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Unter all diesem Reden und Gegenreden waren die Jesuiten, zur Verwunderung aller Welt, allein noch unbetheiligt geblieben. Allen Haß und Grimm, den man gegen die Kirche nicht zu bändigen weiß, hat man jeher gegen Diese abgeladen; und Allem, was man nicht direct gegen die Kirche und die Ihrigen auszulassen wagt, das befördert man unter Adresse der Jesuiten an die, welche es angehen mag. So sind die Ordensleute wie der, von dem sie den Namen angenommen, mit den Sünden und Schandthaten der ganzen Welt beladen; jeder Tropf, dem ein Topf zerbricht, trägt die Scherben hin zum Berge, der auf ihnen liegt; wer vorübergeht, speit seinen Zorn aus vor ihnen: sie haben Alles gethan, Alles verschuldet, aller Bosheit Abgrund hat in ihnen sich aufgethan, und angstvoll steht die Welt am Rande, die Hände ringend. Unterdessen dringt der Gletscher vor; wo eben noch grüne Matten gelacht, da ist am andern Morgen Alles mit Trümmern und Eisblöcken bedeckt. Ja, die Jesuitenmucken, sie schwärmen bei nächtlicher Weile und im Nebel der Zeit; unsere Naturforscher sollten wirklich auf ein Mittel sinnen, wie ihre Schwärme einzufangen und zu vertilgen seyn möchten. Gegen die Cholera hat man ja damal irgendwo in Ostpreußen doch guten Rath gefunden. Die rührte bekanntlich auch von einer Art kleinen, microscopisch fliegenden Geschmeißes her; das, tief an der Erde schwärmend, den Cordons durch die Beine schlüpfte, und alles Land hinter ihnen überzog. Da aber ist einer der Pfiffigen auf den klugen Einfall gekommen: er hat die Landmarken ganz niedrig mit scharlachrothem Tuche, um die Bestien anzulocken, umzogen, aber zuvor den Lockvogel mit Vogelleim eingesalbt; die Bestien sind darauf, wie das Mottengeschlecht auf die Flamme hingestürzt; aber die klebrigte Substanz hat sie, wider ihr Verhoffen, fest gehalten, und sie haben sich jämmerlich verzappelt. So war die Cholera mit dem besten Erfolge aus dem Feld geschlagen, und sie, eigentlich nur schmutzigem, unraffinirtem Volk bestimmt, konnte nach der Stadt der Intelligenz sich keine Wege bahnen. Könnte nicht auch die Jesuitenplage auf ähnliche Weise von Deutschland abgehalten werden? Anfangs hatte man bei dem Lärm am Rheine in der ersten Bestürzung nicht an sie gedacht; nun aber, da man erst ein wenig verschnauft, tauchen sie plötzlich auf, und man erstaunt, daß man sie nicht früher gerochen. Eine fistulirende Stentorstimme aus dem Odenwalde (L. A. Z. Nr. 291) ruft, zwei Tage nach dem Schluß der Fahrt: »Harroh den Jesuiten! Mit großer Thätigkeit arbeiten ihre Gesandten in unserer katholischen Bevölkerung, durch Sendlinge von Worms an den gegen Rhein und Neckar liegenden Bergen; in der Nähe des Mains und der Tauber durch Würzburger Einfluß. Man verbreitet die Schriften der Propaganda mit Hoffnungen, daß von Frankreich der Kirche Heil kommen werde; daß die Lasten der Einwohner, so bald sie erst unter den Krumstab heimgekehrt seyen, vermindert würden. Man vertheilt überall Abbildungen vom Herrgottsrocke, mit Ermahnungen, die Kinder, um sie vor Seuchen und Unfällen zu bewahren, in ähnlicher Weise zu kleiden. Wir wagen, das letzte Wort dieser Partei: ein Bürger- und Religionskrieg, eine Erneuerung des dreißigjährigen Krieges in Deutschland auszusprechen; das Lächeln der Ungläubigen bedauernd, die Protestationen der Scheinheiligen voraussehend. Wer hätte vor fünf Jahren noch an die Möglichkeit der Wallfahrtschwärme gedacht, worin jetzt hohe und niedere Geistliche, Standespersonen aller Art bezaubert fortgerissen werden? Dem Könige von Würtemberg darf man wohl in den Worten trauen, die er an Siegwart Müller richtete: Wollte Gott, alle Regenten erkennten es mit ihm, und träten furchtlos diesen gefährlichen Machinationen entgegen«! – Allerdings, wenn die unschuldigen Kinderchens, die armen Würmchens erst alle in Herrgottsröckelchen gekleidet sind; wenn sie in der Linken Lilienstengel tragend, in der Rechten aber wieder diese ihre Leibröckelchen, in Lebkuchen nachgebildet, als Schilde vorhalten, und nun geführt von der französischen Propaganda, und den Baccalaureen, Licentiaten und Doctoren der napoleonischen Universität, unter dem Kommando von Villemain, Aloysiuslieder singen: dann wird Sion in seinem Grund erzittern, und es wird damit bald zu Ende seyn. Der Mann, der aus dem Wald herausgerufen, ist tief entrüstet, das merkt man ihm wohl an; wie jener Schlaukopf von Athen den Löwen, so spielt er den Ritter von Rothenburg recht gut. Man hört die Zugbrücke zum Auszug auf dreißigjährige Fehde fallen; man hört die Pferde darüber trappeln, die Wagen knarren, die Trompeten schallen, Rosse wiehern, Sporen klirren, Schwerter schwirren; der Schlachtruf erschallt: Alles wie ganz natürlich bis zum Wiedereinzug hin. Aber die Naturforscher haben dem Spucke aufgelauert, und ihn auf frischer That ertappt. Es sind nichts als Vögel, die den Lärm anrichten: Hagelgänse, Rohrdommeln, Gabelgeier, Mäusefalken, Neuntödter, Adlereulen, die den Leuten auf den Kirchhöfen die Perücken stehlen, Leichtschnäbler, Wiedehopfe, Baumläufer, Wendehälse, Rabenäser, Elstern, Staare, Gimpeln, Mistfinken, unreinliche Seidenschwänze, Truthühner und Wasserhühner und wetzende Auerhahnen: die haben Alle in die Instrumente dieser Kapelle sich getheilt, und verführen den gräßlichen Spektakel. Wir haben dieß Kriegsgeschrei schon mehrmal vernommen; in künstlicher Bauchrednerei wird es, wie damal im Beginne des wirklichen dreißigjährigen Krieges den Jesuiten, also den Katholischen in den Mund gelegt; wenn wir aber zugesehen, dann waren es einige Pfarrer neuesten Wurfes, die für ihre Nachkommenschaft Sorge trugen; einige Leipziger Schachtelmagister, denen von ihren drückenden Correcturgeschäften etwelche müßige Stunden übrig geblieben; einige rationalistische Kleienmüller, die das ausbleibende Wasser auf der Mühle kläglich anschluchzte; Irrwische vom Helikon, die zu keiner Consistenz zu kommen vermochten. Die saßen oben im Gezweige des Baumes, und bliesen ihre Kriegslieder auf eingekerbten Lauchblättern; nicht die Katze im Aschenheerde wurde davon aufgeschreckt. Im Cölner Streite haben wir wohl auch vernommen: was solle die Regierung von den Pfaffen sich länger placken und eintreiben lassen, sie gebiete ja über dreimalhunderttausend Mann; die solle sie aufbieten, dann werde die Sache ein schnelles Ende nehmen. Eine Flotte wird ausgerüstet, damit segelt man federleicht über die Alpen hin; eine Stereotypausgabe von Nicolai wird angefertigt, damit das Heer das verruchte, ultramontane Volk von Grund aus kennen lerne; eine Hausapotheke von Gegengiften wird mit eingeschifft: dann ist's ein Leichtes, Rom hinwegzunehmen; auf dem Capitol wird die früher schon ausgesteckte Burg dann nach der neuen Methode befestigt, und mit dem nöthigen Geschütz versehen; auf ewige Zeiten kann man damit den Vatican in Respect erhalten. Inzwischen das Heer blieb auf dem Friedensfuße, Rom aber nach wie vor unbehelligt.

