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Dreihundert und sechszehn Jahre blieben die Pforten des Mysteriums geschlossen; vor ihnen lärmte und tobte die Menge, und die Ereignisse hielten ihren Ablauf. Denn alle Weissagungen unterdessen hatten sich erfüllt, alle Dräuungen waren eingetroffen, und alle Verhängnisse hatten eingeschlagen. Die Mächte in der Einheit, wie die Gewalten in der Vielheit hatten ihre Stellung verkannt; die Folge war Verwirrung gewesen und die moralische Zerstreuung der Völker, wie damal beim Thurmbau eine physische. Jedes hatte für sich ein dürftiges Surrogat der Einheit in sich aufgebaut, und die gesonderte Menge daran geknüpft; da aber auch hier die Mäßigung fehlte, und das Gefühl des vollgewogenen Gleichgewichts dem Bestreben gewichen, daß jeder für sich das Uebermaaß erlaufe und errenne: da hatte aus all der Gährung nur eine neue Crise sich entwickelt, und die neigte nach der kirchlichen Seite hin, wo noch die Macht der Einheit Doctrin und Hierarchie zusammenschloß. Als die Zahl der Tage sich erfüllt, da hatte Kaiser Maximilian in Trier einen Reichstag eröffnet; und er, nicht unkundig der Ueberlieferungen der Vorzeit, dem Erzbischof Richard den Antrag gemacht, daß er eine Ausstellung des heil. Rockes zur Belebung des Glaubens veranstalten möge, und dieser hatte endlich seine Scheu überwunden und die Erhebung zugesagt. Die Majestät des Kaisers stand am bestimmten Tage zu oberst im Chore, darnach die Churfürsten: der Bischof von Mainz zuerst, dann der von Trier, und der von Cöln, der kaiserliche Pfalzgraf folgte. Diesen schlossen sich die weltlichen Fürsten an: Herzog Friedrich von Bayern, Markgraf Friedrich von Brandenburg, Herzog Ulrich von Würtemberg, Markgraf Christoph von Baden, Markgraf Casimir zu Brandenburg, Markgraf Philipp von Baden, Markgraf Hans von Brandenburg, Markgraf Ernst von Baden, der von Hennenberg. Dann folgten einerseits die Botschafter Herzog Wilhelms von Bayern und Graf Wilhelm von Hennenberg; andererseits die von Papst Julius und der Könige von Frankreich, England, Navarra, Spanien. Der Hochmeister deutschen Ordens, die Bischöfe von Bamberg, Straßburg, von Tull und der von Gurk. Endlich die Gesandten von Würzburg, Speier, Worms, Ferrara und des Walachen. Die Gesandten der Churfürsten von Sachsen und Brandenburg, der Herzoge von Lothringen und Oesterreich, und die des Herzog Wilhelms und Alexanders von Bayern hatten sich angeschlossen. In gleicher Folge, nur immer ein Geistlicher mit einem Weltlichen wechselnd, waren die Anwesenden zum Opfer gegangen Diß hernach getruktes wirdig Heyltum ist funden worden im hohen Altar im Thumbe zu Trier a. d. 1512. Ein Druckbogen, wahrscheinlich aus einer Presse von Augsburg hervorgegangen. S. Marx Geschichte des heil. Rocks 1844, p. 66.. Da öffneten sich die Pforten des Hochaltars, und zum andernmale ging der arme Rock des Herren daraus hervor; wieder Kaiser und Reich, wie sie vor ihm versammelt waren, anmahnend, strafend, bedrohend, und in Allem das Maaß verkündend, wie er den Vätern der Anwesenden im zehnten Geschlechte nach rückwärts hin gethan. Die Elfenbeinkiste, besiegelt mit Johann des Ersten Siegel, hielt ihn beschlossen; und man hatte bei ihm ein Messer gefunden, verrostet und jetzo in Silber gefaßt, und einen großen Würfel, zu dem Zettel, vor Alter unleserlich geworden. Eine Weissagung war das Gefundene, vor den Fürsten ausgelegt. Ein Augenzeuge von damal Ain wahrhafftiger Tractat, wie man das Hochwirdig Heiligthum verkündt und geweist in der heiligen Stadt Trier im Thum. Ohne Druckort. erzählt: »der allerheiligste Rock Jesu Christi, welchen ihm, als etliche götliche Lerer davon schreiben, die edel Kayserin der Himmel Maria, seine allerheiligste Mutter mit ihren jungfräulichen Händen künstlich gewirkt oder gestrikt hat, von oben herab strickend ganz überall an alle Nätt, auch an alle Zeichen der Natt, wie man einen Handschuh oder ein Barret strickt, war gänzlich unversehrt und wolbehalten«. Und als die Heiligthümer erhoben und ausgestellt waren, da ging von ihnen eine Stimme aus, sprechend zu denen, die im Chore versammelt waren: Seht dieß Gewand, das ich, unter den Menschen auf Erden wandelnd, getragen, ein Faden läuft durch sein Gewebe hindurch; von einem Punkte ausgehend, verschlingt er sich, vielfach gewunden und verstrickt, zur ganzen Webe, die noch heute, nach so vielen Jahrhunderten, ungekränkt und unverworren, wie im ersten Anfange, besteht. So auch habe ich meine Kirche aus einem Faden gewebt; in meinen Händen ruht der Anfang, seine Verwebung umkleidet die Erde, sein Ende läuft in meine Hand zurück. Ihr, die ihr hier versammelt seyd, forscht nicht nach diesen verhüllten Anfängen und Endabläufen! auch die eurer Macht und Würden laufen darin zusammen; und ich decke sie mit Händen vor den Menschen. Diese Briefe aber, die die Zeit unleserlich gemacht, sie bezeugen euch, daß sie in ihrer Unerforschlichkeit außer aller Geschichte liegen. Ich schaue in euer Aller Herzenstiefen; kein Gedanken und keine Regung kann sich dort vor mir verbergen. Viele unter euch, die von Berufs wegen meine Kirche höhen und mehren sollten, mindern und niedern sie vielmehr durch Gleichgültigkeit, Lauheit, Sinnenlust und Uebermuth; die ich aber unter den Laienfürsten ihr zum Schirm und Schild eingesetzt, gelüstet, in unersättlicher Gier, nach ihrem Besitze; und sie, die ihre Schirmvögte seyn sollten, werden ihre Dränger und Tyrannen; ihre eigenen Würdenträger aber, von der gleichen Gier besessen, erwehren sich ihrer mit verbotener Waffe der Gewalt und Hinterlist. Die gemeinsame Sünde wird ein Band seyn zwischen ihnen, und sie werden ein Bündniß zetteln, und ehe der Wächter in Himmelsmitte, der die Jahrhunderte ausruft, dreimal gekräht, wird dreifacher Verrath gegen mich und mein Werk auf Erden ausgegangen seyn. Mit diesem Würfel werden sie über mein Gewand in der Kirche die Loose werfen; mein Auge aber wird wachen über sie und all ihr Thun, daß es ungetheilt immer dasselbe bleibe; nur ihr Mantel wird hingegeben, mit diesem Messer wird er, getheilt den um ihn Loosenden zur Beute fallen, damit auch die Sünde des hochmüthigen und verzagten Menschenherzens in ihr heimgesucht werde. Dann aber werde ich die Kelter treten, und der Wein meines Zornes soll in Strömen über die Erde sich ergießen. Meinen Acker will ich besuchen, den Waizen will ich in Garben sondern; das Unkraut aber, das der böse Feind gesäet, zu Haufen legen, und mit den Dornen es verbrennen. Meine Tenne will ich fegen, und die Spreu, sey sie geweiht oder ungeweiht, den Winden übergeben, daß sie, was ich zu leicht befunden, ohne Spur verwehen. Mit diesem selben Würfel soll dann auch über dein Kleid, o Kaiser! das Loos geworfen werden; und diesem Messer preisgegeben, wird es denen zur Beute werden, die sich zu seinem Schutz verbunden. Dann aber soll mein Zorn auch die Werkzeuge, deren er sich gebraucht, zerbrechen, und ich werde sie dem Erbfeind unter die Füße streuen; und auch seine Trabanten sollen den Würfel werfen, wem das Reich zur Beute falle, und er soll aus seinen Fetzen sich einen neuen Kaisermantel, für heut und morgen und einen dritten Tag zusammennähen. Dann aber, wenn das Alles erfüllt ist, sollen, die noch übrig geblieben, zum dritten- und viertenmal mich sehen. – Nachdem diese Rede sich ausgesprochen, gingen die Symbole wieder in die Verborgenheit des Fronaltars zurück, und die Pforten schlossen sich zum andernmale hinter ihnen. Aber Warnung, Mahnung und Belehrung gingen abermal verloren an dem Geschlecht der Menschen, dem die Propheten sie zugerufen; denn schlimme Zeiten waren vorangegangen, schlimmere kamen nothwendig in ihrem Gefolge herangezogen. Alexander hatte auf dem Stuhl gesessen; ein Kriegesherzog von Italien war in Julius ihm gefolgt; alle Künste hatten sich dann verbunden, um in Leo ihn mit ihren Reigen zu umfangen; und von den Würdeträgern der Kirche aus hatte vielfach ein Geist der Fleischeslust, des Hochmuthes, der Gewaltthätigkeit und Verkommenheit in roher Weltlichkeit die Kirchenprovinzen überzogen. Die weltlichen Reiche auf Erden waren aus ihren Fugen gewichen; die europäischen Mächte, nachdem die Idee einer christlichen Republik kraftlos geworden, kämpften sich in wilden, blutigen Kriegen ab; seit der Ligue von Cambray und seit die Venetianer ihre politische Wechselbank aufgeschlagen, war