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Herder hat irgendwo in seinen Schriften lebendig die staunende Bewunderung ausgedrückt, die jenes gewaltige Gebäude in ihm hervorgerufen, das die Kirche aus ein wenig Wachs und Oel und Wasser und Salz und einem Kleinsten der Erträgnisse der Rebe und des Halmes aufgebaut. Er hat dort den Wunderbau von seiner greiflichen Seite her gesehen; das Unbegreifliche wäre ihm begreiflicher geworden, hätte er erlebt, was wir in den letztern Tagen gesehen, eine Völkerwanderung durch eine Handvoll Lammswolle erregt. Was ist es doch gewesen, das mehr als eine Million Menschen aller Stände und Lebensweisen, als sie auf ihren Lebenswegen ruhig dahingegangen, plötzlich ergriffen, und sie hinwendend zu einem und demselben Ziele, auf gemeinsamer Straße zu Demselben hingeführt? Die ungeheure geistige Wirkung muß eine ihr entsprechende und proportionirte geistige Ursache haben, und das Unzureichende im natürlichen Momente sich in einem Anderen höherer Ordnung stärken und kräftigen, soll sie irgend begreiflich werden. Wie daher am Kirchenbau das Aeußerliche nur als ein verschwindendes Kleinstes einem innerlichen Größten sich beigesellt, und nun Beide eingehen in die staunengebietende Wirkung; so wird auch hier das, in seiner engen Begränzung Unerhebliche der Umhüllung, sich ergänzen in der unwiderstehlichen Macht seines Inhaltes; und so muß, indem das Eine an dem Andern seine Ueberleitung durch die Sinne in den Willenskreis hinüberfindet, jene wundersame Bewegung in der geistigen Welt hervorgerufen werden. Was ist aber nun in beiden Fällen jene größte und stärkste Macht, die allem Natürlichen nur seine Bedeutung gibt, indem sie es als ihren Träger in den eigenen, höheren Kreis versetzt, und nun durch das angenommene Organ im Unteren Wunder wirkt? Schon die Natur deutet im Bilde auf eine solche Weise der Integrirung des Sichtbaren durch das Unsichtbare hin. Theilt dem Eisen den Magnetismus mit, und dieß Metall erwacht wie aus dumpfem Schlafe, empfindungsloser Gleichgültigkeit und schwerer Trägheit auf; es bekömmt ein Auge, um den Pol zu schauen; ein Gefühl des Gleichgewichtes, um gegen die Tiefe hinzuneigen, und findet nun als ein höher belebtes Glied auch in alle Wechsel einer höheren Natursphäre sich verflochten. So auch mit dem Menschen. Als Erdgeborner der Erde angehörend, will er schlecht und recht auf Erden wandeln; er ist in vielfältiger Wahlverwandtschaft mit Andern um ihn her verbunden: findet sich dunkel angezogen und abgestoßen; strebt nicht aus seinem Kreise höheren Verhältnissen entgegen; lebt und läßt leben, und wird am Ende zu seinen Vätern versammelt. Er ist dem Eisen zu vergleichen, dem Metalle, das auf Erden gleich ihm heimisch ist, und still durch die unteren Regionen der Natur kreisend, seine conservative Wirkung übt. Wird nun ein Solcher, nachdem er in ernster Vorbereitung seinem Leben die rechte Richtung gegeben, von einem dazu Berufenen etwa zum Priester geweiht, dann wird er seinerseits in einen höhern Kreis eingeführt, er wird den dort herrschenden Gesetzen unterthan; Verhältnisse, die früher für ihn nicht da gewesen, sind ihm jetzt in ihrer Bedeutung aufgegangen; er bestimmt sie und wird von ihnen bestimmt; sein Wesen eignet der Region sich an, die ihn in sich aufgenommen, und die Weihe hat ihm einen indelebilen Charakter aufgeprägt, der sich im Leben nur entwickelt. Hat der Eine oder der Andere aber etwa eine noch ernstere, noch tiefer eindringende Vorschule gemacht; hat in ihm in größerer Gottesnähe das reinigende Feuer die Schlacken in der menschlichen Natur aufgezehrt; hat ihn die weihende Gotteshand berührt, und mit dem Siegel der Heiligkeit den Geweihten bezeichnend, ihn in die Region höchster menschlicher Wirksamkeit hinaufgehoben, wo er in Gott die Dinge schaut, und in ihm seine Thaten thut, die in ihrem eigenen Kreise wie natürlich ablaufen, in den Tieferen aber als Wunder erscheinen: dann hat sie ihm noch einen andern, weit unvergänglicheren, einen unvertilgbaren Charakter aufgedrückt, der den ganzen Menschen durchdringend, an ihm in allen Gebieten seines Daseyns, das Leibliche nicht ausgenommen, hervortritt. Denn das Leibliche, was ist es anders, als die Kehrseite des Geistigen, sein plastisches Bild im Weltspiegel, aus den spiegelnden Elementen herausgebildet? Was aber ist das Heilige anders, als das höhere Bild der Gottheit, im Geistesspiegel des Menschen aus seinen geistigen Elementen geformt, in denen der göttliche Strahl einen Abglanz des Strahlenden erweckt. Der Geist aber, sein nach abwärts geworfenes Bild aus Elementen der Natur gestaltend, läßt dabei auch Naturgesetze walten; und indem er sich in dies sein Bild als seinen Leib gekleidet, hat er auch gestatten müssen, daß die Natur in diesem Leibe ihr eigenes Abbild in seinem Geiste conterfeit, dem er nun als seiner Natur einwohnt. Nach Innen aber hat jener Gottesstrahl die Gleichniß des Strahlenden dem Geiste eingebildet, und das geistige Brechungsgesetz hat dabei gewaltet; indem der Geist daher jenes Bild aufgenommen, hat er auch ein Abbild von sich selber jenem bildenden Strahle eingeprägt; und so hat dem unteren und äußeren Spiegelbilde des Geistes in der Natur, mit dem Spiegelbilde der Natur im Geiste zum Leib verbunden, eine höhere und innere Spiegelbildung der Gottheit im geheiligten Geiste, mit einer andern Spieglung dieses Geistes in der Gottheit zusammengehend, sich beigefügt. Dem Geiste ist also von Natur nach abwärts eine leibliche Hülle beigegeben; nach aufwärts aber gewinnt er im Reich der Gnade durch die Heiligkeit eine gottförmige Umhüllung, in der das Urgute in Gott sich durch das offenbaret, was vom geschaffenen Guten in ihm ist. Die leibliche Hülle, in wiefern die Natur in ihr in den Geist eingegangen, ist wie die theilbare Natur selber dem fließenden Wechsel und Wandel der Zeit verfallen, also sterblich; nur der Geist, in wie fern er in dieser Hülle sein Bild in die Natur hinausgesetzt, und die leiblichen Kräfte beherrscht, behauptet auch die Unsterblichkeit seines einfachen Wesens in diesem Bilde fort. Derselbe Geist aber, ursprünglich im Bilde Gottes ausgeschaffen, hat, nachdem er in der Wiedergeburt ins Reich der Gnade eingetreten, in den Spiegel der Gottheit, wie bei der Geburt, in den Spiegel der Natur geschaut; und Gott hat in ihm sein ursprünglich ihm ausgeprägtes Bild in der Heiligkeit wieder hergestellt, und der Geist selber diesem Bild sein eigenes Gleichniß nachgebildet. Das Bild ist nun ewig wie Gott selber; das Gleichniß aber, wie Alles, was des Geistes ist, unsterblich. Leib und Seele sind aber am Menschen, dem Einsassen der Natur, mit Nothwendigkeit verbunden; der Abglanz der Gottheit in dem erneuten Bilde, und der Widerglanz in dem folgenden Gleichniß dieses Bildes, sind aber eine freie Gabe, die dem ganzen Menschen zu Theile geworden; die also dem Geiste in der Heiligkeit zwar gegeben ist, aber in ihrer Einkehr auch ihre Nachwirkung im untern Bilde dem Leib geäußert; der auch analog wie im Nachklange eine entsprechende Umbildung, in Naturtypen ausgesprochen, erfahren. Gleichwie nun, im Eintritte der Begnadigung in den Heiligen, der Grund der Verehrung gegeben ist, die ihnen die Kirche