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Noch war das genommene Boot übrigens kaum dreimal seine eigene Länge vom Ufer abgeschossen, als die funkelnden Augen des Malayen schon wieder über der Oberfläche des Wassers emportauchten. – Wenige Sekunden blieb der Kopf sichtbar, dann verschwand er wieder, und gleich darauf stieg, jetzt aber von einem schmalen Vorsprung der Insel gedeckt, der kleine Bursche rasch aufs Trockene und glitt, ohne auch nur einen Blick um sich her zu werfen, in's Dickicht. Wenigstens vor den Wurflanzen des Feindes wollte er gesichert sein, sollte sich dieser ja noch nahe genug befinden, ihn damit zu erreichen. Nur erst als er Bill unten am Ufer jubeln und Hurrah schreien hörte, wagte er seinen Versteck zu verlassen, um zu sehen, was es plötzlich draußen so ungemein Erfreuliches gäbe.
An das fremde Fahrzeug hatte er im ersten Schreck des Ueberfalls gar nicht mehr gedacht. Das aber erschien gerade jetzt, im entscheidenden Moment, und unter vollen Segeln hinter der Insel vor, hinter der es jedenfalls während der kurzen Morgenwindstille vor Anker gelegen hatte.
Es war ein kleiner Schooner von vielleicht neunzig bis fünfundneunzig Tonnen, mit langen, weit nach vorn gesetzten, keck aussehenden Masten, aber lichtbraun angestrichen mit kleinen gemalten Kanonenluken, wie ein Kauffahrteischiff, und alten, ziemlich abgenutzten Segeln.
Im Anfang und selbst nach dem Schuß, den er jedenfalls gehört haben mußte, behielt er noch seinen Westcours bei. Bill's Auge aber, das sich in allem auf die See Beziehenden nur selten täuschte, obgleich Niemand leichter als er auf festem Lande irre zu führen war, erkannte schon einen nach oben gesandten Mann in den Wanten. Als dann auch noch gleich darauf der scharfgeschnittene Bug des kleinen Fahrzeugs etwas mehr gegen sie und das flüchtige Boot anluvte, da stieß Bill seinen Triumphschrei aus, denn er wußte jetzt nicht allein, daß sie gesehen waren, sondern daß auch der Schooner wahrscheinlich das Boot mit den Eingeborenen anhalten würde.
Eine gute Weile blieb aber der Erfolg dieser Jagd ziemlich zweifelhaft, denn die Schwarzen, die selbst mit ihren einfachen, nicht selten mit doppelten Lee- und Luv-Bäumen versehenen Canoes vortrefflich umzugehen wissen, hatten sich gar bald in die Führung des Segels hineingefunden, dessen größere Nützlichkeit sie leicht vor ihren gewöhnlichen Mattensegeln erkennen lernten. Außerdem lag, wenn auch des fremde Fahrzeug rasch näher kam, nördlich vor ihnen, und gar nicht weit entfernt, eine breite Kette von Sandbänken und Korallenfelsen, und konnten sie diese glücklich erreichen, war es dem Schooner jedenfalls unmöglich, ihnen zu folgen. Dieser aber, der jetzt ihre Absicht erkannte und die für ihn gefährliche Strecke schon übersehen konnte, versuchte sein Letztes, dicht an dem südlichen Rande dieses Klippen-Archipels niederzulaufen. Zu dem Zweck wieder etwas mehr von der frischen Südostbrise abfallend, hielt er scharf gegen die Einfahrt auf, welcher das Boot zuzustreben schien, und, ein tüchtiger Renner, glaubte er den Wilden schon jede Möglichkeit, zu entkommen, abgeschnitten zu haben. Da entdeckten die vorn auf der Vormars-Raae stationirten Wachen des kleinen Fahrzeugs einen schmalen, aber gefährlich lichten Streifen hellgrünen Wassers, der sich quer vor ihnen nach Süden niederzog, und den sie vielleicht hoch genug gingen, um ihn zu passiren, auf dem sie aber auch ihr wackeres Seeboot, wenn sie irgend eine heimtückische Klippe berühren sollten, leicht total verlieren konnten. Mit dem rasch gegebenen und im Moment befolgten Befehl flog das behende Fahrzeug dem Wind in die Zähne herum, und während alle Segel back lagen und das eroberte Boot der Einfahrt zuschoß, stießen die Schwarzen ein wildes, gellendes Freuden- und Siegesgeschrei aus.
Ihr Triumph sollte nicht lange dauern. Vom Deck des Schooners hob sich ein leichter Rauch, und während der dumpfe Schall eines Schusses über die weite Meeresfläche dahindröhnte, schlug der Mast des geraubten Bootes nach Lee über. Mit ihm stürzte zugleich einer der Wilden mit jähem Aufschrei über Bord. Die Schwarzen erwarteten aber keinen zweiten Schuß – Hals über Kopf warfen sie sich, wie nur der erste starre Schreck vorüber war, in die Fluth, und das Boot, durch dessen Backbordbug die Kugel hindurchgeschlagen war, füllte sich langsam und sank. – Zwei Minuten später sah man hier und da einen schwarzen Kopf auftauchen und den nächsten Klippen zuschwimmen, dann verschwanden auch diese zwischen den einzelnen Riffen, und einzelne auf der Fluth treibende Kisten und Fäßchen zeigten nur die Stelle an, wo das Boot vor kurzen Minuten zerschmettert gesunken war.
Die Raaen des Schooners waren indessen, und selbst noch während der Katastrophe, herumgebraßt, und an der gefährlichen Klippenzunge niederlaufend, kam er in Lee von der Insel, auf der Bill jetzt alle nur möglichen Anstalten getroffen hatte, nicht unbeachtet sitzen zu bleiben. Sein Hemd wehte an einem Busch, und Timor hatte müssen rasch ein Feuer anmachen, denn Bill führte noch glücklicher Weise das Feuerzeug bei sich, zu dessen friedlicher Benutzung er besonders an Land gestiegen war. Der Rauch stieg in dicken Schwaden in die blauklare Luft empor, während Bill selber noch außerdem auf der weißen, jetzt allerdings von der Fluth sehr eingeschränkten Uferbank auf- und absprang und schrie und seine Jacke um den Kopf schwenkte. – Er würde sich ruhig hingesetzt und das Nahen des Schooners erwartet haben, hätte er die Späße hören können, die an Bord desselben auf seine Unkosten gemacht wurden.
Die Gefahren der Schiffbrüchigen sollten aber hiermit ihr Ende erreicht haben. Etwa eine halbe Stunde später sank die kleine Jolle vom Bord des Schooners nieder und schoß, von zwei Matrosen gerudert und von dem »Mate« gesteuert, gegen die Insel zu, um Bill und Timor an Bord zu nehmen. Die auf dem Festland zurückgelassene Mannschaft hatte indessen auch wieder mehrere Schüsse abgefeuert, das Boot ging gleich von der Insel zu ihnen hinüber, und zwei Stunden später hatte der Shooting Star (die Sternschnuppe), wie der kleine Schooner hieß, die bootlos gewordene Mannschaft des Boreas sicher an Bord, braßte seine Raaen auf und glitt vor einer herrlichen Brise gen Osten, dem indischen Meere zu.