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Das Unabhängigkeitsfest.

Der Kaiser feierte heute zum zweitenmal das Unabhängigkeitsfest in seinem neuen Reich; diesmal aber in der Hauptstadt selber, und zu dem Zweck war in dem Palacio an der Plaza de Armas eine große glänzende Gesellschaft geladen worden.

Was die reiche Stadt dabei an brillanten Toiletten entwickeln konnte, wurde an diesem Tage aufgeboten, und man hatte auch wirklich Ursache, sich des Festes zu freuen, denn es schien jetzt wirklich, als ob der ganze blutige Bürgerkrieg, der seit Jahrzehnten auf dem unglücklichen Lande gelegen und es ausgesogen, seinem Ende nahe.

Die Feinde waren verjagt, und der ganze Norden fast – einzelne Banden abgerechnet, deren man nicht so leicht habhaft werden konnte – von ihnen rein gefegt; die Situation fing an sich zu klären, und Maximilian – wenn er sich auch wohl die noch vorliegenden Schwierigkeiten nicht verhehlte – gewann doch nach und nach selber Vertrauen zu seiner eigenen Sache.

Es war an diesem Tage, bei der Anrede an die Versammelten, daß er die denkwürdigen und leider prophetischen Worte sprach:

»Keine Macht der Welt kann mich in meiner Pflicht wankend machen. Ich kann sterben, aber ich werde zu den Füßen unserer glorreichen Fahne sterben, weil keine menschliche Gewalt imstande wäre, mich von dem Posten zu vertreiben, auf den das Vertrauen des Landes mich berufen hat.«

Und Maximilian meinte es ehrlich und treu; das hat er bis zum letzten Augenblick seines Lebens bewiesen, und die mexikanischen Granden jubelten ihm zu – nicht etwa, weil sie das begriffen und mit ihm fühlten, – von all' jenen, die dort um ihn waren, hätte wohl kein zweiter so gehandelt – aber weil ihnen die Worte gefielen und sie sich dachten, daß sie in ähnlicher Stellung wohl ebenso gesprochen hätten. Das aber, was das Herz des Fürstensohnes in diesem Augenblick bewegte und ihn zwang, in seiner Rede innezuhalten, weil er fühlte, daß ihm die Tränen in die Augen stiegen – das lag ihren Herzen fern, und sie hätten sich nicht einmal da hineindenken, viel weniger denn so handeln können.

Das schien aber auch gar nicht der Zweck der heutigen Versammlung, denn zu ernstem Nachdenken waren die geputzten Damen und mit Orden bedeckten Herren wahrlich nicht hierher gekommen. Sie wollten sich amüsieren, und besonders die Damen waren außerordentlich gespannt auf den weiteren Verlauf, da auch an diesem Tage gerade wieder mehrere Frauen-Orden des heiligen Carlos – wie das Gerücht ging – an die schöne Welt verteilt werden sollten.

Indessen hatten sich die Herren bald zu Gruppen zusammengefunden, und alle Schattierungen des großen Reiches – von dem hohen Klerus an, der sich natürlich ebenfalls eingefunden, obgleich er gerade damals mit dem Kaiserreich auf gespanntem Fuße lebte, bis zu den Liberalen, die teils im eigenen Kabinett Maximilians fungierten, teils ihm noch mit den Waffen in der Hand gegenüberstanden, aber auch, trotz allem, noch zahlreich in der Hauptstadt lebten, und ihre Zeit abwarteten – waren vertreten.

Erzbischof Labastida wie die ganze hohe Geistlichkeit in ihrem vollen Ornat standen in der einen Fensterböschung mit dem Bischof von Puebla und dem von Oajaca zusammen, die beide zu dem hohen Feste – und auch wohl zu einer Privatkonferenz – herübergekommen.