geweiht; so im Naturreflexe derselben in ihrem Leiblichen die Veranlassung zu dem Werthe, den sie ihren Reliquien beigelegt, und der Achtung, mit der sie dieselben umgibt. Am natürlichen Himmel offenbart sich die Gottheit in den leuchtenden Sternen, die, als ihre Naturpropheten sie umstehend, aus dem Lichtmeer, das ihren Thron umfließt, in immer vollen Schaalen die Lichtströme schöpfen und gegen die Tiefe gießen, die aus ihnen all ihr Leben und all ihre Bekräftigung saugt. Eben so umstehen im Geisterreiche ihre geistigen Propheten, die Heiligen, dieselbe Mitte, die in ihnen sich dem Unterrichte kund gibt; indem sie, selbst Sterne an jenem Geisterhimmel, als Vermittler die Lichtströme, die, obgleich ihnen mitgetheilt, doch aus ihnen unversiegbar quellen, hinab zur Erde senden. Wie aber alle Materie, wenn sie lange der Einwirkung des physischen Lichtes ausgesetzt gewesen, dann im Dunkeln nachleuchtet; so verehrt die Kirche in dem, was vom Leiblichen dieser Heiligen auf Erden zurückgeblieben, und das während ihrer Lebensdauer im engsten Verkehr mit ihnen gestanden, den Nachschimmer jenes geistigen Lichtes, das bleibend sie umspielt. Selbst auf äußere Dinge, die lange mit ihnen im Verband geblieben, wird sich ihre Einwirkung erstrecken. Wie im profanen Gebiet das Eigenthum zum Willen sich verhält, der seinem Besitz die eigene Form aufprägt, die sich dann fortan erhält; so übt auch die Heiligkeit ein solches Besitzrecht selbst auf die leblosen Dinge aus, die als solche fortdauernd in der Sphäre ihres Einflusses geblieben; und also auch an ihrem Theile, nach der Anschauung der Kirche, als Ueberleiter höherer Einflüsse in das Naturgebiet dienen. Das wird vorzugsweise bei Allem der Fall seyn, was je mit dem Erlöser in einem solchen Bezug gestanden; und so begreift sich die Verehrung des Kreuzes und seiner Leidenswerkzeuge, und die des Rockes, den er bei seinem Wandel auf Erden getragen, vollkommen; sie wird nur eine natürliche Folge, abgeleitet aus dem innersten Grunde der Verehrung des Heiligen, seyn.

Das Heilige, also seinen Träger von oben nach unten bis zum Grund erfüllend, wird in Mitte der Kirchengemeinde, über diesen Träger hinaus, eine gewisse Wirkungssphäre gewinnen; es ist eine erste Frage: wodurch wird diese nach außen gehende Wirkung vermittelt werden? In natürlichen Dingen sind es die Sinne, die diese Vermittlung übernehmen. Ein Lichtträger strahlt seine Leuchtung allum in die Runde aus; welches Auge eintritt in die Lichtsphäre, wird von der Strahlung berührt, und berührt in ihr seinerseits wieder den Träger, und erkennt in dieser höhern Betastung die äußeren Formen des Gegenstandes. Dasselbe wird der Fall mit dem tönenden Körper seyn; das Ohr vernimmt seine Bebungen, und dringt dadurch in den Sinn der Sprache ein, die der Träger des Tones in seiner innern Aufregung redet. Im ersten Falle vermittelt das Licht die äußere Gemeinschaft mit dem Leuchtenden; im Andern die schallkräftig bewegte Luft die innere des Hörenden, mit der ausquellenden und überfließenden Bewegung des Schallenden. Licht und Schallbewegung aber sind räumliche und zeitliche Naturbedingungen des Sehens und des Hörens; fehlt das Eine oder das Andere, dann fällt auch Jenes oder Dieses weg, so wie sie gehemmt werden, wenn ein Undurchdringliches zwischentritt. Alle Wirkung des räumlich oder zeitlich bewegten Trägers erscheint daher an Raum und Zeit geknüpft; alle Sinnenwahrnehmung geht nur auf bestimmte Ferne und auf die Gegenwart. Nicht in gleicher Weise vermittelt sich das Heilige mit dem, der es in Verehrung aufnehmen soll. Das Vermittelnde ist hier der Glaube, der das Band vom Einen zum Andern knüpft. Dieser Glaube geht nun in keine Weise auf den Träger des Heiligen hin, sondern direct auf das ihm einwohnende Unsichtbare; jener Träger, insofern er in die Sinne fällt, leitet nur die Aufmerksamkeit derselben zu diesem innern Inhalt, der allein für den Glauben eine Bedeutung hat, während ihm jene äußere Hülle an sich auch nur in äußerer Bedeutung gilt. Der Glaube dringt also unmittelbar zur Mitte vor; er ist weder an Räumliches nach Zeitliches gebunden; Nichts ist ihm undurchdringlich, mit einem Rucke schlägt er ein in den innersten Kern der Wesenheit des Heiligen, und es weben sich nun die Fäden der gläubigen Verehrung, zwischen dem Gerührten und dem Gegenstand der Rührung hin und her. Der Glaube ist also das Vermittelnde eines eigenen inneren Sinnes; eines nach einwärts gekehrten, und nach oben aufgeschlagenen Auges, das in die Kreise jener höhern Begnadigung blickt. Die Anschauung in diesem Auge ist eine unmittelbare, aber von der Art, wie wenn eine Mitte der andern gegenwärtig sich in ihr erschaut; eine Unmittelbarkeit, die nicht vergleichbar jener Andern im untern Sinne ist, die als eine Betastniß in nächster Nähe des Vereinzelten bewußtlos vor sich geht; während dort von Mitte zu Mitte das Bewußtseyn, nur seiner selbst vergessend, dem Gegenstände sich hingibt. Dieser gebietet aber doch, mit einer Art von innerer höhern Nothwendigkeit, über den Glauben, der sich ihr mit freiem Entschlüsse fügt; und so kann man den Glauben auch mit dem Namen eines freien Instinctes bezeichnen. Solche höhere Instinkte, gegenüber den nach abwärts gekehrten, sind nun in jedem Menschen rege; während die letzten, wie Wurzeln des Daseyns, den Verkehr mit der Natur in bewußtloser Dunkelheit vermitteln; sind jene andern in lichter Besonnenheit wirksam, in den höhern Lichträumen sich an strahlende Mitten bindend, und in ihnen geistig wurzelnd. Dergleichen Instincte sind nun auch in allem Volke thätig; wie in denen, die nach abwärts gehen, um die Mitten dieses Kreises her alle politische Gesellschaft sich erbaut, so in denen, die nach aufwärts gehen, die kirchliche; jede Lebensbewegung aber, dort wie hier, wird durch sie geweckt; denn in demselben Zuge einen sich die Einzelnen in Massen, und die Geeinten bewegen sich dann in der gleichen Richtung dieses Zuges. So haben, als vor Jahren diese Ziehkraft von einer politischen Mitte, der Idee der Befreiung des Vaterlandes ausgegangen, die Völker in jenen unteren Instincten sich in ihr gesammelt; und sind in der Hauptstadt ihres Drängers sich begegnet, und haben sich ihr Recht verschafft. Als im Mittelalter der Gedanke, das heilige Grab in den Händen der Ungläubigen zu wissen, die Gemüther ergriffen; da war es nicht die Stadt Jerusalem als Solche, die jene höheren Affecte angesprochen; es war auch nicht der Tempel, der sie angezogen; selbst nicht der Stein, auf dem die Leiche des Erlösers gelegen: es war die Heiligkeit, die dem Heiligen der Heiligen eingewohnt, die nun, nach Art alles Höheren das Tiefere in sich befassend und durchdringend, bleibend ihm als eine Art von transfundirter Begeisterung eingewohnt; das war's, was sie hervorgerufen. Dieß Einwohnende war gemeinsame Mitte, in der sie sich zusammengefunden; in ihr sind sie eins geworden untereinander, und da der Zug auch auf die Geeinten in Masse fortgewirkt, sind sie auch in Massen ihm folgend fortgezogen. Sich hinwälzend von Volk zu Volk, sind diese stets sich mehrend auch mehr und mehr angewachsen; und alle zuletzt, unter den Mauern jener Stadt zusammentreffend, haben sich das Grab erstritten.

