Otto Gildemeister
Essays - Zweiter Band
Otto Gildemeister

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Josephine.

(1893.)

Von je her haben die Leute gefragt, weshalb Napoleon Josephine oder auch weshalb sie ihn heirathete und weshalb die Ehe zwischen beiden so lange dauerte, allen Umständen, die eine Trennung nahe legten, zum Trotz. Die Ungleichheit der beiden Gatten muß jedermann in die Augen gesprungen sein; man hat sich nie bei der einfachen Erklärung, die für andere Ehen auszureichen pflegt, – Vernunftheirath oder Heirath aus Neigung – beruhigen wollen. Im Alterthum und im Mittelalter hätte man vielleicht auf einen Zaubertrank geschlossen: dazu waren die Zeitgenossen des Generals Bonaparte zu aufgeklärt. Sie haben allerlei Fabeln ersonnen, die das Räthsel allenfalls erklären könnten, wenn sie nur nicht mehr oder weniger aus der Luft gegriffen wären. Die bekannteste dieser Fabeln macht den militärischen Ehrgeiz Bonapartes zum leitenden Motiv bei der Geschichte: er wollte durchaus den Oberbefehl in Italien haben, auf den er bei seiner Jugend und seinem Range nicht den geringsten Anspruch hatte; man sagte ihm, die Witwe Beauharnais vermöge über den allmächtigen Barras alles; sie solle er heirathen, und alles werde sich nach Wunsch machen. Daran ist nur das eine wahr, daß Bonaparte den Oberbefehl inbrünstig begehrte; aber Barras war keineswegs so allmächtig, daß er allein über die Armeen der Republik verfügt hätte, – sein College im Direktorium war Carnot – noch auch übte Madame Beauharnais den vorausgesetzten Einfluß über ihn aus. Er stand vielmehr um die Zeit, von der es sich handelt, ganz unter der Herrschaft der schönen Madame Tallien, mit der er öffentlich Haus hielt; es ist richtig, daß Madame Beauharnais in diesem Hause freundschaftlich und täglich verkehrte, aber es ist höchst unwahrscheinlich, daß Madame Tallien einer Nebenbuhlerin ihren Salon geöffnet hätte. Das läßt sich eher denken, daß die Geliebte des Directors ihre Freundin, die sich gern vortheilhaft etabliren wollte, rechtzeitig auf den jungen olivenfarbenen General aufmerksam machte und ihr zuflüsterte, daß das Directorium ihm eine große Stellung zugedacht habe. Warum sollte Barras seiner Dame nicht anvertraut haben, daß Carnot den jungen Bonaparte allen anderen Generalen vorziehe, und daß er, Barras, mit Carnot zu stimmen beabsichtige? Man war damals nicht sehr amtsverschwiegen. Carnot selbst hat in seinen Memoiren sich angeklagt, den Oberbefehl in Italien dem verschafft zu haben, der von diesem Sprungbette aus sich auf den Thron schwang.

Man hat oft die Geschichte erzählt, daß General Bonaparte dem Directorium einen Plan für den italienischen Feldzug vorgelegt und daß das Directorium diese Denkschrift dem damals commandirenden General Schérer zugeschickt habe, worauf denn die Antwort erfolgt sei: »der Verfasser des Plans ist ein Narr; man sollte ihm zur Strafe die Ausführung übertragen.« Neuerdings finden wir eine interessante Ergänzung dieser Ueberlieferung in den »Souvenirs sur Napoléon« von Chaptal, dem Minister des ersten Konsuls, dessen Name durch die von ihm erfundene »Chaptalisirung« des Weins unsterblich geworden ist. Bonaparte, so erzählt er, hatte im Jahre 1793 ein Artilleriecommando in Nizza; er hatte eines Tags seinen Freund Volney und den Commissar des Wohlfahrtsausschusses Turreau zu Tische; das Gespräch kam natürlich auf die Kriegführung, und Bonaparte erging sich in herben Kritiken. Als man ihm Einwendungen machte, rief er aus: »Geben Sie Volney und mir morgen zu essen, so will ich Ihnen meinen Plan auseinandersetzen, wie man mit fünfundzwanzigtausend Mann Italien erobert.« Am folgenden Tage brachte Bonaparte seinen Plan, ein Schriftstück in siebenzehn Artikeln, das er zweimal vorlas und mit mündlichen Erläuterungen begleitete. Auf alle Einwendungen hatte er eine Antwort; er hatte an alles gedacht; er sprach mit der größten Sicherheit von den hypothetischen Erfolgen, und er schloß mit den Worten: »So, von Sieg zu Sieg, komm' ich vor die Thore Wiens und dictire den Frieden.« Er redete wie ein Begeisterter und machte auf Turreau einen solchen Eindruck, daß dieser sich anheischig machte, den Feldzugsplan an den Wohlfahrtsausschuß zu schicken. Bonaparte bedang sich aus, daß die Schrift an Carnot adressirt werde, und sagte, daß er ein ausführliches, in alle Einzelheiten eingehendes Memorandum beifügen werde. »Dieser Plan,« bemerkt Chaptal, »war der Ursprung der großen kriegerischen Laufbahn Bonapartes.« Volney hatte sich die siebenzehn Artikel gut eingeprägt; kaum nach Hause gekommen, brachte er sie zu Papier. Einige Jahre hernach, als er in den Vereinigten Staaten war, erwarb er sich bei seinen dortigen Freunden, den Waffengefährten Washingtons, den Ruf eines strategischen Propheten, weil er ihnen ziemlich genau vorauszusagen wußte, wie die Franzosen in Italien operiren würden.

