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Die große Uhr in Geheimrat Bachs Wohnzimmer schlägt neunmal. Eine behagliche Ordnung herrscht in dem Gemache. Im Ofen brennt das Kohlenfeuer, und durch das Prasseln der präparierten Anzünder, das Zusammenfallen der Preßkohlen entsteht ein anheimelndes Geräusch. – In ihrem großen Lehnstuhl vor dem Nähtisch sitzt die Geheimrätin und näht. – Zwei Jahre sind seit dem plötzlichen Tode ihres Gatten vergangen. In diesem Winter will sie, um ihrer Lotte willen, sich wieder dem geselligen Leben widmen. Der große Bachsche Verwandten- und Bekanntenkreis begehrt immer lauter nach der lustigen, immer freundlichen »Range«, die sich so lange Zeit dem gesellschaftlichen Treiben fern gehalten hatte. –
Lotte hatte das Hinscheiden des teuren, geliebten Vaters auf das Heftigste empfunden. Sie beklagte ihn heiß; aber die Pflichten ihres Berufes und das starke Gefühl: »Du mußt jetzt Deiner Mutter Halt und Sonnenschein werden!« zwangen sie bald zur Selbstzügelung. Je weiter die Zeit vorrückte, um so mehr empfand sie das Fehlen des Guten; aber umso mehr verschloß sie auch ihren Schmerz in sich. – Die viele Abwechslung des großstädtischen Lebens, ihre kernfrische Jugend, ihre stete Thätigkeit kamen ihr zu Hilfe. Nach Verlauf eines Jahres blitzten bei Lotte schon hier und da – – Fünkchen ihres alten Temperamentes auf. Ab und zu kam eine leise oder laute Erinnerung an frühere Tollheiten und vergangenen Übermut. Immer stärker wurden diese Anklänge. Jetzt – – – endlich nach Verlauf zweier Jahre – – – war Lotte Bach wieder die sonnig heitere, impulsive, leicht über die Stränge schlagende Range, soweit sich dies mit ihrem Alter noch vertrug! Immer übermütig, immer zu Tollheiten aufgelegt, kritisch und, wie man sie neuerdings mit Recht bezeichnete, stets Fräulein Sans Gêne! –
Im Herzen aber lebte unverändert und innig die Liebe, das Gedenken an den Vater! – Geheimrat Bach war bei seiner Jüngsten unvergessen! –
»Großmutter Bach« und Tante Lotte hatten stets viel zu thun. Bei Amtsgerichtsrat Neuwald waren zwei Bengels: Werner und Walter, die ihnen den Kopf warm machten. – Bei den Freunden, Paul und Grete Sesimann, war auch eine kleine Lotte eingetroffen. Na, und kleine Jöhren machen nun einmal Summs im ganzen Umkreise! Immer gab es bei ihnen irgend etwas Neues zu bewundern oder etwas für sie zu thun! – So hatte denn Lotte Bach immer von einem zum anderen zu rennen. Die »kleine Bande« war ihre Wonne; wenn sie auch mit den zu ihr gehörigen Müttern über Erziehungsprinzipien und Kleiderfragen beständig im Kampfe lag! –
So sah es also bei Bachs aus, als Ernst Georgy den fünften Band seiner humoristisch-satirischen Bibliothek begann. Und diese Einführung in die Lebensweise und die Stimmung seiner, den Lesern längst bekannten Helden, halte man ihm freundlichst zu gute! – Also wie gesagt:
Lotte stiftet!
Es schlug gerade den neunten Schlag, als sich die Thür öffnete. Lotte erschien auf der Schwelle. »Später konntest Du wohl nicht kommen, langweilige Person! Ich habe gefrühstückt!« – rief die Mutter ihr ärgerlich entgegen. – »Leicht gesagt für'n Sechser Käse; aber welche Nummer? Hab Du erst mal so'n Reißen, Mutter!« sagte Lotte. – – »Du hast Reißen? Wo denn? Im Arm, im Fuß oder im Rücken? Siehst Du, das kommt von dieser verdrehten Kneippkur und dem Wassergetrete! Ich habe es ja immer gesagt, Du holst Dir noch einmal etwas Ernstes! – Aber das kommt davon, wenn das Ei klüger ist als die Henne!« – –
Lotte stand sinnend vor dem Kaffeetisch und beäugte mit Kennerblicken das Weißbrot. »Du hast ja so recht, geliebter Wonneknopp; aber ich kann mir doch nicht helfen! Es riß nun einmal ganz niederträchtig!« – – Es lag etwas in ihrem Tone, was die Mutter besorgt machte. Die Geheimrätin erhob sich, näherte sich ihrer Tochter und betrachtete sie genauer: »Wirklich,« – erklärte sie ängstlich – »Du scheinst mir auch blaß! Leichtsinnige – – –« – – Lotte fiel ihr um den Hals und küßte sie stürmisch, dabei fidel lachend. »Nein, Kind, im Ernst; denn mit den Geschichten ist nicht zu spaßen! So etwas läßt man nicht einwurzeln!« – – »Na eben!« – – »Da thut man gleich etwas!« – – »Na aber!?« – – »Wo hattest Du also Reißen?« – –
Lotte setzte sich und schmierte mit Vehemenz ihr Brötchen. »Das werde ich Dir also genau anvertrauen, Mutter! Zuerst am Schuh!« – – »Am Fuß!« – – »Nein, Pardon, am Schuh, da rissen drei Knöpfe! Dann am Rock, da trat ich nämlich 'raus und da riß der Stoß samt der Borte! Dann an der Taille, da riß der Besatz! Na, ist das noch nicht genug Reißen für einen Tag, Du? Und da man so etwas nicht einwurzeln läßt, so mußte ich mich eben hinsetzen und zähneknirschend nähen und flicken! Brr!« –