Diese Züge, wie sie in ihren Zeiten, aus sinnlich unscheinbaren Ursachen hervorgegangen, die Welt in Bewegung gesetzt; sie haben sich jetzt am Rheine wiederholt, und jener Theil des jetzigen Geschlechts, dem nur für das Greifliche noch ein Sinn geblieben, kann natürlich das Unbegreifliche nicht begreifen, und will sich bei seinem Anblick zu todt wundern. Jenes Gewand, das je nach Menschenaltern aus seiner Verborgenheit hervorgeht, und in seinem Alter mit der Zeitrechnung voranschreitet; es ist nach Ablauf eines solchen geschichtlichen Stufenjahres wieder zur Sichtbarkeit gelangt, und sogleich hat es sich rund umher in allem Volke zu rühren und zu regen angefangen. Es war, als sey wie damal ein neuer Stern am geistigen Himmel aufgegangen, aller Augen hatten sich auf die Stelle gerichtet, wo er erschienen, und nicht zwar dießmal die Könige, wohl aber die Völker sind ihm nachgegangen. Jene wundersamen Kräfte im Tiefinnersten der Menschen, die ihnen nur darum verborgen bleiben, weil sie Allem zum Grunde liegend, wie der Tag selber alles sichtbar machen, und wie das Leben selber ungefühlt, Alles verlebendigen; sie haben bald seinen Zug gefühlt, und in kleinen Wellenschlägen sich zu regen und zu bewegen angefangen. Die kleinen Wellen haben bald zu größeren Wellenkreisen sich verbunden; die sind dann, immer wachsend durch größere und größere Volksmassen hindurchgegangen; endlich hat das ganze Volk, in allen seinen Tiefen und Höhen, von ihnen sich umsponnen gefunden, und es ist wie ein wogendes und wallendes Meer geworden, in dessen Mitte eine tiefste Herzmitte sich gebildet, von der alle pulsirende Wellenbewegung ausgegangen, und zu der sie wieder ihren Rückgang genommen; also daß die Wanderschaaren der Tausende wie in einem Odem der Begeisterung von jener Mitte eingeathmet, in ihr Heiligung gefunden; und dann wieder ausgeathmet, die Gefundene in's Leben trugen. Höhere Fügung hat es auch also geordnet, daß die ganze Bewegung, rein den sie aufregenden Kräften überlassen, von außen völlig ungestört geblieben. Man muß es der preußischen Regierung nachrühmen, daß sie nichts gethan, um eine solche Strömung zu hindern und zu hemmen. Dort ist statt des engbrüstigen, beschränkten und furchtsamen Geistes, der früher nach oben geherrscht, ein besserer, freiathmender und freien Athem gestattender herrschend geworden; er hat seither Zeit gehabt, bis zu den untern Landesbehörden sich auszubreiten; diese zum Stören nicht angewiesen, haben auch nicht aus eigenem Ermessen solche Störung angeordnet. Es war, wie herkömmlich, anfangs die Rede davon, Truppen am Orte, wo frühere Ansicht Gefahr gewittert hätte, aufzustellen; aber man hat das Vertrauen gehabt, das zu unterlassen, und das Vertrauen ist nicht zu Schanden worden, noch auch die Verantwortlichkeit compromittirt. Zwölf Gensdarmen, die man zur Stadt berufen, haben sogar als entbehrlich sich bewiesen; da die Bürgerschaft in sehr verständiger Weise als Ehrenwache, sich der Oberleitung angenommen. So war die Sache sich selber hingegeben, daß sie zu einem reinen Kreuzversuche sich aus sich selbst entwickeln konnte; damit man sehe, wes Geistes sie sey, und über welche Kräfte die Macht in ihr gebiete. Das nämlich war zum letztenmale die Frage: wie ist es um den religiösen Sinn in diesem Volke im Ganzen bestellt? Ein siebenundzwanzigjähriger Krieg ist über dasselbe hergegangen; während dem größeren Theil dieses Zeitraums hat er unter französischer Herrschaft gestanden: die Revolution hat sich ihm nicht etwa aus der Ferne gezeigt, sie, bis in seine Mitte vorgedrungen, hat es in ihren Kreis gezogen, und bei ihm wie zu Hause geschaltet. In so langdauernder Depression sind dann, so schien es, jene religiösen Instincte nach und nach betäubt und abgelähmt, zuletzt erloschen und vergangen, und haben vielleicht einer unruhigen Beweglichkeit in den untern Lebenskreisen ihre Stelle geräumt. Die, welchen alles Höhere eitel Tand und Blendwerk ist, haben solchen Ausschlag gehofft; aber der Kreuzversuch hat ganz zu einem anderen Ergebnisse geführt. Es hat sich erwiesen, daß diese Instincte in Mitte aller Gefährde der Zeit sich ungekränkt bewahrt; daß sie, beim Namen gerufen, sogleich in voller Kraft zur Stelle gewesen, und über ihre Unverwüstlichkeit Angesichts ihres Gegenstandes sich ausgewiesen, der, als er aus seiner Verborgenheit hervorgegangen, selber unverändert, auch das Volk unverändert wieder gefunden; und so auch seine ganze unverminderte Kraft über dasselbe ausgeübt. Und nicht etwa im Verborgenen ist diese Prüfung der Geister vorübergegangen, daß sie ignorirt oder abgeläugnet werden könnte; die Zeit in ihrer feigen Art, der hohem Wahrheit gegenüber sich zu halten, hätte dann den Schleier des Nichtwissenwollens darüber hingeworfen, und wäre sofort hochmüthig in ihrer Weise vorübergegangen. Nein, die Vorsehung hatte es also geordnet, daß die Probe vor aller Welt Augen abgelaufen, und der Zeugenbeweis in colossalen Buchstaben sich eingeschrieben; wie bei dem, was damals auf dem Sinai sich begeben, Angesichts derer, die unten am Fuße des Berges hielten, der in Donnern und Posaunentönen hallte. Was eine Million Menschen freiwillig nach einer und derselben Richtung, ohne Verabredung, in Bewegung gesetzt, muß einer höhern Ordnung der Dinge angehören; da, was ihnen gleich oder untergeordnet steht, in der Regel auf getheilte Meinung trifft. Hier nun war in dem Einen Alles einverstanden; die großartigen Verhältnisse, die sich gestaltet, hatten laut es ausgerufen, und das Endergebniß hatte sich aller Welt hörbar aufgedrungen. Das Volk zwischen Rhein und Maas, die Bewohner des ersten und zweiten Deutschlands, so viel ihrer von fränkischer Wurzel dort eingezogen, hat sich erhoben, und ist zu seiner ältesten Hauptstadt hingewandert, um dort Zeugniß zu geben. An die Spitze seiner Züge haben die Seelenhirten sich gestellt; die Bischöfe sind vorausgegangen, und so sind die Diöcesanen der alten drei rheinischen Erzbisthümer vor dem Schrein ihres Heiligthumes sich begegnet. Was früher mit ihnen in einem kirchlichen Verband gestanden, hat sich ihnen angeschlossen; Westphalen mit Cöln stets früher verbunden und die