die Arglist zur Gewaltthätigkeit hinzugetreten; und fort und fort wechselte in treuloser Diplomatik die Gestalt Europas, wie die Bündnisse sich lösten und sich aufs neue knüpften: Italien war der Preis des Kampfes, um den Frankreich, Spanien, Deutschland und der Gebieter im Kirchenstaate rangen. Während die Türken von Osten her immer weiter drangen, hatte die Schweiz ihre Ablösung von Deutschland vollendet; Burgund aber Elsaß und Lothringen mit Metz und Toul und Verdun waren ihm noch verbunden; und Frankfurt hielt die Mitte des alten Reiches, das in der Machtlosigkeit seiner Einheit sich in breiter Masse kraftlos dehnte. In dieser allgemeinen Haltlosigkeit und Verwirrung trat der Zwiespalt der Gemüther, der in ihnen schon seit lange gebrütet, an den Tag hinaus, und die Geister theilten sich zur Rechten und zur Linken hin. Von den Besseren, die noch guten Sinnes waren, wendeten die Conservativen sich dem unverwüstlichen Guten zu, das, die gesammte Hoffnung der Menschheit in sich beschließend, der Kirche anvertraut worden, um es im gebrechlichen Gefäß zu bewahren; das immerhin befleckt werden mag, ohne die eigene Beschmutzung dem Inhalt mitzutheilen. Die von der andern Seite aber wendeten ihre ethische Entrüstung den mancherlei Mißbräuchen entgegen, und drangen auf radicale Reformen, die dergleichen in Zukunft abwenden sollten. Da regte der böse Feind, nun auch seinerseits eingreifend, die schlechten Triebe in den Schlechten auf, daß sie eben in diese Mißbräuche sich getheilt; die Einen ihren Vortheil an ihrer Behauptung suchend, die Andern an ihrer Abschaffung. So wirrte sich gut und bös in der Gährung der Zeit zusammen; kaum acht Jahre nach dem Reichstag in Trier gab der kecke Augustiner in Wittenberg den Gedanken das Wort, indem er die Bulle Leo's und die canonischen Rechtsbücher verbrannte, und den Papst als den Widerchrist erklärte. Vertreter Christi oder Widersacher das wurde nun das Kampfwort der Hadernden. Der Riß war in Mitte des Principes der Hierarchie hervorgegangen; er wurde bald auch auf das Princip der Doctrin und die Sacramentenlehre hinübergetragen; vom Principe aus mußte er, immer weiter klaffend, auf die ganze Ordnung der Dinge sich verpflanzen. In dem Bereich der Kirche riß der Spalt zuerst nach außen weiter. Dem Primas des Reiches, dem Nachfolger des Erzbischofs Uriel von Mainz, der im Chore des Doms dem Kaiser zunächst gestanden, dem Albrecht aus dem Hause Brandenburg, nahte die Versuchung, ihn auffordernd: seinem zuchtlosen Leben den Zügel der Ehe aufzulegen, und seine geistliche Würde in eine weltliche umzuwandeln. Er hatte mehr als bloß gewankt, dann aber in sich schlagend, als er den dritten Hahnenschrei vernommen, Buße gethan. So war der Schimpf des Verrathes von seiner Schwäche hinweggenommen, die Bürde aber wurde bald einem andern seines Stammes aufgelegt. Als Hochmeister des deutschen Ordens hatte auch er vor dem Fronaltare die Prophetie vernommen; sie schirmte ihn nicht, daß er, den Besitz des Ordens in eigenen Besitz umwandelnd, sich zum evangelischen Erbherzog in Preußen erklärte, und eine Herzogin sich beigesellte. Die Versuchung nahte nun dem dritten jener Kirchenfürsten, dem Nachfolger Philipps, der als Inhaber des Stuhles von Cöln damal dem Kaiser Maximilian zur Seite gestanden, dem Churfürst Herrmann. Seine unwissende Einfalt, mehr zum Kriegswerk neigend als zum Kirchendienst, hatte ihn der Ueberredung Bucers zugänglich gemacht; der Clerus, die Universität und der Magistrat von Cöln hatten sich widersetzt, und so war er durch Urtheil des Pabstes verdammt, und seine Würde ihm genommen worden. Die Frage an ihn und alle die Anderen gestellt, hatte gelautet: Wollt ihr dem Worte eures Meisters folgen, also daß der Höchste unter Euch dem Niedrigsten sich gleichachte; in Mitte der Macht Maaß halte im Gebrauche; in Mitte des Reichthums sich arm bewahre, und die andringende Lust unter dem Fuße niederhalte; also Euch würdig machend, daß ich Euch setze über Vieles? Aber das bedünkte sie allzu schwer; die Lust lockte so verführerisch, der Reichthum drängte zu ihr hin, und wer wird, im Besitze der Gewalt, der süßen Gewohnheit sich ihrer zu gebrauchen, entsagen? So war von den drei Säulen des Reiches im Geistlichen nur eine unverrückt aufrecht stehen geblieben; Eine war gefallen, die dritte sich neigend eingesunken. Der Markgraf der Kirche gegen den Osten, hatte die Kirchenmark in einen Hausstaat umgewandelt. Zuchtlose Mönche und Weltgeistliche, mannstolle Nonnen, geführt von ihren Aebtissinnen, die Plage des Reformators, hatten den Landsturm der Reform gebildet.
Nun trat die Entscheidung für die zum Reichstage persönlich oder durch Botschafter anwesenden weltlichen Stände, Fürsten, Städte, Grafen und Herren ein. Das war die ganze Frage: Eine Macht ohne Schranken und Begränzung mag nicht gestattet werden; wollt ihr nun in altchristlicher Weise unter dem göttlichen Rechte leben, zu dessen Organ ich den Vater der Gläubigen auf dem Stuhle geweiht; oder wollt ihr in dem neuen Princip nach dem irdischen Recht euere Gewalt von unten her ableitend, und als Vertreter eurer Völker herrschen in ihrem Mandat? Frei ist des Menschen Willensentschluß; wie ihr auch wählen mögt, eine Klippe droht zur Rechten, daß der Gewählte in menschlichem Hochmuth sich erheben möge; die Andere, daß die Menge ihre Gewalt über die Euere setze: mein Auge wacht aber über Alle. Den Priester, der, meines Mandats vergessend, das Seine ihm zu unterschieben versucht; die Völker, die die Gewalt mißbrauchen, die sie von mir erlangt, ich werde sie zu finden wissen; und wie ich es zuvor gehalten, so auch fortan über sie zu Gerichte gehen, bis sie endlich es gelernt, in meiner Furcht zu wandeln, und nicht zur Rechten noch zur Linken vom gewiesenen Wege abzuweichen. – Die Schrecken des Bannes und des Interdictes, die Auflösung aller Bande der gesellschaftlichen Ordnung und vielfaches Blutvergießen, das sie herbeigeführt; der Stolz, eine höhere Macht nicht bloß in Gedanken, sondern in der Wirklichkeit über sich zu sehen; der Unwillen, eine andere Ermächtigung, als die des Blutes, bei wankendem Glauben nachzusuchen: sie schreckten von der einen Seite ab. Von der Andern lockte das Selbstvertrauen, der willenlosen Menge bald Herr zu werden; das Verlangen von der strengen Zucht des Evangeliums loszukommen; die Anmaßung stolzer Priester unter den Fuß zu beugen; ihrer Reichthümer, die der Glaube so lange gefeyt und geschützt, sich zu bemeistern, und so, aller hemmenden Controlirung frei, im unbeschränkten Genuße der Gewalt des Lebens sich zu freuen: das Alles trieb mächtig in dieser Richtung hin. Es war die in die Gutartigkeit der menschlichen Natur eingepflanzte Scheu, die es erwirkte, daß es in allen Dynastien, Geschlechtern und Ständen Deutschlands nur zu einem Bruche kam; indem die eine Hälfte am Orte blieb, die andere aber, von ihr sich trennend, sich zur Linken wendete. Durch das sächsische Haus folgte solche Theilung der beiden Linien, der Albertinischen und der Ernestinischen. Philipp Landgraf von Hessen war zur Zeit des Tages in Trier noch minderjährig gewesen, und die Regentschaft hatte ihn beschickt. Er nun mündig geworden, dabei aber schlau und klug unter den Weltkindern, war in die neue Lehre eingewachsen, und hatte zu ihrer Befestigung den ersten Bund zu Torgau mit Johann dem Churfürst abgeschlossen, und später seinen Hausstand also geordnet, wie er die Kirche zu ordnen sich bemüht: ein Bräutigam und zwei Bräute. Vom Hause Brandenburg hatten, neben Albert, dem Churfürsten von Mainz, noch der fränkische Markgraf Friedrich mit seinen Söhnen, Casimir und Johannes und dem Hochmeister, vor dem Fronaltar gestanden, und der Churfürst Joachim hatte seinen Gesandten hin geordnet. Der Churfürst, Bruder des von Mainz, hatte zur alten Kirche sich gestellt; aber sein gleichnamiger Sohn war zur Neuen übergetreten. Von der fränkisch-brandenburger Linie war drei Jahre später der Markgraf Friedrich, von den beiden Söhnen Casimir und Johannes, als ein Verstandloser eingekerkert; und Casimir, der Ueppige zugenannt, wüthete, die Brandfackel in der Hand, im Bauernaufstand mit Augenausstechen, Spießen und Braten; und er ist der Vater jenes Albert, Alcibiades genannt, der mordbrennend die Pfaffenstraße durch die rheinischen Erzbisthümer, bis Trier, wo damals sein ganzes Haus auch im Chore