Aber ich wollte von Josephinen reden und sprach von Bonaparte: der Mann wirft einen gar zu breiten Schatten. Die Witwe Beauharnais war nach dem Urtheil aller Zeitgenossen reizend; selbst die Frauen waren entzückt von ihrer gewinnenden Liebenswürdigkeit, Grazie und Eleganz. Die Männer schwärmten für sie. Sie war sich ihrer Macht wohl bewußt und benutzte sie, um sich während der schlimmen Revolutionsjahre über Wasser zu halten. Als Aristokratin hatte sie alles zu fürchten; ihr Mann, der Marquis, war guillotinirt worden; sie selbst sah die Innenseite des Kerkers. Aber sie hatte überall Freunde, auch im Convent, und sie kam mit heiler Haut davon. Ich kann mir nicht helfen, aber sie erinnert mich immer an Philine im Wilhelm Meister, die aus der allgemeinen Plünderung ihren Reisekoffer zu retten versteht. Nach dem Thermidor erscheint die schöne Witwe lächelnd und lebenslustig in den allmählich sich wieder öffnenden Salons, immer in der Nähe der Machthaber, umgeben von einem Hofe von Anbetern. Die Gesellschaft in diesen Salons war sehr gemischt, die Sitten waren äußerst zwanglos, Madame Beauharnais besaß unter andern Gaben das Talent der Anpassung in hohem Grade, aber sie fühlte sich nicht sicher; die Revolution hatte ihr Vermögen zerstört; sie lebte ein wenig von der Hand in den Mund, und das Leben war kostspielig. Luxus zu treiben, Toilette zu machen, war ihr so natürlich wie Athmen, auch Geschenke zu machen und Almosen zu geben. Ihre Kinder wuchsen heran, Eugen wurde fünfzehn, man mußte ihm eine Carrière eröffnen, und Hortenses Verheiratung und Ausstattung tauchte als schwieriges Problem am Horizont auf. So leichtlebig und leichtsinnig die Frau war, so begriff sie doch die Nothwendigkeit, für ihre Existenz eine bessere Grundlage zu gewinnen als die losen Verbindungen, die man im Strudel der Geselligkeit knüpft. Sie mußte heirathen; das war klar. Aber wen? Natürlich mußte der Zukünftige ihr ein glänzendes Dasein in Aussicht stellen, Hotel, Equipagen, Diamanten. Sogenannte gute Partien mit sicherem Rentengenuß gab es im Jahre 1795 nicht mehr oder noch nicht wieder; man mußte auf die Zukunft speculiren und prüfen, welcher von den Freiern die beste Aussicht habe, reich und mächtig zu werden. An solchen Freiern fehlte es nicht. Da war Hoche, der gefeierte General, da war Caulaincourt, der es zum Herzog gebracht hat, da war, minder glänzend, aber nicht zu verachten, der junge Korse, von dem man viel sprach, seitdem er am 13. Vendémiaire die Kartätschen so erfolgreich hatte pfeifen lassen, – the whiff of grape, wie Carlyle sagt. Daß Bonaparte in sie verliebt sei, merkte Josephine natürlich sofort; sie wußte auch, daß er eine Frau nehmen wolle, aber er war ihr nicht sympathisch. Er war mürrisch, ungelenk, heftig, in seinem Aeußern vernachlässigt, kein Mann, wie ihn solche Damen lieben. Sie fühlte sich nicht behaglich in seiner Nähe: »Bonaparte est si drôle,« kömmt in einem ihrer Briefe aus dieser Zeit vor. Aber sie hatte kluge Rathgeber; der Poet Lemercier, der berühmte Verfasser vergessener Tragödien, wurde nicht müde, der schwankenden die beiden Worte zu wiederholen: »Prenez Vendémiaire!« Und, wie schon bemerkt, wird sie von Barras und Madame Tallien allerlei gehört haben, was sie schließlich überzeugte, daß General Bonaparte die beste Partie sei. Der Kanzler Pasquier schreibt in seinen (kürzlich erschienenen) Memoiren, daß der Kaiser Napoleon sich so schwer von Josephinen getrennt habe, hänge wohl zum Theil damit zusammen, daß er es ihr nicht habe vergessen können, wie sie ihn in den Tagen seiner Niedrigkeit vor andern ausgezeichnet habe. Pasquier kam aber erst später mit dem ersten Consul in Berührung und wußte nur von Hörensagen, was vor 1796 geschehen war. Allerdings hatte er schon bald nach der Schreckenszeit Josephinens Nähe gestreift, aber nur sehr oberflächlich. Sie bewohnte, so erzählt er, in der Umgegend von Paris unmittelbar neben seinem Unterschlupf eine Villa, wo sie manchmal Barras und dessen Freunde mit auserlesenen kleinen Diners »auf geborgtem Tafelgeschirr« bewirthete. Das malt eine ganze Situation.

Bonapartes Rolle in der Komödie scheint mir ganz und gar nicht räthselhaft. Er war fünfundzwanzig Jahre alt; er war nicht blasirt; er wünschte lebhaft einen Hausstand zu begründen. Unverwöhnt in seinem bisherigen Garnisonleben, glaubte er in der schönen Kreolin den Inbegriff alles weiblichen Liebreizes zu finden. Er verliebte sich sterblich in sie. Im Anfange scheint er von ihr wenig Ermuthigung erfahren zu haben; sie war eben noch unentschieden, und zum bloßen Flirten fand sie ihn nicht geschaffen. Er seinerseits verschwendete nicht gern seine Mühe, wo er keinen Erfolg vor Augen sah. Er hielt sich im Hintergrunde und beschränkte seinen Verkehr mit ihr. Es existirt ein Billet Josephinens vom 28. October 1795, in welchem sie dem jungen General schreibt, er vernachlässige seine Freundin, die ihn liebe; das sei sehr unrecht, da sie ihm zärtlich zugethan, tendrement attachée, sei. Er möge doch morgen mit ihr frühstücken; sie fühle das Bedürfniß ihn zu sehen und mit ihm über seine Interessen zu plaudern. Vier Monate später waren die beiden Mann und Frau. Wie die Zwischenzeit von Josephinen benutzt wurde, um den General dauernd an sich zu fesseln, ahnt man leicht, wenn man folgenden Brief des Bräutigams liest.

»Ich erwache, ganz erfüllt von Dir. Dein Bildniß und der gestrige berauschende Abend haben meinen Sinnen keine Ruhe gelassen. Süße, unvergeßliche Josephine, welche wunderliche Wirkung üben Sie auf mein Herz! Sind Sie mißmuthig, sehe ich Sie traurig, sind Sie unruhig, so vergeht meine Seele vor Schmerz, und es giebt keine Ruhe mehr für Ihren Freund; aber habe ich etwa mehr Ruhe, wenn ich mich der tiefen Empfindung, die mich überwältigt, hingebe und auf ihren Lippen, an ihrem Herzen Flammen fange, die mich verbrennen? O, in dieser Nacht habe ich gemerkt, daß Ihr Bildniß nicht Sie selbst ist! In drei Stunden werde ich Dich sehen. Bis dahin, mio dolce amor, eine Million Küsse, aber gieb mir keine, denn sie verbrennen mein Blut.«