»Der Kaiser scheint Vertrauen zu seiner Regierung gewonnen zu haben,« sagte leise lächelnd der Bischof von Puebla, indem er seinen Blick nachdenkend über die Versammlung schweifen ließ – »keine Macht der Welt – aber er hat wohlweislich die Macht Gottes ausgenommen, und der wird er sich doch wohl noch zuletzt beugen müssen.«

»Ist es begründet, Monsennor,« fragte der Bischof von Oajaca Labastida, »daß der Kaiser einen neuen Boten nach Rom schickt, um sich dort seiner Gesandtschaft anzuschließen und einen Ausgleich mit dem heiligen Vater zu bewirken?«

»Es ist so – allerdings,« nickte der Erzbischof – »seinen Hofkaplan.«

»Und glauben Sie, daß der etwas ausrichten wird, ausrichten kann

» Quien sabe,« sagte der Kirchenfürst, und fast wie ein Lächeln zuckte es um seine Lippen – »für uns könnte aber nichts Günstigeres geschehen, denn hier ist die Entscheidung noch nicht reif, und die Frage wird dadurch nur auf einige Zeit offengehalten und hinausgeschoben.«

»Und versäumen wir nicht Zeit dabei?« fragte der hochwürdige Bischof von Puebla.

» Sennores Obispos,« sagte Labastida, »Sie dürfen mir zutrauen, daß ich keine Zeit versäume. Unsere Emissäre sind überall tätig und arbeiten für uns, jetzt mehr als je, gerade an der Stelle, auf die wir unsere größte Hoffnung setzen – im Kapitol zu Washington, ja der Druck wird schon fühlbar, der von dort bevorsteht.«

»Aber zugunsten des Indianers.«

»Bah! dessen Termin ist in wenigen Wochen abgelaufen, und Sie glauben doch nicht, daß wir diese Marionette, diesen überall geschlagenen und davongelaufenen General Ortega zu fürchten haben? In wenigen Monaten, ja vielleicht Wochen ist der Krieg mit Juarez beendet – ich habe sogar heute eine Depesche erhalten, die ganz bestimmt meldet, daß er über den Rio-Grande, also über die Grenze gegangen sei, um nicht den französischen und Mejias Truppen in die Hände zu fallen. Die Hauptsache ist jetzt, daß wir – sobald die Liberalen wirklich vollständig besiegt sind – den Rückzug der Franzosen aus Mexiko bewirken, und darin unterstützt uns Seine Majestät gewiß. – Dann muß Miramon zurück, und ich gebe Ihnen mein Wort, daß wir von dem Augenblick an auch das Schicksal des Kaiserreichs in unserer Hand halten – aber wer ist die junge Dame, mit der sich die Kaiserin dort so freundlich unterhält?«

»Sie wurde mir vorhin gezeigt,« erwiderte der Bischof von Puebla; »es ist eine Sennorita aus Mazatlan, die sich neulich in höchst eigentümlicher Weise hervorgetan, um einen jungen Herrn aus der hiesigen Hautevolee als Straßenräuber zu denunzieren.«

»Ah, Donna Ricarda – ich habe davon gehört,« nickte Labastida; »ein kleines, intelligentes Geschöpf, und wir hätten uns keine bessere Hilfsarbeiterin wünschen können.«

»Sie hält zu unserer Partei?«

»Vermutlich – wie alle Frauen, obgleich ich es nicht bestimmt weiß, aber sie hat uns durch ihr keckes Vorgehen jedenfalls einen großen Dienst für spätere Zeiten geleistet, denn zwischen der Regierung und der Partei der Konservativen ist seit der Zeit ein entschiedener Mißton entstanden. Sennor Lucido fehlt zum Beispiel heute; ich habe mich schon vergebens überall nach ihm umgeschaut.«

»Er ist der Vater des jungen Verbrechers?«

»Ja – man hat ihm jetzt den Prozeß gemacht, weil er den Wärter bestochen haben soll.«

»Wie ich gehört habe, hat ihn ein Geistlicher befreit.«

»Die alte Geschichte,« sagte Labastida achselzuckend – »es geschieht nichts gegen die Gesetze im ganzen Reich, wo nicht ein Geistlicher die Hand im Spiel gehabt haben soll.«

Der Bischof von Oajaca, der sich nicht für den Fall interessierte, hatte indessen still vor sich niedergesehen und seinen eigenen Gedanken nachgehangen; jetzt sagte er, aufschauend:

»Und wenn die Sache in Rom nun doch durch den neuen Boten eine raschere Erledigung fände, als wir es jetzt glauben und für gut finden? Wir sind nicht aller unserer Leute sicher.«

»Beruhigen Sie sich, Sennor,« sagte Labastida lächelnd, »es geschieht dort nichts ohne unsere Bewilligung.«

Nicht weit davon, in kleiner Entfernung, stand eine Gesellschaft vornehmer Herren, die sich eigentlich nur dadurch auszeichneten, daß kein einziger von ihnen allen einen Orden trug. Es waren unsere alten Freunde Roneiro, Bastiani, Rodriguez, Zamacona, Almeja und noch manche andere, die eben auch die Rede des Kaisers besprochen hatten und sich im ganzen sehr günstig darüber äußerten.