gestanden, hingezogen. Herzog Ulrich von Würtemberg, der neben Friedrich von Brandenburg geordnet gewesen, hat seinerseits in wenig Jahren bei seinen Unterthanen den Namen des Wüthrichs sich erworben; der schwäbische Bund jagt ihn, den Friedensbrecher, sofort von Land und Leuten; er aber nimmt sich zum Denkspruch: Stiefel oder Bundschuh! Adel oder Bauer! es gilt gleich, wer mir zu meinem Lande hilft. Wieder zurückgekehrt, hat er daher die Reformation in seinem Herzogthume eingeführt; während sein Bruder Görg sie nach Mümpelgard verpflanzt. Herzog Erich von Braunschweig war bis zum Tode der alten Kirche treu geblieben; das Haus aber, dem er angehörte, hat sich in die Principien getheilt; das neue aber war schnell in ihm zum herrschenden geworden. Der wackere Christoph, Markgraf von Baden, wurde früher hinweggenommen, als die Wahl der Entscheidung vor ihn hingetreten; seine drei Söhne aber, Philipp, Bernhard und Ernst, führten das Lutherthum in der Markgrafschaft Baden ein. Der Herzog von Oesterreich hatte sich auf die rechte Seite gestellt; und so auch der von Lotharingen, Anton, von dessen Bruder Claudius die Guisen, die Häupter und Führer der Ligue in Frankreich abgestammt. Das Haus der Wittelsbacher, seit den Zeiten Kaiser Ludwigs in viele Linien sich verzweigend, hatte je nach ihnen auch zur Rechten und zur Linken sich getheilt. Die bayerische Linie, durch den Herzog Wilhelm IV. auf dem Tag vertreten, hatte auf die Seite der Kirche sich gestellt; und er wurde der Urgroßvater Maximilians, der mit Ferdinand von Oesterreich Hoch- und Mitteldeutschland ihr gerettet. In der Linie der Pfalzgrafen war Ludwig V. anwesend auf dem Tage, nebst ihm Herzog Friedrich und Herzog Alexander. Der Pfalzgraf Ludwig V. stand auf Seite der Kirche fest; der Bruder Friedrich II. führte die Reformation in seinem Lande ein; Friedrich III., von der Linie Simmern, in der mittleren Churlinie, hatte gleichfalls sich für das neue Princip erklärt; und in dieser Linie begann sofort das Skandal des Wechsels zwischen Lutherthum und Calvinism, dem die Landeseinwohner willig oder unwillig zu folgen hatten. Von der Zweibrücker-Linie, da der anwesende Herzog Alexander zwei Jahre nach dem Reichstage gestorben, hielt sein Sohn sich zum neuen Princip, während später die Neuenburger Linie wieder zur alten Kirche zurückgegangen. So war also die Fürstenbank in zwei gebrochen; Apostaten und Papisten schalten die Parteien sich gegenseitig; die von wer neuen Observanz aber zierten ihre Häupter mit den Titeln der Weisen, Großmüthigen, Beständigen u. s. w.; Bezeichnungen, die die Geschichte seither revidirt. Der Riß ging von da weiter zur Grafenbank herab. Die gefürsteten Henneberger hielten sich zum neuen Zeichen; der im Dome anwesende Wilhelm von Henneberg wollte im Bauernaufstand das Bisthum Würzburg in ein Fürstenthum, für den Domprobst Friederich von Brandenburg, umwandeln; es gelang aber nicht, und die Linie starb vor dem Ende des Jahrhunderts aus. Vier Grafen von Nassau, die zugegen waren: Sarbrücken, Dietz, Wisbaden und Beilstein, größtentheils der Ottonischen Linie angehörig, werden von Heinrich an, dem Gatten der Erbtochter von Oranien, Erben dieses Hauses; und indem auf Wilhelm dieser Besitz übergeht, sind sie Stammväter der Prinzen von Oranien, Führer der Niederländer in ihrem Unabhängigkeitskampfe mit Spanien geworden. Durch die übrigen Grafen und Herren geht dieselbe Spaltung; die reichsunmittelbare Ritterschaft, im Kampfe mit den Fürsten schon seit lange, theilt sich je nach Neigung und Interesse; die aufstrebenden Reichsstädte, in Fehde mit ihren Stiftern vielfach verwickelt, trennen sich auch ihrerseits zur Rechten und zur Linken; indem Nürnberg, Frankfurt und Magdeburg, bald Andere und Andere dem ersten Bündniß protestantischer Stände beigetreten. Universitäten und Humanisten sind im Streite; das Volk aber, durch die Presse bearbeitet, schwankt je nach Neigung und Affect. So ist Deutschland in allen seinen Ständen und Ordnungen in Zwietracht, bis zur Wurzel hinab, geschieden. Der Riß aber, der das Herz gespalten, setzt sich nun bald in die ganze, mit ihm verbundene europäische Gesellschaft fort. Die Schweiz, die auch den Tag besucht, mit den Botschaftern der andern bedeutendsten Mächte, sie wird gleichfalls in sich getheilt; indem die Urkantone im Gebirge zur alten Ordnung halten, die Andern zur Neuen übergehen. Diese aber hatte dort, durch das Auftreten einheimischer Reformatoren, gleichfalls sich in sich zerklüftet und weiter getheilt. Die Wittenberger Schule hatte dem Staat die Souverainität in kirchlichen Dingen eingeräumt; die Bibel war ihr die Constitution der Kirche; die Theologen aber, komittirt vom Souverain, sind die Ausleger des Wortes. Darum hatte Calvin im demokratischen Genf folgerecht geurtheilt: also ist die Souverainität im Volke, dem die Prädestination sie angewiesen; und es übt sie aus durch seine Aeltesten und die Minister, die es gewählt. Diese Lehre hatte zuerst nach dem südlichen, dann auch nach dem nördlichen Deutschland sich ausgebreitet, und einen neuen Bruch hervorgerufen; zu dem sich jener Andere hinzugefügt, der, wie die Wiedertäufer im Gegensatze mit den ersten Reformatoren, die Lehre aufgestellt: der Geist von oben, der weht wo und in wem es ihm gefällt, ist allein Ausleger und Richter in Glaubenssachen. Die Lehre war anderwärts auch nach Frankreich hinübergegangen, und unter ihrer Form hatte die Reformation in diesem Reich gewurzelt. Der Hof hatte im Beginne ihr nur schwach entgegengewirkt; dann aber, in seinem Interesse, für die alte Kirche Partei genommen. Wie in Deutschland war auch dort die Scheidung durch alle Stände hindurchgegangen: die Reste der alten Lehnträger, der Hofadel, der Landadel, der Clerus, die Städte und das Volk, sie alle hatten sich getheilt, und entweder auf die Seite der altkirchlichen, oder der Hugenotten geschaart; und während die Lehre dann über Meer, ins brittische Inselreich, hinübergegangen, hatte sie andererseits in den Pyrenäen gewurzelt; und indem Spanien, wie Italien, sie abgewiesen, in Navarra sich festgesetzt. In den skandinavischen Reichen hatte der tyrannische Mißbrauch der politischen Union ihr den Zugang geöffnet; die politische Einheit der Stämme, wie-die kirchliche, wurden zugleich zerrissen, indem Gustav Wasa seine neue Dynastie auf die Reformation begründete, und auf Unkosten der Kirche sie dotirte; gleichzeitig aber in Dänemark Friedrich I. sie einführte. Seinerseits hatte Heinrich VIII., um eines Weibes willen, das Schisma auf seiner Insel angepflanzt, und Elisabeth dann die Trennung von der Kirche gänzlich vollführt. Der Raubvogel in der Menschenbrust sah von seiner Höhe herab die reiche Beute, und stürzte sich darüber her. Das geistliche Recht war abgethan, und die Flammen hatten es gefressen; so war das Weltliche allein zurückgeblieben, und die Gewalt wußte zu ihrem Vortheil es auszulegen; die Schlüssel in den Wappen geben Zeugniß, daß die Auslegerin sich der Schlüsselgewalt in fremdem Gebiete bemeistert hatte. Die Verwicklung der höheren Dinge mit der niedern Ordnung war unstatthaft befunden worden, und der Himmel in seine Gränzen eingewiesen. Da wurden die Träger des Entlassenen auf Erden erledigt, und in freudiger Hast drängten sich die Erben zu, um von der Verlassenschaft Besitz zu nehmen. Das Kirchengut, oft von Eindringlingen mißbraucht und den Armen entzogen, hatte doch so viele Jahrhunderte, in Mitte der Habgier, der Mißgunst und des Neides, von frommer Scheu gehütet, sich unversehrt erhalten; jetzt war der seidene Faden um den Rosengarten zerrissen, noch zaghaft in der alten Scheu, brachte jeder sein Theil auf Seite. Nur Heinrich VIII. von England hatte tapfer zugegriffen. In zwei Haufen hatte er den reichen Schatz getheilt; auf den Minderen hatte er den kleineren Besitz der ärmeren Orden gelegt, auf den größeren den Mammon der reicheren Stiftungen; und da rächende Blitze den Raub des Ersten nicht geahndet, getrost zum Andern gegriffen, und binnen wenig Jahren ihn an seine Hofleute verschleudert. Von da an haben die Prädicamente der Könige von Gottes Gnaden allmählig von denen der Aelteren aus Gnade der Natur im Blute sich geschieden und getrennt; eine Kluft aber war durch den gesammten Welttheil gerissen, und die beiden Parteien standen an den Rändern des Abgrundes schlagfertig einander gegenüber.