tiefer liegenden Bisthümer; die katholische Bevölkerung rechts des Rheines, ehemals Trier angehörig; Speyer, was ehemals mit Mainz geeinigt gewesen: sie alle haben sich hinzugefunden; selbst Belgien und das katholische Holland haben sich nicht ausschließen wollen, und die Völker in Luxemburg, auch einst Diöcesanen von Trier, sind herzugewandert. Selbst in Frankreich ist die Erinnerung jenes alten Diöcesanverbandes wieder aufgewacht. Die Bischöfe von Metz, Verdun, Nancy und Saint Diez waren, wie bekannt, ehemals Suffragane von Trier, Toul und Nancy aber hat das Ereigniß vereint gefunden; die Bischöfe von Verdun, Metz und Nancy aber haben mit vielen ihrer Diöcesanen, und zahlreichen französischen Priestern sich eingestellt. So hat also im weiten Kreise die Macht des Zuges alle umwohnenden Völker ergriffen, und sie zur ziehenden Mitte hingeführt. Was aber Diese bestimmt, hat auch über die gezogene Gränze hinübergewirkt; und nur äußere Umstände haben der Aeußerung dieser Wirkung eine künstliche Gränze gesetzt. Wie die Belgier sich zu dem hier wirksamen Grund verhalten, haben sie, durch gleiche Verhältnisse wie ihre Nachbaren hindurchgegangen, in und nach ihrer Revolution bewiesen, und sie würden unter ähnlichen Umständen sich wie die Rheinländer erwiesen haben. Das katholische Elsaß hat in seinen kirchlichen Verhältnissen die Revolution bis nahe auf die letzte Spur bei sich ausgetilgt; es würde bei der Erweiterung des Wirkungskreises in der Versammlung der Stämme sich nicht der Letzte melden. Wie es um die katholischen Schwaben und ihre Stammverwandten, die Schweizer gleichen Glaubens, in dieser Hinsicht steht, davon kann Einsiedeln uns erzählen, und Altöttingen unterdessen die Bayern uns auslegen. Die Tiroler haben ihren Sinn werkthätig vielfach schon bewiesen, und das österreichische katholische Volk würde, wäre der seidene Faden, der es umhegt, gerissen, sogleich in die Linie treten. So hätte, wenn ähnliche Umstände, wie dort in Trier eingetreten, vom Unterrhein zum Mittelrhein und zum Obern und von da zu den Donauquellen herab, und wieder am Strom hinunter bis nach Ungarn hin, ein gleiches Wogen und Wallen die Nieder- und Mittel- und Hochdeutschen Völker bewegt; und was schlagend für den Geist der Fränkischen in diesem Vorgang sich erwiesen, würde auch schnell für alle Anderen seine schlagkräftige Gültigkeit vor aller Welt bewähren.

Wenn aber die Bewegung an sich, durch ein scheinbar Kleinstes, – verächtlich denen, die das Große nach ihrem Augenmaaße messen, – hervorgerufen, in ihrem Anschwellen zu jener unwiderstehlichen Gewalt, tröstend und erhebend ist; dann wird sie es noch vielmehr seyn, betrachtet man sie in ihrem Entstehen und in ihrem ganzen Verlaufe; und in der Weise, wie sie, über Straßen und Wege herschreitend, sich innerlich geordnet und ausgestaltet hat. Als die Botschaft beim Volke sich angemeldet, da war das Verständniß mitgewandert, es hatte keiner Ueberredung bedurft; gleichzeitig war bei Allen der Entschluß gereift, und jeder hatte sich reisefertig gemacht, um das Beschlossene auszuführen, so wie seine Umstände es gestatten würden. Ein Zwergsack nahm die erforderlichen Lebensmittel auf, wie ehemals bei den alten Heeren, wo jeder für seinen Unterhalt selbst zu sorgen hatte; schnell, indem jeder an seiner Stelle eingetreten, war die Prozession gebildet, die nun, Kreuz und Fahnen voraus, betend und singend stromaufwärts oder auf dem Landwege über die Hochebene herzog. Die Frauen hatten theilweise ihre säugenden Kinder mit auf die Fahrt genommen; Erwachsenere liefen, so viel sie konnten, nebenan, und die Ermüdeten wurden in Wägen aufgenommen, die in großer Zahl den Zügen folgten. In geordneten Wegrasten wurde in den Dörfern eingekehrt, Keines verschloß die Thüre den Ziehenden; die mitgenommenen Vorräthe bestritten das Mahl, den Wohlhabendern wurde es zum Theil in jenen Wagen nachgeführt, vollkommene Gütergemeinschaft herrschte; dieselbe Streu, wo wie gewöhnlich die Betten nicht hingereicht, und das Heu in der Scheune nahm die, welche der Zufall zusammengeführt, gemeinsam zur Nachtruhe auf, und am frühen Morgen wurde dann weiter fortgepilgert. War ein großer Ort erreicht, dann konnte die Gastfreiheit seiner Einwohner in einem größeren Verhältnisse sich entwickeln. Als der Zug der Limburger, vier Tausend oder mehr an der Zahl, über die Rheinbrücke bei Coblenz zollfrei einwandernd, in dieser Stadt angelangt; da war er, vom Glockengeläute empfangen, in der Pfarrkirche eingezogen. Während sie dort beteten und sangen, hatten außen in den Straßen die Einwohner sich gesammelt; und als die Pilger die Kirche verließen, entstand ein Wetteifer zwischen denen, die an ihnen diese Gastfreiheit zu üben sich vorgesetzt; jeder ging mit denen, die ihm in diesem Streit zu Theil geworden, nach seiner Wohnung, und in ganz kurzer Frist war das Getümmel allumher verlaufen, und alle diese Leute hatten ihre Unterkunft gefunden. Die Stadt selbst hatte schon früher, am 16. August, von den drei Zügen, die sich in ihrer Mitte gebildet, den ersten auf die Fahrt entsendet. Zwei Tage später hatte in Trier die Aussetzung ihren Anfang genommen; auch diese Stadt hatte täglich 2000 Menschen Unterkunft und Bewirthung angeboten, und diese nach Möglichkeit zum Theile gastfrei geübt. Bald kamen die unabsehbaren Züge auf allen Straßen zu allen Thoren hereingezogen; so daß schon in der Nacht vom 22. bis 23. alle bereiteten Räume von den Pilgern sich angefüllt fanden, und am 24. die Gesammtzahl Aller, die seither eingezogen, auf 65 000 gestiegen. Am 27. war diese Zahl schon bis zu 150 000, am 30. auf 250 000 angewachsen, hatte sich am 11. September aber, nach den unvollständigen Listen der Polizei, bis 290 000 gemehrt. Alle hatten ihr Unterkommen gefunden, und der Preis der Lebensmittel war um nichts gestiegen. Fünf Tage später hat die Ziffer der Gäste schon zu 600 000 sich erhoben, und so wächst sie von Tag zu Tag höher, bis auf 800 000, bald zu einer Million heran, bis sie endlich am 6. Oktober, am Tage des feierlichen Schlusses, mit 1,100,000 abbricht. Der Ruf war vom hohen Dome der alten Trevirerstadt ausgegangen, die Ardennen hatten ihn