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7. Kapitel. Die Schwiegermama und andere Zeitgenossen

In der vornehmen, kleinen Villa war kein Laut zu vernehmen. Auf Zehenspitzen schlich auch das hellgekleidete Hausmädchen über die dicken Teppiche. Vorhänge aus alten, kostbaren Stoffen verschlossen noch die Thüren, wallten vor den Fenstern. Eine altmodische, aber sehr gediegene Einrichtung, prächtige Bilder, erweckten Lottes sachkundiges Entzücken: »Menschenskinder, Ihr seid wohl sehr reich?« entfuhr es ihr. Willi lächelte; aber er wies auf das Mädchen, welches gerade die letzte Thür zu dem Empfangszimmer öffnete. Als er mit Lotte allein war und sie stürmisch in »seinem Zuhause« begrüßt hatte, erwiderte er ihr erst ihre Frage. »Meine Mutter ist wohlhabend, Herzlieb, mehr nicht! Ich selbst besitze nichts, muß mir erst alles erwerben. Das heißt, ich habe unterwegs flott gespart, für das erste Jahr, bis ich Praxis habe, wird es reichen! Aber wir werden warten müssen, bis ich genügend verdiene!« – – Lotte sah ihn befremdet an: »Nanu!?« – rief sie ungläubig. – – »Gewiß, Liebstes; aber nicht wahr, der Gedanke stört Dich doch nicht? Du wirst doch auch nicht von meiner Mutter Gnade abhängen wollen?« – – Unruhig blickte er sie an.

Lotte entgegnete aber aus tiefster Brust: »Um Gottes willen! Lieber in einer Dachstube! Nur unabhängig! Was schadet es, wenn ich weiter Stunden gebe und zu verdiene?« – – Willi lachte und riß sie an sich: »So habe ich es von Dir erwartet, Lotte! Aber was das zu verdienen anbetrifft – so weit wird es wohl gar nicht kommen, Du kleines Schaf! Erstens bin ich zum Verdienen da, und zweitens sorge Dich nicht. Ein mäßiges selbständiges Vermögen habe ich von meinem Vater noch ererbt!« – – »Ei fein!« meinte sie praktisch – » Pecunia non olet! Du weißt doch, Reichtum schändet nicht, und Armut macht nicht glücklich. Ich freue mich mächtig, daß Du etwas Geld hast, Schatz! Wenn wir erst einmal viel verdienen und ganz reich sind – Du, dann habe ich 'n mächtigen Wunsch!« – – »Was ist denn das? Darf ich diesen mächtigen Wunsch nicht schon heute erfahren?« – – »Nee, heute wollen wir uns die Sache man noch verkneifen!« – – »Was ist es denn?« – fragte er jedoch dringend.

»Ach, eigentlich Quatsch! Aber später, das heißt, einmal in meinem Leben möchte ich doch ein Kleid vom Schneider gearbeitet haben und wenn's geht, auf Seide!« – – »Kleine Eitelkeit?« – – »Nich' 'ne Spur! Ich möchte auch mal ›rascheln und rauschen‹ lassen und sehen, wie es einem Protzen so behaglich zu Mute ist bei dem Froufrou!« – – Feller konnte nicht anders. Er zog sie an sich und erdrückte sie fast vor Entzücken. Atemlos suchte sie sich loszureißen. Ihre Befangenheit in diesem ihr neuen Gemach, dieser fremden Umgebung, wollte solch dreiste Liebkosung des Bräutigams nicht zulassen. Was half ihr jedoch ihr Sträuben? Er hielt sie fest.

Und natürlich, gerade in diese stürmische Glückseligkeit kam Frau Feller. In schwarzer Seide mit echten Spitzen. Sehr schlank, sehr vornehm und ganz blutlos und leidend. Überrascht, mit förmlich schmerzverzogenem Gesicht schaute sie auf den ungleichen Kampf zwischen ihrem großen starken Sohne und dem jungen Mädchen, das sich den Küssen entziehen wollte. »Aber, lieber Willi!« – sagte sie, sich räuspernd und mit gehobener Stimme. Er gab Lotte frei, die in peinlichster Verlegenheit, nach Luft ringend und innerlich außer sich vor Zorn und Scham dastand. Er lachte kräftig: »Ja, liebste Mama, da bist Du gerade in einem recht ungeeigneten Momente eingetreten. Aber das kommt davon, wenn eine Mutter ihre Kinder antichambrieren und in den Salon führen läßt anstatt sie an der Schwelle des Hauses zu erwarten!« – Es lag trotz seines Lachens ein stark betonter Vorwurf in diesen Worten. Lotte zuckte zusammen. Frau Feller überhörte ihn vornehm. Sie streckte Lotte ihre Hand entgegen:

»Also, das ist meine neue Tochter?! Ich begrüße Dich, meine liebe Lotte, in der Hoffnung, daß Du meinen einzigen Sohn glücklich machst und dadurch selbst glücklich wirst! – – – Bis jetzt hatte ich auch auf Euch gewartet, mein Sohn! Es ist halb ein Uhr!« – – Willi biß sich auf die Lippen. Alle Pfeile prallten von der Mutter stets auf ihn zurück. – Lotte hatte sich über die ihr gereichte schmale Hand gebeugt und sie geküßt. – – »Komm, setz Dich zu mir, mein Kind! Ich möchte doch gern das Mädchen genau betrachten, das mein Sohn so lange Jahre geliebt hat. Für das er die Seinen verlassen hat und in die Fremde gegangen ist. – Woher kanntest Du Willi eigentlich?« – – »Ja, das weiß ich selbst kaum mehr! Das heißt doch, er wurde mir mal auf dem Schulwege vorgestellt. Und dann sah ich ihn oft! Er machte mir immer Fensterpromenaden und – – – –« – – Er nahm ihr das Wort aus dem Munde: »Und hatte sich schon damals in das kleine Schulmädel mit den langen Zöpfen verliebt; aber besagte junge Dame war zu jenen Zeiten noch durchaus nicht für Liebesgeschichten eingenommen. Ich stieß auf größten Widerstand bei all meinen Bewerbungen!« »Na weißt Du, wenn man als Jöhr von zwölf bis fünfzehn Jahren schon anfangen würde, das wäre doch mehr als toll! In der Zeit kann man sich noch mit Schwärmerei von weitem begnügen, meine ich!« – sagte Lotte energisch. – – »Ach was, Du warst eben damals und auch später ein kleines, garstiges Scheusal!« – – »Bah, und Du warst es, als Du um mich anhieltest! Ein richtiges Rauhbein! Was ist nun schlimmer?« – fragte sie streitbar. – –

»So wie Du Dich benahmst, meine Liebe, denn Du wirktest auf mein zärtliches Jünglingsgemüt immer so abkühlend wie eine Spritze von der Feuerwehr!« – neckte er. – »Abkühlung that Dir aber auch sehr not, Monsieur, Du warst ein furchtbarer Schmachtlapp – –« – – »Lotte, jede Frechheit wird als persönliche Beleidigung betrachtet und mit fünfzig Küssen gebüßt!« – – »Äx! Ich bin nicht ängstlich. Und die Hauptsache für mich bleibt doch, daß der Brand nicht gelöscht wurde, sondern unter der Asche weiterglühte!« – rief sie froh. – – »Ja, Herzlieb, das that er, trotzdem daß Du damals in der Schumannstraße ein paar tausend Zentner Asche 'raufwarfst!« – –

Willi hatte jene Scene in der Schumannstraße noch nie erwähnt. Lotte sah ihn an und senkte den Kopf. Ihr frisches Wangenrot erlosch. Doch plötzlich hob sie den Blick: »Du, Willi, auf dem Miller'schen Ball hast Du mich gründlich büßen lassen, als Du mich so verächtlich schnittest! Das war entsetzlich an jenem Abend!« – – Er trat zu ihr und nahm ihre Hand. –

Die beiden waren sich noch genug. Frau Feller fühlte sich äußerst überflüssig. Sie räusperte sich verschiedene Male. Vergebens! Endlich nahm sie einen Anlauf und sagte: »Ich bitte Dich, lieber Willi, mich mit Deiner Braut ein wenig allein zu lassen.« – – Lotte packte erschreckt seine Rechte und sah ihn hilfeflehend an. Er streichelte ihre Wange. – – »Aber Mamachen,« – antwortete er – »Geheimnisse habt Ihr doch noch nicht? So bitte ich Dich denn, nicht wie ein unartiges Kind hinausgewiesen zu werden!« – – »Willi!« – Frau Feller hob die Stimme. – »Ich erkenne Dich nicht mehr! Was ist aus Dir geworden? Du bist nicht mehr der Kavalier von früher! – – Ich will meine Schwiegertochter kennen lernen und sehe, daß dies in Deiner Gegenwart nicht möglich ist!« – – »Ich verschwinde, liebe Mama, und lasse Dich mit dem Mädchen allein, das mir das höchste, teuerste Glück bedeutet! Ich hoffe, Du wirst sie mit Deiner reifen Erfahrung in ihrer goldenen Klarheit durchschauen und lieben lernen gleich mir! – – Vergiß aber nicht, liebste Mama, daß die jungen Mädchen heutzutage nicht mehr mit dem Maßstabe von früher zu messen sind. Es sind keine schüchternen, weltfremden Tugendpflanzen mehr, sondern frische, erfahrene selbständige Menschen. Besonders meine Lotte gehört zu diesen neuen Mädchen! Aber wie ich Dir schon heute morgen sagte: Wir Männer wollen keine ›Frauchen‹ mehr, sondern tüchtige Kameraden! Ich will Lotte, ganz so wie sie ist, so gesund, so urwüchsig! Verstanden, Mamachen?« – –