Aber die ewige Liebe, die von oben in warmer Einströmung die irdischen Dinge hegt und pflegt, wird ihnen ein fressend Feuer, und all ihre Liebeskraft sammelt sich in einen Schlag zusammen, wenn diese in ihrer Verkehrtheit ihr die kalte Spitze entgegenbieten. Sie entsendet sofort die Gerechtigkeit, die unerbittliche, und die schreitet, bewaffnet mit dem zweischneidigen Schwerte, durch die Mitte des Abgrundes vor, von Deutschland ihren Ausgang nehmend, und ihre Schläge fallen rechts und links nach Maaßgabe, wie die Straffälligen sich verschuldet. Der Adel hatte seinerseits das neue Princip auch gegen seinen Vortheil hingewendet, und war in die geistlichen Besitzungen eingebrochen. Ihn hatten die Fürsten bezwungen, und beide hatten gemeinsam gegen die Bauern sich verbunden, die, von den Wiedertäufern zuerst aufgeregt, wie Unbill rächend, so auch Unbill übend, sich durch das Reich ergossen, und es mit Brand und Verderben verwüstet. Die Fürsten, nachdem sie nach abwärts freie Bahn zu schalten und zu walten sich gewonnen, hatten nun ihre Macht nach aufwärts gegen den Kaiser hingewendet; in der Schlacht bei Mühlberg aber war ihr Unterfangen gescheitert. Moritz von Sachsen hatte später ihrer Sache sich wieder angenommen, und der kranke Kaiser wurde nun zur Flucht gedrängt, daß auch er, in seiner Kraft gebrochen, zum Nachgeben sich entschließen mußte. Rom hatte schon, früher von den zuchtlosen Banden Bourbons erstürmt, die Plünderung, wie in den Zeiten Totilas, erlitten; die Gebiete der geistlichen Fürsten waren halb verwüstet; das Geschlecht des Hochmeisters verkam schon in der ersten Generation im Blödsinn; das der Kulmbacher aber erlosch in der Proscription. Die Nemesis hatte, ohne Ansehen der Person, recht gerichtet, und von der alten Schuld die erste Zahlung eingetrieben. Während der Raub des Kirchengutes vorangeschritten, und die alte Sittenlosigkeit durch das neue Princip der Rechtfertigung im Glauben, oder durch die Prädestination immer zunehmend sich gemehrt, hatte die höhere Macht sich gerüstet, den Acker zu reinigen und die Tenne zu fegen; das Dorngestrüppe brannte im Feuer auf, und die Spreu wurde in alle Lüfte hingeweht. Die Kelter des Zornes begann sich zu bewegen, die Rache floß erst tropfenweise, die Tropfen strömten zu Bächen zusammen, die Bäche rannen nieder durch Deutschlands Gauen und sammelten sich zu größeren Strömen, die über die Gränzen des Reiches brachen. Indem das Gleiche in allen umliegenden Reichen sich wiederholte, wurde die Sammlung aller Wässer des Zornes eine den Continent umfluthende Strömung im Sinne, wie das Alterthum den Ozean sich vorgestellt. In der Schweiz war der Religionskrieg ausgebrochen, und hatte seine Schlachtfelder in den Thälern der Alpen und auf den Höhen sich gesucht. In Frankreich war nicht minder der Krieg entbrannt. Condé und die Guisen standen gegen einander; Blutbäder tränkten die Erde, Gräuel ohne Maaß und Zahl werden ausgeübt; Meuchelmord der Könige wechselt mit dem der Parteihäupter; endlich, nachdem der Sturm beinahe durch ein halbes Jahrhundert das Land durchwüthet, und es an den Rand des Untergangs gebracht, wird nothdürftig der Friede durch den Rücktritt Heinrichs IV. wieder hergestellt. Früher, und zum Theil gleichzeitig, haben die Niederlande ihren Kampf mit Spanien ausgestritten, dessen Endergebnis die Scheidung des Süden von dem Norden gewesen. In England hatten die Elemente der Zeit, durch einander gährend, die Sternkammer, den Covenant, das lange Parlament, den puritanischen Fanatism, die Independenten, den Krieg gegen den König, Fairfax und Cromwell, die Niederlage Carls, seine Auslieferung und Hinrichtung hervorgerufen, woraus die Republik Englands, nach der Reinigung des Rumpfparlaments, unter dem Protectorat dieses Cromwell hervorgegangen. In Deutschland hatte der Religionsfriede dem ersten Kriege ein Ende gemacht; das eingetretene Interim ist eine Zeit fortgesetzter Gährung und Gewaltigung geworden, aus der dann wieder ein neuer Krieg, furchtbarer und gräuelvoller denn jener, der ihm vorangegangen, sich entwickelt hatte; ein Krieg, in dem das Herzblut Deutschlands über seinen Boden hingegossen und sein nahe gänzlicher Ruin sich vorbereitet. Schreiten andere Kriege nur in der Linie verheerend über die Länder hin, nun diese nun jene Provinz zur Basis der Schichten wählend; so hat dieser in allen Dimensionen sich eingewühlt, in Allen gleich verderblich, die Bevölkerungen in Massen aufreibend, die Gauen verödend, die Städte entvölkernd, den ganzen Charakter der Nation in seinem Grund umkehrend; ihren Wohlstand zerstörend und eine tiefe Kluft zwischen dem alten und dem neuen Reich aufwühlend. In Münster haben zuletzt, nachdem die Heere das Werk der Zerstörung vollbracht, die Juristen den Würfel hadernd über die Hadern geworfen, und das Messer hat den Rest des Kaisermantels im Kreuzschnitte getheilt. Der beste Lappen ist, wie im ersten Kriege, Frankreich zu Theil geworden, das bis zum Strome Deutschlands vorgedrungen; Schweden hat den Andern sich angeeignet, und in ihn geputzt, Reichsstandschaft erhalten; die Schweiz, nun als unabhängig anerkannt, verbirgt ihren Antheil in ihren Bergen, wie damal die Germanen nach der Schlacht im Teutoburger Walde mit den römischen Adlern es gehalten; die vereinten Niederlande als unabhängig erkannt, bleiben nur im losesten Verbande mit dem Reiche, in dem die Landeshoheit der Fürsten auch die Theilungslinie auf die kaiserliche Tunika schon eingezeichnet. Deutschland gleicht einer Vestung, die die Feinde eingenommen und nun verlassen, nachdem sie alle ihre starken Werke gesprengt. Die Wehrlinien an den alten Gränzen, von der Natur selbst, in den Gebirgen aufgebaut, sie bleiben allesammt in der Hand der Fremden; und diesen sohin, und mit ihnen Andern, die bei der Theilung ihrer Unbedeutenheit wegen noch nicht zugelassen worden, ihnen allen ist der Weg zum Vordringen aufgethan; der Zankapfel inneren Haders in das zweieinige Reich gelegt, wird ihnen die Wege bahnen. Die Nemesis aber, nachdem sie dahin zurückgekehrt, von wo sie ausgegangen, entgürtet sich, und legt ihr Richtschwert nieder vor dem, der sie ausgesendet.
Auch der Mantel der Kirche ist der Theilung Verfällen, die Tunika aber immer noch unversehrt geblieben; ihre heiligen Symbole waren, während die Welt im Kampfe lag, in sichere Verborgenheit zurückgegangen. Man hatte, ehe dann das Getümmel hereingebrochen, den Beschluß gefaßt: sie sollten mit jedem siebenten Jahre zu Tage treten; das aber schien dem, dessen Auge über sie wachte, nicht genehm zu seyn. Der regelmäßige Ablauf der Jahreswochen wurde daher durch den Aufruhr der Zeit vielfach gestört; nur einigemale im Laufe des sechszehnten Jahrhunderts erschienen die Verborgenen, und wie in Unwillen gehüllt, nur im Vorbeigehen sichtbar. Endlich, als um die Hälfte des siebenzehnten Jahrhunderts sich der Sturm gestillt, traten sie, nachdem durch zehn solcher Jahreswochen ohne Unterbrechung, ihre Verhüllung angehalten, im Jahre 1655 wieder hervor. Zwei Jahre früher hatten die Reichsfürsten in allem Pompe der neuen Landesherrlichkeit ihren ersten Reichstag nach dem Kriege abgehalten; und nachdem sie auf ihm gegenseitig sich zu dem Recht ermächtigt: nach Belieben die Auflagen in ihren Gebieten zu regeln; später auch in allen ihren souverainen Machtübungen, und im unbegränzten Rechte Frieden und Krieg zu beschließen, gegen die Einsprüche ihrer Landstände und Unterthanen, und das Einschreiten der alten Reichsgerichte, gegenseitigen Schutz sich zugesagt, und gegen den Einspruch des Kaisers ihren Willen durchgesetzt, also sich den Weg zur absoluten Macht gebahnt. Die Erzbischöfe in ihrer Zerknirschung waren wieder am Fuße des Altars versammelt, auch, wie es scheint, viele der geladenen Bischöfe; ein Kind in der Wiege aus dem bayerischen Hause, später die Mutter Kaiser Karl VI., hatte die abwesenden Fürsten vertreten; zu Hunderttausenden hatten die dem Krieg entronnenen Reste der Bevölkerung sich hinzugedrängt. Der, welcher aus der Höhe über seinen Symbolen in die Geschichte niederblickte, sah in den Andrang deren, die um ihn versammelt waren; und die Stimme, die so lange verstummt, ließ von neuem, sich vernehmen. Ich habe Gericht gehegt über die Geschlechter, die vorübergegangen über ihre Häupter und Aeltesten; sie haben meine Macht gefühlt, und meine Fügungen haben in ihrer einen Hälfte an ihnen sich erfüllt. Ich werde zu Gerichte gehen, auch über die, welche da kommen sollen; auch sie werden sich nicht meiner Hand entziehn, und die andere Hälfte meiner Fügungen wird auch an ihnen sich vollbringen. Jenen hat nicht das Verständniß der Bedeutung, der Macht und Würde der Einheit eingewohnt; zu schwach und wankelmüthig, um sie zu handhaben nach Gebühr, haben sie die Ungewisse bald über die ihr gesetzte Gränze schweifen lassen, häufiger noch sie weit hinter dieselbe zurückgedrängt, und sind, also auch der mit ihr verknüpften Wohlthat verlustig gegangen. Ich habe mit ihrer Schwäche Nachsicht gehabt, denn des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Als sie mir daher meine Einheit aufgekündet, und andere Surogateinheiten an ihrer Stelle aufgeworfen, habe ich es geschehen lassen und gestattet, daß Europa sich in die alte Ordnung und die neue Ordnung theile; es soll erfahren, welche Macht und Kraft ich der Vielheit eingegeben, und welches Unheil aber auch die Ermattung und Ausschließung der wahren Einheit mit sich führt. Sie haben gewählt, und ich habe ihr Wahlrecht geachtet und anerkannt; aber ich werde auch dem Fortschritt des gewählten Principes kein Hemmniß entgegen setzen; es wird fortschwingen, bis es an der letzten Consequenz zu wenden sich genöthigt sieht. Die der alten Einheit treu geblieben, mein Auge wird wachen über sie; mögen sie sich vor Erstarrung hüten, ich würde sie lösen müssen. Die auf die andere Seite sich gestellt; ich werde in keinem Guten, das sie beginnen, ihnen zuwider seyn, jeder Tüchtigkeit ihr Preis! aber in der unbeschränkten Gewalt lauert das Verderben; ich aber werde nicht gestatten, daß es zu seinem Zweck gelange. Die Brunnen der Tiefe, die in der Vielheit verborgen ruhen, sie werden sich öffnen, und ihre Fluthen über die in Trennung entzündete Welt ergießen, und wieder jung machen, was in der Hinfälligkeit der Sünde und in der Gewohnheit bösen Mißbrauchs gealtert. Denn die Geschlechter der Menschen gehen nacheinander an meinem Angesicht vorüber; solidarisch verbunden alle insgesammt, jedes einstehend für das Andere in ihrem Antheil an Schuld und Lohn; aber jedem ist auch sein Theil von Jugend und frisch erneuter Kraft ausgeschieden, damit mag es wuchern in seiner Zeit und mir Rechenschaft ablegen von dem ihm geliehenen Pfunde. Meine Sache ist es, die Extreme abzuhalten; darum habe ich Einheit und Vielheit also abgewogen, daß sie, im rechten Maaße sich ergänzend, einander heben und mäßigen, und also in Harmonie sich zusammenschließen. Will aber, nachdem ich Wucht und Gegenwucht also abgewogen, Eine im Mißklange sich über die gesättigte Genüge erheben; dann wird die Andere sogleich erwachen und sich gegen die Ausgebrochene setzen, und indem sie auf der andern Seite mit Macht sich zusammennimmt, dem Mißklang wieder den Zusammenklang abnöthigen. Gelüstet Euch daher die irdische Macht, der ihr Euch verschrieben, zu gewaltigen über die Gebühr; und die Massen, die ihr, wie es der Einheit gebührt, erleuchten, erwärmen, führen und lenken solltet, zu tyrannisiren und zu knechten in Frevelmuth; dann sollt ihr in die Gewalt dieser Massen gegeben werden, und ihr bleibt ihr verfallen, bis der letzte Heller der Schuld sich abgetragen. So wich in Wintersgrimm und Sonnenbrand die Geschichte wechseln, bis sie in den ruhigen Kreislauf von Abend und Morgen eingelenkt.
