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Vorrede

Ich gebe dieses Buch für das, was es wert ist. Es ist eine Frucht voll bitterer Asche; es gleicht den Koloquinten der Wüste, die an verdorrten Orten wachsen und dem Durst nur einen wilderen Brand darbieten, doch auf dem Goldsand nicht ohne Schönheit sind.

Hätte ich meinen Helden als Beispiel gegeben, so muß ich zugestehen, ich hätte meinen Willen schlecht erreicht Die Vorrede steht vor der zweiten Ausgabe des Originals. D. Ü.; die wenigen, seltenen, die sich für Michels Erlebnis noch interessieren wollten, taten es, um ihn mit aller Kraft ihrer Güte zu höhnen. Nicht umsonst hatte ich Marzeline mit soviel Tugenden geschmückt; man konnte Michel nicht verzeihen, daß er nicht sie sich vorzog.

Hätte ich dieses Buch als eine Anklageschrift gegen Michel gegeben, ich hätte meinen Willen kaum besser erreicht, denn niemand wußte mir der Entrüstung Dank, die er gegen meinen Helden empfand; diese Entrüstung, schien es, empfand man mir zum Trotz; von Michel strömte sie über auf mich; um ein geringes wollte man mich mit ihm verwechseln.

Aber ich habe mit diesem Buch so wenig eine Anklageschrift wie eine Apologie schreiben wollen, und ich habe mich gehütet zu urteilen. Das Publikum verzeiht heute nicht, wenn der Autor sich nach der Handlung, die er malt, nicht für oder wider erklärt; ja, mehr noch, schon im Verlauf des Dramas möchte man, daß er Partei ergriffe, daß er sich deutlich ausspräche, sei es für Alceste, sei es für Philinte, für Hamlet oder für Ophelia, für Faust oder Margarethe, für Adam oder für Jehova. Sicherlich behaupte ich nicht, die Neutralität (ich hätte fast gesagt: die Unentschiedenheit) sei das sichere Anzeichen eines großen Geistes; aber ich glaube, manchen großen Geistern hat es sehr widerstanden zu … entscheiden – und ein Problem gut aufstellen heißt nicht, es im voraus als gelöst annehmen.

Nur widerwillig wende ich hier das Wort »Problem« an. Eigentlich gibt es in der Kunst keine Probleme – für die das Kunstwerk nicht schon die genügende Lösung wäre.

Wenn man unter »Problem« »Drama« versteht – soll ich sagen, daß das in diesem Buch erzählte, darum, weil es sich in der Seele selber meines Helden abspielt, nicht minder zu allgemein ist, um in seinem eigentümlichen Erlebnis umschrieben zu bleiben? Ich maße mir nicht an, dieses »Problem« erfunden zu haben; es existierte vor meinem Buch; mag Michel triumphieren oder unterliegen, das »Problem« besteht fort, und der Autor nennt weder Triumph noch Niederlage als gewonnen.

Wenn einige ausgezeichnete Geister in diesem Drama nichts haben sehen wollen als die Darlegung eines bizarren Falls, und in seinem Helden nichts als einen Kranken; wenn sie verkannt haben, daß dennoch einige sehr drängende Ideen von sehr allgemeinem Interesse in ihm wohnen können – so liegt die Schuld nicht bei diesen Ideen oder bei diesem Drama, sondern beim Autor, und ich meine: bei seinem Ungeschick – wenn er auch in dieses Buch all seine Leidenschaft, all seine Tränen und all seine Sorge hineingelegt hat. Aber das wirkliche Interesse eines Werks und dasjenige, das ihm das Publikum eines Tages entgegenbringt, sind zwei sehr verschiedene Dinge. Man kann, glaube ich, ohne allzuviel Eitelkeit lieber Gefahr laufen wollen, mit interessanten Dingen nicht am ersten Tag zu interessieren – als ohne ein morgen ein Publikum begeistern, das es nach Fadheiten gelüstet.

Im übrigen habe ich nichts zu beweisen gesucht, sondern gut zu malen und mein Gemälde gut zu beleuchten.



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