In demselben Stil sind die Briefe geschrieben, mit denen der junge Gatte mitten im Getümmel des Feldzuges die in Paris zurückgebliebene Frau bestürmte. Zwei Tage nach der Trauung war er zur Armee abgereist; sie sollte ihm folgen, sobald die Ereignisse es gestatteten. Aber so ungeduldig und leidenschaftlich er auf ihre Abreise drang, so wenig Neigung hatte sie, die Zerstreuungen von Paris mit den Aufregungen des Feldlagers zu vertauschen. Sie suchte nach Vorwänden; sie schützte Unpäßlichkeit vor; aber sie merkte bald, daß es schwer sei, diesem Manne blauen Dunst vorzumachen. Ihre zärtlichen Phrasen befriedigten ihn nicht; die Briefe aus Paris waren ihm immer zu kurz, zu kühl. Schrieb sie von Unwohlsein, so kam es vor, daß einige Tage hernach ein Courier aus dem Hauptquartier vor ihr stand, der angewiesen war, binnen sechs Stunden mit ausführlichen Nachrichten von ihr wieder abzureisen. »Der General Bonaparte,« schreibt Marmont in seinen Erinnerungen, »war während des Feldzugs unaufhörlich mit dem Gedanken an seine Frau beschäftigt; er verlangte nach ihr, wartete auf sie mit Ungeduld. Er sprach mir oft von ihr und seiner Liebe mit dem überfließenden Gefühl und der Illusion eines sehr jungen Menschen. Ihr fortwährendes Zaudern abzureisen folterte ihn, und manchmal überließ er sich Regungen der Eifersucht und abergläubischen Anwandlungen, die ihm eigen waren.« Eines Tages zerbrach das Glas auf dem Bildnisse Josephinens, das er immer bei sich trug: er wurde blaß und sagte: »Marmont, meine Frau ist sehr krank oder untreu!«

Der Argwohn, daß seine Frau ihm untreu werden könnte, macht sich nicht selten schon in den ersten Briefen an sie vernehmlich. Auf die ungestümsten Liebesbetheuerungen folgt bisweilen ein Ausdruck des Zweifels, eine beleidigende Warnung: »Nimm Dich in Acht; um zwei Uhr Nachts fliegen einmal plötzlich die Thüren Deiner Schlafkammer auf, und ich bin da!« Trotz seiner Illusionen scheint der junge Menschenkenner den sittlichen Werth seiner Erkorenen nicht überschätzt zu haben. Er wußte ja, als er um sie warb, sehr wohl, in welcher Gesellschaft sie sich bewegte und sich gefiel und wie man in dieser Gesellschaft von ihr sprach. Das störte ihn weiter nicht, es waren vergangene Dinge, und Seelenadel verlangte er nicht von der Frau, die er liebte. Gerade der würde ihm vielleicht beschwerlich gefallen sein. Nun sie aber einmal sein Eigenthum geworden war, sollte sie ihm auch ausschließlich angehören, innerlich und äußerlich, und daß er dessen doch nicht sicher sein konnte, war seine stete Pein. Er glaubte nicht an Tugend, aber er hätte gern die Bürgschaften gehabt, die nur sie stellt. Daß dies nicht möglich war, hat ihm die erste Zeit seiner Ehe vergällt; sehr bald, nachdem er die Unmöglichkeit seiner Hoffnungen eingesehen hatte, resignirte er sich und acceptirte die Konsequenzen, die sich aus der unabänderlichen Natur der Frau ergaben, nunmehr ausschließlich darauf bedacht, die vorteilhaften Seiten des eingegangenen Verhältnisses für sich zu verwerthen, den schädlichen nach Kräften thunlichst enge Grenzen zu ziehen. Ihm war es durchaus möglich, neben einer Frau, deren geringen inneren Werth er durchschaute, sich ganz behaglich einzurichten, vergangene Dinge auch ferner auf sich beruhen zu lassen und nur das eine sich auszubedingen, daß seine Ansprüche auf Selbstbefriedigung nicht gekreuzt würden. Ich habe für mich den Verdacht, daß Napoleon unter anderem auch deshalb an Josephinen hing, weil es ihm bequem war, sie nicht als ein besseres und edleres Wesen achten zu müssen, weil er sich vor ihr nicht zu geniren brauchte. Es ist nur eine Kleinigkeit, aber doch bezeichnend, daß beide Gatten, ohne vor einander zu erröthen, bei dem Heirathsakte eine Fälschung begingen, sie, indem sie ihren dreiunddreißig Jahren zwei abstrich, er, indem er seinen siebenundzwanzig Jahren eins hinzusetzte. Keiner von ihnen wird den anderen Theil getäuscht haben.

Beiläufig bemerkt, wiederholt sich diese Art von Anhänglichkeit Napoleons an Personen, die er innerlich verurtheilt hatte, auch in anderen Verhältnissen, wo Verliebtheit keine Rolle spielte. Er brach nicht leicht vollständig selbst mit solchen Personen, die er des ärgsten Verraths für fähig hielt, sondern suchte, wenn es irgend anging, den gewohnten Verkehr mit ihnen fortzusetzen. Man denke an sein Verhalten zu Talleyrand und zu Fouché. Die Unsittlichkeit flößte ihm nicht den mindesten Widerwillen ein.

Josephine, die schließlich dem ungestümen Willen ihres Gatten nachgeben mußte, trat im Juni ihre Reise ins Hauptquartier an, unter herzbrechenden Thränen, als ob es ins traurigste Exil gehe. Ihre Ausflüchte – sie hatte sich sogar für schwanger ausgegeben – hielten nicht Stand gegen einen Mann, der gewohnt war, den Dingen auf den Grund zu gehen, der Couriere und Berichterstatter zur Verfügung hatte und den man wohl vorübergehend, aber nicht auf die Dauer täuschen konnte. Sie acclimatisirte sich schnell genug in Italien: so glänzend und süß hatte sie sich das Leben an der Seite eines Soldaten nicht träumen lassen. Als Gemahlin nicht bloß eines Siegers, sondern eines Befreiers wurde sie von den Italienern empfangen; im Palast Serbelloni in Mailand, wo sie abstieg, sammelte sich um sie ein Hof von Anbetern und Strebern; niemand zweifelte daran, daß man durch ihre Gunst von Bonaparte alles erlangen könne. Rauschende Feste wurden ihr von allen Seiten angeboten; auch an dauerhafteren Vortheilen fehlte es nicht. Als sie nach Paris zurückkehrte, setzte sie ihre Bekannten in Erstaunen, wenn sie ihnen die Geschmeide, Juwelen und Kostbarkeiten zeigte, die sie als Geschenke italienischer Städte und Signori mitgebracht hatte. Ihre frühere Abneigung gegen das Leben im Feldlager schwand völlig nach diesen Erfahrungen: in späteren Jahren wollte sie stets dabei sein, wenn Napoleon zur Armee abreiste, und ihm fiel die Aufgabe zu, sie in Paris, Aachen oder sonst einem sicheren Orte zurückzuhalten. Für das große kriegerische und politische Drama zeigte sie bei solchen Gelegenheiten nicht das geringste Interesse; sie betrachtete das Unternehmen immer nur als eine Vergnügungsreise in größerem Stil.