Diese Worte, die also die Stimme aus den heiligen Symbolen herausgeredet, sie sind Alle in großen Zügen in den Geschichten der zunächst folgenden Zeiten aufgeschrieben. Die Gewalthaber in ihnen, von allen Hemmungen nach oben und nach unten ledig, bestanden nicht in der Gefahr der Versuchung, der sie dadurch sich ausgesetzt; der Schwindel ergriff sie auf den unwirthbaren Höhen, auf denen sie ihre Wohnung aufgeschlagen; und der Rausch, den die feinen Lüfte regten, führte sie zum Verderben. Frankreich in Allem vorauf, hatte auch hier das Losungszeichen gegeben. Jener herrische Minister hatte die Reste der Hugenotten erdrückt, Stände und Parlamente gebrochen, den Adel in den Staub gedemüthigt, alle Gemeindefreiheit zerstört, und so dem aufgehenden Gestirne Ludwigs XIV. den Pfad bereitet, und die Wege geebnet, und er hatte Besitz ergriffen. Unbeschränkter Gebieter in seinem Reiche; um ihn her der Glanz des Hofes, das emsig durchgreifende Treiben des Beamtenstaates, die Macht der Bajonette zum Angriffe, die befestigten Orte zur Abwehr; der Schimmer der Künste und Wissenschaften: das Bewußtseyn von dem Alten mußte bald der Befriedigung und dem Selbstgefühle des reichen Besitzes den Uebermuth beigesellen, und im weitern Fortschritt auch die Lust zum allgebietenden Herren, in Mitte der Verwirrung des Welttheils, sich aufzuwerfen; und der Siegesrausch über die Erfolge seiner Heere stellte das als eine leichte Sache vor. Nun Bündnisse und Gegenbündnisse, um das auftauchende Principat zu hemmen; Kämpfe, Gewaltthätigkeiten und Treuebrüche, in Mitte alles Wechsels aber Frankreich siegreich voranschreitend. In dem Maaße, wie es nach auswärts sich ausbreitet, nach innen zunehmende Concentration der obersten Gewalt; bei wachsendem Verfalle des Gemeinsinns und Zerrüttung des Geldwesens, dabei steigende Willkühr und kecker Eingriff in die andern Gebiete, bis zur Ausbildung des Gallicanismus hin. Da trat mitten in seinem Siegesrausche der Allgewaltige auf die Mauer seines Hoflagers, die er, aus Ziegeln und Erdpech verbunden, aufgethürmt, hinaus, und sprach: ist das nicht die Stadt, die ich mir zum Haus erbaut in der Kraft meiner Stärke, und zur Glorie meiner Schöne? und die Blicke über seine Festungumgürteten Marken hinaus, auf den Welttheil heftend, rief er aus: sind nicht alle diese Reiche dienstbar meinem Reiche, und müssen sie sich nicht, gutwillig oder gezwungen, meinem Machtgebote fügen? Wahrlich ich bin, der da ist, all dieß Seyende daher bin ich! – Da kam eine Stimme von der Höhe: Wahrlich! dein Reich wird nicht bei deinem Geschlechts bleiben; du wirst gedemüthigt werden, und in Thränen deinen Stolz abbüßen; die Nächsten nach dir werden bis zu den Bestien des Feldes im Thiergarten in ihren Lüsten sich erniedrigen, und mit ihnen Gras fressen; und sieben Zeiten werden über sie hingehen, bis sie erkennen, daß der Erhabene allein herrscht im Reiche der Menschen, und dem es gibt, der ihm wohlgefällt. – Und es geschah also; der Baum, der Europa überschattet, wurde gefällt; aber Viele, die das Bild angebetet, als es noch gestanden, wurden in seinen Sturz verwickelt. Auf dem Continente hatte überall die französisch-classische Schule leichten Eingang gefunden; es ist so reizend, mit einem Federzug zu herrschen über alle Geister, und einem Wink des Auges Millionen gehorchen zu sehen. Der Staat ist ein Fels von Bronce ergossen, jeder frevle Angriff muß daran zerschellen! so wurde die Regierungskunst, die höchste aller Künste, zur niedrigsten, dem Kamaschendienst militärischer Disciplin. entwürdigt; der Zepter aber zum Stocke umgeschnitten, der auf den offenen Landstrassen umging, und was er im Einzelnen zusammengetrieben, in Massen wieder, auf dem Markte losgeschlagen. Keine Art von Begeisterung wird ferner mehr geduldet; jede Aeußerung des inneren Lebens zurückgetrieben; nur der todte Mechanismus soll herrschen überall, denn das gemeine Wesen ist auf das Bajonett gegründet; das aber wird vom Gelde gehalten und gelenkt. Geld also ist das Staatsprincip; die Hand der Gerechtigkeit ist die Hand des Einnehmers, und das Papier, im Sollen wie im Haben, wird zuletzt der Grund aller Macht. Fortan der Verkehr der Staaten zu einem Pharaospiel entartet, gränzenlose Verschwendung überall; Treu und Glauben wankend; Bankbrüchigkeit zur Speculation erhoben; Falschmünzerei im geistigen und gesellschaftlichen Gebiete, und im gemeinen Verkehr getrieben und gehegt. Das Blut der Völker wird wie Wasser an die Erde hingegossen; Kriege mit Leichtsinn angefangen, unter Intriguen und Bestechung von Weibern geführt oder abgebrochen, ziehen sich in unabsehlicher Reihe durch die Jahrhunderte dahin, und kein Ende ist dem stets sich mehrenden Unheil abzusehen. Jede Spur von Sittlichkeit ist aus dem Staatsrechte verbannt, nur fressende Eigensucht wird zum Princip des internationalen Verkehrs erhoben; keine Volkseigenthümlichkeit bleibt der schrankenlosen Willkühr heilig, und die Länder werden zerrissen und getheilt, wie die Convenienz es gut befunden. In Mitte dieses Verderbnisses wird die Religion wie ein lästiges Vermächtniß der Vorzeit nur noch kaum geduldet; das Buch de tribus impostoribus ist der hochgeehrte Besitz, den sie als ihr höchstes Geheimniß sich von Generation zu Generation hinüberreichen; jedes sittliche Gefühl wird in den Eidgenossenschaften des Lasters verhöhnt. Der Geruch der Verwesung geht durch die ganze europäische Gesellschaft hindurch, und stinkt zum Himmel auf; die Gräber aber, die allen diesen Moder in sich beschliessen, sie werden durch die Kunst und Wissenschaft mit Lügen übertüncht, daß sie wie Natur und Gotteswerke sich geben. Gott aber sah das Uebel, das die Erde verwüstete; und wie alle Gedanken im Herzen dieser Menschen nur aufs Böse sich richteten, und der Uebermuth keine Gränzen kannte: da wurden die Brunnen des Abgrundes aufgethan, und die Fluthen brachen über sie herein. Da die geflügelten Einheiten, bestimmt von Natur, zur Höhe hinanzusteigen, und die Vielheiten zu halten und zu heben, ungeflügelt geworden, und all ihr Streben zur Tiefe ging, mußte die Vielheit, ihrerseits zur Höhe strebend, sich über sich selbst erheben; das Gleichgewicht wurde daher aufgehoben; das Leichte, das sich schwer gemacht, wurde vom Schweren, das nun leicht geworden, überflügelt. In der Sprache der Menschenkinder wird es eine Revolution genannt, wenn also die alte Ordnung umgekippt; in der Sprache der Ueberirdischen ist es ein Umschwung, nach dem Richtmaaß ewiger Ordnung, von der Vorsehung zugelassen. Zum andernmal gürtete sich aber nun die christliche Nemesis mit ihrem zweischneidigen Schwerte, um ihren Umzug durch Europa abzuhalten, und die andere Hälfte der Fügungen zu erfüllen. Im Inselreiche jenseits des Kanals, durch die kirchliche Revolution vorbereitet, hat die Bewegung angefangen. Karl II. wieder zurückgekehrt, mußte den Damm durchstechen, der sie mühsam eingehegt. Der Anglicanismus, auf den er sich gestützt, kämpfend eine zeitlang mit dem Presbyterianismus, hatte zuletzt, im Hasse gegen die alte Kirche, gemeinsame Sache mit ihm gemacht; sein Nachfolger, Jacob II., allzu unmäßig im Gebrauche der Macht, so lange er in ihrem Besitze sich gefühlt; allzu zaghaft, als er sie sich entweichen fühlte, wurde, und mit ihm das Haus der Stuart, vertrieben; das Whigparlament traf mit Wilhelm III. in der Bil of rights ein Abkommen, dem er sich unterwerfen mußte; und von da an hat die Reihe der Könige von ihrer Völker Gnaden angefangen, die in England im Geschlecht der Welfen von Hannover hingelaufen. Wilhelm von Holland hat den Uebergang gebildet, das Geschlecht von Hannover aber vollends sich eingewöhnt. Nicht drei Menschenalter waren hingegangen, als die Colonie jenseits des atlantischen Meeres dem Beispiele des Mutterlandes nachgefolgt, und, im Aufstande gegen dasselbe sich erhebend, zuletzt die Unabhängigkeit der dreizehn vereinigten Staaten durchgesetzt. Der Josephinism hatte bald auch Belgien aufgeregt, und der Kampf der Parteien eben so Holland in Aufruhr gebracht. Das Alles waren nur örtliche Ausbrüche des