vernommen, und der Idarwald und die alte Carbonaria; stromaufwärts war er gelaufen, und der Argonnenwald in Lothringen hatte ihn zurückgehallt; über das Saargau und Speiergau war er hingegangen, und die Vogesen hatten ihn nachgesprochen; über die hohe Eiffel und den Westerwald hatte er sich ausgebreitet, und der Teutoburger-Wald hatte die Töne im Widerhall zurückgegeben; gegen die Maas hin waren sie in die niederdeutschen Ebenen ausgelaufen, und dem Rufe hatte überall ein Gegenruf geantwortet. Und die Völker überall, wie sie auf den Hochflächen und in den Flußthälern, oder in den breiten Niederungen gesessen, hatte der Ruf angemahnt; und sie hatten nicht Welche aus ihrer Mitte hingesendet, die sie vertreten sollten, und in ihrem Namen das Opfer ihrer Liebe und Verehrung hinübertragen; sondern der ganze Heerbann hatte sich erhoben, Schaar an Schaar gedrängt, war hingezogen. So waren bei der Umzählung am Ziele die Gesammtmassen in einem so großartigen, geometrischen Verhältnisse angewachsen, während die Zeiten in einem arithmetischen vorangeschritten; und alle Mundarten Niederdeutschlands und Mitteldeutschlands einten sich in diesen Massen verträglich mit den wälschen Dialecten, die theilweise sich ihnen beigesellt. Von vier Uhr in der Frühe bis eilf Uhr in der Nacht zogen die Schaaren am Heiligthum vorüber, das so viele Jahrhunderte überdauert; es war den Leuten, die dort ununterbrochen vorübergegangen, als wäre der, welcher einst dieses Kleid getragen, selbst zugegen, und hielte Musterung über die Getreuen, die ihm noch geblieben; darum hatte das lebende Geschlecht im Herzen sich gedrungen gefühlt, zu thun, wie die Frühern vor ihm seit so vielen Jahrhunderten gethan; gleichfalls hinzugehen, ihn zu umdrängen, und beim Namen aufgerufen, seine Anwesenheit zur Stelle, mit seinem Da! zu bekräftigen, und dadurch ihm Zeugniß abzulegen, daß die Söhne den Vätern sich gleich gehalten, wie auch Er derselbe geblieben. Eilf bischöfliche Oberführer jenes Pilgerheeres haben in solcher Weise ihre Anwesenheit constatirt; jeder hat eine jener Scaras geführt, und ihr Herr und Meister kann auf ihre Treue zählen in allen Vorkommnissen. Es war ein großer, denkwürdiger Akt in der Geschichte seiner Kirche, eine große Demonstration im Angesichte aller Volker vorgenommen, in bester Form Rechtens abgelaufen; bekräftigt durch jene übergroße Zahl von Zeugen; und darum, weil durch kein Abläugnen und keine Sophisterei niederzureden, rechtsgültig für alle Zeit und unumstößlich. Die Zeitung von Bremen hat im Beginne der Feierlichkeit unmuthig ihren Confessionsgenossen zugerufen: »es werde hier ein Schauspiel sich eröffnen, dessen grandioses Detail diejenigen zum Nachdenken anregen möchte, welche derartige Erscheinungen in unserer Zeit für unmöglich gehalten. Dieses ernstliche Nachdenken möchte sehr empfehlenswerth seyn, weil sich an dasselbe eine wundersame Anschauung knüpft, die den deutlichen Beweis liefert, daß die wirkliche Welt im Jahre 1844 doch eine ganz andere sey, als sie sich unsere Philosophen und kühnen Denker construiren.« Das wären ahnungsvolle Worte, durch die Ueberwältigung der nahen Entscheidung dem unwilligen Munde abgedrungen; sie haben sich nun vollkommen bewährt, und unsere Philosophen und kühnen Denker mögen es sich endlich fest einprägen, und es sich nicht abermal und zum andern Male wieder ausreden lassen: daß die Welt im Jahre 1844 wirklich eine ganz Andere ist, als sie dieselbe sich vorgestellt; und daß alle ihre Constructionen nichtig sind, und eitel Blendwerk, das sie sich selber vorgemacht, und nun von diesem Dampf und Dunste aus die Welt angesehen, und wo sie es vermocht, regiert und noch regieren.

Jene Welt, die von diesen Constructoren sich bethören lassen, als sie jenen feierlichen Act sich vorbereiten gesehen, hat allerdings ihrerseits an Zuspruch an die Massen es nicht fehlen lassen, damit wo möglich die drohende, offenkundige Sanction jenes Actes, ein Scandal des Jahrhunderts, wie sie glaubte, abgehalten werde. Die Presse hatte seit zwei Menschenaltern keine Mühe sich am Volke verdrießen lassen, um es zu ihrem Zwecke zu üben und zu dressiren; jetzt war endlich die Zeit herangekommen, wo es sich klar der Welt herausstellen sollte, was sie vermocht, was sie gewirkt, und wie glücklich es mit ihrem Vorhaben gelungen. Aber es ist ganz anders ausgefallen; überaus verdrießlich, entmuthigend und niederschlagend. Die ganze Nacht haben wir unsere Netze ausgeworfen, und nichts gefangen, also klagten damals die Jünger; als ihnen aber der Herr am Morgen nochmal einen Zug zu thun gebot, da hatten sie mit einemmale der Fische mehr gefangen, als ihr Schifflein fassen mochte. So die Kirche bei dieser Fischerei. Die Gewerkschaft hatte gar emsig das schlafende Volk mit sieben neuen Stricken gebunden, und Haar vor Haar an die Erde angepflöckt; als aber der Ruf erscholl: »Simson, die Philister über dir«! da war der Schlafende aufgesprungen, und mit einem Rucke waren die Stricke entzwei, mit denen Dalila ihn gebunden wähnte; die lange Arbeit war verloren, und die Milbe, die so lange an den Fundamenten des Weltgebäudes genagt, hatte keinen Umsturz hervorgebracht. Die rheinischen liberalen Blätter, die man auf die Vorposten gestellt, um ihrer Wachsamkeit eine glorreiche Zukunft zu bereiten, hatten ungemein übel sich gehalten, und die Gewerkschaft hatte einen empfindlichen Verdruß über sie empfunden. Die Zeitung von Trier, die, wie die Sage ging, socialistischen Theorien huldigend, ein wohlbegründet Vertrauen erweckt, hatte sich so weit vergessen, »eine Art von Rhapsodie über die Ehrwürdigkeit des heiligen, ungenähten Rockes, den bekanntlich unser Herr Christus vor 1844 Jahren soll getragen haben, abgesungen«; die Mannheimer Abendzeitung bewies, daß die Sache ganz und gar nicht so unvernünftig sey, als es auf den ersten Anschein die Mitwelt bedünken möge; sondern ganz consequent aus dem Christenthume sich ableiten lasse. Da traute die Zuschauerschaft von diesseits ihren hellen, klaren Augen kaum, und in der Brust wollte ihr der Odem stocken; sie begriff nicht, was diese Vertreter socialistischer Theorien doch angewandelt, welche unbegreifliche