»Eigentümlich ist es doch,« sagte Don Roneiro, »daß gerade der Kaiser, und zwar ein Abkömmling der alten spanischen Herrscher, den Tag so besonders feiert, wo die Macht seiner eigenen Ahnen auf dem nämlichen Boden gebrochen wurde – es will mir nicht recht in den Kopf.«

»Ja,« nickte Zamacona, »komisch klingt's allerdings, und ich weiß eigentlich nicht, wie gerade Maximilian dazu kommt – aber hübsch ist's, daß er unsere alten Traditionen und Erinnerungen ehrt, und wird ihm bei vielen sehr hoch angerechnet.«

»Und was meinte er mit den Worten: Keine Macht der Welt?« sagte de la Parra, der noch nicht lange zu der Gruppe getreten war. »Bazaine stand mir gerade gegenüber, so daß ich ihn beobachten konnte, und der schnitt ein bitterböses Gesicht dabei.«

»Die Amerikaner jedenfalls,« erwiderte Rodriguez, »denn die letzten Nachrichten zeigen deutlich genug, daß die Yankees auf unsere Regierung neidisch werden.«

»Von dort droht ihm keine Gefahr,« meinte der alte Bastiani kopfschüttelnd; »die haben vorderhand noch genug mit sich selber zu tun und werden wohl eine Weile mit den Säbeln rasseln. Wenn wir uns hier nur mit unserem Kaiser feststellen, dann können wir uns auch darauf verlassen, daß wir von denen nichts zu fürchten brauchen. Caramba – die Regierung der Union wird genug mit den dortigen Republikanern zu tun bekommen, als daß sie sich der mexikanischen so sehr annehmen sollte. Das einzige, was dort böses Blut macht, ist die französische Intervention, das bewaffnete Eintreten einer Macht, die von Europa herüber ihre Kriegsschiffe gesandt hat, um einem amerikanischen Reich Gesetze vorzuschreiben. Sobald das aber einmal aufhört, hat auch der amerikanische Einspruch nicht mehr viel zu sagen, denn ich müßte mich sehr irren, aber das amerikanische Volk hat jetzt für eine Weile Krieg genug gehabt, als daß es selber mutwillig einen neuen vom Zaun brechen sollte.«

Rodriguez war hinüber zu Roneiro getreten, und ihn etwas beiseite ziehend, sagte er leise:

»Also Mauricio ist glücklich entkommen? Ich habe wenigstens bis jetzt noch nichts vom Gegenteil gehört.«

»Wir haben heute einen Brief aus dem Innern gehabt,« flüsterte Roneiro zurück; »er ist außer Gefahr und dem armen Lucido ist der furchtbare Tag erspart.«

»Man hat ihm den Prozeß gemacht.«

»Bah,« sagte Roneiro – »das war ein Unsinn der französischen Behörden. Kein Mensch kann ihm etwas beweisen, und er hat auch in der Tat nichts mit der ganzen Sache zu tun gehabt – das wird vorübergehen, aber ... ich fürchte für Mauricio. Er ist in schlechte Gesellschaft geraten, und wenn er so fortfährt, muß er zugrunde gehen.«

» Quien sabe,« sagte Rodriguez, »junges Volk macht wohl manchmal einen dummen Streich, rafft sich aber trotzdem wieder empor. Ich bin recht von Herzen froh, daß die Sache so erledigt ist, noch dazu, da gerade aus meinem Hause heraus, ja ich könnte sagen, aus meiner eigenen Familie, der Streich fiel, der leicht einen unheilbaren Riß zwischen zwei alten Freunden hätte hervorrufen können.« –

Um das Kaiserpaar drängten sich besonders die Damen, und Maximilian selber verkehrte auf das freundlichste mit ihnen. Er schien heute in besonders heiterer Stimmung; seine blauen Augen leuchteten in Glück und Freude, und jedem, mit dem er sich unterhielt, hatte er etwas Angenehmes oder Freundliches zu sagen.

