch einmal ganz Schlesien zu einer Gesammtadresse aufzufordern.

Die Deputationen sächsischer Städte werden nun zugelassen; ihnen Allen voran die der Hauptstadt des Landes, welches sich rühmt, das Wiegenland der Reformation zu seyn, von Dresden nämlich; nicht von 745 sondern von 770 Theilnehmern unterschrieben. Der Ueberbringer geht, um glatt aufzutreten, in gläsernen Pantoffeln einher. Mit dreifachem, entschiedenstem Muthe hat er zuvor sich angeladen; der Parthei gegenüber, welche die nach Lichte sich sehnende Menschennatur mit Finsterniß umnachtete, und das nach Freiheit sich sehnende Ebenbild Gottes in Fesseln schlagen will. Sein ganzer Leichnam ist nun mit diesem Muth erfüllt, und das Glas unter den Füßen gestattet dem Zugepfropften keinen Ausgang. Man kann ihm daher mit genahtem Finger leicht aus der Nasenspitze, dem Ohrläppchen oder sonst wo immer einen Feuerballen entlocken; und er versucht durch die gesträubten Haare ganz heimlich zu entrinnen. Aus Licht, und Tag und Aufklärung und Freiheit, und daneben aus Finsterniß und Nacht, Glaubens- und Gewissenstyrannei ist sein Wort christlich, deutscher Gesinnung gewebt; es weint eine Thräne an der Urne Ellendorfs, der auf dem Schlachtfelde der Ehre gefallen; grüßt aber seinen Nachfolger als den freisinnigen und freimüthigen Priester deutscher Katholiken; der von heiligem Unwillen gegen die Finsterlinge entbrannt, jenes Wort an den fünfunddreißigsten Theil des deutschen Volks gerichtet, der zum Götzenfeste nach Trier gezogen. Wie ein lauter Donner der Wahrheit ist dies Wort über Deutschland bis nach Frankreich und nach England gerollt, und hat gerufen: die Nacht ist vergangen, der Tag aber nahe herangekommen! Wo Luther, vier Tage vor seinem Tode noch mit scharfen Worten vom Herrgottsrocke redend, abgelassen, hat der Reformator des 19. Jahrhunderts angefangen; die Geschichte hat den Griffel schon in die Hand genommen, und wird ihn der Nachwelt, als den zweiten Luther, den Bischof Arnoldi von Trier den andern Tetzel nennen. (D.A. Zeit. 1845. Nr. 2.) Leipzig ruft triumphirend aus: Dein Wort hat getroffen, gezündet, niedergeschmettert, und die Niederlage drüben im Lager war vollständig, großer Mann, du hast Arnoldi, hast ganz Trier widerlegt! – Dein Wort steht so lang, bis ihr es widerlegt habt. (Vaterl. Bl. 24. Nov.) Kein Zeitungsartikel, läßt Weimar entbieten, hat seit Jahren die Welt so in Bewegung gebracht, als der Absagebrief; es herrscht eine wahre Wuth und ein eifersüchtiges Verlangen ihn zu lesen; und der Name dessen, der ihn geschrieben, steht in der Welt- und Kirchengeschichte für ewige Zeiten verzeichnet. Ein übereifriger Katholik aus Leipzig fährt in den Vaterlandsblättern (3. Dez.) todesmuthig und eines vollen, entrüsteten Herzens die rockfahrende Sippschaft und die Finsterlinge an: Nein, ihr Lügenpriester, aus unserer Mitte ist der Mann, der Euch entlarvt, der Euch vernichtet hat, und das ist unser Stolz und unsere Freude; es ist der gesunde Menschenverstand, die Bildung der Zeit, das Licht und die Wahrheit, die ihr lästert, und die Euch nun zermalmt. Die Hoffnungen des Ultramontanismus, fällt eine andere Stimme ein, waren zu hochfahrend, seine Zuversicht war allzu stark, darum verliert er jetzt sein Spiel. – Eine dritte bietet die geringe Summe von 55 Thalern als eine schwache Erkenntlichkeit für die edle Wärme und den Freimuth dar, mit der Seine Hochwürden furcht- und rückhaltlos gegen den Aberglauben zu Feld gezogen; giebt aber Hoffnung zu andern Tausend, die man in Saarbrücken gesammelt. Annaberg kömmt nun klagbar ein: man habe ihm zwei jesuitische Heilige auf den Altar gesetzt; der Abdruck eines alten Jesuitensiegels, auf