Schwäche gerade im entscheidenden Augenblicke sie überfallen; und war nicht übel Willens, über Verrath zu schreien, und ein bitteres Lamento anzustimmen, daß ihre Gutmüthigkeit abermal und zum Andernmale von Kryptokatholiken sich habe berücken lassen. Sie faßte sich indessen wieder; die Straffälligen wurden für dießmal nur in etwas hart angelassen, ihr Vergehen an der gemeinen Sache ihnen mit bittern Worten vorgehalten, und mit Winken das Nichtausgesprochene nachgedeutet; zuletzt, wenn etwa unzeitige Blödigkeit dem Dienstfehler zu Grunde gelegen, die Zaghaftigkeit durch ermunternden Beifall angefacht. Aber die Straffälligen waren nicht dumm gewesen; sie hatten den Umfang ihrer Stimme gar wohl gemessen; dem Rauschen und dem Gebrause gegenüber, das um ein sich erhebendes Volk durch alle Wipfel des Waldes geht, fiel Diese gar unbedeutend ab; und dem großen, ernsten, mächtig anschwellenden Chore, der an ihnen vorübertönte, entgegen, mußte ihnen selbst ihr Gegenruf wie ein unvernehmlicher Posaunenschall aus der Kindertrompete klingen. Sie hatten also wohlweislich es für gerathener gefunden, den Athem für künftige, günstigere Gelegenheit aufzusparen, und die Kräfte nicht durch ein dummes Schwimmen gegen den Strom unnütz zu vergeuden. Es lag ja auch auf der Hand: wollten sie also verwegen dem Volke entgegentreten, und in seiner Demonstration es zu irren und zu turbiren versuchen; die Geirrten und Turbirten konnten sich leicht die Ueberlästigen vom Halse schaffen. Da sie einmal in das zu gemeinsamem Wirken Zusammentreten sich eingewöhnt, konnten sie auch leicht sich zu einem Interdicte der gesegneten Thätigkeit dieser Abmahner einigen, das in solcher Gemeinsamkeit ausgeführt, diese gar leicht in großen, unersetzlichen Schaden zu bringen vermochte. Ohnehin hatte der Hirtenbrief des Bischofs von Luxemburg gegen die Lügen- und Lasterliteratur die allgemeine Aufmerksamkeit dahin gelenkt; die Briefe hatten ein krampfhaftes Zusammenfahren in allen dabei Betheiligten erweckt; aus allen Höhlen des Abgrundes, wo die Lügenschmiede sitzen, und die Bosheit und Frivolität Sünden und Schande brüten, hat ein Geheul dem Rufe des Hirten geantwortet, und eine Eruption des Schlammvulcans ist der grimmigen Convulsion gefolgt, und hat die ganze Umgegend überspieen. Wie leicht nun konnte, so urtheilten die Unternehmer, in Mitte dieser fanatischen Haufen, Einer darauf verfallen, der ganzen Mission von unten herauf mit einenmale zu steuern, da von oben herunter dazu keine Aussicht ist. Hat doch auch anderwärts ein so heroischer Entschluß, unter Einwirkung der Kirche und ihrer Diener vollführt, gründlich im andern Gebiet geholfen, und die irischen und schlesischen Völker von der Völlerei geheilt. Wie unschuldig aber sind die mörderischen Geister, die das Feuer aus dem Malze treibt, verglichen mit jenen narcotischen Schwaden und dämonischen Gespenstern, die die Gährung der Zeit und ihr vulcanisches Entglühen in den sich zersetzenden Geistern entbindet, und durch die Einbildungskraft nun mit allem Reize des Wohlgeschmacks umkleiden, und mit allen Wohlgerüchen ihrer Scheidekunst umduften läßt, daß sie allen Sinnen schmeichelnd in die Seelen einschleichen, und die Verwesung und das Verderben, wovon sie ausgegangen, in sie hinübertragen. Die Gefahr eines Mäßigkeitsvereines in diesem Gebiete haben die praktisch Klugen gar wohl bedacht, und darum alles Einspruchs sich enthalten, und zuletzt, die Scheltenden bedeutend, ihnen zugerufen: daß die Möglichkeit der Erreichung ihres Zweckes eben an diese ihre Enthaltsamkeit geknüpft sich finde. Das scheinen die unpraktischen Stürmer denn verstanden, und sich dabei beruhigt zu haben; und auch wir loben die Entsagung, und wollen die Fortsetzung dieses Opfers in Sachen des Glaubens ihrem Selbsterhaltungstriebe bestens empfohlen haben.

Da nun also die liberalen Blätter von jenseits abgefallen, sind die dießseitigen allein auf dem Walfeld geblieben, und sie haben unter der Hand ihr Möglichstes gethan, um dem Volke abzurathen, und die Obervormundschaft, wenn es sich nicht bedeuten lasse, zum Dreinsehen zu bereden. Die präventive Polizei, die unsere, dem Graswuchs horchende Zeit, gar sehr cultivirt, gab die triftigsten Gründe und die abschreckendsten Exempel an die Hand, um die wandersüchtigen Leute zum Zuhausebleiben zu bestimmen oder zu nöthigen. Trier, der Brennpunkt des mittelalterlichen Köhlerglaubens, wurde mit der Cholera bedroht; die geflügelte Drachenkönigin des Orients werde, gelockt von der reichen Beute, den Massen folgen, wie die Geier den Caravanen; und in der dicken, dumpfen Luft der Unwissenheit, in der sie sich bewegten, bald sich heimisch findend, von da neuerdings Deutschland überziehen. Aber die Orientalin war anderwärts, zu den frommen Aethiopen, hingezogen, sie gehorchte der Beschwörung nicht; Trier blieb unbehelligt von ihr, das Volk lachte der Drohung. Wohl denn! aber so unmäßig viele Leute, die in so engen Räumen sich zusammenpfropfen, nachdem sie anhaltend dem Einflüsse naßkalter Witterung, schlechter, spärlicher, unfehlbar bald ganz fehlender Nahrung sich ausgesetzt, müssen nothwendig, wie die Heere im Kriege, gefährliche Miasmen in ihrem Schooße erzeugen; bei der engen Berührung werden diese vom Einen zum Andern nur allzubald übergehen, und ansteckende Krankheiten werden von diesen polizeiwidrigen Aufläufen ihren Ausgang nehmen, über alle nahe gelegenen Lande sich ausbreiten, und vielleicht selbst uns, die schuldlosen Warner, verderben. Da die Zeit allen ihren Hirngespinnsten sogleich Realität anzulügen nicht das mindeste Bedenken trägt, weil es auf alle Fälle zu gutem Zwecke nicht schaden kann, so war der Hospitaltyphus schon wirklich ausgebrochen; er hatte sich den Rückkehrenden hinter dem Nacken aufgesetzt; etapenweise berechnete man den Zug des Uebels; man wußte, wann er an einem bestimmten Orte ankommen würde, und bereitete sich treufleißig, den Führern die Maledictionen der Aufklärung entgegenzurufen. Aber siehe da! der Typhus und die Pestilenz waren nicht ausgebrochen, und man machte amtlich indessen in Trier bekannt: »es sind dahier, ungeachtet des Zusammenströmens so vieler