Während des Aufenthaltes in Italien kümmerte sie sich um ihren Gatten nicht viel mehr als vorher. Ihn riefen beständig seine Feldherrnpflichten bald hier- bald dorthin; dann wiederholte sich das alte Spiel: glühende Liebesbriefe von seiner, einsilbige Antworten von ihrer Seite; Warnungen und versteckte Drohungen des Argwöhnischen, sorgloses und leichtsinniges Dahinleben der Genuß- und Glanzsüchtigen. Es kam vor, daß er, sie zu überraschen, plötzlich im Palast Serbelloni erschien und das Nest leer fand. Die »Bürgerin Bonaparte« befand sich auf einer Rundfahrt durch die lombardischen Städte, Lustbarkeiten und Huldigungen entgegennehmend wie eine Königin. Der Verdacht, daß er betrogen werde, gewann in Bonapartes Herzen mehr und mehr Raum, aber noch stand er unter dem Banne der Verliebtheit, und sein Unmuth machte sich fast nur in zärtlichen Klagen Luft, aus denen Josephine entnahm, wie groß ihre Gewalt über ihn sei. Unmittelbar nach jener mißglückten Ueberraschung schreibt er ihr:

»Ich komme nach Mailand, ich fliege in Deine Gemächer, ich habe alles verlassen, um Dich zu sehen, Dich ans Herz zu drücken, – Du warst nicht da, Du ziehst festlich von Stadt zu Stadt, Du entfernst Dich, wenn ich komme, Du kümmerst Dich nicht mehr um Deinen theuren Napoleon. Gewöhnt an Gefahren, kenne ich das Mittel gegen Leid und Weh des Lebens. Das Unglück, das ich fühle, ist unberechenbar; ich hatte das Recht, darauf nicht gefaßt zu sein. Ich bleibe bis zum 9. hier; laß Dich nicht stören, geh dem Vergnügen nach, das Glück ist für Dich geschaffen. Die Welt ist beglückt, wenn sie Dir gefallen kann, und Dein Mann allein ist sehr, sehr unglücklich.« – Und Tags darauf: »Ich begreife, daß Du keine Zeit hattest mir zu schreiben. Umringt von Spiel und Lust, thätest Du Unrecht, mir das geringste Opfer zu bringen. Meine Absicht ist nicht, daß Du irgend etwas in Deinen Plänen und den Dir angebotenen Zerstreuungen ändern sollst; ich bin solcher Mühe nicht werth; Glück oder Unglück eines Mannes, den Du nicht liebst, hat kein Recht Dich zu interessiren. Was mich angeht, so ist Dich allein lieben, Dich glücklich machen, nichts thun, was Dich stören könnte, das Schicksal, der Zweck meines Lebens. Von Dir eine Liebe zu fordern wie die meine, wäre unrecht; wie kann man wollen, daß Spitzengewebe so schwer sei wie Gold? Aber was ich von Josephinen verdiene, das ist Rücksicht und Achtung, denn ich liebe Dich bis zur Wuth und ganz ausschließlich. Lebe wohl, angebetete Frau, lebe wohl, meine Josephine! Möge das Geschick allen Schmerz und Kummer in meinem Herzen concentriren, Dir aber glückliche und gesegnete Tage schenken. Wer verdiente sie mehr als meine Josephine? Wenn es einmal bewiesen sein wird, daß sie nicht mehr lieben kann, werde ich mich in meinem tiefen Schmerz verschließen und zufrieden sein, ihr zu etwas nützlich sein zu können. Ich öffne meinen Brief wieder, um Dir einen Kuß zu geben. O »Josephine! Josephine!«

Inzwischen führte Josephine ihr Leben so sorglos und unbekümmert weiter, daß ihr Gemahl auf die Dauer doch nicht dabei beharren konnte, sich in seinem Schmerz zu verschließen. Man sprach bald in der Armee davon, wie dieser und jener junge Offizier, der allzu deutlich von der Bürgerin Bonaparte bevorzugt wurde, plötzlich Befehl erhielt, ein entferntes Kommando zu übernehmen. Den Namen eines dieser Bevorzugten hat die Geschichte aufbewahrt: er hieß Hippolyt Charles und war Adjutant des Generals Leclerc. Ein Befehl des Oberfeldherrn schickte ihn nach Frankreich, konnte aber nicht verhindern, daß dort später die Intrige wieder aufgenommen wurde. Darüber kann kein Zweifel bestehen, daß die Illusionen, die Bonaparte über den Charakter Josephines hegen mochte, gründlich zerstört waren, ehe der Feldzug beendet war und er als Triumphator nach Paris zurückkehrte. Gleichwohl vermied er es, mit ihr zu brechen, bemühte sich vielmehr, nicht allein den Schein zu wahren, sondern auch ein friedliches Zusammenleben mit ihr aufrecht zu erhalten. Gewiß spielten dabei politische Erwägungen eine Rolle; in dem Augenblicke, wo er die ersten Stufen zur weltgeschichtlichen Größe emporstieg, wo Frankreich und Europa anfingen, in ihm den Hersteller der bürgerlichen Ordnung zu ahnen, mußte er sich scheuen, einen Eclat herbeizuführen, der ihn der Welt in der lächerlichen Situation des betrogenen Ehemannes gezeigt hätte – damals fand die Welt diese Situation immer nur lächerlich. Allein man sollte denken, es hätte Mittel genug gegeben, auch ohne Skandal eine Trennung herbeizuführen, wenn er sie ernstlich gewollt hätte. Meines Erachtens wollte er die Trennung nicht; Josephine hatte es ihm angethan, und er fand es möglich, das Verhältniß fortzusetzen, geschehene Dinge zu ignoriren und die Zukunft sich zu unterwerfen.

Die schlimmste Probe stand diesem unverwüstlichen Eigenwillen noch bevor – während des Feldzugs in Aegypten. Aber auch sie endigte mit einer komödienhaften Lösung.