Wo eine Kirche gebaut wird, baut der böse Feind darneben seine Sacristei; wo eine Wallfahrt eingerichtet wird, ist er als frommer Pilger auch dabei. So hat er denn auch jetzt den Muschelhut aufgesetzt und den Pilgerstab zur Hand genommen, und Reinecke ist unter der Form der Polemik mitgewandert. Wo die Züge hingegangen, haben sie den Maulwurf unter ihren Füßen klopfen und scharren hören; von den Bäumen hat er ihnen spottend zugerufen; oben in den Lüften ist er wie ein Flug stymphalischer Vögel hingezogen, die, wo die Pilgernden einen Augenblick geweilt, mit ihrem Unrath sie besudelt. Wo der Vater der Lüge weilt, dort ist seine Brut nimmer fern; sie folgen ihm wie die Küchlein der Mutter, die sie ausgebrütet. Das war nun, wie wir gesehen, eine erwünschte Gelegenheit, neuerdings den Brutofen anzusetzen, und in Masse sind die unschuldigen Geschöpfe herausgeschlüpft, und allen Leuten unter die Beine gelaufen. Wir haben schon sonst und von lange her eine große Uebung im Betreiben dieser Art von Industrie und künstlicher Vermehrung uns erworben; nur ein Paar armer Lügenworte hat es von je bedurft zum Einsatz, und sie haben sich unter unsern geschickten Händen wie die Blattläuse gemehrt; so daß sie, ehe der Abend herbeigekommen, von Enkeln im zwölften Geschlechte sich umgeben gefunden. Jetzt aber hat es mehr wie je gegolten; denn die Augenblicke waren kostbar, und die Zeit drängte, weil die Sache überschnell abgelaufen, und man kaum zu Athem kommen mochte. Darum sind Lügen in allen Formen der Conjugation, im Perfectum, Plusquamperfectum, Präsens und Futurum ausgegangen; Unglück weissagend sind sie, wie die Prozessionsraupen, den Pilgerzügen entgegengezogen, um sie in ihren Wegen aufzuhalten; die aber sind darüber hingegangen, und haben sie zertreten. Was ist doch das eure schlechte Rolle, die diese Polemik übernommen, nun schon 300 Jahre den Advokaten des Teufels zu spielen, und unbesehen allem Guten, was sich auf der Gegenseite bietet, abzusagen, und zum Schlechten es zu wenden? Was die Natur frisch und frei und heilsam hervorsprossen macht, das weiß diese Speisemeisterin zu Gifte umzusieden. Sie beleckt es von allen Seiten, nachdem sie es zuvor mit ihrem scharfen, alcalischen Geifer gesalbt; mischt dann gallenbittere Säfte zu, und so wird der Nahrungsbrei bereitet, mit dem die eingebildete, frivole Menge sich füttert, und heißhungrig die Atzung schlingt, und im Schlingen immer hungriger nach neuer Labsal schreit. Als Würze, um diesen Appetit noch mehr zu schärfen, werden nun jene Lügen hinzugesetzt, die, wie es scheint, gleich dem Tabak, ein Gewohnheitsreiz für diese Zeit geworden, dessen sie, ohne eine Selbstverläugnung, nicht mehr entbehren mag. Je handgreiflicher diese Lügen sind, um so beißender auf der Zunge, und sohin um so verführerischer. Mögen sie dann auch am zweiten oder dritten Tage in Nichts zerfahren, und nun Schmach und Schande in ihrem Gefolge nachziehen; was schadet uns das, sie haben doch eine kurze Zeit vorgehalten, und die Schwachen getröstet; die Bosheit hat sich darin doch einigermaßen Luft gemacht, und bei dem offenbar guten Zwecke muß man nicht so wählerisch in den Mitteln seyn. Ueberdem nichts ist leichter, als vor denen, die die Wahrheit nicht wollen, die Wahrheit zu verbergen; will sie ja irgendwo durchdringen, wir schreien sie im Chore zu Boden; oder ignoriren sie auch gänzlich, will sie in ihrer Hartnäckigkeit durchaus sich nicht bedeuten lassen. Dringt sie aber ja doch durch, was ist's dann weiter? wir rühmen uns dessen nicht; Niemand steht auf nach ihr, denn in ihrer Gedankenlosigkeit haben die Hörer die Sache schon längst vergessen; und die Schmach und Schande von jenseits läuft bei uns als Preiswürdigkeit und Ehre in vollgültigem Curse um, und wird als solche auf allen Wechselbänken al pari honorirt. Die Sache hat uns guten Nutzen abgeworfen; nach zehn Jahren, wohin kein jetziges Gedächtniß reicht, bringen wir sie als einen nun ausgemachten Handel abermal vor, und sie wird uns nun erst recht nützlich werden. Und indem diese Polemik in solcher Weise, unter hoher obrigkeitlicher Censur, alles sich gestattet, und ihre Invectiven gegen die Katholischen frei auslassen mag, und selbst wo sie höflich und herablassend ihre Gesinnung mit insolenter Nachsicht bemäntelt, herausfordernd und verletzend ist; während Recht und Billigkeit bei ihr längst verschollene Fabeln sind, prahlt sie mit der deutschen Einheit, und wie alle Gemüther in ganzer Einstimmigkeit, nur ein Herz sind und eine Seele in der vollkommensten Harmonie verbunden. Während diese renommirenden Lärmemacher, unaufhörlich mit ihrer Stärke prahlend, die Säbel vor unsern Ohren wetzen, sprechen sie süße, von Honigthau triefende Friedensworte zu uns, und schelten uns Friedensbrecher, wenn wir uns mit Ekel abwenden; und indem sie hinter uns den rothen Hahnen aufstecken, unter dem Vorwand, es seyen Jesuiten auf der Burg; rufen die nach vorne, wir hätten die Kriegsfahne aufgezogen, und wollten sie mit Brand und Raub verderben. So lange schon haben sie diesen Unfug getrieben, daß er, ihnen ganz bewußtlos entfahrend, noch überdem auf verbindlichen Dank von unserer Seite Anspruch macht. Wir aber, wenn solche Fecialen sich selbst in unserem Namen den Krieg erklären, lassen es ruhig geschehen; Blut wird keines fließen, als das des Ferkels, das sie mit spitzem Stein erschlagen, und dieß Blut komme über sie und ihre Kinder.

Diese große Unruhe, die die Demonstration der rheinischen Völker auf der andern Seite erweckt, hat auch zu ihrer Beschwichtigung zur Critik ihre Zuflucht genommen, und sie gegen den Gegenstand ihrer Verehrung aufgeboten. Woher kömmt dieser Rock, und womit mag er seine Aechtheit uns beweisen? Nur bis ins zwölfte Jahrhundert kann er urkundliche Zeugnisse vorweisen; rückwärts geht alles ins Nebelreich der Fabel auf, das alle diese Gegenstände abergläubiger Verehrung umhüllt. Es ist schon recht, mit dem XII. Jahrhundert brechen, wie die Dinge gegenwärtig stehen, die unzubezweifelnden, urkundlichen Zeugnisse ab; Regesten der Päbste aus den früheren Zeiten fehlen, und Belege für die Tradition haben nur theilweise zufällig sich erhalten. Damit hat aber auch diese Critik, die nur an ihnen bis zu diesem Punkte hingelaufen, ihr Ziel erreicht. Nach vorwärts fällt ihr Wirkungskreis, darin mag sie sich ergehen, nach rückwärts hat sie nur wenige ungewisse Punkte, auf denen sie zu fußen vermag; die Bedingungen ihres Bestandes fehlen ihr dort gänzlich, und sie kann auf ihrem Wege vorangehend, nur zu gänzlich negativen Resultaten gelangen. Will sie daher mit Erfolg weiter vordringen, muß sie erst nach den vorgefundenen Verhältnissen sich umgestalten. Mit allen andern Gegenständen, die an den Ablauf der Zeit und ihre Perioden geknüpft, auch ihrem Wechsel ins Große hin unterliegen, wird es eben so beschaffen seyn. All unser Adel kann seine Stammlisten nur einige Jahrhunderte weiter hinaufführen, die Prüfung derselben kömmt der historischen Critik zu; da aber die Stammbäume ihre Wurzeln im Dunkeln und in der Erde bergen, kann sie, an das Tageslicht zum Lesen der Urkunden gebunden, ihnen nicht folgen auf ihren unterirdischen Wegen, ohne zuvor eine dem neuen Medium gemäße Metamorphose durchzugehen. Niemand kann läugnen, daß es vor der carolingischen Zeit, bis in die Urwälder Altdeutschlands hinein, einen Adel schon gegeben, der sich thatsächlich im Blute vom Vater zum Sohne fortgepflanzt, und im Bewußtseyn seiner unbestrittenen Geltung im Leben, gar nicht um schriftliche Zeugnisse zur Rechtfertigung, und zum Nachweise seines wirklichen Daseyns sich bekümmert. Nur Sang und Dichtung hat sich dieser seiner alten Erinnerungen angenommen, und die Sage hat die Thaten der Früheren in ihrer Weise aufbehalten, damit sie den spätern Nachkommen ein Antrieb seien. In das Sagenhafte muß vor Allem die Critik sich hineinzufinden wissen; sie muß, die vollständig ihr vorliegende Sage und Dichtung überschauend, sie in ihrem wahren Wesen zu verstehen und zu würdigen sich das Geschick erwerben; soll ihr überhaupt ein