Menschen, keine außergewöhnlichen Erkrankungen erfolgt; vielmehr war der Gesundheitszustand im Verlaufe des ganzen Jahres nicht so günstig, als gerade in dieser Epoche, wo sogar in der Armenpraxis wenige Fälle stattgefunden; es liegen auch gar keine fremden Kranken in den städtischen Hospitälern (zwei, die einmal auf kurze Zeit dort niedergelegen, wurden als eine seltene Merkwürdigkeit gezeigt und besucht); noch weniger sind deren bei den Bewohnern der Stadt und Umgegend untergebracht; auch lebt man ohne die mindeste Besorgniß vor dem Ausbruch der gedrohten Krankheiten«. Das Volk lachte der sorglichen Droher, es fand sich nie gesunder und frischer, als in den Tagen, wo es so manche Mühseligkeit und Entbehrung bestanden; ein Jahrhundert des Mittelalters hatte mit dem philosophischen einen Tausch getroffen, und indem es für dasselbe eingestanden, hatte es aus seinen Finsternissen einen Engel dem Volke zugesendet, der es durch diese Fahrnisse hindurch und wohlbehalten wieder zurückgeführt. – Aber das werdet ihr doch gestehen müssen, wenn die Aufregung dieser Menge auch solche Uebel glücklich von ihr abgehalten, wird nicht eben sie es um so mehr zu Geistesverwirrungen, Monomanien, Wahnwitz, besonders von der religiösen Art disponiren müssen? Schon sind vier Pilger im Irrenhause von Trier abgegeben; es kann nicht fehlen, zahllose unglückliche Opfer des Wahnsinnes werden ihnen folgen. Denn, ist nicht der ganze Zug ein Paroxism eines stillen Wahnsinns, dessen fixe Idee dieser schwammbraune Rock ist, den sie in ihrem Delirium für das Gewand des Herrn nehmen? Das Volk aber hatte seines gesunden Menschenverstandes so wohl mit Hut wahrgenommen, daß nichts daran schadhaft geworden, und es war ihm so überflüssig viel von seinem Mutterwitz geblieben, daß es der Thoren lachte, die die eigene Narrheit ihm aufbinden wollten. – Aber seid doch klug ihr Leute! es kann ja gar nicht anders seyn, wo so unvernünftig viele Menschen in ihrem blinden Fanatism zusammenkommen, und nun in engen Räumen, wie das liebe Vieh eingepfercht, an dem Gegenstande ihres Aberglaubens sich vorüberzwängen, muß es ja nothwendig zu einem furchtbaren Gedränge kommen, und das wird doch unausbleiblich seine Opfer fordern. Viele dieser Fanatiker werden in ihm ihren Tod finden, die Frauen und die Kinder werden aber am übelsten wegkommen, man wird jene auf den Straßen ihre Niederkunft halten sehen; wer wird all den unschuldigen Kleinen, die die Hufe der Roße zerstampfen, Hilfe leisten? wer die Menge der Durstenden mit einem Trunk kühlen Wassers laben? wer wird die nachtheiligen Folgen des Schlafes unter freiem Himmel von ihnen abhalten? Nein, die Regierung kann und darf solchen polizeiwidrigen Auflauf nimmer zugeben! Aber die amtliche Bekanntmachung that kund: »es haben einige Unglücksfälle durch Ueberfahren von Kindern, wie solches auch zu andern Zeiten verkömmt, statt gefunden; aber es ist kein Mensch erdrückt worden; es kamen keine Niederkünfte auf der Landstraße, keine auf dem Markte von Trier vor; keine Wöchnerin ist gestorben; gutes Trinkwasser ward, in Ueberfluß von achthundert Privat- und öffentlichen Pump- und Ziehbrunnen, den Durstigen dargebracht, und floß ihnen in fünf schönen Brunnen, mit Trinkbechern versehen, aus der städtischen Wasserleitung zu. Für alle Eventualitäten der Pilger ist auf's allerbeste vorgesorgt, und Schlafstätten sind in solchem Ueberflusse vorhanden, daß immer alle ohne Ausnahme, und selbst mitten in der Nacht zahlreiche Prozessionen sogleich Aufnahme fanden, und kein einziger Fremder genöthigt war, unter freiem Himmel und auf der Straße zu lagern«. Das Volk lachte noch lauter als zuvor; es hatte klüglich seine schwangern Frauen zu Hause gelassen; der Kinder nahmen sich die Mütter an, die sie mitgebracht; und die Ordnung, die in der Sache geherrscht, hatte es überhaupt zu keinem Gedränge kommen lassen. Das war nun niederschlagend, die Sanitätspolizei verstummte, und trat zurück. Aber wir haben noch viele andere Polizeien, eine des Ackerbaues, der Flüsse und Gewässer, der Wege und der Stege, und die der öffentlichen Sicherheit, die alle Aufläufe überwacht, und bei Dieben, Räubern und Beutelschneidern ein Nachsehen hat. Von dort mußten nun auch in der Staatszeitung die vielen Diebstähle, Prügeleien, Mordthaten und sonstigen Excesse gemeldet werden, die unvermeidlich eintreten müßten; aber die wollten auch sich nicht blicken lassen, weil die Leute mit ihrer unvorgesehenen Andacht so viel zu schaffen hatten, daß ihnen zu einigen tröstlichen Excessen keine Zeit übrig blieb. Umgekehrt, da in Trier ein großes Correctionshaus besteht, das alle Sträflinge eines weiten Bezirkes, viele Hunderte an der Zahl, in sich befaßt, so mußte gerade diese das Verlangen anwandeln, gleichfalls ihre Andacht vor dem Heiligthume zu verrichten. Sie stellten ein Gesuch deßwegen an die Behörde, und diese war verständig genug, diesem Gesuche zu willfahren. Sie wurden nun in die Kirche geführt, sie brachten ihre Opferkerzen dar, verrichteten ihre Andacht, und Alle kehrten in Ruhe zurück; Keiner fehlte, und man bemerkte seither eine sichtbare sittliche Besserung in dem Hause. So also bewiesen auch diese Befürchtungen sich als eitel; das Volk war in Frieden hingegangen, und in Frieden wieder zurückgekehrt; wohlbehalten waren Alle in der Heimath wieder angelangt, und was die Unglücksraben prophezeit, und als wirklich schon eingetreten verkündigt hatten, das war Alles Täuschung oder Lug und Trug gewesen. Die Behörde von Trier hat auch darüber bekannt gemacht: »daß die musterhafteste Ordnung während der ganzen Ausstellung geherrscht; daß die gewohnte Ruhe auch nicht im mindesten gestört worden, und daß man glauben könne, der Aufenthalt in der Stadt werde den Fremden zeitlebens eine angenehme Erinnerung bleiben«. Nur einmal hatte der ungestüme Eifer der Luxemburger eine Art von Gedränge verursacht; man hatte aber sogleich die Thore des Doms verschlossen, und die Ordnung hatte sich sehr schnell wieder hergestellt. So waren also mit Leidwesen alle gehegten Illusionen zerstört, und die gangbarsten Einwürfe gegen das Wallfahrten des Volks, wie zu hoffen, auf immer beseitigt.