frischem Papiere von kunstgeübter Hand aufgepappt, wird vorgelegt, dem zur Urkunde, daß man die öffentlichen Acte damit zu besiegeln wage. Das Ministerium hat zwar die klagbare Stadt weitläufig beruhigt, sie empfindet aber fortdauernd Gewissensbisse. Von Eisenach läuft Beschwerde ein: wie der 40 Menschen fassende Betsaal am Geburtstage Luthers habe eingeweiht werden sollen; welchem unerhörten Frevel jedoch noch in Zeiten von der Behörde gewehrt worden. Von Berlin kömmt nun ein Brausegeist, aus Flügeln des Windes herangefahren. Ein Wetterstrahl, also pustet der Püsterich, ist aus den schlesischen Bergen gegen den in dicken Dunst eingehüllten Rock in Trier gefahren. Der Strahl hat eingeschlagen und gezündet, und weithin rollt noch im tausendfachen Echo der zürnende Donner, welchen er erzeugte. – Alle Anwesenden bezeugten ihren innigen Beifall für diese sonore Wirbelphrase mit donnerndem Klatschen. Zwei andere Deputationen der intelligenten Stadt, die schon unterwegs seyen, werden darauf angekündigt; die eine ordinärer Queckenabsud, die andere Großfraktur auf Purpurpergament. Auch die Stadtverordneten wollen dem Vernehmen nach zu Ronge wallfahrten; Frauen und Jungfrauen, auch vom herrschenden Pipps ergriffen, rüsten sich, die Fahrt anzutreten. Feierlichen Schrittes treten nun die von Danzig vor, ihren Eingang ordnend nach den Endworten: der Mönch Luther, Hierarchie, der Ablaßkrämer Tetzel, neue Aera, Freunde der Finsterniß, das neue Licht, setzten sie dem hochwürdigen Herrn auseinander, wie die Herzen aller Lichtfreunde ihm entgegenschlügen, die alle die Kränkungen, welche seine Feinde ihm bereiteten, frohen Muthes ihm tragen hülfen; die ganze Mitwelt jauchze ihm freudig zu, und auch die späte Nachwelt werde sein Andenken, als das eines Mannes, der ohne Menschenfurcht der heiligen Sache Gottes, der Wahrheit diente, im dankbaren Herzen bewahren werde. Sie schloßen mit den Worten: Gestatten Sie, hochwürdiger Herr! auch uns, die wir ferne von Ihnen leben, Ihnen im Namen aller Freunde des Lichts den herzinnigsten Dank für den Dienst auszusprechen, den Sie diesem Palladium der Menschheit, durch Ihr freies und kühnes Auftreten, gegen jene hierarchische Schaustellung zu Trier geleistet haben. Möge der Allmächtige Sie in seinen Schutz nehmen, und seine Hand immer segnend auf Ihnen ruhen! – Zwischendurch kommt ein Sang von der Spree dahergeschritten, ihn ansingend: Auf die Walhalla verzichte, doch in den Hallen der Geschichte, bei Huß und Luther sollst Du stehen! – Oesterreich hat durch drei Deputirte sich vertreten lassen. Der erste, protestantischer Confession, hat nur kurz die beredten Worte gerühmt, mit denen der Brief gegen den Götzendienst geeifert, und die Ueberzeugung von Millionen ausgesprochen. Der zweite, ein Wiener Bürger, aus dem Stock im Eisen herausgeschnitzt, der aber bei den Ligorianern nicht zur Beichte geht. Er verneigt sich blöde vor den vielen versammelten Herren Protestanten; bittet um Erlaubniß, die eigenthümliche Religiosität der Oesterreicher zu rechtfertigen, weil die Ehre seines Vaterlandes ihm am Herzen liege; wobei er jedoch Herrn Ronge an Beredtsamkeit lange nicht beikomme. Es sey nämlich ein großes Unrecht, wenn man seine Landsleute bigott und blindgläubig nenne; sie seyen vielmehr allesammt von Scham und Ingrimm über den Götzendienst erfüllt, und schämten sich mit den Rheinländern zu einer Confession zu gehören; und einen Kaufmann, seiner Bekanntschaft wisse er, der deßwegen nicht auf die Michaelimesse nach Leipzig gehen wolle, der Sticheleien wegen. Uebrigens seyen die Leute bei ihm zu Lande der Meinung gewesen, in Berlin sey der Rock ausgestellt worden, und hätten sich