Urtheil über jene Zeit zukommen, das aus und in ihrem Geiste gefällt, der Gesammtmeinung dieser Zeit, wie nicht zu zweifeln, zur Bestätigung dienen würde. Wollte sie anders verfahren, dann wäre es, als ob die Mathematik etwa in Sachen des Gemüthes, oder im Reiche der Ideen sich des Richteramtes unterfangen wollte; die Wahrheit, die in jener Zeit in den Formen der Poesie erschienen, wäre zugleich mit ihr vernichtet, und das kräftige Regen einer lebensvollen Periode in eine todte, geistlose Leere umgewandelt. Eben so ist es beschaffen gewesen um Jegliches in jener Zeit, was mit Religion und Kirche in irgend einer Verbindung gestanden. Alles irgend Wesentliche hatte die Kirche aufgenommen, es mit ihrer Sanction bekleidet, und so war es in das Volksbewußtseyn eingegangen. Jahrhunderte hatte es nun in der Ueberzeugung des Volkes fortgelebt, und war in einer Art von lebendiger Transfusion von Geschlecht zu Geschlecht übertragen worden; und niemand war es eingefallen, aufzuschreiben, was Alle wußten oder fühlten, und was in Allen, die da lebten, aus und einging ohne Unterlaß. Nur die Legende, in der damals noch, nach der Auffassungsweise der Zeit, das Element des Geistes, das auf strenge Wahrheit dringt, mit dem der Einbildungskraft, – die sonst ungebunden ihre freien Hervorbringungen nur durch den wohlgestimmten Zusammenklang des blos Möglichen begränzen läßt, – sich im Gemüth des Hörers vermittelt; sie hat es ausgesprochen, indem sie das Allen Gegenwärtige in die Dichtung hüllte, und durch diese Zuthat es erst zum Bewußtseyn brachte. Wollte die Critik nun zufahren in ihrer Weise, und aus ihrem Gesichtspunkte des blos logischen Verstandes, mit moderner Barbarei die Webe zerreißen und zerfetzen, die die Zeiten auf ihrem Webstuhle gewirkt; dann würde Nichts sie in ihrem Zerstörungswerke aufzuhalten vermögen, bis dieses beim ersten Anfange der Dinge angelangt. Und so hat diese protestantische Critik in der Wirklichkeit verfahren. Sie hat zuerst alle Jahrhunderte bis zu dem des Conciliums von Nicaea in ihrem Alkaheste aufgelöst; da in diesem Prozesse das Aezmittel in zunehmender Schärfe sich nur gesteigert, hat sie ihnen bald auch die früheren Jahrhunderte nachgeworfen; dann auch die Evangelien dem Fresser dargeboten, während andere dieser Alchymisten mit den Büchern des alten Bundes in gleicher Weise verfuhren; so daß sie also glücklich beim ursprünglichen Nichts angelangt, aus dem sie nun eine vernünftigere Welt zu construiren sich bemüht. Die es diesen Weltvernichtern nicht nachzuthun Willens sind, müssen also das Legendenhafte zu verstehen sich bemühen; damit sie in ihm die beiden Elemente, Wahrheit und zum Schönen gestimmten Schein, zu trennen wissen.

Eine alte Dichtung, die von der Hagen neuerdings herausgegeben unter dem Titel: Der ungenähte graue Rock Christi, wie König Orendel von Trier ihn erwirbt, darin Frau Breiden und das heilige Grab gewinnt, und ihn nach Trier bringt, gibt uns Gelegenheit, das eben Gesagte weiter nachzuweisen und auszuführen. Diese Dichtung, die in der Handschrift von Strasburg d. J. 1477 angibt, indem sie mit fester, leserlicher Hand auf einem dauerhaften Papiere geschrieben worden, beruft sich auf eine andere, noch ältere, die ihr zum Grunde liegt. Sechsmal nacheinander kömmt dies Berufen im Texte vor. Sie wird im Allgemeinen bezeichnet als das Buch, einmal auch als ein deutsch Buch, und zum drittenmale als ein Lied in den Worten: also es an dem Liede gat. Die Stellen, bei denen sich auf dies deutsche Lied berufen wird, gehören nun theils der Legende vom heil. Rocke, theils der mit ihr verbundenen Heldensage vom Könige Orendel, an; beide Elemente waren also schon in diesem älteren Liede besungen, das wie es scheint, nur kürzer und gedrängter, die Hauptmomente der Dichtung zusammenfaßte, damit sie rhapsodisch dem Volke vorgetragen werden konnte. Schon Hagen hat auf die zweideutige Rolle aufmerksam gemacht, die wiederholt die Tempelherren dem Helden gegenüber spielen. Das deutet darauf hin, daß der Orden, der im Jahre 1118 gestiftet worden, in der Meinung der Zeit, bei der Abfassung des Liedes, schon bedeutend gefallen war; was besonders seit dem Kreuzzuge Friederich II. der Fall gewesen. Das weist also die Abfassung in diese Zeit zurück, die mithin der Auffindung des heil. Rockes im Dom von Trier, im Jahre 1196, ganz nahe liegt. Dieser Fund hatte damals die Gemüther in ganz Deutschland aufgeregt, er hatte Alle als ein merkwürdiges Zeichen der verhängnisvoll hereinbrechenden Zeit bedünkt; und so denn auch der Volksdichtung den Anstoß gegeben, daß sie sich des Gegenstandes bemeisternd, ihn in ihrer Weise zu einem großen Motiv genommen. So wurde denn damals jenes verloren gegangene Lied gesetzt; dem Volke bestimmt, mußte es alles das aussingen, was im Gegenstande beschlossen, die Sympathien in diesem Volke erwecken konnte; also Alles was die Legende von dem Gewande des Erlösers aufbehalten, und dann was von der örtlichen Heldensage mit dieser legendenhaften Tradition sich verbinden ließ. So war also diese Dichtung unmittelbar aus dem Volksgemüthe herausgewachsen, und so hat sie nicht, wie so mancher andere Gegenstand, ihren Durchgang durch die lateinische Sprache machen müssen; sie wurde unmittelbar aus dem Leben aufgenommen, und bot sich sogleich als ein würdiger Gegenstand der epischen Poesie. Als man im dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderte nach und nach alle Sagenkreise in der Form des Epos ausgeführt, wurde auch dieser aufgenommen, in der epischen Breite ausgeführt, und das Gedicht vom grauen Rocke dann dem Cyklus verwandter Dichtungen eingefügt, und dem großen, alles überwipfelnden Baume eingepropft. Drei Jahrhunderte nach jenem ersten Funde ist wieder ein neuer Anstoß in die damalige Zeitgenossenschaft ausgegangen. Kaiser Maximilian, recht an der Schärfe der Scheide zweier Zeiten stehend, ein Pfleger und Verehrer der Alten aus Instinkt, ein Geburtshelfer der Neuen aus Drang und Noth, hatte den lange Verborgenen wieder zu Tage gefördert; und abermal war der Ruf von dem kostbaren Schatze, den die Stadt Trier an ihm besitze, vom um ihn her gesammelten Reichstag aus, durch die umliegenden Lande und bald durch ganz Deutschland hingelaufen, und aller Augen hatten sich abermal auf den hohen Dom gerichtet. Aber das Deutschland von damal, war nicht mehr Jenes von ehehin; die Zeit des ersten Fundes lag jetzt in den Geburtswehen einer neuen Zeit; das alte Herz schlug noch, aber ein Anderes hatte unter ihm in seinen Pulsen sich zu regen angefangen; das Leben des Geistes in der Dichtung, sein Walten in Sage und Legende war zurückgegangen; die Macht der Prosa aber hatte sich ausgebreitet, und die erwachte Nüchternheit mogte lieber in diesem ihr mehr zusagenden Elemente sich bewegen. So ist es denn damal zu keinem neuen dichterischen Erzeugnisse gekommen; das frühere epische Gedicht wurde nur in Prosa aufgelöst, und der vor zwei Menschenaltern erfundene Druck breitete es von Augsburg her im Volke aus. Das ist der Ursprung des Buches gewesen, das aus der hiesigen Centralbibliothek vor mir liegt, und das den Titel führt: von dem untrennlichen, ungenähten Rock unseres Herrn Jesu Christi mit Holzschnitten; genommen ist es, wie der Herausgeber sagt, aus einem gar alten Büchlein, das fast meisterlich und mit großem Fleiß geschrieben ist. Am Ende heißt es: Damit das diese Geschichten nit abfallen auß Gedechtniß der Menschen hab ich Hanß Othmar dieß Büchlein wöllen drucken, in der Kaiserlichen Stat Augspurg bei St. Ursula Closter am Lech, in dem Jahr da dieser Rock zu Trier gefunden ward 1512. Gedicht und Prosaauflösung stimmen im Ganzen überein, jedoch mit Abweichungen im Einzelnen. Auf Beide sollen unsere Bemerkungen über den Geist, in dem jene Zeit die Geschichte aufgefaßt, sich begründen; um so mehr, da man im Gebiete der Poesie gemeinfaßlich für Alle über tiefer gehende Verhältnisse sich auslassen kann. Da Legende und Sage gemeinsam in die Dichtung eingegangen, reden wir von der Legende zuerst, das Sagenhafte demnächst betrachtend.