Frau Feller nickte stumm und beleidigt. »Aha« – dachte Lotte – »hier hat es schon etwas gesetzt! Er scheint sie genügend auf mich vorbereitet zu haben. Bon, dann keine Ziererei, sondern forsch gezeigt wie ich bin!« – – »Und Du, Liebstes?« – er preßte ihre Hand – »Du sprichst mit meiner feinen guten Mama mit der ganzen kindlichen Liebe, die ihr schon als meiner Mutter zukommt!« – Er bat sie mit Blicken noch um Ruhe und Geduld. Dann verließ er das Gemach.

»Willi benimmt sich merkwürdig. Er erweckt förmlich den Anschein, als ob nicht Mutter und Tochter, sondern zwei Duellantinnen sich gegenüber säßen, nicht wahr, mein Kind?« – sagte Frau Feller gekränkt. – »Wir wollen uns doch bloß aussprechen und kennen lernen? Ich weiß, es wird Dir lieb sein, etwas von mir zu erfahren über das häusliche Leben meines Sohnes, über seine Gewohnheiten, Wünsche und Erwartungen! Willi ist ein eigenartiger Mensch!« – – »Ach, er ist entzückend, geliebt!« – stimmte Lotte begeistert zu. Die Mutter lächelte jetzt milder. Sie war über die überraschende Nachricht von der Verlobung ihres Abgottes, wie Lotte sich sicher ausgedrückt hätte, »fast vom Stengel gefallen«. Auf eine tiefe Ohnmacht folgte ein Weinkrampf. Dann Widerspruch und Entrüstung! Was er auch verliebt und beseligt von seiner kleinen, derbfrischen Braut erzählte, konnte in dieser einsamen mimosenhaften Natur nur Widerwillen erwecken. Aber es half ihr nichts! Seit Willi so lange fortgewesen, hatte er sich energisch ihrem Einfluß entzogen. Mannhaft entschlossen erklärte er ihr seine feste Absicht, gerade dieses und nur dieses Mädchen zu heiraten! So fügte sie sich denn! Lottes Äußere gefiel ihr, und so versuchte sie nur noch, einigen Einfluß auf die neue Schwiegertochter zu gewinnen!

»Ich bitte, sprechen Sie ruhig, gnädig –« – Lotte verstummte verlegen. – – »Du sprichst zu Deiner Mutter, also bitte um das Du!« – – »Wenn Du gestattest, gern, liebe Mama!« – – Lotte sprang auf und küßte die Dame herzlich. Sie ließ es lächelnd geschehen, meinte dann aber sanft: »Siehst Du, Lottchen!« – – (Hu, Lottchen: Wie eine Greisin mit Löckchen, stöhnte diese innerlich). – – »Du wirst verstehen, wenn ich als Mutter, die um das Wohl ihres Kindes besorgt ist, meine Meinung nicht zurückhalten kann. Ich muß offen sein, und Du wirst dies verstehen, billigen! Das einzige Bedenken, welches ich gegen Euch habe, liegt – – – –, das heißt Bedenken gegen Eure Verbindung meine ich, denn von einem solchen gegen Eure Familie ist selbstverständlich nicht die Rede!« – – »Das will ich meinen!« – – »Also – – meine einzige Angst bist Du!« – – – – »Ich? Ach herrje!« – – »Mein Sohn ist momentan in einem Rausch – –.« – – »Na, ich danke, der Rausch währt lange genug!« – entgegnete die streitbare Schwiegertochter. Ein Blick voller stummen Vorwurfs traf sie. »Gewiß, er ist verliebt, und das kann ich begreifen!« – – »Ei fein, ist das wirklich wahr, Mama?« – – »O – ja – – Willi reizt das Kontrastierende in Deinem Wesen, Du bist nach allem, was er von Dir erzählt, das gerade Gegenteil von den Frauen, an die er gewöhnt ist – – von meiner entschlafenen Mutter und mir!« – – Lotte schnipste mit den Fingern: »Ja aber, Mama, Ihr wart immer krank und einsam. Ich bin jung und gesund!« – – Frau Feller kniff die Lippen aufeinander. Dann fuhr sie, ohne den Einwurf zu beachten, fort:

»Dieser Zauber wird, kann vielleicht aufhören, wenn Ihr auf die Dauer der Zeit beieinander seid! Daher warne ich Dich heute, liebes Lottchen! – (Brr!) Willi liebt Stille und ungestörte Ruhe um sich. Er ist an vornehme, zurückhaltende, ich möchte sagen leise Frauennaturen gewöhnt! – – – « – – »Das ist alles gut und schön, verehrte Mama. Aber er heiratet nicht Euch, sondern mich. Und er muß es doch auch anders wollen, sonst hätte er ein leises Mädchen – und nicht mich gewählt! Im schlimmsten Falle gewöhnt er sich um, denn ich kann nun einmal meine ursprüngliche Natur nicht umkrempeln, Pardon, ändern!« – – »Aber Kind, dem Manne zuliebe, den Du liebst?« – – »Nein, Mama, auch ihm zuliebe kaum. Er will es auch gar nicht, das hast Du ja gehört.« – – »Willi ist selbst still und sanft – – – – « – – – – – – »Gewesen, Mama! Gott sei Dank, er kann ganz gut schreien! Du hättest es nur vorgestern mitanhören sollen!« – –

Frau Feller versuchte noch gar viele Pfeile zu versenden. Sie prallten an Lottes Ungerührtheit ab. Sie wußte sich ihrer Haut zu wehren. Zuletzt verlor sie beinah die Geduld: »Ich danke Dir für all Deine guten Ratschläge, Mama! So weit es in meinen Kräften steht, werde ich versuchen, sie zu beherzigen, gewiß! – Im allgemeinen sorge Dich nicht um uns und unser Glück. Wir werden es uns schon zusammenzimmern! Im schlimmsten Falle mit Ach und Krach. Wir lieben uns, und da geht alles!« – – Damit erhob sie sich und küßte die Hand der Schwiegermutter, die wie eine Salzsäule dasaß. – Genug von dem Getratsch. Du willst ›hü‹, ich ›hott‹. Wie Nord- und Südpol werden auch wir nie zusammen kommen. Wir lieben beide unsern Willi und wollen sein Bestes. Vielleicht finden wir uns später in diesem gemeinsamen Gefühl. Darum keine Feindschaft nicht! – dachte Lotte. –

Eine Woche später waren die Verlobungsanzeigen in die Welt versandt worden. Von allen Seiten kamen Glückwünsche zurück. Lotte trug auf dem vierten Finger der linken Hand einen breiten glatten Goldreifen. Sie sah ihn zahllose Male gerührt an und putzte daran herum. Oft küßte sie ihn ganz verstohlen. Aber einen Handschuh auf diese Hand zu ziehen und den Verlobungsring zu verdecken? Das hätte sie für ein Verbrechen gehalten! Meist blieb ihre Linke trotz Kälte, Sturm oder Regen unbekleidet. – Lotte war wieder die übermütige, kleine Person. Wirklich bräutlich weich und zärtlich sah ihr Bräutigam sie nur dann und wann, wenn er mit ihr ganz allein war. Sonst war sie stets lachend, ausgelassen und glückselig. – –

»Begreifst Du das, Alice?« fragte Lotte eines Tages die Freundin. »Alle haben gratuliert, nur Leutnant von Hase nicht. Dabei ist er doch in Berlin?«

Die brave Agnes brachte grade einen Brief herein: »Na, was bringen Sie, Aurora? Einen Brief für mich? – – Ei, von Häschen?« – rief Lotte erfreut. – »Wenn man vom Fuchs spricht, sieht man den Schwanz!« – – Sie erbrach den Umschlag und überflog das Schreiben. Dann wurde sie nachdenklich. – »Nun, was schreibt er?« – – »Drollig, hör nur:

Meine liebe, verehrte Kameradin Lotte Bach!