groß gewundert, daß die Herren Protestanten noch so abergläubisch seyen. Ihre Geistlichkeit sey auch sehr aufgeklärt, und halte der rheinischen ganz und gar nicht zu; Keiner habe etwas gethan, aber Viele hätten einen innerlichen Aerger gehabt über das gottlose Spiel am Rheine. Uebrigens hätten sie Reliquien die Hülle und Fülle in Oesterreich, viel mehr als draußen im Reiche; und könnten, wenn sie wollten, ganz andere Schauspiele der Art aufführen. (Herold Nro. 9). Nach diesem Piaristen-Beichtkind von der großen Heerstraße, nimmt der dritte, ein Tyroler, wahrscheinlich ein murmurirender Beamter das Wort. Der hat ganz andere Dinge, als den Trierischen Vernunft- wie Religionsfrevel anzuklagen. Es ist ein unwürdiges Gaukelspiel, der Menge einen alten Rock zur Anbetung auszusetzen; aber noch empörender, einen Menschen zur willenlosen Maschine, zur Drahtpuppe herabzuwürdigen, und sie zu einer katholischen Pythia zu machen, deren Schmerzensschrei die Weissagungen vertritt, und dem wissenden und unwissenden Volke zu sagen: Geh hin und bete sie an! Es ist eine empörende Lästerung der Heiligkeit der Menschennatur und ein Verbrechen an Gott, ein sinnloses menschliches Geschöpf auf seinen Altar zu stellen. Und dieses Verbrechens klage ich Euch an, ihr Männer des Priesterthums, ihr Mönche von Südtyrol. – Der Mann will sagen: die Franziskaner in Caldern hätten eine Töchterschule angelegt, worin Deutschlands Fräulein edler Herkunft zur Ecstase abgerichtet würden, um sie dann zur Anbetung auszustellen; natürlich nicht Ecstase und Anbetung romantisch genommen, was höchst löblich von den Franziskanern wäre; sondern religiös, was allerdings gottlos seyn, und ein Dreinsehen der deutschen Mütter nöthig machen würde. Der Laie aus Tyrol bittet zuletzt seinem Worte, gesprochen im armen Lande, das nun ein Sitz finsteren Aberglaubens und giftigen Jesuitenthums geworden, nur den tausendsten Theil des Anklangs zuzuwenden, den die freie, muthige Rede des Briefs gefunden. Eile mit Weile, entrüsteter Freund! verschließe deinen Zorn noch um ein kleines in deines allzu raschen Herzens Schrein; es wird sich Alles geben, kömmt Zeit, kömmt Rath. Nach diesem Melancholicus kommen dann die Sprecher der Käufer der ersten Auflage von Muscatblüth Heines Gedichten herangetrabt, versichernd: der Absagebrief habe bei ihren Committenten wie überall, ein großes Interesse erregt; die vernünftigen Katholiken sowohl als die Protestanten hätten darin den Ausdruck des Unwillens über das Treiben der ultramontanen Partei erblickt; und überreichten demgemäß einen kostbaren Pokal und zwei goldene Medaillen. Auf das Wort: ein großes Interesse, das der Brief geweckt, fiel der Chorus aller übrigen Anwesenden mit seinen Variationen ein. Der aus Calar rief: Ja tiefen Eindruck hat er gemacht! allerdings großes Aussehen, trat der aus Lahr bei; der von Creuzenach große Sensation! Teschen tiefe Sensation! aus Lahr lebhaft freudige Sensation! vom Rheine enorme Sensation! von Weimar ungemeines Aufsehen! Berlin unerhörtes Aufsehen! den Bürgerstand hat er electrisirt; nicht das mindeste Aergerniß hat er gegeben, ein schönes Zeichen brüderlicher Eintracht und Liebe, fallen die von Wiesbaden ein. All diese strömende Beredtsamkeit wird mit tiefem Schweigen aufgenommen; nachdem der Chorus aber ausgeredet, beurlauben sich Alle, sagend: sie müßten zur Stunde nach Schneidemühl eilen, um dem dort ausgebrochenen reinen Christenthume gleichfalls eine Folge von Adressen zu überreichen. Die Stadt Neisse hat unzweifelhaft in diesem Wettkampfe guter Städte um den Vorzug in der Rhetorik, den ersten Preis davon getragen; und ist demgemäß zum Historiographen des Bundes