Die Dichtung erzählt uns also, was man im XIII. Jahrhundert von dem eben wiedergefundenen Gewand des Herren dachte, und was die Tradizion in frühere, seither verloren gegangene Schriften niedergelegt. Grau ist ihr dies Gewand, und nach dem Berichte der Augenzeugen ist seine Farbe wirklich aus grau und braun gemischt, wobei jedoch die letztere Farbe von ferne nicht sehr in die Augen fällt. Von Lammswolle hielt man ihn damals gewirkt; Andere hat es bedünkt, es sey Camelhaar oder Nessel. Marie hat ihn gesponnen, St. Helene (Magdalena) würkte ihn auf dem Oelberg, und er war ohne Näthe und ohne Geren, auch blieb es ungewiß, in welcher Weise er gefertigt worden: ob durch Weben, Stricken oder Häckeln. Sein erster Besitzer ist ein Jude gewesen, der ihn von Herodes zum Lohne seiner alten Dienste sich erbeten; der müht sich umsonst, die Blutflecken herauszuwaschen, und da er ihn nun nicht tragen darf, versenkt er in einem Steinsarg ihn ins Meer. Der Wellenschlag erbricht den Behälter, und das Meer wirft ihn nach drei Tagweiten auf einen Sand. Dort bleibt er neun Klafter tief bis ins neunte Jahr begraben, wo ihn die Wogen wieder zu Tage schwemmen. So findet ihn nun der Pilger Tragemund auf seinem Wege zum heiligen Grabe über Cypern; er ein weltkundiger Mann, denn 72 Königreiche sind ihm wohlbekannt. Er freut sich des Gefundenen, und will ihn im Meere auswaschen; aber das rosenfarbe Blut will sich nicht tilgen lassen, das Gewand wird vielmehr immer röther, je länger er wäscht. Daran erkennt er nun zur Stunde, wessen der Rock gewesen, hält sich für unwürdig ihn zu tragen, und wirft ihn abermal ins Meer. Noch jetzt gewahrt man diese Flecken an dem Gewande; sie sind dunklerer Farbe, wie wenn Blut sie hervorgebracht. In den Wässern verschlingt das Schwimmende nun ein Walle, und behält ihn neun Jahre unversehrt in seinem Magen. Der Fisch aber ward vom schiffbrüchigen Orendel in einem großen Fischzuge gefangen, und Meister Yse, der Herzog aller Fischer, findet den Verschlungenen im Magen des Walle, als er diesen geöffnet. Er hält ihn für eines Herzogs Kleid, schätzt ihn auf fünf Schilling Goldstücke, und bietet ihn um diesen Preis auf dem Markte aus. Aber beim Verkaufen thut Gott ein Zeichen; wer den Rock angriff, dem schien er morsch und faul, und zerbrach ihm unter den Händen. Da das Meister Yse sah, gab er den Gefundenen viel geringer, um dreißig goldene Pfennige, um die der falsche Judas den Herren aller Welt verrathen und verkauft. Das Geld hatte Maria von ihrem Sohn erbeten, und dem Orendel durch einen Engel zugesendet, damit er anständig bekleidet werde. Als er nun den damit Erstandenen angelegt, da war er wieder ganz neu, in aller Gebärde als ob er eben erst gemacht wäre, und ihm wurde gesagt: in diesem Rock, den Gott selber zu seiner Marter trug, darin bist du verschlossen, als wärst du in Stahlringe gewappnet; dich mag keine Waffe dadurch versehren, du sollst aber darin fechten mit fünfzehn heidnischen Herzogen, und wirst darin siegen unverzagt! Hier, in dem Akte des Uebertrags des Gegenstandes auf den Helden, ist es nun, wo die Legende und die Sage miteinander sich verflechten. Jener Orendel ist nämlich einer der drei Söhne des Königs von Trier Aggl oder Eigel, dem zwölf Könige dienten. Da er mit dem Schwerte Ritterehre erlangt, will er sich eine Gattin freien; der Vater weiß keine, die seiner würdig wäre, als Eine, die gesessen jenseits dem wilden Meere, geheißen Frau Breide, die über das heilige Grab gebiete und über viele Heidenschaft. Er läßt dem Sohne eine Flotte von 72 Kielen, bemannt mit 9000 Rittern rüsten, denen zwölf Schmiede goldene Sporen schmieden, zudem ein goldenes Kreuzbild zum Opfer bei dem heil. Grabe. Damit giebt er sich auf die Brautfahrt, wird am Klebermeere drei Jahre gebunden, dann vom Sturm befreit; in der Nähe von Großbabylonien aber, wo 72 Könige herrschten, von einem andern ergriffen, der sein ganzes Heer versenkt, also daß nur er nackt auf einem Strand entrinnt. Dort von Meister Yse gefunden, giebt er sich ihm zum Knechte, und muß als erstes Lösegeld jenen Fischzug thun, der seinem neuen Herrn mit 4000 Fischen und dem Walle sein ganzes Schiff anfüllt. Nun fährt Yse mit dem Knechte zu seinem siebenthürmigen Hause, in dem ihm und seiner Gattin 800 Fischer dienen, und hier erwirbt der sich im Kaufe den Rock, den er mit dem Wallfische gefangen. Er gehet nun Urlaubs zur Fahrt nach Jerusalem, die er angelobt. Dort herrscht Frau Breide über die Tempelherren und Sarazenenkönige; der neue Ankömmling, bald unter dem Namen des grauen Rocks bekannt, wird von den Ersten mit Mißgunst aufgenommen, und muß an den Andern seine ersten Sporen sich verdienen. Seine Thaten erwecken die Aufmerksamkeit der Königin, und Sie läßt ihn vor Sich rufen; die Gottesstimme hat ihr die Ankunft des Königssohnes Orendel von Trier angesagt, der solle ihr Herr werden und König von Jerusalem: damit hat sie ihn angeredet, seyd Ihr nun derselbe Jüngling, so sollet ihr mir willkommen seyn! Nein Frau, erwiederte er, weiß Gott, ich bin kaum sein Bote! Sie rüstet ihn unterdessen aus zum Streite, und heißt ihm bringen ein Roß mit einem Sattel von Elfenbein und einen goldbeschlagenen Panzer; er aber legt seinen grauen Rock darüber an, und bittet noch um ein gut Schwert, und sie gebietet, ihres Vaters Schwert herbeizubringen. Ihrer Kämmerer Einer schließt nun eine mit drei Schlüsseln verschlossene Lade auf, und bietet Ihr ein Schwert, leuchtend wie ein Spiegel. Sie schlägt es an eine Steinwand, und brach es in drei Stücke; den Kämmerer aber nimmt sie bei dem Haare und tritt ihn mit Füßen. Nun verräth er den alten Schatz, eines Mannes tief unter der Erde findet man das Verborgene; es wurde nie von einem Manne geführt, der nicht siegreich kämpfte, und bald wird ihm auch der Helm Davids aufgesetzt. In dieser Rüstung zieht er nun gegen die Heiden aus; die Tempelherren aber sprachen: soll dieser hier unser König seyn, das war ein seltsam Ding? nun hat er nicht mehr an seinem Leibe, als diesen grauen Rock, der da ist ohne Nath und ohne Geren, recht als ob er ein Mönch wäre, und aus einem Kloster entronnen; darum wollen wir keinen Fußtritt fortan nach ihm richten. Er muß nun allein gegen die Feinde reiten, Breide aber kömmt gewaffnet ihm zu Hilfe; er siegt wie immer über Türken und Sarazenen, und entdeckt ihr jetzt seine Abkunft. Sie nimmt ihn nun zum Gatten, aber am Abend verkündet ihnen ein Engel, daß sie neun Jahre Keuschheit zu üben hätten; die Tempelherren aber schwören ihm Treue als ihrem rechten Herrn. Als alle Heiden allumher bezwungen sind, kömmt Botschaft: seines Vaters Burg sey von 12 heidnischen Königen überzogen. Mit großem Heere macht daher der König von Jerusalem sich auf; über Rom wird nach Metz gefahren, und als sie vor Trier angekommen, legen die Heiden die Waffen nieder, und nehmen die Taufe an. Der Sieger hält nun seinen Einzug in Trier, und König Aggl sein Vater nimmt ihn mit Freuden auf. Da nun aber von Jerusalem gemeldet wird: durch Verrath sey das heilige Grab und das Land in der Heiden Hände gefallen, entschließt Orendel sich wieder zur Heimfahrt dahin. Aber am vierten Tage kam ihm ein Bote von Gott und seiner Mutter, sprechend: Du sollst den grauen Rock nicht mehr mit dir führen, und sollst ihn lassen in der Stadt zu Trier. Da will Gott sein Gericht halten, und den Sünder will er dahin laden, und zeigen seine heiligen fünf Wunden, die er hat empfangen, und das wird geschehen im Thal zu Josaphat, wo er wird richten über Alle. Da heißt er drei Priester für sich bringen, und that verwirken den grauen Rock in einen Steinsarg, und befahl ihn seinem Vater und dem Lande Trier. Dort soll er nun aufbewahrt bleiben zum Zeugniß für die Leiden des Herren, und vier Priester, seht die Prosaauflösung hinzu, sollen seiner in Hut wahrnehmen; stirbt aber Einer, dann wird ein Anderer an seiner Statt geordnet; also daß ihrer allzeit vier waren, die wußten um den Rock. Und so ist er noch zu Trier und soll auch dort bleiben. Orendel aber fuhr mit seinem Heere nach Jerusalem, erstritt wieder die Stadt und das heilige Land von den Heiden, und Alles wurde ihm abermal unterthan. Er und sein Gemahl leben noch ein halb Jahr und zwei Tage in der früheren Keusche, und werden dann ins frone Himmelreich geführt.