entfesselten Elements gewesen; aber in Frankreich bereitete die große Fluth sich im Fortschritte des Jahrhunderts vor, das von dem Augenblick, wo Ludwig XIV. auf dem Gipfel seiner Macht gestanden, vom Jahre 1689 bis 1789, abgelaufen. Voltaire an der Spitze der Encyclopädisten hatte die alte Ordnung abgerufen; Rousseau die Handveste der Neuen in seinem Socialvertrag geschrieben; ein schwacher König hatte unvorsichtig das Siegel gebrochen, das die Brunnen der Tiefe beschlossen hielt. Da kamen die Wässer herangestürzt, und die Arche der Kirche, in die sich die Heiligthümer der alten Zeit geflüchtet, wurde von den Wässern aufgehoben, und schwebte über ihnen. Das war die erste Zeit, die der constituirenden Versammlung und der Gesetzgebenden; das Feudalrecht wird zerstört, die Menschenrechte aber werden proclamirt; Klöster und geistliche Orden aufgehoben; das Kirchengut mit der Domäne ist der Nation verfallen; die Parlamente und der Erbadel sind erloschen; die drei Gewalten im Staate trennbar, nur das Königthum noch erblich erklärt. Umsonst sucht das Ausland die Fluth zu dämmen, kommend und gehend breitet ihr Ungestüm sich weiter und weiter aus; breiter wird die Ueberschwemmung und bedeckt die ganze Oberfläche; die Arche aber schwebt über den Wässern. Zweite Zeit, die Zeit des Nationalconventes im Vorgang, und des Directoriums im Rückgang; das Königthum ist abgeschafft, und Frankreich, dessen alte Grundeintheilung schon die Fluthen der ersten Zeit weggeschwemmt, zur Republik erklärt; in der die Majoritäten und die Minoritäten sich zu Parteien bilden, die in blutigen Kämpfen mit einander ringen. Das Haupt des Königs fällt, die Parteihäupter herrschen statt seiner um einander, der Terrorism wüthet in der Bevölkerung in Nojaden und Mitrailliaden, der Selbstmord rafft weg, was die Guillotine verschont; Robespierre wird Alleinherrscher und wieder gestürzt, und im Rückgang fällt die Herrschaft den Fünfmännern zu. Im Kriege mit dem Ausland werden nacheinander die Pyrenäen und Alpendämme von der heranstürzenden Brandung gebrochen; Italien, bis Rom hinab, und Deutschland, bis an die Mauern Wiens, werden überfluthet; die Schweiz wird democratisirt; in Aegypten bespülen die Wellen den Fuß der Pyramiden. Im dritten Anlauf werden die Wässer übermächtig auf der Erde; Napoleon ersteigt durch das Consulat die Spitze der Springfluth, und wird zum Fluthkaiser in Europa ausgerufen, und fünfzehn Fuß höher geht nun das Wasser, als alle Berge, die es bedeckt. Der Fluthkönig aber hatte mit seinen Wellen das ganze alte Reich Karls des Großen überschwemmt, und sandte sie weiter, wohin es ihm gefiel; und das continentale Binnenmeer warf an seinen Gränzmarken seine Dämme auf gegen das alte Meer. Im Frieden zu Lüneville und im Reichsdeputationshauptschluß war der Würfel geworfen worden über die Tunica des Reiches; das Messer hatte sie getrennt; um den Preis der alten Domäne und der Reste des Kirchengutes wurden die Fetzen vom Sieger dem Meistbietenden zugeschlagen.
Die Tunica des Herrn aber war immer noch ungetheilt, denn in der Arche hatte sie vor den Fluthen sich geborgen. Durch anderthalb Jahrhunderte war sie in der Verborgenheit geblieben, während jene Wirrsale sich um sie her bereiteten; nur in der Mitte einmal war sie auf der sie bergenden Veste auf Augenblicke, das Nahen der Crise andeutend, sichtbar geworden. Als diese herangebrochen, hatte sie sich noch tiefer in Verborgenheit gehüllt; und als man sie entdeckt, hat die Diplomatik auch über sie den Würfel geworfen, aber sie war des Löwen Theil geworden. Im Jahre 1810 wurde die Wiedergekehrte abermal auf neunzehn Tage der Verehrung des Volkes ausgestellt. Die Massen strömten in Menge zu. Aber im Chor stand nicht die Majestät des Kaisers zu oberst, und die geistlichen Churfürsten ihm zur Seite. Der alte Kaiser hatte die Krone niedergelegt, der neue, den die Revolution hervorgetrieben, er herrschte auf den Wässern; das deutsche Kaiserthum war wie der Graal nach Osten hin entwichen; die geistlichen Würdeträger waren spurlos verschwunden, an ihrer Stelle war ein ohnmächtiger Churerzkanzler und Fürst Primas eingetreten. Die Geschlechter der Herzoge von Bayern, Würtemberg, Baden und des Churfürsten von Sachsen, so wie der nassauischen Grafen, die damal zugegen gewesen, waren äußerlich mächtiger geworden, aber, in den rheinischen Bund vereint, dienten sie den Zwecken des verhaßten Feindes; die der Brandenburger Fürsten gebeugt, geplündert, zu Grund gerichtet, waren mit den Nachkommen des alten Herzogs von Oesterreich zum Continentalsystem und zur Bundesgenossenschaft mit dem Verderber genöthigt; die Nachkommen des Hessenfürsten aber waren flüchtig, und an ihrer Stelle und der Nachbarn weitum herrschte der Fremdling. Die Grafenbank war von ihren alten Besitzern geleert, und statt ihrer saßen auf ihr als Herzoge die Genossen des Sturmkönigs; von den alten Städten aber war nicht ferner mehr die Rede. Die fremden Könige aber, die ihre Botschafter damal hingesendet, England ausgenommen, sie waren alle in die Bollwerke des neuen Weltreichs eingemauert. Da sah der Wandellose auf den Wechsel hinab, der sich begeben: meine Fügungen sind erfüllt, meine Gerichte vollzogen; das Geschlecht, das solches gesehen, wird wieder in sich schlagen, wenn es meinen Finger in den Ereignissen erblickt. – Darum sollen fortan die Hochmüthigen geniedert werden, die aber demüthig meine Hülfe suchen, gehöht über die Stürzenden. Diese Fluthen, die den Welttheil überzogen, noch eine Breite der Erde ist ihrem Wachsthum gegönnt; dann sollen sie ihre Gränze finden, und wieder in dreifachem Anlaufe und Rücklauf in sich selbst versinken. Und der König der Fluthen rüstete sich, die Geschicke zu erfüllen. Ueber den Ebro waren seine Wässer schon früher vorgebrochen, jetzt auch hatten sie sich über den Niemen nach Osten hin ergossen. Aber die Brunnen der Erde waren ihm geschlossen, der Himmel ihm eisern geworden; ein neuer Geist fing an über die Erde zu wehen, darum wurden die Wässer im Fortschritt gemindert, der Creml bildete die Gränzsäule, bis wohin sie gereicht; vorgehend und rückgehend kehrten die Fluthen zurück, im Osten wie im Westen in Nord und Süd, der Sturm hinter ihnen. Die erste Zeit des Ablaufs ist geendet; Oder und Elbe und Ebro, die alten Gränzen Karl des Großen, umfassen das geminderte Reich des Königs der Wässer, die Arche aber läßt sich auf den Siebenhügeln nieder. Der Rabe, der ausgeflogen, sättigt sich im Fleische der Gefallenen; die Taube aber kreist über Böhmen und findet keine Stätte, wo sie ihren Fuß niederlasse. Die Wasser aber wogten und brandeten, mehr und mehr sich mindernd, und es erscheinen die Gipfel der hohen Berge auf der befreiten Erde. Und die Völker sammelten sich um diese ihre Häupter, die von Norden und von Süden, von Aufgang und von Niedergang; die Völkerschlacht wird geschlagen, und die Fluthen gehen hinter den Rhein und die Pyrenäen zurück. Die zweite Zeit des Rückgangs der empörten Elemente ist eingebrochen; der Oelbaum grünt wieder auf Erden, die zweite Taube hat ihn gefunden; aber die Erde ist noch nicht im Trocknen, sie hat erst ihren Mund geöffnet, und im Wirbelsturz der Wellen dauert die rückgängige Bewegung fort. Von den Pyrenäen, vom Juragebürg von den Alpen her, und vom Rheine rauschen die rückkehrenden Srömungen einer Mitte zu; und stürzen zuletzt am Schluße der dritten Zeit hinter dem Altare in den Schlund, aus dem die Furien zuerst hinausgestiegen. Dort wogen sie und wirbeln sie, nun in grundlose Tiefen herabgeschlungen, dann wieder den Abgrund bis zum Rande füllend, und über ihn aufs neue vorbrechend, auf bewegter Welle ihren Meister emportragend. Endlich beruhigen sich einigermaaßen die Schwingungen, nachdem eine Insel in anderer Hemisphäre, über ihn hingeworfen, den Besiegten niederhält. Wie örtliche Ausbrüche und Rückgänge der großen Bewegung vorangegangen, so folgen sie ihr nach ihrer Beruhigung, damit sie in ihnen sich ausschwingen möge; der Friede ist wieder auf Erden eine Möglichkeit geworden, und die dritte Taube ist nicht zurückgekehrt.