Der Marschall Bazaine hatte schon verschiedene Male versucht, zu dem Kaiser zu sprechen, aber wenn ihm dieser nicht absichtlich auswich, so traf es sich doch immer so zufällig, daß er in einem ganzen Kreise von Mädchen und Frauen stand, wenn ihm der Marschall nahte, daß dieser, ohne entschiedenen Verstoß gegen die Etikette, nicht gut zu ihm gelangen konnte.

Labastida hatte recht gesehen – Ricarda San Blas war den Herrschaften durch eine der Hofdamen vorgestellt worden und wurde auf das herzlichste von ihnen begrüßt.

»Mein liebes Fräulein,« sagte der Kaiser, »wenn alle Ihre Landsleute ebensoviel Mut und Entschlossenheit zeigten, wie Sie bewiesen haben, so würden wohl kaum mehr Raubanfälle auf den Diligencen vorfallen, so aber lassen sie sich fortwährend geduldig plündern und das Gesindel bekommt dadurch nur Mut.«

»Die beiden französischen Offiziere wurden aus dem Hinterhalt verwundet –«

»Ja, ich weiß, Sennorita,« sagte der Kaiser, und ein finsterer Ausdruck zog über sein Antlitz – »auch hat, wie Sie wohl gehört haben, Ihr kühnes Auftreten wenigstens zu dem Resultat geführt, daß wir einen Teil der Bande erwischten und bestrafen konnten. Der Hauptverbrecher freilich ist, dank der Unbestechlichkeit unserer vortrefflichen Unterbeamten, entwischt.«

»Wenn ich es Ihnen aufrichtig gestehen soll, Majestät,« sagte das junge Mädchen, das sich nicht im geringsten befangen fühlte – »so bin ich den Betreffenden dafür von Herzen dankbar, denn als die Zeit herannahte, wo jemand, der durch mich den Gerichten überliefert worden, den Tod erleiden sollte, ergriff mich doch eine ganz unsagbare Angst, und ich glaube fast, ich wäre krank geworden und hätte jedenfalls mein ganzes Leben lang ein peinliches nagendes Gefühl behalten.«

»Dann denken Sie, wie mir zumute sein muß, liebes Fräulein,« erwiderte der Kaiser mit weicher Stimme, »wo ich so manches Todesurteil zu unterschreiben gezwungen bin, wenn ich nicht meinen Pflichten gegen das Land untreu werden will – aber Gott weiß, wie ungern ich es tue, und wie manche schwere Stunde es mich kostet.«

»O, wie fühl' ich das jetzt mit Ihnen, Majestät,« sprach das junge Mädchen bewegt, und die Kaiserin, von einer augenblicklichen Regung ergriffen, trat zu ihr und küßte sie auf die Stirne.

»Ich wünsche,« sagte sie freundlich, »daß Sie uns auch draußen auf Chapultepec einmal besuchen – wir sehen nicht viel Gäste bei uns, denn die Zeiten waren bis jetzt zu ernst, aber hoffentlich soll das von nun an besser werden. Halten Sie sich länger in Mexiko auf?«

»Wohl noch einige Monate – ich erwarte meinen Vater hier, Majestät, um mich abzuholen, denn ich möchte die weite Reise nicht allein machen.«

»Um so mehr möchte ich Sie dann noch in den nächsten Tagen sehen,« sagte die Kaiserin, »da ich selbst auf längere Zeit abwesend zu sein gedenke – ich gehe, wie es jetzt bestimmt ist, nach Yucatan.«

»Nach Yucatan, Majestät – in das wilde Land!« rief Ricarda besorgt, »und so weit von hier fort.«

»Unser Reich ist groß – fast zu groß,« erwiderte die Kaiserin seufzend, »und es ist nötig, auch unseren dortigen Untertanen zu zeigen, daß wir an sie denken – aber ich glaube, das Ordensfest beginnt, – nein, bleiben Sie in unserer Nähe, Kind,« setzte sie lächelnd hinzu, als sie sah, daß sich Ricarda mit einer tiefen Verbeugung zurückziehen wollte – »es wäre doch möglich, daß wir Sie noch gebrauchten.«

Der Kaiser war etwas zur Seite getreten und sah in einem der Fenster seinen Minister Ramirez ernst und sinnend stehen; er näherte sich ihm und sagte lächelnd:

»Nun, amigo? So finster und nachdenkend? Sie scheinen die Freude des heutigen Festes nicht zu teilen.«

»Doch, Majestät,« sagte der Angeredete, indem er sich mit der Hand über die Stirne strich – »doch – ich dachte nur gerade an etwas.«

»Haben Sie eine unangenehme Nachricht bekommen?«

»Nein – im Gegenteil. Es scheint sich zu bestätigen, daß Juarez wirklich über die Grenze geflohen ist, wenn ich dem auch keine große Bedeutung beilege.«

»Keine Bedeutung?« sagte der Kaiser verwundert – »und hat es nicht alle Bedeutung für uns, wenn er das Land verläßt?«

»Wenn er nach den Nordstaaten ginge, ja, Majestät, aber nicht, wenn er seinen Aufenthalt an dem Grenzfluß genommen und bei drohender Gefahr einmal übersetzt, um gleich danach zurückzukehren. Erstlich läßt sich das gar nicht kontrollieren, und dann kann man es, so lange er seinen Aufenthalt noch auf mexikanischem Boden hat, auch kein Verlassen des Landes nennen.«

»Und was hatten Sie sonst noch auf dem Herzen?«

»Ich möchte Majestät heute nicht mit Geschäften behelligen.«

»Und betrifft es geschäftliche Dinge?«

»Eigentlich nicht – es ist mehr ein Gnadengesuch.«

»Dann unbedingt heraus damit! Wen betrifft es?«

»Porfeirio Diaz.«

»Und was verlangt er?«

»Er bittet darum, aus dem Fort Guadelupe und aus den Händen der Franzosen heraus, die ihn, wie es scheint, nicht besonders behandeln, nach Puebla gebracht zu werden.«

»Ich habe ihm ja das Anerbieten machen lassen, auf Ehrenwort frei zu sein,« sagte der Kaiser.

»Das will er nicht annehmen,« erwiderte achselzuckend Ramirez, »er könne sich nicht binden, nie wieder für sein Vaterland die Waffen zu ergreifen.«

»Diaz ist ein Ehrenmann,« nickte der Kaiser.

»Das ist er, Majestät,« bestätigte der Minister, »und ich würde unser Reich für gesichert halten, wenn ich ihn gewinnen könnte.«

»Aber es scheint nicht möglich?«

Ramirez schüttelte den Kopf. »Nein, Majestät, er ist entschiedener Republikaner, wenn auch kein Freund von Juarez, und wird seine Meinung nie ändern.«

»Haben Sie mit Bazaine über sein Gesuch gesprochen?«

»Ja – der Marschall ist entschieden dagegen, denn er behauptet, nur im Fort selber könne er für die Sicherheit gerade dieses Gefangenen haften, und es hätte Mühe genug gekostet, ihn zu bekommen.«

»Er hat vielleicht recht,« sagte Maximilian, »aber die Schufte lassen sie mir entkommen und die ehrlichen Leute wollen sie absolut festhalten. Ich will, daß Porfeirio Diaz' Wunsch erfüllt werde, ich – möchte ebenfalls nicht französischer Kriegsgefangener sein. Er soll nach Puebla geschafft und gut behandelt werden, verstehen Sie mich – nur streng bewacht, wenn er sein Ehrenwort nicht geben will, aber gut behandelt, denn wir müssen den Herren zeigen, daß wir auch die Feinde ehren, wenn sie sich tapfer und wacker benehmen, und das hat der General bis jetzt entschieden getan.«

»Befehlen Majestät, daß ich eine Order dahin veranlassen soll?«

»Ja – und sobald als möglich. – Vom Norden haben Sie keine nähere Nachricht?«

»Vom Kriegsschauplatz, Majestät?«

»Nein, ich meine aus den Staaten.«

»Keine, als die letzte Botschaft, die sich allerdings sehr entschieden über uns ausspricht.«

»Bah, lassen Sie die Herren sprechen! Wenn wir nur hier handeln, haben wir sie nicht mehr zu fürchten, und ich glaube, wir sind dazu auf dem besten Weg. – Aber ich muß zur Kaiserin – sie sieht sich schon nach mir um. Also vergessen Sie die Order nach Puebla nicht.« –

Die Ordensfeier begann jetzt – der Kaiser verteilte selber einige Orden an seine Offiziere sowohl als auch an verschiedene Diplomaten und Zivilpersonen.