Das sind die wesentlichen Momente der Legende und der Sage, die in dieser Dichtung zu einem Ganzen sich verschlungen haben. Betrachtet man den Bau des Kunstwerks im Allgemeinen und im Großen, dann zeigt schon das Gewebe der Zahlwurzeln, die in ihm überall zu Tage treten, daß sein Gegenstand durchaus in einem mystischen Sinne gefaßt werden muß. Die Wurzeln 2 und 3 sind die, welche allen Zahlen des Gedichtes zum Grunde liegen; dieselben die aller Architektur und überhaupt aller Kunst sich unterstellen. Dem König Eigel oder Aggl dienen zwölf, d. i. 2.2.3 Königreiche; der Graurock wirft nacheinander 2, 4, 6, 12, 24 Sarazenen, und schenkt dem Boten der Königin 6 Rosse; von 12 Heidenkönigen aber führt jeder 600 Mann. Der Vater hat ihm 72 Kiele ausgerüstet, die 9000 Helden gegen Großbabylonien führen, wo der Riese Beliam oder Bel über 72 Könige herrscht; 72 ist aber = 6 X 12. Drei Schlüssel hat die Schwertes-Lade, und es zerbricht an der Steinwand in drei Stücke, 800 oder 18 000 Fischer dienen dem Meister Yse, und so durch alle Zahlen hindurch; sie lassen sich insgesammt auf 2 oder 3 zurückführen. Grundzahlen aber deuten überall auf Grundideen, an die sie geknüpft erscheinen. Die fundamentale Idee hier ist nun der Erlöser, als das Centrum der Geschichte. Eben dieser seiner centralen Stellung wegen hat nicht blos er, sondern auch Alles, was um ihn, fern oder nahe, ihn irgend berührt, auch eine centrale, also allumfassende Bedeutung. Er ist der Gott im Menschen; der Mensch in ihm lebt in der Kirche fort, sie ist der historisch gewordene Leib; er aber das Haupt dieses Leibes, der also mit dem Logos in steter Verbindung geblieben. Dieser Logos also Mensch geworden, aber ist das Wort in Gott, das menschlichen Gedanken sich eingedacht, die wieder in menschlicher Rede sich ausgesprochen. Diese Rede ist ein Gewebe, nach den Regeln der Sprache kunstreich gefügt; der Ton geht als der Faden durch die Fügung hindurch, und verstrickt sich in ihr nun in manichfaltigen Knoten und Bindungen. Diese Webe aber umhüllt die innerlichen Gottgedanken, denen sie sich angelegt, und die durch sie in allen ihren Formen durchleuchten; diese Gedanken sind Dogmen, und diese Dogmen verweben sich in der Lehre zu einem untrennlichen Gewebe; wie der Laut, dem sie sich eingegeben, eben in ein Solches sich verschlingt. Dies ist also das Kleid des Geistes, der diese Gedanken gedacht; wie der Geist das Kleid des Logos ist, der sie ihm eingedacht. Das natürliche Gewand nun, in dem der Logos auf Erden gewandelt, gleichfalls untrennlich gewirkt, ist das Symbol dieses geistigen Gewandes, und als Solches ein Gegenstand der Verehrung für Alle, die zu der Lehre halten. Die Kirche aber ist der historische Leib des Herren, und auch sie hat er in das objektiv gewordene Dogmengewebe gekleidet; das in seiner Untheilbarkeit und Unveränderlichkeit der Natur des Dogma gemäß, ihr Geistiges umhüllt, und indem sich die Gedankenwebe des Gründers, fließend geworden in der Geschichte, nun in alle Zeit fortsetzt. Auch das Symbol im Gewande des Erlösers hat sich daher in ihr fortgesetzt, und seine Geltung für alle Zeit erhalten. Der menschliche Leib, wenn der Tod ihn vom Geist geschieden, ist der Natur verfallen; sie verfügt über ihn, wie über ihr Eigenthum, und verwendet ihn in ihren Haushalt. Der Leib des Gottmenschen konnte nicht gleichem Loose unterliegen; er war nicht durch die gewöhnliche Zeugung ins Daseyn eingegangen, er verließ es auch nicht wieder durch den gewöhnlichen Tod; im Grabe wurde daher die Natur mit ihren auf ihn gegründeten Ansprüchen abgewiesen, die Auferstehung erfolgte als die Prophetie der Künftigen des Geschlechtes. Der Tod mußte der Vater eines Lebens werden, über das er keine Macht besitzt; und das Grab, in dem dieser Lebensquell entsprungen, als Zeugniß gleichfalls ein Gegenstand der Verehrung für alle Zukunft. Die Gedankenwebe im Geiste des Gottmenschen, als Dogmen-Gesetz für alle Folgezeit, mußte wie sein Leib der Verwesung nicht verfiel, so auch der Lösung nimmer unterliegen; darum hat er gesagt: Himmel und Erde werden vergehen, aber mein Wort bleibt ewiglich. Was aber Unlöslichkeit und Unsterblichkeit dem Geiste ist, das wird in der Natur Untrennbarkeit des im Gefüge Bestverbundenen; also Unverwüstlichkeit desselben seyn. Das Abbild der geistigen Unverwüstlichkeit wird also in der natürlichen der Umhülle hervortreten, von dieser also ausgesagt werden müssen. Das Gewand mag den Anschein gewinnen, als sey es wohl verschlissen; aber es wird sich aus sich erneuen, und wieder unversehrt erscheinen. Um das Blutgeld war der Menschensohn den Juden verkauft, und sie hatten sich um die 30 Silberlinge ein Recht auf ihn und all das Seine erkauft. Den Leichnam hatten sie im Grab versiegelt; aber sie hatten dem höheren Rechte der Gottheit nicht zu wehren vermogt. Auch sein Gewand war ihnen verfallen, aber die Kriegsknechte des herrschenden Volkes hatten dasselbe sich angeeignet. Herodes hatte ihn seinem Volke reclamirt; der alte Jude aber hatte ihn, seinem Verdienste durch ein ganzes Menschenalter zum Lohne, sich erbeten. Er will ihn waschen, aber das Blut des Auferstandenen kann nicht getilgt werden; ihm wird daher ihn zu tragen verboten, und er übergiebt sein Recht nun den Elementen, daß sie ihr Recht darauf üben. Aber diese vermögen nichts über ihn; die Wogen erbrechen den Steinsarg, der ihn beschließt; drei Tage treibt er im Meere um, dann wird er neun Klafter tief neun Jahre im Sand begraben. Aber auch die Erde mag ihn nicht versehren; der christliche Pilger Tragemund findet ihn wie jener Jude unverletzt, und die Blutflecken noch immer unausgewaschen. Nicht dem zufälligen Finder aber sollte der Schatz zu Theile werden; er übergiebt ihn daher wieder dem Meere, und nun wird er von einem Fisch verschlungen. Die Naturelemente haben so wenig gegen ihn vermogt, wie gegen den Leib des Herren, der ihnen verfallen war. Jetzt geht er eine Stufe höher ins Reich der Thiere über, das im Schooße des Meeres haust. Dieser Wallfisch ist derselbe, der auch den Propheten Jonas verschlungen, und ihn am dritten Tage wieder unversehrt ausgespien, der Repräsentant der thierischen Ungethüme im Wasserelemente. Aber auch die thierische Dauungskraft mag die Unverwüstlichkeit des Gewandes nicht versehren. Neun Jahre bleibt es seiner zerfetzenden Wirkung Preis gegeben, behauptet sich aber unzersetzt.