befördert worden; doch droht ihr in der noch zu erwartenden zweiten Adresse von Berlin starke Concurrenz. Auch Dresden hat in der körnigen und gediegenen Beredtsamkeit Erkleckliches geleistet; die von der Katzbach sind nicht zurückgeblieben, Danzig hat sich gut gehalten; selbst die aus Lithauen haben sich, ihrem kalten Clima zu Trotze, warm begeistert gezeigt. Sie alle theilen sich in's Accessit; aber man findet sich in peinlicher Verlegenheit, nur Einem die wohlverdiente Palme zu versagen. – Die Rheinländer ihrerseits haben die Sache sich von ferne angesehen, und sind nun freilich zur Einsicht gelangt, was sie mit ihrem unvernünftigen Reißlaufen nach Trier angerichtet. Haben nämlich alle diese Redner nicht aufs unverschämteste gelogen; dann ist die solide, ehrenfeste und ernsthafte Genossenschaft ihrer Committenten complett verrückt geworden, und nicht ferner mehr bei Troste. Die Rheinländer machen eine gute Miene zu bösem Spiel; der Ausgang ist ihnen bedauerlich, aber die rhetorische Exposition befremdet sie nun nicht weiter. In ihrem Calender steht aller Heiligen Feier und Tag aller Seelen; warum, sagen sie, sollte nicht auch aller Narren Tag einmal aufgehen, und die armen Tröpfe auch ihrerseits eine kleine Recreation feiern. Begehen sie ja doch in Cöln und anderwärts zur eigenen Erquickung ihren Mummenschanz!

So hatten die Rheinländer die Sache sich zurechtgelegt, und wollten wieder an ihre Geschäfte gehen. Aber es kam ganz anders. Die rhetorischen Kammern hatten zum Aufbruche sich schon bereitet; da war ein mächtiger Redner ihnen in den Weg getreten, und hatte durch seine Beredtsamkeit zum längeren Verweilen sie bestimmt. Siegsgenossen, Freunde! ruft er in glühender Begeisterung aus; zur guten Stunde seyd ihr gekommen, um am Siegesmahle thränenreicher Jahrtausende, ihr die Glücklichen am Ziele, Theil zu nehmen. Wisset! der Ronge'sche Brief mit seiner unendlichen Literatur hat der römischen Curie die bängste Sorge gemacht, weil ihrer Herrschaft eine bedenkliche Crise naht; und sie hat, die Ultramontanen im Stiche lassend, alle Befehle zum Rückzug schon ertheilt. Aber kaum hat dieser Brief aufgehört, in Berlin in allen Klassen der Gesellschaft die Gemüther aufs heftigste zu bewegen; kaum sind die dröhnenden Schwingungen der streitenden Strömung, die er so laut heraufbeschworen, in größerem Kreise verhallt; als das Glaubensbekenntniß der Gemeinde von Schneidemühl, eine geistige Bombe mit ihrer ganzen inhaltschweren Wucht, mitten in die Aufregung hinein fällt, zerplatzt, und ihre leuchtenden Kugeln nach allen Seiten versendet. Der Brief gehörte nur einem einzelnen Katholiken an, der zum Anderen geredet; aber das Manifest von Schneidemühl, das mit rasender Schnelligkeit Berlin durcheilt, ist ein gewaltiges Ereigniß, der Absagebrief, den ein ganzes Volk seinem Fürsten schreibt; jener mag vergessen werden, dieser aber wird mit unauslöschbarer Schrift im Herzen der Ultramontanen brennen; er wird mit donnernder Stimme in Roms verwitterte Hallen rufen, daß die Zeiten nahen. Die Christenheit schuldet den Schneidemühlern eine Adresse voll männlichen Dankes dafür, daß sie die Wege der kühnsten Reform so festen Schritts betreten. Die katholische Christenheit wird nicht zögern, ihnen die Bruderhand zu reichen; thut sie es nicht offen, wird es in der Tiefe der Herzen um so ungeheuchelter geschehen. Aber mehr noch, meine Freunde, muß geschehen! laßt den panischen Schrecken uns benutzen, und zum Rheine, dem Sitze der Nacht und Finsterniß, uns ziehen! Laßt alle euere Committenten sich hier versammeln; ihr habt es selbst gesagt und es schwarz auf weiß mitgebracht, alle vernünftigen Katholiken sind mit