Bei Telschows begann unsere Freundschaft. Sie waren eine süße Krabbe, wie ich schon damals sofort bemerkte. Denken Sie noch an die famosen Gedichte, an den Millerschen Ball, an all die herrlichen Stunden, die wir zusammen verlebten? Sie wurden mir eine sehr, sehr gute Freundin! Wir armen Leutnantchen dürfen mit Euch netten Mädels ja nur Freundschaft schließen, mehr nicht. Hol der Deibel die Misere! – Wir beide hätten so gut zu einander gepaßt. So etwas merkt man stets erst, wenn es vorbei ist! Sie wissen es vielleicht selbst nicht! Elende! Ich habe es zu spät ›rausgeknobelt‹, würden Sie sagen! Ach, Fräulein Lotte, ahnen Sie in Ihrem Glück denn, wie misepetrig und maulhängklötrig einem zu Mute sein kann? – ›Was nützt mich denn mein schöner Garten, wenn andere drein spazieren jehen?‹ – singt mein Bursche. Das Kamel ging so vergnügt in seine Volksküche. Und ich, sein vieledler Herr, sitze hier triste mit meinem Adel, der nischt einbringt, und mit meinen fünf Sinnen, die nicht scharf genug waren, um – – – um eine richtige Gratulation zu stande zu bringen. Seit Tagen zerknabbere ich meinen Federhalter. So ein Civilist, so ein Doktor hat es gut! Hol's der Geier! Ihr Willi Feller ist ein Glückspilz! Sagen Sie ihm das! Andere beneiden ihn! Der kriegt 'ne Frau. Donnerwetter, ein Engel, ein Kerl auf dem Platze sind Sie, Fräulein Lotte Bach! – In den letzten Tagen tauchte ich in meine Erinnerungen unter, soweit solch ein armer Kommißstiebel welche hat, nebenbei! Da fand ich Ihren schönen, galanten Herrn Bräutigam wieder. Auf Ehre, ein reizender Mensch! – Der Millersche Ball fiel mir ein und ein Seifensieder ging mir auf. Sie Rackerzeug, der Feller war schon damals Ihre Achillesferse! Auch das merkt man erst nachträglich! –

Ja, ja, ich noch immer der kleine Hase, Julia von Miller – – Frau Gutsinspektor Schulz auf einer Klitsche dahinten, wo sich die Füchse gute Nacht sagen. Sie, glückstrahlende Braut! So geht es. Gott, was müssen Sie erst bestrickend sein, wenn Sie lieben! Na, dann also alles Gute der Welt über Sie, kleine lustige Kameradin! Empfehlen Sie mich – – –, ach was, der Mensch ist ein Glückspilz. Er soll es nur würdigen und beizeiten! – – – Ich gehe eine Woche auf Urlaub. Jagdeinladung, Böcke schießen wie immer in meinem Leben. Das sind keine Enten! –

Au revoir, Fräulein Lotte, wenn ich wieder gesund bin. Heute habe ich Schnupfen und Kopfschmerz! Pardon für diesen Brief! Er mußte von der Leber runter!

In alter Ergebenheit und Verehrung
Ihr bedripstes Häschen.«

– – »Was sagst du dazu, Klexchen?« –

Alice blickte die erblaßte Freundin sinnend an. »Er hat Dich lieb – – geliebt – – der arme Kerl!« – – »Ich habe es nie bemerkt, wahrhaftig, er redet es sich ein!« – – »Das glaube ich kaum!« – – »Mein altes Häschen! Schade! Er war so ein fesches Bürschchen, mir so wert. Das hätte nicht kommen sollen!« – – meinte Lotte betrübt. – – Ich kann ihm nicht helfen, Ich bin ja so überglücklich mit Willi. Zu meiner Schande muß ich es bekennen, ich habe ordentlichen Glücksegoismus! – – – Jedenfalls werde ich den Brief verbrennen. Willi braucht ihn nicht zu sehen!« – – »Das sehe ich nicht ein, Du! Laß ihn doch wissen, daß Dich auch andere lieben, daß Du nicht immer nur als Range galtest! Das hebt Dich doch in seinen Augen!« – – »Nein, ich liebe solche Mätzchen nicht! Und ich bin Willis auch so sicher. Er kennt mich genügend. Diese Epistel vom kleinen Hase ist in einem Moment geschrieben, wo er nicht ganz Herr seiner selbst war. Davon will und darf ich nicht profitieren. Mein Schatz soll von diesem Schreiben nichts erfahren!« – –

»Oho, Herzlieb, Geheimnisse vor mir, das wird nicht geduldet! Ich will und muß gerade diesen Brief lesen!« – Der junge Arzt war eingetreten und hatte im Augenblick seiner Braut den Bogen entrissen. Sie kämpfte mit ihm; aber er wehrte sie ab und überflog die Zeilen. Dann wurde er ernst, faltete sie zusammen und steckte sie in die Tasche. »Ich bin Dir dankbar, daß ich Herrn von Hases Brief lesen durfte. Er thut mir innig leid, da er durch unsere Verlobung etwas aus der Fassung zu sein scheint. Jedoch ich kann ihm nicht helfen! – – Sogar danken möchte ich ihm, daß er mir mein Glück so treuherzig bestätigt,« sagte Willi und zog seine Braut an sich. – – –


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