Auch die Kaiserin vergab den Orden des heiligen Carlos heute wieder an einzelne Damen, doch fiel die Verteilung viel spärlicher aus, als das erstemal, und es schien fast, als ob sie mit der Würde zu geizen gedenke, wodurch sie dann ja auch einen um so höheren Wert erhielt.

Zuletzt winkte die Kaiserin freundlich der kleinen Ricarda, die unfern davon stand und sich an dem Schauspiel erfreut hatte. Charlotte hielt den Orden in der Hand und sagte lächelnd:

»Sennorita San Blas, für Sie habe ich diese letzte Dekoration aufgespart, als ein Zeichen, daß wir, der Kaiser und ich, zu schätzen wissen, wie mutig und rechtlich dabei, selbst Rang und Einfluß nicht fürchtend, Sie sich in einer schwierigen Lage benommen haben. Tragen Sie diese Auszeichnung als Erinnerung an uns, wenn Sie in Ihre ferne Provinz zurückkehren, und bewahren Sie uns immer ein freundliches Angedenken.«

»Majestät!« rief Ricarda, deren Wangen erst erbleichten, bis sie sich plötzlich mit Purpurröte färbten, »aber wie komme ich armes Mädchen zu dieser Ehre?«

Wieder bog sich die Kaiserin zu ihr nieder und küßte ihre Stirn, und als sie von ihr zurücktrat, wurde Ricarda so von ihren Freundinnen umringt und mit Glückwünschen überschüttet, daß sie gar nicht zu Atem kam und selbst vergaß, der hohen Frau zu danken.

Rechts davon, aber ebenfalls abgesondert von den übrigen, standen ein paar Herren, die früher entschieden zur liberalen Partei gehörten, sich lange gegen das Kaisertum gewehrt, jetzt aber auch ihre Unterwerfung unter die bestehenden Verhältnisse erklärt hatten. Beide waren Präfekten in Tamaulipas, und jetzt nur nach der Hauptstadt gekommen, um in ihren Ämtern als kaiserliche Untertanen bestätigt zu werden. Daß sie den Eid dabei leisten mußten, hinderte sie nicht besonders. Kehrte Juarez wieder zurück oder wurde diese Regierung gestürzt und von einer anderen ersetzt, gut, dann fügten sie sich der mit Vergnügen und all' der Bereitwilligkeit, die sie der jetzigen zeigten. Die Hauptsache war eben nur, daß sie Präfekten blieben.

Beide hatten übrigens etwas Ähnliches noch in ihrem Leben nicht gesehen, und sie betrachteten das glänzende Schauspiel mit stiller Bewunderung.

»Hm,« sagte endlich der eine – »Compannero, die Sache ist eigentlich gar nicht so übel. Wie viele glückliche Menschen macht heute der Kaiser mit solch' einem Stückchen Band oder einem Stern, und wie wenig kostet das! Wenn Juarez zurückkommt und gescheit ist, führt er das ebenfalls ein.«

»Und glaubst du, daß Juarez wirklich noch einmal hier in den Palast einzieht?«

» Quien sabe – unglaublichere Dinge sind schon geschehen, und wundern sollt' es mich gar nicht. Dreimal haben sie ihn schon aus Chihuahua hinausgejagt, und immer war er wieder da.«

»Wo er nur die Soldaten herkriegt!«

»Jetzt wirbt er ja oben in den Vereinigten Staaten, und nach dem blutigen Krieg, den sie dort vier Jahre geschlagen, läuft Gesindel genug an der Grenze herum. Kennst du Benrosa?«

»Den Arriero? Gewiß.«

»Nun der kam gerade von Paso del Norte herunter und war bei ihm. Gewehre und Munition und alles, was er haben will und nötig hat, liegt ihm ganz bequem auf der anderen Seite vom Fluß. Er braucht nur zu bezahlen und herüber zu schaffen. Kanonen haben sie ihm sogar schon geschickt, und Soldaten von dort her sollen sich bei ihm in Masse anwerben lassen.«

»Caramba, dann geht's auch bald wieder los, und wir hätten am Ende besser getan, die kurze Zeit Urlaub zu nehmen.«