Als Bonaparte in Aegypten war, erhielt er von seinen Pariser Korrespondenten Berichte über Josephinens Thun und Treiben, die ihn in helle Wuth versetzten und vielleicht, wenn nicht das Meer zwischen ihm und ihr gelegen hätte, die Scheidung herbeigeführt haben würden. Josephine war ihrem ehemaligen Anbeter, dem unwiderstehlichen Adjutanten Leclercs, Hippolyt Charles, wieder begegnet, und alsbald hatte sich die Liaison neugeknüpft. Nicht nur besuchte Charles sie häufig in Malmaison, sondern er wohnte geradezu dort, und in der Gesellschaft betrachtete man das Verhältniß als so ernstlich gemeint, daß man erwartete, Josephine werde die Scheidung verlangen, um Charles heirathen zu können. Daran dachte sie nun freilich ganz und gar nicht. So leichtsinnig und gedankenlos sie sich ihrer Leidenschaft hingab, so war sie doch weit entfernt, die Vortheile zu verschmähen, die ihr Bonapartes Stellung verschaffte. Sie war immer noch überzeugt, daß ihr Lächeln und ihre Thränen ausreichen würden, seinen Zorn, wenn er ausbrechen sollte, zu beschwichtigen. Als er in Frankreich gelandet war, reiste sie ihm eilends entgegen, um sich seiner zu bemächtigen, ehe er seine Brüder und seine Pariser Freunde spräche; aber sie verfehlte den richtigen Weg; ohne es zu wissen, reisten beide Gatten aneinander vorbei; Bonaparte fand in Paris ein leeres Haus, wie damals in Mailand, nur daß jetzt die Stimmung unheimlicher war als in den Tagen des ersten Liebesrausches. Schon hatte er äußerlich seine wiedergewonnene Freiheit verkündigt, indem er in Kairo eine schöne Offiziersfrau, Madame Fourès, öffentlich dem Hauptquartier aggregirt hatte, etwas, was während des italienischen Feldzugs undenkbar gewesen wäre. Als Josephine, achtundvierzig Stunden nach dem Gemahl, in ihrer Pariser Wohnung wieder eintraf, fand sie die Situation sehr verändert. Bonaparte war erbittert; drei Tage weigerte er sich, sie zu sehen; es bedurfte eines Fußfalls ihrer Kinder, ehe sie Zutritt zu ihm fand. Aufgelöst in Thränen, Eugen und Hortense an der Hand führend, flehte sie um Verzeihung, schwor sie ewige Treue und Zärtlichkeit, und die rührende Scene endete mit einer abermaligen Versöhnung. Bonaparte acceptirte die Lage der Dinge, wie sie einmal war, und beschloß, das gemeinsame Leben fortzusetzen, von nun an aber als wirklicher Herr und Gebieter, frei von den Fesseln, die ihm die Verliebtheit früher angelegt hatte, und zufrieden in dem Gefühl, daß seine Lebensgefährtin ihn nie durch einen Anspruch auf sittliche Ueberlegenheit werde geniren können. Man muß außerdem bedenken, daß gerade in den Tagen, da diese Familienkomödie sich abspielte, noch ganz andere Dinge die Seele des Ehemanns erfüllten; er stand wie Cäsar vor dem Rubicon; der achtzehnte Brumaire warf seinen Schatten voraus; sollte er daneben etwa noch Advocaten für einen Scheidungsproceß instruiren?

Die Stellung der beiden Gatten zu einander war von jetzt an umgewandelt. Josephine hatte sich zu nahe am Abgrunde gefühlt, um nicht einzusehen, was für sie auf dem Spiele stehe, wenn sie Bonapartes ernstliche Unzufriedenheit errege. Und eben jetzt wurde das Loos, das er ihr bereitete, so glänzend, wie sie es nie hatte ahnen können, und entsprach so vollkommen ihren Neigungen, ihrem Begriff von Glück, daß sie anfing, eine Art von Leidenschaft, eine angstvolle, eifersüchtige Anhänglichkeit für den zu empfinden, der allein der Urheber und Erhalter ihrer Erhöhung, ihrer nunmehr fürstlichen Existenz war. Er seinerseits fühlte sich wohl in der Nähe der anmuthigen Frau, die ihn doch nicht mehr unterjochte, der gegenüber er sich keinerlei Zwang anzuthun brauchte (was von allen Dingen ihm das verhaßteste war), und erfreute sich in behaglicher Sicherheit aller Annehmlichkeiten, die dem Hausherrn im Verkehr mit einer schönen und liebenswürdigen, stets ihm unterwürfigen Hausfrau erwachsen. Man erwartet nach so heftigen Zerwürfnissen und einem so wenig motivirten Friedensschlusse eine gewisse Spannung in dem Umgange der Gatten; davon zeigt sich aber keine Spur: es herscht vielmehr in der Häuslichkeit des ersten Konsuls ein ungezwungener Ton, den man versucht wäre, gemüthlich zu nennen, wenn das Wort nicht zu sehr auf innerliches Wesen hinwiese. Zwar fehlte es auch fortan in dieser Ehe nicht an stürmischen Scenen, aber sie waren selten und hatten keine dauernden Folgen. Sie entstanden meistens aus Josephinens Unfähigkeit, ihr impulsives Naturell den Anforderungen des Gebieters so unbedingt, wie er es forderte, unterzuordnen, namentlich ihrer Eifersucht, zu der sie Ursache genug hatte, kluges Schweigen aufzuerlegen. Gepeinigt von der Sorge, daß sie altern und die Macht ihrer Reize allmählich verlieren müsse, erblickte sie in jeder vorübergehenden Liebschaft des Gemahls eine ernste Gefahr für ihre Stellung; sie hatte ihre Spione, und jedesmal, wenn diese ihr von einer neuen Liaison berichteten, gerieth sie in Verzweiflung und Aufregung, überschüttete den Ungetreuen mit Vorwürfen, ja unternahm es in einzelnen Fällen sogar, persönlich ihn in flagranti zu überraschen. Er seinerseits fand es unsinnig, daß man ihm, dem Jupiter, derartige »Zerstreuungen« nicht gönnen wolle; wies ihre Klagen mit cynischer Gelassenheit oder mit derben Scheltworten zurück, und jagte ihr schließlich, als sie ihn wirklich bei einem Rendezvous überrascht hatte, durch einen furchtbaren Zornesausbruch einen solchen Schrecken ein, daß sie von Stund' an nicht wieder wagte, ihn zu behelligen, und ihre Pein im Stillen trug. Im Stillen ist zu viel gesagt; sie pflegte das, was sie bedrückte, mit ihren Damen zu besprechen und sich von diesen bestätigen zu lassen, daß man solche Dinge nicht zu genau nehmen dürfe.