Was nun also dem nagenden Zahne der Elemente siegreich widerstanden, wird sofort auch dem Angriff von Stahl und Eisen widerstehen; nicht Schwertes Schärfe wird seinen Zusammenhang zu trennen vermögen; und wer das Gewand über seine Waffenrüstung angelegt, wird von Schwertes Egge nicht versehrt werden mögen, und im ungleichsten Kampfe siegreich bleiben. Hier also ist der Punkt, wo das Gebiet der Legende sich mit dem heroischen berührt; und das Legendenhafte ins Sagenhafte übergeht. Es ist Thatsache: das Gewand ist im Besitze der Trier'schen Kirche, in Mitte des Volkes der Trevirer; wie ist es nun aus der Gewalt der Elemente an sie gekommen, wie ist sie gewürdigt, Besitzerin des Schatzes zu seyn, der nur dem Würdigsten zu Theile werden mogte? Die trevirische heroische Sage gab die Antwort auf diese Frage. Der Trier'schen Kirche kam in alter Zeit der Primat in Germanien und dem Arelate oder in Gallien zu; das Volk der Trevirer aber war in ältester Zeit ein gälisches Volk, zur Zeit der Römer ein aus Gälen und Germanen gemischtes; später seit der Frankenzeit ein rein germanisches, seine Sage folgte dem Character und Wesen seiner Bevölkerung. So bot sich also die gälische Sage wie die Germanische der Legende zu Dienste. Beide Sagen wurzeln im Osten, die Germanische durch die Gothen und Wolfdieterich, der den ganzen Orient durchzieht; die Gälische noch tiefer in ihren urweltlichen Wurzelfasern. Die Gälen allesammt sind nach ihr aus dem Sonnenland oder Südland in den Norden und Westen eingewandert; und ihre alten Sagen wissen zu erzählen: wie ihr Stammesheld Gaythel, bei der Zerstreuung der Völker aus dem Reiche bei Babel, zugegengewesen; wie der Führer eines Stammes von da nach Westen auf dem Südweg ziehend, mit der Tochter des Pharao von Aegypten sich verbunden; wie er dann noch tiefer gegen Sonnenuntergang vorangehend, Afrika und Numidien durchzogen, nach Spanien hinübergewandert, und von da in den Norden nach Irland, Britannien und Albanien vorgedrungen. So war auch den Trevirern durch die gesammte Stammsage der Pfad im Orient gebahnt; und auch sie haben ihre Väter auf diesem Wege, in ihrer Landessage aus Assyrien, in die Sitze an Rhein und Mosel einwandern lassen. Das hat denn auch unsere Dichtung aufgefaßt, und ihr Held Orendel oder Arendel ist in den alten Regesten des Heldenbuchs der erste Held, der je geboren ward; er steht also der Wurzel des Stammes der Trevirer nahe. Diese Wurzel ist daher in seinem Vater gegeben, dem König Aggl oder Eigele, dem zwölf Könige dienen, und der drei Söhne gezeugt. Die drei Söhne sind die Stammväter der drei Stämme der Trevirer, in die dieses Volk wie jedes andere Ursprüngliche, sich getheilt, hier der nördliche, der mittlere und der südliche. Dies Volk aber herrschte nach seiner Sage in alter Zeit vom Oberrhein bei Basel bis zur Maas und dem Ausfluß des Stroms ins Meer. Es war also das Gebietende in jener Gegend; Vorstand einer Dodecarchie nach alter Weise, das heißt zwölf Könige dienten ihm. Aggl oder Eigel und Igel aber ist das altirische Akuil, das armoricanische Aekl; dies Wort bedeutet nun in altgälischer Sprache der Adler; derselbe der den wandernden Stamm, ihm vorfliegend, aus Assyrien an den Rhein geführt; der als das Emblem des Stammvaters auch sein Heerzeichen bildete, und der auf dem Capitol in Trier, in Igel und in Alttrier, mit Ala Trevirorum gedeutet, horstete. Der Sohn dieses trevirischen Adlers ist nun Orendel oder Arendel. Er im Alt-Cymry, Eryr, Eryres, Ilar im Irischen, Aranoa im Cantischen, Aru im Belgischen, wie Aro, Aar im Altteutschen ist wieder ein Adler; der Held ist also ein Aargeborner, oder ein Sohn des Adlers; darum wird er, während Herzog Yse ein Rabe genannt wird, selbst als ein Adler bezeichnet in den Versen, die König Minolt spricht: Es kamen über Meer geflogen her, ein Rab und ein Adeler, die wollent brechen mir mein Burg. Dieser junge Aar ist nun der Held im Vaterhause; er ist der Lichtwolf, denn sein Auge leuchtet in wolflichen Blicken, die Niemand ertragen mag. Als er daher zu seinen Jahren gekommen, und die Ritterehre erlangt, tritt er vor den Vater, daß er ihm zu einem Weibe rathe. Dieser räth ihm zur Frau Breide, der Schönsten aller Weiber. Welches druidische Symbol dieser Frau zum Grunde liegt, ist hier nicht der Ort zu untersuchen; wir haben es hier nur mit der christlichen Umredung zu thun. In ihr ist Breyd die Hüterin und Schirmherrin des heiligen Grabes; an der Spitze der Schaaren der Tempelherren und der bezwungenen Heiden, schützt sie es als die Königin des Landes gegen das noch unbezwungene Heidenthum, das im Bunde mit den alten Naturmächten, den Riesen und Zwergen, dies Land mit roher Gewalt und Hinterlist ihr abzudringen sich fort und fort bemüht. Diese Hüterin kann keine Andere als die christliche Kirche seyn, in Jerusalem und dem gelobten Lande wieder in ihre unverlierbaren Rechte eingesetzt. Darum nennt sie den König David ihren Vater; denn aus dem Hause Davids ist der Erlöser abgestammt; seine Kirche ist eine Tochter der Synagoge in dem Lande, wo sie gestanden. Orendel, ein anderer Brennus, unterzieht sich mit seinem Stamme der Brautfahrt nach ihr; dieser 9000 freiwillige Ritter stark schifft sich auf 8 mal 9 oder 72 Schiffen ein, und die halten ihren Auszug auf dem Wege, den zuvor Trebeta beim Einzug eingehalten. Das Vließ der neueren Zeit, in dem Gewande des Herrn, soll nun dem Führer desselben zu Theile werden; nicht aber seines Verdienstes wegen, sondern als eine freie Gabe von oben. All seine Macht und Habe, all sein Heer und alle seine Pracht, sie müssen hingegeben untergehen; nackt und blos muß er erscheinen vor dem Herren, damit dieser ihm den Schatz als ein Almosen schenke. So versinken alle seine Kiele, und mit ihnen sein Stamm und alle Schätze im Meeresgrunde. Die Kleider werden ihm von den Wellen abgeschlagen, und zuletzt findet der Seerabe, der über den Wellen nach Äsung spähend hinfliegt, ihn nackt und blos auf einem Sande. Ehe er geborgen wird, muß er noch die Freiheit über sich dem Strandherrn hingeben, und daß er ein Fischer sei und nicht ein Räuber, ihm durch einen glücklichen Fischzug erhärten. Er ruft St. Peter an, und der gibt ihm Glück, daß 4000 Fische, darunter auch der Wallfisch mit dem Rocke, die Barke füllen. Yse, dem er sich also zum Knecht ergeben, ist der Herzog aller Fischer; wohnend in der alten Burg in der Fischerstadt, dem alten Sidon am Meere; er ist also der Herr über alle lebendige Schöpfung im Meere, wie der Rossebändiger Poseidon in alter Zeit. Ihm gehört des Knechtes Fang, nun den Meerungethümen abgedrungen; der Fischer aber, der ihnen denselben durch höhere Gnade abgewonnen, muß ihn dem Herrn abkaufen, um denselben Preis, um den die Judenschaft den Eigener erkauft. Denn die alte Schuld, von den Juden auf die Elemente, von diesen auf die thierische Schöpfung, von der auf ihren Herrn übertragen, soll bis auf den letzten Heller bezahlt werden, und zwar aus der Verlassenschaft des Eigeners. Darum werden ihm durch eine gratia gratis data von oben die 30 Silberlinge geschenkt, durch die dieser zuerst verkauft worden. Orendel, der zuvor sechs Wochen dienen mußte, um ein schlechtes Kleid zur Deckung seiner Blöße zu gewinnen, ist nun im rechtlichen Besitz des gelösten Pfandes, und das Gewand wird nun, indem er es angezogen, sogleich wie neu. Er zieht also festlich bekleidet nach Jerusalem auf die Fahrt zum heiligen Grabe. Der Hüterin desselben hat die Gottesstimme ihn als ihren Herrn und König verkündet. Seine Thaten zeugen für ihn als den Verkündeten, sein Mund aber verläugnet seine Abkunft. Sie jedoch rüstet ihn als ihren Kämpfer aus. Drei Kleinode besitzt die Königin, in aller Heldensage Gegenstände des höchsten Strebens der Helden: den Helm ihres Vaters David mit der Goldkrone zum Schirm des Hauptes; den Ringpanzer sonnengleich leuchtend zum Schutz des Leibes; das Schwert des alten Königs, das Stahl und Eisen schneidet, zum Trutze, es liegt aber mannstief in der Erde verborgen: denn es ist die Waffe der vergangenen Zeit, die zum Scheol hinabgegangen. Sie rüstet ihn aus mit diesen Waffen, und er reitet in die Schlacht gegen die Heiden und die Riesen. Die Tempelherren, in denen der ritterliche Hochmuth längst die nothwendige Demuth des Mönches überwachsen, verlassen ihn, der mit dem grauen Rocke über die Waffenrüstung des Ritters angethan, mehr das Ansehen eines Mönches, als eines Königs hat; und er wird nun allein im Kampfe vom Feinde hart gedrängt. Darum rüstet, sich die Hüterin des heil. Grabes, und reitet, nachdem sie dort gebetet, muthig ihm zur Hilfe; sie schlagen vereint die Feinde, und er gibt sich ihr, beim dritten Begegnen, als den erwarteten König zu erkennen, und die Tempelherren huldigen ihm nun. Die Kirche von Jerusalem, das wird mit allem diesem ausgesagt, streitbar zwar, was