»Solange die Franzosen im Lande sind, können sie nichts machen,« sagte kopfschüttelnd der Freund, »und so lange sind wir vollkommen sicher – sobald aber die einmal abziehen und wir Luft bekommen, erkläre ich mich augenblicklich wieder für die Republik.«

»Und weshalb glaubst du, daß sich das Kaiserreich nicht halten kann?«

»Weil es nicht für uns paßt,« sagte sein älterer Gefährte – »das mag recht gut in einem anderen Land sein, wo sie's so von klein auf gewohnt gewesen, aber wie ich hier schon bei den Beamten herum gehört habe, so ist keiner recht zufrieden, denn der Kaiser hetzt und treibt in einem fort, und es soll alles gleich auf einmal fertig werden. Das geht bei uns nicht – das mag er von daheim gewohnt sein, aber wir in Mexiko sind gar nicht in solcher Eile und können's ruhig abwarten. – Und wie werden die Soldaten mit Exerzieren geschunden, wozu? Wenn sie nur einen Berg hinauflaufen und richtig schießen können, weiter brauchen sie bei uns nichts. – Und dann will er mit den paar Generalen auskommen! – Ave Maria, Juarez hat nicht den zehnten Teil von den Soldaten und gewiß sechsmal mehr Generale, denn das eifert die Mannschaft auch mehr an. Und was sollen die Leute nicht alles können, die er anstellt. Das geht nicht, amigo – ja vielleicht eine Weile, aber zuletzt kriegen sie's alle satt, und dann ist's auf einmal vorbei. Nein, die Hauptsache bleibt, daß wir uns den Rücken decken, und das denk' ich denn auch jedenfalls zu tun. Wer ist denn der alte Herr, mit dem der Kaiser jetzt spricht?«

»Das ist ja der frühere General von Juarez, der alte Vidaurri.«

» Der ist's? Na, in dessen Haut möchte ich auch nicht stecken, wenn ihn Juarez einmal erwischt – ist doch ein verwünscht gefährliches Spiel, was die Leute da miteinander treiben.«

Der Kaiser hatte sich eine Weile mit Vidaurri unterhalten, jetzt ging er nach der anderen Seite des Saales hinüber und begegnete da wieder Fernando Ramirez.

»Ach Ramirez, beantworten Sie mir doch eine Frage.«

»Majestät?«

»Glauben Sie, daß Porfeirio Diaz – wenn er jetzt entkäme – wieder ein Heer auf die Beine brächte und gegen uns zöge?«

»Wenn's keinen Präsidenten und keine Republik mehr gibt, gewiß nicht, Majestät – ich glaube nicht, daß General Diaz gerade einen neuen Bürgerkrieg beginnen würde – im anderen Fall aber gewiß.«

»Hm,« nickte Maximilian leise und nachdenkend vor sich hin – »wir müssen doch sehen, daß wir ihn auf unsere Seite ziehen,« und Ramirez zunickend schritt er weiter.

An die Feier Es ist in der Tat eigentümlich, daß Kaiser Maximilian den 16. September als Unabhängigkeitsfest feierte, denn das ist gerade der Tag, an welchem im Jahre 1823 der Fall Iturbides, des letzten Kaisers, entschieden wurde, und man war in den letzten Jahrzehnten gewohnt gewesen, ihn nur in diesem Sinne zu zelebrieren. Maximilian sprach allerdings entschieden aus, daß der Tag dem Ausbruch der ersten Revolution gegen das spanische Joch gelte. im Palais knüpfte sich aber natürlich auch eine andere in der Stadt, denn das mexikanische Volk läßt sich solche Gelegenheiten nie entgehen, wo es Festzüge veranstalten und Feuerwerk abbrennen kann. Reden werden dabei vom Volke nicht gehalten, und getrunken wird auch nicht so viel, außer in den Pulquerien, denn eigentlich unmäßig kann man die Mexikaner nicht nennen. Nur der Indianer trinkt sich zuweilen einen Rausch in dem Agavensaft an.

Die Feuerwerke beginnen übrigens in Mexiko sowohl wie in allen südamerikanischen Republiken schon stets am hellen Tag, denn das Volk kann es nie erwarten, und zahllose Raketen wurden deshalb der Sonne selber ins Gesicht geworfen. Was tat's, daß man selber nicht viel davon sah, man hörte doch den zischenden Strahl, der in die Höhe schwirrte, hoch oben in einem Knall endete und dann ein kleines, weißes zerfließendes Wölkchen in der blauen Luft zurückließ. Das war vollkommen genügend, um sich zu amüsieren.