Ihre Eifersucht war nicht die Eifersucht der Liebe; so wenig er über sie, so wenig machte sie über ihn sich Illusionen. In den Stunden heftiger Aufregung und Furcht machte sie ihren Vertrauten Mittheilungen über den Charakter ihres Gatten, bei denen sich diesen die Haare sträubten. »Wenn man sie hörte,« erzählt Frau von Remusat, »so hatte er keinerlei Moral; er verbarg nur seine lasterhaften Neigungen, weil er besorgte, daß sie ihm schaden könnten; wenn man ihm ohne Widerstand seinen Willen ließe und sich nie beklagte, würde er sich den schändlichsten Leidenschaften hingeben. Hatte er nicht seine Schwestern eine nach der anderen verführt? Glaubte er sich nicht berechtigt, allen seinen Launen zu fröhnen?« Niemand wird in solchen von der Wuth eingegebenen Aeußerungen einen actenmäßigen Beweis für Bonapartes incestuose Neigungen erblicken, wohl aber werfen sie ein charakteristisches Licht auf Josephinen, mochte sie nun an die Wahrheit ihrer Worte glauben oder nicht. Im letzteren Falle verleumdete sie, um sich eine augenblickliche Erleichterung zu verschaffen; im ersteren verrieth sie, die doch für gewöhnlich mit dem cäsarischen Unhold ein mindestens ganz freundschaftliches Leben führte, einen seltenen Grad moralischer Stumpfheit. Schon die Offenherzigkeit, mit der sie von den intimsten Dingen mit ihrer Umgebung zu plaudern liebte, deutet auf eine Natur, die das Gegentheil von vornehm war.

Als erster Consul theilte Bonaparte noch das Schlafgemach mit seiner Frau; sie hatte ihm den Glauben eingeredet, daß seine persönliche Sicherheit dabei gewinne, weil sie einen leichten Schlaf habe und bei etwaiger Gefahr sofort Lärm machen würde. Erst als er Kaiser war, scheint Napoleon es seiner Würde angemessen gefunden zu haben, das Zweikammersystem einzuführen. Dieses System änderte jedoch nichts an den Gewohnheiten Bonapartes; er liebte es, mit Josephinen zusammen zu sein, mit ihr zu plaudern, an ihrer Seite sich dem Genusse gründlichen Ausruhens hinzugeben. Dagegen ist nichts einzuwenden. Seltsam ist nur, daß immer der ganze Hof über diese ehelichen Zusammenkünfte am nächsten Tage von der Kaiserin unterrichtet wurde; sie verfehlte nie, irgend jemand anzuvertrauen, daß sie wenig geschlafen habe, weil der Kaiser bei ihr gewesen sei. Ihr schien, daß sie durch eine solche Notiz ihre Herrschaft etwas fester mache. Wenn sie derartiges sagte, strahlte sie vor Freude.

Jeder der beiden Gatten mißtraute dem anderen, belog ihn, umgab ihn mit heimlichen Kundschaftern, trug kein Bedenken, ihn dritten gegenüber bloßzustellen. Bei Napoleon, dessen cynische Menschenverachtung uns bekannt ist, fällt das nicht auf; das Bild der Frau leidet unter diesen nicht abzuweisenden Betrachtungen empfindlich. Von ihren Indiscretionen ist eben die Rede gewesen; um gerecht zu sein, muß ich anführen, daß wir ihnen eine der hübschesten und zugleich sehr charakteristischen Napoleons-Anekdoten verdanken, die niemand außer ihr der Nachwelt hätte erhalten können. Als der erste Consul zum ersten Mal mit seiner Frau in den Tuilerien schlief, rief er, im Bette liegend, ihr, die noch an der Toilette saß, vergnügt zu: »Venez, petite créole, mettez vous dans le lit de vos maîtres« Wohl nie hat ein ungeheurer geschichtlicher Umschwung eine so humoristische und zugleich prägnante Formulirung gefunden. Das berühmte »du sublime au ridicule« kann sich nicht entfernt damit messen.

Alle Zeitgenossen sind einig in einem Punkte: daß Josephine eine reizende Frau war und daß sie eine bezaubernde Liebenswürdigkeit besaß. Alle Männer, die sie nur aus einer gewissen Entfernung sahen, waren entzückt von ihr und hielten sie nicht nur für den Inbegriff aller Grazien, sondern auch für einen Engel von Gemüth. Pasquier rühmt sie als eine immer gefällige Helferin, wenn es galt, dem ersten Consul oder dem Kaiser eine Gnade abzugewinnen, eine Streichung von der Liste der Emigrirten, die Unterstützung einer verarmten edlen Familie, die Aufhebung oder Milderung eines Strafbefehls, und was dergleichen kleine Dienste an dem Hofe eines Despoten mehr sind. Graf Chaptal nennt sie »une créature céleste« als Minister des Innern hat er aber wohl von dem Innern des Palastes keine tiefere Kenntniß gehabt. Aber auch Frau von Rémusat, die ein Jahrzehnt und länger im intimsten täglichen Verkehr mit ihr stand, gesteht ein, daß man ihr, so klar man ihre Fehler und ihre geistige Dürftigkeit erkannte, nie gram sein konnte. Die klassische Zeugin schildert ihr Aeußeres so: »Ohne eigentlich hübsch zu sein, besaß ihre ganze Person einen eigenthümlichen Zauber. Feinheit und Harmonie waren ihren Zügen eigen; ihr Blick war sanft; ihr sehr kleiner Mund verbarg geschickt schlechte Zähne; ihr etwas brauner Teint verschwand unter dem geschickt aufgelegten Roth und Weiß; ihr Wuchs war vollkommen, alle Glieder geschmeidig und reizend; jede Bewegung leicht und elegant; auf niemand paßte besser als auf sie der Vers La Fontaines: »Et la grâce plus belle encor que la beauté« Zu alle dem kam eine wohlklingende, sympathische Stimme, »a sweet thing in a woman« wie Shakspere sagt. Napoleon ließ sich gern von ihr vorlesen, namentlich wenn sie zusammen reisten. Sonst las sie nicht leicht etwas; jede geistige Beschäftigung war ihr langweilig; ihre Toilette, die Plaudereien im Salon, die Feste und die ewige Sorge, den Gatten festzuhalten, erfüllten ihr Leben. Wenig oder gar nicht erzogen, besaß sie doch einen feinen natürlichen Tact, der sie davor schützte, sich in der Unterhaltung zu compromittiren; sie verstand es, den Leuten Angenehmes zu sagen, und sie hatte ein vortreffliches Gedächtniß, ein unschätzbares Hülfsmittel der Popularität für gekrönte Häupter. Sie war in hohem Grade gutmüthig, das heißt, sie war immer bereit, anderen zu dienen und eine Freude zu machen, wenn es ohne schwere Opfer geschehen konnte; in ernsteren Fällen versagte diese Tugend. Um ihren Einfluß zur Rettung des Herzogs von Enghien oder des Herzogs von Polignac aufzubieten, bedurfte es der verzweifeltsten Anstrengungen ihrer Umgebung: die Angst vor Napoleons Zorn lähmte dann jede Kraft des Aufschwungs. Ihre Sanftmuth und eine seltene Gleichmäßigkeit der Stimmung und Laune waren das Geheimniß, das zu großem Theil Napoleons Anhänglichkeit erklärt: je mehr seine Geschwister ihn mit stürmischen Begehrlichkeiten und stetem Gezänk ermüdeten, desto werthvoller erschien ihm Josephinens sanfte Art, die nichts weiter zu wollen schien, als den Glanz, den er ihr verschaffte, heiter und dankbar zu genießen.