sich im Augenblicke der Gefahr beweist, wo sie als eine Amazone gerüstet, zum Kampfe geht, bedarf doch eines Herren und Königs, der ihr Vogt und Schirmherr sei. Der wird ihr aus Germanien und dem Trevirervolke gesendet, und dieser, indem er unter der Krone sitzt, ist der Nachfolger König Davids auf seinem Stuhle. Dies Königthum ist das Lehnreich, das die Kreuzfahrer aufs Neue im alten Lehnreiche Jehovas aufgerichtet; ein Reich in dem, wie damals Elohim, so jetzt der Erlöser und die Kirche von Jerusalem die Lehnsherrschaft übt; der König von Jerusalem aber als ihr erster Vasall erscheint. Er ist daher ein König ganz und gar von Gottes Gnaden in der christlichen Theocrazie, die sich dort gestaltet; und deswegen muß er, weil er aller irdischen Macht und jedes Eigenthums sich beim Eintritt los und ledig machen müssen, und darum das Recht über sich selbst an den einheimischen Fischer-König aufgegeben, dies von ihm um einen Schild voll Goldes einlösen, wozu er noch seinen Königsmantel fügt; und er wird nun auch von Yse als König begrüßt, und dieser wird zum Herzog des heiligen Grabes geweiht. Das ritterliche Heldenthum im Occident und die Kirche vom Orient, sie haben nun einen Bund miteinander abgeschlossen. Der graue Rock wird, dem zum Zeichen, im heiligen Grabe hinterlegt; aber diese Ehe, die Beide mit einander eingegangen, muß eine keusche seyn; darum scheidet das Schwert, das sie verbunden, die Verbundenen auch wieder in der Hochzeitnacht. Die befreite Braut des Orients hilft aber nun ihrerseits, die Schwesterkirche des Occidents in Trier, von den Heiden belegt, befreien; darüber aber geht wieder ihr eigenes Reich durch Verrath an die Heiden verloren. Darum wird jetzt durch den Rathschluß von oben getheilt: das heilige Grab bleibt unter dem Schutze des rückgekehrten ritterlichen Königs; dem Occidente aber wird, durch Verwilligung der Gnade, das Symbol des christlich heroischen Ritterthums für die Idee in dem Gewande zurückgelassen; zugleich auch ein Zeichen, der alles lösenden und theilenden, aber selbst unlösbaren und untheilbaren göttlichen Gerechtigkeit. Denn wie im Osten die Quelle des Glaubens und damit des höheren unsterblichen Lebens ihren Ursprung genommen; so soll die Ritterlichkeit im Westen den Brunnen immerdar fassen und umschließen; der Herr aber will dereinst die Sünder dahin laden, wenn er mit diesem Rocke angethan zum letztenmale das Schwert der Gerechtigkeit schwingt; und damit theilt die, welche zur Rechten stehen von denen, die die Linke sich zu ihrem Theil gewählt.

Das ist der Inhalt dieses Gedichtes, in dem die flache Leerheit dieser Zeit in solchen Dingen, nichts als ein Gewebe abgeschmackter und verrückter Abenteuer erkennen wird. Aber die tiefsinnige christliche Symbolik hat in ihren Kreis noch andere Symbole aufgenommen, und so bildet denn auch diese Dichtung nur eine Gliederung im großen Ganzen symbolischer Poesie. Wie nämlich hier das heilige Grab, in dem der Sieg über den Tod gewonnen worden, mit dem Gewande, in dem die Unverwüstlichkeit des gewonnenen Lebens sich symbolisirt, in Verbindung gebracht worden; so das Kreuz, an dem die Uebernahme des Todes sich vollbracht, mit demselben Grabe, in dem das ihm entströmende Leben sich zum ersten gefaßt. Die heilige Geschichte setzt an ihren Anfang, am ersten Sabbath, den Baum des Lebens, der wieder an ihrem Schlusse im zweiten Sabbath, an den Wässern des Lebens bei Gottes Throne grünt. Im Laufe der ganzen Profangeschichte verzweigt sich aber, durch das Menschengeschlecht hindurch, der Baum der Erkenntniß des Guten und des Bösen; er steht am Anfange derselben, in der Mitte hat die Erlösung sich an ihm vollbracht, am Ende wird unter ihm, als der Esche, die ganze Geschichte überschattet, das Gericht abgehalten. An Gottes Tische sollte das Geschlecht die unversehrte Opferfrucht essen, und göttliches Leben sich aneignen; es aber hat genossen von der getheilten Frucht, die der in sich zerrütteten Creatur entsproßt, und so ist die ganze Geschichte einem zweiträchtig gespaltenen Leben verfallen. Der Spalt ist zwischen dem Seelischen und dem Leiblichen hindurchgegangen, und hat sich in dem Wechsel zwischen leiblichem Leben und Tod geäussert. Der gleiche Spalt aber hat auch Gott von der Creatur geschieden, also daß auch hier ein Wechsel zwischen geistigem Leben und Tod eingetreten. Die letztere Spaltung aber ist die weitere und umfassendere, und darum Grund der Andern; diese konnte mithin nicht aufgehoben werden, es sei dann zuvor die Andere geheilt. Diese Heilung konnte aber nur von Gott ausgehen; damit der Mensch vom Tod genese, den er vorbeigehend an der Gottesfrucht sich in der Todesfrucht angegessen, mußte der Gott, in den Menschen einkehrend, mit dem Menschen essen von der Todesfrucht, damit die durch den zuerst Essenden unterbrochene Gemeinschaft mit Gott durch den zweiten Essenden, von Gottes Seite her, sich wieder anknüpfe. Der Act der Kreuzigung ist daher nur der Gegenact gegen die erste That im Sündenfall gewesen; und wie die Menschheit an dem Baum der Versuchung gekreuzigt worden; so hat ihre Befreiung nicht anders erwirkt werden mögen, als indem der Gottmensch ohne Schuld sich gleichfalls an ihm kreuzigen lassen. Indem er am Tische der Creatur den Tod gekostet, hat er dann in sich die zuerst gerissene Spaltung wieder aufgehoben, und den Tod zerstört; der Baum der Versuchung aber hat in seinen guten Zweigen in den Lebensbaum sich umgewandelt, der nachdem die letzte Aussonderung der bösen Zweige durch die ewige Gerechtigkeit sich vollbracht, am Ende der Dinge in all seiner Herrlichkeit wieder hervortritt. So ist also dieser christlichen Symbolik der Versuchungsbaum und der Baum der Erlösung im Kreuze ein und dasselbe Gewächs; und derselbe, der dem ersten Stammvater am bösen Zweig die Todesfrucht getragen, hat dem zweiten am Guten die rettende Lebensfrucht gespendet; im ersten Falle ist nur aus dem Süßen die Bitterkeit hervorgegangen, im Andern hat aus der Bitterkeit die Süße sich entbunden. Die Legende hat es über sich genommen, die symbolische Verbindung, die außer aller Zeit besteht, auch in ihr nach ihrer Art nachzuweisen. Gottfried von Viterbo erzählt im XIV. B. seiner Chronik: Noe habe einen Sohn Hionto mit Namen gehabt, der im Paradiese zugelassen, die Zweige einer Palme, Cypresse und Eiche abgebrochen und sie draußen in die Erde gepflanzt; die aber hätten sich in wunderbarer Weise zu einem Baume verbunden, der das Wesen dieser drei Bäume in eins geeint, und aus diesem sei in der Folge das Kreuz des Herrn gezimmert worden. Andere Sage liegt der griechisch gefaßten Erzählung in einem Manuscripte der Augsburger Bibliothek Nr. 58 zum Grunde: Abraham habe die drei Zweige von einer Fichte, Cypresse und Ceder gepflanzt, und diese seien in einen Stamm verwachsen, nur in der Wurzel und im Wipfel geschieden. Dieser Baum sei mit Andern zum Tempelbau Salomons gefällt worden, habe aber nirgendwo hingetaugt; Salomon habe ihn daher bestimmt, daß er irgendwo im Tempel zum Sitze dienen solle. Die Sibylle zu ihm hingeführt, habe aber niederzusetzen sich geweigert, und des Geistes von oben voll geweissagt: welcher in Zukunft an diesem Holze des Todes sterben werde. Salomon habe daher den Stamm, von dreißig silbernen Kreuzen umgeben, nach Osten aufstellen heißen, wo er dann bis zur Zeit der Passion des Herrn geblieben. Eine dritte Sage wußte zu berichten: von dem Baume, der am Bache Cedron einen Steg gebildet, habe die Königin von Saba geweissagt: es werde einst Einer, der dem Könige Salomo an Weisheit und Geisteskraft weit überlegen wäre, daran zum Tode kommen; und dessen Tod würde dem Reiche der Juden seinen Untergang bereiten. Salomon habe darauf den Stamm an dem Orte in die Erde vergraben, wo in der Folge der Teich der Prüfung gestanden. Zur Leidenszeit des Herrn sei das, durch so viele Jahrhunderte verborgene Holz, wieder ans Licht getreten, und die Juden hätten es dann zum Kreuz verwendet. Calderon hat später diese Sagen geschickt in sein symbolisches Drama, die Seherin des Osten, verbunden. Adam hat den Seth bei ihm zum Paradies entsendet, und der sieht dort den Baum der Versuchung ohne Leben und ohne Pflanzenseele verdorrt; und Adam gebietet dann dem Sohne, ihn auf dem Hebron zu begraben, aus seiner Asche werde der verdorrte Baum als Lebensbaum entsproßen. Von diesem Baume hat die Taube den Oelzweig dem Noe hingetragen, der ihn auf den Libanon verpflanzt; wo der Wunderbaum nun wächst hoch und schlank, als hätte die Natur die Königskrone über alle Bäume ihm verliehen. Dem Einen scheint er eine Ceder, dem Andern eine Cypresse, dem dritten eine Palme, und so enthält, erklärt, erläutert Ceder, Palme und Cypresse den Vater, Geist und Sohn, und ein Seyn hat dreifache Form gefunden. Das Gedicht folgt dann im Uebrigen größtentheils der dritten Sage.