Da nun also die gefährliche Sache sich selber nicht zerstören mochte, hat der Verdruß in anderer Weise sich Luft zu machen gesucht, er hat dem Volke das böse Auge zugewendet; das aber hat ihm den Gegenzauber, die geballte Hand mit eingebogenem Daum entgegengehalten, und die schädliche Wirkung zurückgeschlagen. Seit Deutschland in zwei Zungen, mit alter Mundart und mit der neuen, sich getheilt, ist die Macht dieses bösen Auges aufgekommen; und hat in unsern Tagen, wie alle freien Künste, zur Virtuosität sich ausgebildet. Dieß Auge sieht alle Gebrechen, an denen es selber leidet, in den Andern hinein; in sich findet es daher alle bestätigende Gewähr, wenn es immer das Schlechteste voraussetzt; die eigennützigsten Motive in allem Thun, Lug und Trug und Arglist all überall, und lauernde Bosheit an jeder Strassenecke. Die von der alten Mundart, die immer Leben und Lebenlassen zum Wahlspruch sich genommen, haben in dieser Art von Hallucination weniger sich ausgezeichnet; aber die von der corrigirten und gereinigten Ausgabe, in usum Delphini, haben es darin bis zur Meisterschaft gebracht, und wissen nun ihre artesischen Brunnen überall anzubohren, daß der heilsame Sprudel ihnen überall in Fülle entgegenquillt. Solche vielfach eingeübte Praktik mochte, hier in Zeiten angewendet, ohnmöglich ihren Zweck verfehlen. Es konnte einmal schlechterdings dabei mit rechten Dingen nicht zugehen: dieses Volk, das durch keinen Zuspruch sich bedeuten ließ, konnte unmöglich dabei eigenem Antrieb folgen, verborgene Hände mußten im Spiele seyn; ihre Kniffe zu entlarven, spannte den Scharfsinn, und gab eine tröstliche Beschäftigung in Mitte der ärgerlichen Zustände, die sich begaben. Was konnte aber mächtiger anspornen, als der Eigennutz, der ja Alles dort zu Lande erklärt, in Allem zum Vorschein kömmt, und darum alle Räthsel löst mit Leichtigkeit. So hatte, wie wir in einem Blatte, dem Organe des Philisteriums, es gelesen, die Stadt Trier es dem dummen Volke angethan. »Die größeren und kleineren Wunderheilungen des ungenähten Herrgottsrocks, hieß es dort unterm 14. September, beleben die Wallfahrten, und kommen der Stadt Trier zu gute. Man läßt die Pilger zahlen, nimmt ihr Geld, und wird nur bis Ende des Monats ernst bleiben. Dann, wenn die Privatinteressen nicht darunter leiden, wird man der Sache die komische Seite abgewinnen. Es ist freilich traurig genug, daß kein Blatt es wagt, gegen diese Fanatisirung des Volkes, der leicht Unbesonnene ein Opfer werden könnten, ein festes und muthiges Wort zu reden. Die in Bildern, Medaillen, selbst in Lebkuchen und Zuckerwerk verkauften Herrgottsröcke werden noch lange Zeit in den Gebirgsgegenden als einziges Heilmittel gelten, und alle verständige Hülfe und dadurch bedingte Heilung ausschließen.« Es half der Stadt Alles nichts: Trier hatte in Gastfreiheit das Mögliche gethan; es hatte die zahllosen, sich immer mehrenden Schaaren hülfreich aufgenommen, sie unter Dach geborgen, und wo sie dessen bedurft, sie gespeist und getränkt; ihnen oft gar nichts, oder doch unverhältnißmäßig wenig dafür abnehmend. Das bezeugten Alle, die dort gewesen, einstimmig. »Was soll uns das«, ist die Erwiederung, »es ist dummes Volk, das in die feinen Gespinnste des Betruges hineingetappt, und selber seine Ausplünderung noch beschönigen hilft.« Sonnenklar wurde die Sache, als es unter dem 1. October eben dort, mit der Rubrik Köln hieß: »Heute Morgen ist abermal eine zahlreiche Prozession von Pilgern, ›mit höherer Genehmigung‹, und in Begleitung eines Pfarrgeistlichen, nachdem sie zuvor in der zunächst am Thore gelegenen Pfarrkirche eine Messe gehört hatten, mit Fahnen und Cruzifix von hier nach Trier abgegangen, um die vom dortigen Bischof, im Interesse des Doms und der Stadt sehr klüglich verlängerte Schaustellung des heiligen Rockes, noch rechtzeitig zur Darbringung ihrer Verehrung und, was in Trier noch willkommener und die eigentliche Hauptsache ist, ihrer Opferspenden, zu benutzen«. Um die Dummheit der Leute sich recht handgreiflich zu machen, erzählten sich die von Zweibrücken schalkhaft, wie proceßführende Bauern ihre Acten am heiligen Rocke angerührt. Einer von Köln herüber, der sich in ihre Discurse eingemischt, hat ihnen die Sache sonnenklar gedeutet. »Sehr wenige Ausnahmen abgerechnet, gehören alle diese Wallfahrer den untersten Volksklassen an; und die ungeheure Mehrheit bildeten, wie es gewöhnlich bei diesen Pilgerfahrten der Fall ist, Frauenspersonen jeden Alters. Lange Prozessionen von Landleuten sind hingezogen, welche ihre Geschäfte auf zehn bis zwölf Tage unbedenklich verlassen hatten, um sich am Anblicke des heiligen Rockes zu erbauen. Die meisten dieser Pilger sahen recht arm und kümmerlich aus, und besaßen augenscheinlich nicht die Mittel, um sich auf einer so weiten Reise nur einigermaßen ordentlich verpflegen zu können. Die Geistlichen und Zugführer, welche die Prozession begleiteten, hätten sicher weit religiöser gehandelt, wenn sie diesen dürftigen Leuten von der Wallfahrt abgerathen, und sie veranlaßt hätten, daheim ihrem kärglichen Broderwerbe nachzugehen«. Lange suchte man nach den eigentlichen Urhebern des Sturmes; da man aber in der Eile und Ueberraschung keinen handfest zu machen wußte, hielt man sich zuletzt an die römische Curie, die, von den Siebenhügeln her, den ganzen Lärm angerichtet. »Vor der klaren und lichtvoll prüfenden Beschauung des protestantischen Deutschlands, vielleicht der protestantischen Welt im Allgemeinen, entwickelte es sich klar, was Rom für die preußische Rheinprovinz beabsichtigte; welche Mittel es in Bewegung gesetzt hat, jene tiefliegenden Absichten zu erreichen, und welche Unterstützungen es gefunden. Denn keiner der großen, weltumfassenden Zwecke ist dort aufgegeben; keine Transactionen werden von dort geboten; man betrachtet die Reformation dem Geiste nach wie einen Abfall, der Gestaltung nach wie eine Episode, Reformation und Revolution aber hält man ohngefähr identisch. Als Bollwerk gleichsam für den Katholicismus wird aber das Gebiet des preußischen Rheines betrachtet. Dahin drängen sich die compactesten Massen, und Alles deutet darauf hin, daß von hier aus, unterstützt durch bekannte Ereignisse, sich ein machtvolles Walten entwickeln werde, über dessen Detail im gegenwärtigen Augenblicke von verschiedenen katholischen Kirchenhäuptern Conferenzen gehalten werden, und dessen eventuelle Feststellung in Rom die Billigung und den Ausbau zu erhalten, Hoffnung hat.« Das Alles würde sich wohl hören lassen, wollte man für Rom die Kirche setzen; für bekannte Ereignisse aber, bekannte Thorheiten und Fehlgriffe von Seite ihrer Gegner; statt Ultramontanism aber den katholischen Sinn der ihr zugethanen Völker: nur was von der Consequenz Roms und seiner Unerschütterlichkeit in allen Stürmen gesagt wird, mag füglich unverändert stehen bleiben.

 


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