Napoleon selbst hat sich Talleyrand gegenüber, als er mit ihm die Scheidungsfrage besprach, über Josephinens Vorzüge geäußert. »Wenn ich mich von meiner Frau trenne,« sagte er, »so verzichte ich zunächst auf allen Reiz, den sie meinem häuslichen Leben verleiht. Einer neuen und jungen Frau werde ich erst ihre Gewohnheiten und ihren Geschmack absehen müssen; diese fügt sich in alles und kennt mich ganz und gar. Dann werde ich ihr alles, was sie für mich gethan hat, mit Undank vergelten. Schon jetzt werde ich nicht sehr geliebt, und das wird schlimmer werden. Sie ist ein Band zwischen mir und vielen Leuten; sie verknüpft mit mir einen Theil der Pariser Gesellschaft, auf den ich werde verzichten müssen.« Napoleon wußte es sehr genau, daß es ein politischer Gewinn für ihn war, wenn an seinem Hofe die eisige Luft ein wenig von der Liebenswürdigkeit der Kaiserin, die ihm selbst so wohl that, erwärmt wurde. Wie alles, so berechnete er auch diese Wirkungen; er gab ihr Gelegenheiten, die Herzen des Publicums zu gewinnen, aber er sorgte dafür, daß sie die Ernte mit ihm theile. Wenn er sie allein reisen ließ, schrieb er ihr genau vor, mit wem sie sprechen solle und worüber, und immer mußte sie als die Spenderin seiner Wohlthaten erscheinen. Ohne Zweifel war seine Anhänglichkeit auch ein wenig vom Aberglauben beeinflußt. In seiner Erinnerung verschmolzen sich die ersten Freuden seiner jugendlichen Leidenschaft und der wunderbare Aufgang seines Glücksterns, der Honigmond und der Feldzug in Italien, die häusliche Versöhnung und der achtzehnte Brumaire. Alles war ihm gelungen, seitdem er mit ihr verbunden war; eine dunkle Ahnung hemmte seinen Entschluß, dies Band aufzulösen. Der Gedanke der Scheidung tauchte wohl schon in den Jahren des Consulats auf, aber immer wieder wurde er zurückgeschoben. Seine Abneigung gegen den Schritt ging so weit, daß er ernstlich daran dachte, Josephine solle eine Schwangerschaft simuliren und einen natürlichen Sohn des Kaisers für ihr Kind ausgeben. Sie ging mit Freuden auf den abenteuerlichen Plan ein, der nur deshalb unausgeführt blieb weil Corvisart, der Leibarzt, sich entschieden weigerte, bei der Entbindungskomödie die Rolle zu spielen, die doch unentbehrlich schien.

Die Scheidung war die drohende Wetterwolke, die stets über Josephinens Haupte hing und deren Schatten ihr ganzes Dasein verdunkelt hätte, wenn sie dauernden Grams fähig gewesen wäre. Die Hoffnung, selbst durch die Geburt eines Erben die Katastrophe abwenden zu können, schwand natürlich mit jedem neuen Jahre; als sie Kaiserin wurde, stand sie im Anfange der Vierziger und hatte eine achtjährige Ehe hinter sich. Einen Lichtblick verschaffte ihr die Anwesenheit des Papstes bei Gelegenheit der Krönung. Ob auf ihre Einflüsterung oder aus eigenem Antriebe, genug, der heilige Vater forderte die kirchliche Einsegnung der kaiserlichen Ehe, wenn er bei der Krönung anwesend sein solle. Napoleon willigte unter dem Vorbehalt ein, daß die Trauung in den Formen des strengsten Incognito erfolgen müsse. Das geschah: Cardinal Fesch vollzog die Trauung in einem Gemach des Palastes; als Zeugen waren nur zwei Adjutanten anwesend. Der Kaiser schämte sich ein wenig dieser nachträglichen Ceremonie, die ihn in den Augen der alten Revolutionsmänner compromittiren, den Kirchlichen und den Indifferenten wie ein Act der Reue erscheinen konnte. Josephine aber traute ihm schlimmere Absichten zu. Um ganz sicher zu gehen, ließ sie sich von dem Oheim Fesch ein formelles Actenstück ausfertigen, das die wirkliche Vollziehung der Trauung bezeugte und jeder möglichen Anzweifelung, wie sie meinte, entzog. Diese Schrift verwahrte sie auf das sorgfältigste und verweigerte standhaft, es dem Kaiser zu zeigen oder gar auszuantworten. Bekanntlich täuschte sie sich in ihrem Vertrauen; das Wort unmöglich existirte für Napoleon nicht. Als er einige Jahre später seine eigene Abneigung gegen die Trennung des Bandes überwunden hatte und der Hand der Erzherzogin sicher war, hielt das unlösliche Sacrament ihn nicht zurück; da die Scheidung ausgeschlossen war, wurde die kirchliche Trauung von der gefälligen geistlichen Gerichtsbarkeit für nicht geschehen erklärt, trotz des Attestes mit der Unterschrift eines Cardinals. Man entdeckte, daß die von dem Tridentiner Concil vorgeschriebenen Formen nicht erfüllt worden seien; der Pfarrer des Kirchspiels, in dem die Tuilerien liegen, hätte mitwirken müssen, und das war nicht geschehen. Man sagt, Pius VII. habe den Nullitätsbeschluß des erzbischöflichen Stuhls von Paris nicht als richtig anerkannt; jedenfalls blieb sein Protest ohne Folgen, der gutkatholische Hof von Wien beruhigte sich bei der Lösung. Ehe es so weit kam, machte Napoleon verschiedene Versuche, Josephine zu einem freiwilligen Verzichte zu bewegen. Fouché und andere Vertraute mußten ihr von Zeit zu Zeit vorstellen, welche erhabene Rolle sie spielen würde, wenn sie dem Wohle Frankreichs, der Zukunft der kaiserlichen Dynastie das große Opfer brächte, das es dem Kaiser möglich machen würde, eine neue Ehe einzugehen und dem ersten Throne der Welt einen Erben zu geben. Er selbst redete ihr in den zärtlichsten Ausdrücken zu: »Ich habe nicht den Muth, zu einer letzten Entscheidung zu gelangen, und wenn du zu viel Kummer zeigst, wenn du nur mir gehorchst, so werde ich nie stark genug sein, dich zu zwingen, mich zu verlassen. Aber ich gestehe, daß ich sehr wünsche, du möchtest dich dem Interesse meiner Politik unterwerfen, du selbst möchtest die Schwierigkeiten dieser schmerzlichen Trennung beseitigen.« So redend, ließ er es an reichlichen Thränen nicht fehlen. Aber weder seine Zärtlichkeiten noch die Appelle an ihre Großmuth vermochten etwas gegen ihren Egoismus auszurichten: in diesem einen Punkte, der Vertheidigung ihres Platzes auf dem Throne, zeigte sie eine unerschütterliche Festigkeit. Sie sah ein, daß sie schließlich einem kategorischen Befehle werde weichen müssen, und sie erklärte sich bereit dazu. Ihre einzige Sicherheit, das war ihr klar, bestand in dem Widerwillen Napoleons gegen ein solches Machtwort, und um keinen Preis wollte sie ihm durch Entgegenkommen den Schritt, den er scheute, erleichtern. Sie richtete danach ihr Benehmen ein; sanft, unterwürfig, tactvoll, machte sie es dem Gemahl so schwer wie möglich, zu seinem Ziele zu gelangen, und wenn sie die Katastrophe nicht abwandte, verzögerte sie sie doch um Jahre.