uns; wie wir erscheinen, werden sie ihrem gepreßtem Herzen Luft machen, und um den hochwürdigen Herrn, der hier unter uns auf hohem Rosse hält, sich sammeln. Die Männer von Schneidemühl, die obgleich Polen, doch der deutsch katholischen Kirche angehören, sie werden mit uns ziehen; wir werden sie ihnen als die ersten Bekenner des reinen Christenthums vorstellen; sie werden ihnen in Masse zufallen, und so wollen wir gemeinsam ein Herz und eine Seele zu schönem Ziele ziehen. Die kühne Weissagung eines Lieblings der Musen wird sich dann erfüllen, und dieser Dom, den sie uns zum Hohn erbauen, wird sich in einen Stall verwandeln; die drei Könige mögen dann am Thurme vom Münster hangen, mit allen Andern, die sonst noch die schöne Aussicht lieben. Das Opfergeld aber wird verwendet werden, um die Höhle des Aberglaubens in Trier dem Boden gleich zu machen. Sprachs und pfiff und Alle, die schadhaft und preßhaft waren, kamen in hellen Haufen herangestürzt und wurden in die Freischaaren einrangirt. Das Gesetz und die Disciplin, wornach dabei verfahren wurde, es ist die Form, in der die Gustavadolphsschaaren sich gebildet haben, und die eine Stimme aus Norddeutschland (D. a. Z. Nr. 338) uns ausgelegt. Unsere Form, spricht Diese nämlich, ist keine Form, »denn die Formen veralten und zerbrechen und sind an sich todt, der Geist nur ist ewig und lebendig.« Der Geist ist also unsere Form, und zwar der Geist in ganzer Freiheit, denn die geringste Abweichung von dieser Freiheit regt schon Zwiespalt; keiner mag sich diese seine Freiheit verkümmern lassen; hält sie aber Allen zu, dann werden auch Alle ihr zuhalten. Denn der Geist steht über der Form, und wer den Geist zwängt, schmiedet Fesseln, die zerbrechen müssen, und greift mit thörigter Hand hemmend in das Rad des Weltenlaufs, in das Walten des Weltengeistes. Allerdings muß sich auf Erden der Geist in Formen gießen; aber das ist eben die Aufgabe der Weisheit und Liebe, dafür zu sorgen, daß dieser Geist so viel als möglich dem einzelnen Individuum überlassen bleibe. Das Princip und das Ziel sey Eins für Alle; aber der Weg bleibe Jedem frei, so lange er nicht ungerecht hemmend für Andere wird! In dieser Freiheit liegt das Ende alles Glaubenshasses, und der Anfang eines wahrhaft christlichen Lebens; daran wird sich die Macht der Ultramontanen brechen. Was soll uns der aufstachelnde Ruf, der von den Feinden des Protestantismus immer wieder erneuert wird, daß es uns an äußerer Einheit mangle, und womit sie glaubensschwache Gemüther zu sahen, und den Zankapfel in unsere Gemeinden zu schleudern suchen? Wir mögen sie nicht, die äußere Einheit, wenn sie nicht das Resultat der Freiheit und Liebe ist! Wir haben ein Höheres, das uns verbindet auf Leben und Tod, und das immer inniger vereint, je mehr es Leben und Wahrheit wird – Freiheit des Glaubens.« So wird also die Freischaar wie ein Chor englischer Heerschaaren am Hofe des Weltgeistes organisirt; er läßt ihnen in Princip und Zweck freie Wahl; um die Mittel, die zum Zwecke führen, hat er nicht drein zu reden; das wird die Liebe und die Freiheit ad libitum ausführen. Auch um die Leiber mit Zubehör hat das Evangelium sich nicht zu kümmern; es zählt mit Sicherheit darauf, der gemeinsame Haß gegen die Gegner werde die Auseinanderstrebenden schon zusammenhalten. Also die Freischaar kommandirt sich selber, der Führer aber reitet nur so zum Scheine mit; denn solche äußere Einheit, die nur Zwietracht säet, sie mögen sie nicht, wenn sie ihre Bravour zu beschränken sich unterfängt. Die Rheinländer haben auch diese Parole verkündigen hören, und ihr Antlitz hat denselben Ausdruck unverändert beibehalten.

 


 << zurück weiter >>