Wie in der Dichtung von Orendel das Gewand mit dem Grabe sich verbindet, so ist in der vom Graale mit dem Kreuze, in der Eigenschaft als Sproße des künftigen Lebensbaumes, der Graal, in dem sich das Traubenblut der ersten Frucht dieses Baums gesammelt verbunden; und in den alten Dichtungen, die sich daran knüpfen, tritt auch die alte Symbolik in ihrer ganzen Reinheit hervor. Der Graal ist die becherförmige Schüssel, aus der der Erlöser, den Abend vor seinem Leiden, mit den Jüngern das Osterlamm gegessen; in die er dann wohl auch das Brod gebrochen, und in der das Blut und Wasser, das bei der Kreuzigung aus seinen Wunden geflossen, aufgefaßt worden; Joseph von Arimathia hatte, von jenem Abend her, den Graal bewahrt, und ihn zu diesem Zwecke angewendet. Er hatte also vor dem Hingange das Zeichen des Leibes, nach demselben aber das vergossene Blut selber aufbewahrt; und so war er das Symbol der Eucharistie, die zum erstenmale in diesem heiligen Becher war abgehalten worden. Es war also der zweite Mischbecher; im Ersten hatte der Logos die Naturelemente gemischt, als in ihm das Weltall geschaffen worden; in diesem Zweiten hatte er die historisch elementaren Gegensätze seines Lebens verbunden, als in Mitte des alten Geschichtsuniversums eine neue Geschichte sich gestalten sollte. Diese Geschichte wurde um ihren Mittelpunkt her, auf den Grund der Eucharistie, gebaut; Alle, die sich diesem Grunde aufgesetzt, indem sie in ihm wurzelnd, in seinem Lebenssafte aufgegrünt, gehörten dieser neuen Welt an, die aus der alten hervorgewachsen, und sie dann anzueignen die Bestimmung hatte. Der Graal ist also ein universalhistorisches Symbol; am Anfang der Dinge hat er wie das eherne Meer gestanden; in der Mitte hat er die ersten Keime der neuen Schöpfung in sich befaßt; am Schlusse wird er wieder die gereinigten und verklärten Elemente des Leibes der Kirche in sich befassen. Darum haben die Sternkundigen ihn als Naturkelch im Gestirne des Bechers in der Südhemisphäre gesehen; am Anfange der Geschichte aller Völker leuchtet er schon, indem er als Arche und Dschemschidsbecher ihre Anfänge in sich geborgen; und in der Mitte, im ersten Anfange des Erlösungswerkes, feiert ihn diese Dichtung. Aus den Lichtregionen der Gestirne ist er herabgekommen; eine Schaar Himmlischer brachte ihn auf die Erde herab, und fuhr dann wieder hoch über die Sterne zurück. In den Lüften schwebte der Graal am Anfange; denn damals lebte Keiner, der ihn zu berühren und zu tragen würdig gewesen wäre; Engel hielten, selbst unsichtbar, ihn schwebend, bis es später Tschoysiane der Reinen, vergönnt wurde, ihn zu rühren und zu tragen würdiglich. Aus einem Stein viel reiner ist er gebildet, Lapsil exillis ( Lap. silex Illis?) aber heißt der Stein; von des Steines Kraft verbrennt der Phönix, daß er zur Asche wird; die Asche aber gewinnt wieder Leben, und aus ihr fliegt alsdann wieder ein neuer Phönix auf, schön wie der Verbrannte gewesen. Es ist daher der Stein der Zeiten, er ruhend in der Ewigkeit, sieht sich von den Jahrhunderten umfluthet; ihre Strömungen von ihm den Ausgang nehmend, kommen, nachdem sie ihren Lauf vollbracht, wieder zu ihm zurück, um sich an ihm zu verjüngen; und so ruht er am Anfang und am Ende aller Zeiten, und ist in jeder Gegenwart. Was aber von Kraft ist in dem Steine, das empfängt er alljährlich am Karfreitag; wenn eine Taube, durchleuchtig weiß, sich vom Himmel schwingt, eine kleine weiße Oblate auf ihn legt, und dann wieder zum Himmel fliegt. Die Taube ist der Geist von oben, die Oblate, die sie bringt, aber die Eucharistie vom Himmel herniedergebracht; in ihrer Transsubstantiation, das schaffende und in der Restauration umschaffende Wort, die Lebensfrucht, die das Leben im Anfange zuerst gegeben und es dann geheilt. Das ihr einwohnende ewige Wort ist über alle Zeit, und dies Wort gestaltet den Becher zum Symbole für das bleibende, in Mitte der fließenden Zeiten, um; als Lebensfrucht aber spendet der Becher das Wasser; das ins ewige Leben fließt, und den nimmer dursten läßt, der davon getrunken; dann aber auch jene Frucht, die genossen, nährt zum unvergänglichen Leben. Der Graal daher, wo er erscheint, gewährt von Trinken und von Speise alles, was die Erde mag gebähren; alles was Wildes in der Luft lebt, das giebt seine Kraft denen, die darnach verlangen; der Sonnentisch von Smaragd, der ihn trägt, bedeckt sich von selbst mit jener bessern Speise. Dieselbe Lebensfrucht, die nun zum bessern Leben nährt und sättigt, sie wehrt auch dem Verderben, daß es über Alle, die von ihr gekostet, nicht seine Herrschaft zu üben vermag. Darum ist der Graal auch gegen den Tod eine rettende Arche, und nie wird Menschen so wehe, welchen Tages er den Stein gesehen, die Woche hindurch kann ihm kein Sterben nahen; die Farbe der Gesundheit, wie in seiner besten Zeit, sie mag ihm nimmer vergehen, und hätte er den Stein auch zwei Jahrhunderte hindurch angesehen, sein Haar wird nie ergrauen; sei er auch zum Tode wund, er wird nie ersterben, so lange er ihn schaut; und Titurel, 500 Jahre alt und lebenssatt, muß, um den Tod zu finden, neun Tage den Anblick sich versagen. Das ist also die Kraft des Steines, daß er Fleisch und Bein des ihn Schauenden mit ewiger Jugend durchdringt. Aber nicht Jedem ist dieser Anblick gegönnt; getauft muß seyn, wer ihn sehen will; denn dem Ungetauften ist das Geheimniß des Worts verborgen.

 


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