So ist denn endlich, ein Menschenalter später, die Zeit der fünften Epiphanie, die wir gesehen, herangekommen, und den vier großen historischen Bildern, die an unseren Augen vorübergegangen, hat ein Fünftes sich beigesellt. Alle Strassen und Wege bedecken sich mit Feierzügen; die Fahnen wehen, es ist, als sey das Jubelfest des Jahrhunderts herangekommen. Der Morgen einer großen Fronleichnamsfeier ist über Wald und Auen aufgegangen; die Schaaren der Völker drängen sich heran; Masse auf Masse eilt demselben Ziele zu, um in einem kurzen Augenblicke langer Mühlsal Lohn zu suchen. An die Massen haben daher dießmal die Symbole ihr prophetisch Wort gerichtet; denn mehr, als je zuvor, wird die Entscheidung der Zukunft bei den Massen seyn; in ihrer Mitte wird der Würfel über die Schicksale dieser Zukunft geworfen werden, und zwischen dem trennenden, lösenden und theilenden Messer der Zwietracht; oder der unzertrennlich gewirkten, wohl in sich geschlossenen Einheit, wird die Wahl ihnen anheimgestellt seyn. Inhaltreiche Schicksalsworte haben ihnen diesen Sinn gedeutet; wie sie aber im Einzelnen sich gefügt, wird erst in der Folgezeit sich offenbaren. Denn noch steht diese Zeit erst in der Geburt, ihre Geschichten noch nicht abgelaufen und im Keime mit Dunkel umhüllt, wehren jedem Blicke, in die Geheimnisse ihrer Werkstätte einzudringen. Aus den Geschichten, die früher gefolgt, aber haben wir die Worte der Prophetien gelesen, die ihnen vorangegangen; es will sich aber nicht geziemen, ehe die Vorsehung ihre Rathschlüsse in den ehernen Tafeln der Geschichte aufgeschrieben, sie mit anmaaßender Hellseherei in ihren Gedanken lesen zu wollen. Werden den Massen am Scheideweg die Erfahrungen der Vergangenheit verloren seyn, oder werden sie und ihre Führer durch das, was die Väter erlebt, sich warnen lassen? Sind die Gerichte, die ergangen, wie ein Naturmeteor an den Bergen vorübergezogen wirkungslos; oder sind sie ein Schaugepränge gewesen, das die Nachkommenden mit geistlosem Auge anstarren, ohne ihm Anwendung und Einfluß auf das eigene Benehmen zu gestatten? Die ganze Thatsache, rein erhoben, zeigt sich als ein grosses, denkwürdiges, folgenreiches Ereigniß, unvermuthet, wie eine Himmelserscheinung in die Zeit eingetreten; die Einen haben sie mit Jubel begrüßt, die Andern sind erschrocken vor ihr zurückgefahren, und haben ihr sogleich ihre gewöhnlichen Mittel und Listen des Krieges entgegengewendet; aber die Erscheinung ist über ihren Häuptern, von ihnen unerreicht, dahingegangen in ihrer Bahn, und zuletzt wieder in Ruhe dahingekehrt, von wo sie ihren Ausgang genommen. Während sie daher schweigend und nachdenklich da gestanden, und bei sich überlegt: ob es ein Traum sey, was hier an ihnen vorüberziehe, ob böse Geister sie geäfft und täuschende Phantome in der Luftspiegelung ihnen vorgegaukelt, oder ob wirkliche Menschen mit Fleisch und Blut in solchen Massen, allen Gesetzen vielfach bewährter Mechanik entgegen, durch so schwache, unbedeutende Kräfte sich bewegen lassen? haben die rheinischen Völker nicht blos die Gottesfahrt vollzogen, sondern der Sache zum Segen und sich zum Heile ganz untadelhaft sie zum Ende geführt; und also, so viel an ihnen gewesen, die große providentielle Fügung mit erfüllen helfen. Sieht man auf den Ablauf, den diese große Bewegung eingehalten; wie von allen möglicherweise drohenden Gefahren keine eingetroffen; wie keine Spur ansteckender Krankheit, die bei so großen Zusammenläufen allerdings nicht unwahrscheinlich gewesen, und zu anderer Zeit wohl auch eingetreten, sich gezeigt; wie auch von allem Unglück, das die Ueberfüllung der Dampfschiffe und der Landwagen ganz nahe legte, keines eingetreten: dann muß man urtheilen, daß der, dem diese Huldigung eines ganzen Volkes gegolten, mit Wohlgefallen darauf herabgesehen; und indem er die physischen Uebel von ihm abgewendet, seinem sittlichen Verhalten sogleich seinen Lohn zugetheilt. Sieht man dann ferner auf die Weise, wie das zuströmende Volk im ganzen Zuge sich gehalten; wie die Einheit im Symbole in seiner Eintracht, in seinem brüderlichen Zusammenhalten sich gespiegelt; wie alle diese Wanderschaaren nur wie ein Mann gewesen, der hingegangen, und ruhig und gesammelt hingekniet und den Tribut seiner Verehrung in besonnener Andacht hingebracht: dann kann man das Walten unsichtbarer Mächte auch darin nicht verkennen. Sie haben sich an den Webstuhl hingesetzt, und haben das Gewand im Volke weiter fortgewoben. Der Faden der Eintracht und der Liebe ist von einem zum Andern emsig hingefahren, und hat sie alle in eine Webe geknüpft; und das Gewand hat sich nun über das ganze Gebiet des Niederrheines rechts und links ausgebreitet, und hält alle katholischen Bewohner in einem lebendigen Band umfangen und beschlossen. Alles, was früher in mannigfaltigen Richtungen die Zeit bewegt, alle die kleineren Gegensätze, die als örtliche Uebel durch Deutschland verbreitet gewesen, sie haben sich jetzt in den einen großen allumfassenden religiösen Gegensatz gesammelt, und in den edelsten Lebenstheilen soll der Streit um Tod und Leben jetzt ausgestritten werden. Die rheinischen Völker haben die Einheit und die an sie geknüpften conservativen Kräfte für sich genommen, und sie haben den besten Theil gewählt; als der Bischof die weiße Fahne mit dem rothen Kreuze am hohen Dome aufgezogen, da hat er, ein unbewußtes Werkzeug höherer Macht, diesen conservativen Strebungen in der Zeit ihre Mitte, ihr Zeichen und ihr Banner gegeben. Um dasselbe her weben sich zuerst die Eingesessenen des Rheingebietes in jene untrennliche Webe zusammen; und fort und fort wird Aufzug und Einschlag sich kreuzen, und das Weberschiff hin und herüberfahren, und die, welche gleicher Gesinnung sind, in wie sonst verschiedenen Kreisen sie sich finden mögen, nach den Gesetzen lebendiger Wahlverwandtschaft, einweben in die schützende, bergende Gewandung. Diese conservativen Richtungen, sie sind, wie weltbekannt, zur Zeit die Schwächeren; aber sie sind in der Zunahme und im Wachsthum fort und fort begriffen; sie erstarken von einer Tagnacht zur andern in stets steigender Energie, und sie vertrauen auf die erhaltende Macht dessen, der in aller Geschichte waltet, und in ihr den großen Riß von Anbeginn zu heilen unternommen. Die rheinischen Völker sollen nun immerfort der Mission gedenken, die ihnen geworden ist, indem diese Macht ihr Banner in ihrer Mitte aufgestellt. Sie müssen dabei sich immerfort vor Augen halten, daß ihr Ruf vor der Hand nicht lautet auf alt oder neu, oder auch schlechtweg katholisch oder protestantisch; sondern Conservation oder Destruction, Brauch oder Mißbrauch, Rath oder Maynrath, Wahrheit oder Lüge, Leben oder Tod, Gott oder der Teufel. Wer von allem Volke dem Einen oder dem Andern dient, der halte sich zu seines Gleichen; die Zweischlächtigen werden ferner nicht mehr geduldet. Darum mögen diese Völker mit Fleiß die gewonnene Einheit hüten, und Alles von sich fernen, was ihr Eintrag thut. Mögen sie alle innere, vom Wesentlichen absehende Partheiung meiden; das sind nur Mottenlöcher im Gewande. Die zerreissenden, zerfetzenden, explodirenden Kräfte der Zeit, sie haben vielerlei Böses auch unter ihnen ausgesäet; der Radikalism in allen Formen und Gestalten hat auch bei ihnen Missionen sich gegründet, die das Gift, das von der Verwesung ausgegangen, überall gelegt; ihre Wässer sind damit getränkt, der Spiegel ihrer Seen ist davon blau angelaufen. Es hängt von ihnen ab, diese Vergiftung von sich abzuwenden; die Tollkirsche wird von selber welken, entziehen sie ihr die Nahrung, in der sie grünt. Nicht Censur, nicht Preßfreiheit kann sie sichern; üben sie aber selber die Censur, dann wird der Naturinstinkt sie schon an dem Verderblichen vorüberführen, und alle Ränke und Schlauheiten der Pifferari werden verloren seyn. Haben sie diese Krankheitsmaterien erst ausgeworfen, dann mögen sie daran gehen, ihr inneres Kirchliches vollends zu ordnen und einzurichten; Niemand wird ihnen darin einen Einspruch zu thun vermögen, wenn sie selber nicht das Werk in seinem Fortgang irren. Dem Worte der Wahrheit sollen sie mit aller Kraft ungehemmte Freiheit sichern; mögen sie daneben die Andern in ihrem Kreise gewähren lassen, selbst wenn sie dort in Schmähungen sich vergessen; was schadets ihnen, wenn diese Unvernunft nur in ihrer Mitte keine Stätte findet. Wie die Väter die Quadern ihrer Kirchenmauern also zu fügen verstanden, daß keine sprengende Gewalt und kein Keil von aussen einzudringen vermag, ja daß der Blitz aus den Wolken an dem festen Gefüge abgleiten muß; so eng sollen sie immerwährend zu einander stehen, und alle Wetter werden mit Respekt an ihnen vorüberziehen. Droht eine Gefahr von aussen herein, dann versteht es sich von selber, daß sie aller Zwietracht vergessend, sich erinnern: daß sie mit denen, die ihnen gegenüber stehen, einem Volke angehören, und so gemeinsam dem gemeinsamen Angriffe begegnen. Sie haben das schon einmal gethan, die bloße Weltklugheit hat ihnen dieß damal aufgelegt; in jeden Spalt dringt der Feind auf der Stelle ein, der Widerstand ist gebrochen und links und rechts mäht nun das Schwert. Unsere Vorfahren, kräftiger als wir, haben im Mittelalter die alte germanische Heimath im Osten den slavischen Eindringlingen wieder abgenommen, und dort eine deutsche Mark gegründet. Jetzt haben die Slaven wieder sich zusammengefunden, und reclamiren die Mark als das ihnen gehörige Eigenthum. Wer wird den protestantischen Völkern dort in ihrem unabwendlichen Angriff den Rücken decken, als die katholischen Völker im Westen? Diesen gegenüber stehen die französischen Stämme, zitternd vor Begier über die sichere Beute herzufallen; die Rheinprovinzen sind kaum aus ihren Charten ausgestrichen, und die belgischen Festungen betrachten sie schon längst als ihnen aufgebaut; wer wird den katholischen Völkern an dieser Mark den Rücken nordwärts decken, als die protestantischen Stämme, die dort hausen? Also bedarf Einer des Andern; drängt solche Gefahr heran, sie dürfen nicht brechen miteinander; ist sie vorüber, dann mag jeder seine Wege gehen, ein aufmerksamer Hüther seiner Rechte, aber auch der Erfüllung der damit verbundenen Pflichten immer eingedenk. Von der Predigt, die der Domherr und Domprediger Förster am vier und zwanzigsten Sonntage nach Pfingsten im Dome von Breslau gehalten, und die unter dem Titel: der Feind kommt, wenn die Leute schlafen; Breslau und Ratibor bei B. Hirt 1814 gedruckt ist, sollten die Rheinländer für sich eine eigene Auflage veranstalten. Es sind goldene Worte in jetziger Zeit, aus gepreßter Brust ohne Menschenfurcht hervorgeredet, die Leute in den andern katholischen Provinzen sollten sie auswendig lernen. Wie tief ihre klare schlagende Wahrheit in die Gegner eingedrungen, hat ein Auflauf unter den Fenstern des furchtlosen Redners ihm beweisen können.