Es ist gewiß, daß die Welt Madame de Beauharnais längst vergessen hätte, wenn sie nicht den General Bonaparte geheirathet hätte. Nur als Gefährtin ihres Mannes lebt sie in der Geschichte fort. Aber damit ist nicht gesagt, daß sie zu dem Interesse, das sie in dieser ihrer Eigenschaft einflößt, nichts von ihrem Eigenen beitrage. Sie ist nicht bloß eine negative Größe, sondern sie bildet einen Gegensatz, der pikant und künstlerisch wirksam ist, zu dem Manne, an dessen Seite sie ihr wundersames Schicksal auslebte, ein zierlicher Egoismus neben einem kolossalen. Sie war doch in ihrer Art was man »eine Natur« nennt, und weil sie das war, wird sie immer den Psychologen interessiren. In ihr verkörpert sich der naive Wille zum Genußleben, ein weiblicher Wille, unbeengt durch andersartige Leidenschaften, nur oberflächlich gehemmt durch gesellschaftliche Gewöhnungen, kaum berührt von moralischen Schwierigkeiten und über irdische Hindernisse leicht hinweggehoben durch die Gaben der Natur und die reichen Mittel der Befriedigung, die das Schicksal ihr verschwenderisch zur Verfügung stellte. Wie es dem Vogel natürlich ist, sich in den Lüften zu wiegen, dem Fische, sich in den Fluthen zu tummeln, so natürlich war es ihr, sich im Glanze der Feste zu sonnen, ihre Schönheit zu schmücken, sich mit allen Schätzen des Luxus zu umgeben, mit dem, was sie war und was sie besaß, andere zu erfreuen und in dieser Freude der anderen das eigene Glück erhöht noch einmal zu genießen. Darin war nichts von Berechnung; ihre Koketterie, ihre Freigebigkeit, ihre Toilettenkunst, sogar das Schminken, waren bei ihr Funktionen des angeborenen Naturells, zwanglos, als könne es nicht anders sein. Daher auch ihre unverbesserliche Verschwendung, gegen die selbst der Zorn Napoleons, den sie doch so sehr fürchtete, nichts auszurichten vermochte. Ohne sich zu besinnen, gab sie weg, was sie hatte, um sich zu verschaffen, was ihr einen Augenblick Vergnügen machte, oder um einen Bittsteller, der sie rührte, zu trösten, und wenn die Kasse leer war, machte sie unbedenklich Schulden. Sie setzte sich dadurch einigen peinlichen Augenblicken aus. Der Kaiser war wüthend, wenn die Schulden an den Tag kamen, aber er bezahlte sie schließlich, und das Spiel begann von neuem. Die Größe hat ihr nie den Kopf verdreht; sie verzehrte ihr kaiserliches Nadelgeld und wohl auch das Doppelte mit derselben Unbefangenheit wie früher die schmalen Einkünfte ihres Witthums, als merke sie selbst den Uebergang nicht, einer Pflanze gleich, die man aus magerem in reicheren Boden versetzt. Das angeborene Talent, ganz dem Augenblick zu leben, ihm alles unterzuordnen, impulsiv, mit einer Art kindlicher Unschuld, half ihr über alle Schwierigkeiten der Repräsentation hinweg; sie gab sich, wie sie war, und bezauberte, erregte die Bewunderung der strengsten Kritiker. Selbst die aristokratischen Damen nannten es »vollendet,« wie sie in der Notre Dame hingekniet sei, um sich von Napoleon die Krone aufsetzen zu lassen, »mit solcher Eleganz und mit solcher Einfachheit.« Der Herzog Pasquier weiß keine Worte zu finden, um die Anmuth zu schildern, mit der sie zum letzten Mal, als das Scheidungsdecret schon an den Senat abgeschickt war, dem Hofe präsidirte und alle ihre zahlreichen Verehrer mit dem letzten, wie immer freundlichen Lächeln beglückte. Damals noch hatte sie feurige Anbeter. Zwei junge Prinzen aus Mecklenburg, die sich in Paris aufhielten, waren verliebt in sie, und einer von ihnen, so erzählt Frau von Rémusat, war nach der Scheidung bereit, sie zu heirathen, obwohl sie seine Mutter hätte sein können.

Ihr Ende ist ihrem Leben entsprechend gewesen. Sie befand sich im letzten Stadium der Auflösung, als – im Mai 1814 – die Alliirten in Paris waren. Nicht die ungeheure Katastrophe des Kaiserreichs beschäftigte ihre letzten Gedanken, sondern der Besuch des Kaisers Alexander, den sie erwartete, und die Toilette, in der sie ihn empfangen wollte. In Diamanten, Spitzen und Blumen, geschmückt und geschminkt, harrte sie in ihrem Salon des erlauchten Besuchs, und so, ehe der Zar eintraf, überraschte sie ein stärkerer Imperator, der Tod. Die Demüthigung, sich mit der Gnade der Bourbonen abfinden zu müssen, blieb ihr erspart; wer weiß, ob ihr nicht auch das gelungen wäre!


 << zurück weiter >>