Eine Masse Raketen und bengalische Feuer wurden aber auch für den Abend noch aufgespart, und außerdem ergingen sich die unteren Klassen des Volkes in zahlreichen Aufzügen, in denen sie wirklich Außerordentliches leisten.

Die Mexikaner lieben, wie schon im Eingang erwähnt, bei solchen Festen sehr die Allegorie und zeigen darin nicht selten viel Geschmack. So findet man reizende Aufstellungen von Wachsfiguren, die allegorisch bald ganz Amerika, bald Mexiko allein, bald die Freiheit darstellen und, von Fahnen umweht, bald mit Waffen, bald mit Füllhörnern und Landesprodukten so geschmackvolle als sinnig gedachte Gruppen bilden. Bei ihren Festen fehlen sie aber nie, und jedenfalls muß es gewisse Requisiteure geben, die, wie für ein Theater bestimmt, alle derartigen Dinge, wie Kleidung, Waffen, Symbole, selbst phantastische Fuhrwerke, vorrätig haben und dann zu bestimmten Zeiten ausleihen.

Ein jedenfalls schon sehr oft und zu den verschiedensten Zwecken benutzter Muschelwagen, das heißt ein kleiner auf Federn liegender Kasten, dessen oberer Teil eine riesige, nachgeformte Muschel bildete, trug auch heute wieder die Hauptfiguren, und zwar das Kaiserpaar selber – ein paar kleine Kinder, die man als Kaiser und Kaiserin, wenn auch im Kleinen, aber wirklich täuschend ähnlich nachgebildet hatte. Besonders gelungen war auch der blonde, vorn geteilte Bart, den der kleine Bursche mit großer Würde trug, und die kleine Kaiserin grüßte, während das Volk das phantastische Fuhrwerk umjubelte, huldvoll nach allen Seiten.

Es versteht sich von selber, daß der Wagen mit mexikanischen Flaggen drapiert war, über dem Paar aber, durch eine eiserne und gebogene Stange befestigt, schwebte die Göttin der Freiheit in einem langen weißen Kleid mit einer Krone auf dem Kopf, in der rechten Hand eine mexikanische Fahne, in der linken einen Lorbeerkranz haltend.

Lärmende Musik zog vorher, und beleuchtet wurde die bunte, wunderliche Schar der Leperos, die den Zug umdrängte, durch zahlreiche qualmende Kienfackeln, die den Wagen rings umgaben und ihr rotes, flackerndes Licht auf ihn warfen.

So wandte sich der Zug, dem sich bald andere kleinere anschlossen, zuerst vor den Palacio, hielt dort, und donnernde »Vivas Maximiliano, viva Carlota!« tönten und lärmten so lange durch die Nacht, bis das Kaiserpaar gezwungen war, sich auf dem Balkon zu zeigen und allerdings durch dieses Schauspiel überrascht wurde. – Es hat jedenfalls etwas Eigentümliches, oben an einem Fenster zu stehen und sich selber unten in einem Wagen sitzen zu sehen, und der Kaiser selbst lachte herzlich. Die Kaiserin schien sich weniger darüber zu freuen, aber beide dankten huldvoll herab, denn sicherlich war das Ganze doch gut gemeint, und dann setzte sich der Zug wieder in Bewegung, um wenigstens die Hauptstraßen der Stadt zu durchziehen.

Übrigens verlief das ganze Fest ohne die geringste Unordnung, denn wenn man es auch wohl gern zu einer Demonstration gegen die überall gehaßten Franzosen benützt hätte, so wagte man das doch nicht auf offener Straße. Gerade die Franzosen hatten damals noch die volle Macht in Händen. – In einzelnen, ausschließlich von Mexikanern besuchten Pulquerien, in denen man eine kleine Schaubühne improvisiert hatte, mußte freilich die französische Nation an dem Abend zu Spott- und Zerrbildern die Figuren liefern, ohne daß es jedoch weitere Folgen gehabt hätte, als daß man darüber lachte und dann ruhig nach Hause ging.

Die mexikanische Nation ist blutdürstig in ihren Kriegen, aber nie zank- und streitsüchtig bei ihren Festlichkeiten.


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