So hat die eine Masse Angesichts des Symboles sich gehalten; die rheinischen Völker haben ihre große Gustavadolphs-Versammlung dort abgehalten, und sind, im Geiste und in der Wahrheit untrennlich verbunden, davon zurückgekehrt. Thu mirs nach! hat der Meister des Berner Dom's oben an ihn in gothischen Buchstaben angeschrieben. Wie hat nun die andere Masse bei diesem Nachthun sich benommen; wie hat sie zu diesem harmlosen aber folgenschweren Ereignisse sich gestellt? Wie von ungefähr hat die Vorsehung diese Begebenheit ihren halbgeschlossenen Händen entgleiten lassen; es ließ sich an, sie sollte nur episodisch in den monotonen Lauf der Dinge eintreten, und nach kurzer Wellenkreisung sich wieder in sich selbst verlieren. Mit einemmale aber ist sie historisch worden, wie ein Berg hat sie allmählich aus den Wellen sich erhoben; ein Rückhalt und ein Schutz für die Freunde der ewig guten Sache, ein Stein, an dessen scharfer Felsenschneide ihre Gegner Schiffbruch gelitten. Was war der Vorgang anders, als die Abhaltung der religiösen Maifelder der fränkischen Völker und ihrer nächsten Nachbarn, die in aller Ruhe vor sich gegangen, und niemand im allermindesten in seinen Gerechtsamen versehrten, keinerlei Art von Reaction herausgefordert, vielmehr friedlich in aller Gemessenheit abgelaufen; so daß also niemand zum allermindesten Einspruch berechtigt war. Der bloße gesunde Tact mußte schon belehren, daß hier keine Zweige des Haders grünten; die allergewöhnlichste Klugheit mußte die Zänker und die Stänker bedeuten, daß Zank und Stank hier keine Stätte fänden; die Strategie, wie sie einem bloßen Unteroffiziere schon einwohnend ist, mußte erkennen, daß hier kein Terrain zum Angriff sey, und daß er, wenn doch begonnen, unausbleiblich zur Niederlage führen mußte. Aber was wissen die von Tact, deren Hände längst mit dicken Schwielen sich überzogen; Klugheit und Strategie aber sind schöne Künste, auf die nur die Schwachen sich verlegen, wir bedürfen ihrer nicht. Die Hoffart fand aufs allertiefste sich verletzt, daß das Volk ein solches zu bieten wage; 20 000 das hätte sie zugegeben, und mitleidig zu der Thorheit gelächelt; 60 000 hätte sie noch wohl sich gefallen lassen, aber 100 000, das doppelte, das dreifache, sechsfache, zehnfache, dann gar über die Million hinaus ins Unbestimmte, ist nimmer zu verdauen. So lange Jahre haben wir im Schweiße unseres Angesichts gearbeitet, und all den alten Unrath mit Mühe und Fleiß zur Vorderthüre hinausgetragen; und nun kommen diese Rheinländer und tragen Alles wieder emsig zur Hinterthüre ein. Das ergrimmte, und nahm alle Fassung und Besonnenheit rein hinweg. Während die Leute mit Kreuz und Fahnen ihres Weges betend zogen, sah man den Beginn der Krämpfe an den kleinen Zuckungen, die die Mundwinkel umspielten. Bald wurden alle Gesichtsmuskeln in das Zittern und Krämpfen hineingezogen; das Zwergfell zeigte sich bald affizirt, und als die Leute schon wieder heimgekommen, längst an ihrem Heerde saßen, da brach der Paroxism des Veitstanzes aus, und in allen Zeitungen tanzen die Preßhaften zum Erbarmen aller, die dieses jämmerlichen Zustands Zeugen gewesen. Wir wollen dem protestantischen Volke nicht die Schmach anthun, zu glauben, daß es an diesem Reigen Theil genommen. Die Angehörigen dieses Volkes waren einst warm und gut gekleidet, wie ihre Brüder; da ist in der Nacht der Feind gekommen, hat ihnen die Kleider davon getragen, und ihnen dafür eine knappe Jacke zurückgelassen: seitdem friert das Volk immerfort. In den Rheinprovinzen wären sie selber gern mit hingewandert, aber da kommen die schwarzeingebundenen Pedanten, und wiederholen immer: das sey Aberglauben und verdammlicher Götzendienst! und so haben sie dann die Mitfahrt unterlassen, und so viel sie vermocht, selbst mit Gastfreundschaft an den Ziehenden geübt. Sie also haben das Scandalum nicht angerichtet; sie hätten etwa verwundernd aufgesehen, in ihnen wären wohl mancherlei Gedanken aufgestiegen, die Diesen oder Jenen auf andere Bahn gebracht; im Ganzen wären sie ihrem Glauben nachgegangen, und hätten die rheinischen Völker bei dem Ihrigen gelassen; diese wieder hätten allerdings in diesem sich gekräftigt und geeinigt gefunden, aber die Sache wäre dann ruhig vorübergegangen. Aber dem sollte nicht also seyn; vielmehr sollte ein großes Spektakelstück die Welt überraschen: vorstellend die letzte Reformation Deutschlands, aus dem was da ist ins Nichts hinüber; damit dies Deutschland klärlich und greiflich vor Augen sehe, wie es bei der ersten Reformation zugegangen. Darum hat der Lügner von Anbeginn alle die Geschlechter derer aufgeregt, die auf ihre Faust dem Glauben abgesagt, und statt seiner mit der dünnen Bettelsuppe ihrer Schulweisheit die Menschheit zu sättigen unternommen. Als das Gewand ins Licht des Tages herausgetreten, da hat es diesen geschwant, als würden die Zaubermauern, mit denen sie die Geister in ihre Bethörung gebannt erhielten, sie nicht länger zusammenhalten. So lange sie gehofft, die Bewegung, die sich um das Erschienene her erhoben, würde wie gewöhnlich bei dem eigenen unfruchtbaren Treiben, mit einem Gestanke enden; haben sie noch einigermaßen sich Gewalt angethan. Als aber sich ergab, daß alle störende Macht wie in Ketten gebunden war, und jede Hoffnung auf ihre hilfreiche Einwirkung dahinschwand, da mogten sie nicht länger an sich halten. Sie haben den letzten Rest von Ehre, Wahrheitssinn, Gerechtigkeit und Billigkeit, womit sie zuvor heuchlerisch phosphoreszirend sich geputzt, von sich gethan; und sind nun in ihrer wahren Gestalt ohne Maas und Fassung, blos von blindem Zorne getrieben, zugesprungen; um irgend etwas, sie wußten in ihrer Blindheit selber nicht was, der verhaßten Sache anzuthun. Da hat nun, während im Dome die letzten Zuzüge vorübergegangen, draussen der Teufel, um mit Luther zu reden, einen feinen Jahrmarkt mit ihnen abgehalten; denn er hatte dazu ganze Vollmacht von ihnen selbst erlangt. Als Bänkelsänger ist er unter ihnen aufgetreten, und die Weisen, die er ihnen vorgespielt, haben sie nun abgetanzt. Der Kriegstanz der Huronen sollte aufgeführt werden, aber der frische Waldgeruch fehlte, und der große Geist war nicht dabei; also ist die Großthat so kläglich ausgefallen, daß den Engeln im Himmel und den menschlichen Zuhörern auf Erden, die Augen übergingen.