Lachend und zugleich zornig hatte sich die Geheimrätin gesetzt: »Schöps! Mich so zu erschrecken. Ich dachte schon, Du hättest Dir, behüte Gott, etwas geholt! Davor zittere ich immer!« – – »Und das muß man Euch Müttern eben abgewöhnen! Das Motto lautet: Zittere nie, wenn Du einst bebst!« – – »Ach, hör am frühen Morgen mit dem Unsinn auf!« – – »Im Gegenteil, gerade jetzt soll es ja erst losgehen. Ich bin heute in der richtigen Stimmung. Erst eben besagtes Reißen mit darauffolgendem Nähen, dann die Stunde bei Milly und obendrein die Aussicht, nach erfolgtem Unterricht bei der Schneiderei helfen zu müssen! Die Zicke, die Heilert, kommt doch?« – – »Sicher? Im übrigen näht sie für Dich oder mich, liebe Tochter?« – – »Leider für mich, das ganze Leben ist viel zu schön und zu schade, als daß man soviel Zeit an die Überzüge der Menschheit wenden sollte! Und zuguterletzt, Mietzenmutter, warum hast Du mich nicht die Kramer zur Aushilfe nehmen lassen? Warum, o teure Omphale, bannst Du mich Herkules an den Spinnrocken?« – – »Weil ich Tüchtigkeit in häuslichen Dingen weit höher einschätze, als Deine Nietzsche-Studien oder Deine sonstigen Beschäftigungen mit Politik und Philosophie. Du wirst Dich noch verbembern mit all diesen Studien!«
Lotte hatte mit höchstem Behagen ihr Frühstück eingenommen. »Gottlob nee, jeliebte Frau, zum Verbembern habe ich absolut kein Talent. Im übrigen kenn ich Dich, Du wolltest die fünfzehn Jroschen schinden. Die olle Sparerei! Geld ist rund und soll rollen!« »O, damit wirst Du weit kommen, Lotte!« – rief die Rätin empört. – »Hab' man keine Angst, ich werde schon nichts verbuttern und tüchtig sparen. Aber Du wirst mir doch zugestehen, daß die olle Hockerei und Näherei scheußlich ist?« – – »Nein, durchaus nicht!« – – »Ach Du, Marmorherz!« – –
Das Dienstmädchen Agnes kam mit den Abzeichen ihrer Aufräumerei: Besen, Schrubber, Eimer und Scheuerlappen durch. »Hören Sie, Aurora! – rief Lotte – »Ehe Sie die Stuben schmutzig machen, wickeln Sie mir mein Frühstück bitte ein! Aber recht dick belegt! Ich fühle mich schwach – – – aufs Gemüt!« – – »'s gut gut, Frailein Lottel, soll ich ock Pergamentpapier nehmen?« – fragte Agnes. – – »Selbstverständlich, meinen Sie etwa nee?« – – »Agnes, es klingelt!« – rief die Geheimrätin. »Das ist entweder die Heilert oder Milly!« – setzte sie hinzu. – – »Sprich mir von allen Schrecken des Gewissens – – – – weißte, ich wünsche keinem Menschen etwas Böses, wenn aber mein Rhinozeröschen heute eine schmerzlose Erkältung hätte und bei dem Wetter nicht ausgehen dürfte – – – – nanu, Aurora? Eine Karte?« – –
Mit einem Quietschen war Lotte aufgesprungen und hatte dem Mädchen die Postsachen entrissen: »Für mich – – – – für mich – – – und noch einmal! So – – – – »sie las und tanzte froh im Zimmer auf und ab. – »Du, Mutter, mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen, ohne dem kleinen Öchschen zu schaden. Wegen einer Familienfeier soll Rhinozeröschen heute keine Stunde haben. Ich soll es gütigst entschuldigen. – – – – Oho, meine verehrte gnädige Frau, ich bin viel großmütiger, als Sie denken! Ich verzeihe hiermit feierlichst, gleich für die kommenden Male mit. Die Trichterei der hohen Wissenschaften in Ihres Töchterleins mit Brettern vernageltes Köpflein ist eine Arbeit, die direkt hinter Steinekloppen kommt. Dabei muß ich ewig lächeln und gut zureden, sonst heult das Unglückswurm und verpufft den letzten Gehirnrest.« – – »Milly ist ein so liebes, treues Kind. Du Verdienst die Liebe Deiner Schülerinnen gar nicht!« – – »Ach, Du hast recht, Miezchen, aber ist es nicht der reine Hohn? Ich, Lotte Bach, muß mich hinsetzen und die Tugendhafte spielend, den Mädeln oft das trockenste Zeug einbläuen? Englische Regeln und Geometrie und die ollen Römer und Jriechen und sonst was! Wenn ich noch immer von der Leber weg reden dürfte? Aber nee, alles erst zurechtkauen für ihr Verständnis und auf die Etepetetigkeit hin! Da sitzen nun die niedlichen Dinger und sehen mich vertrauensvoll an und haben mich lieb. Ich sie auch! Und dabei muß ich sie anquatschen und für Dinge interessieren, die ich selbst garstig finde! Statt dessen würde ich lieber mit ihnen mal tollen, mal vertraulich sprechen und ihnen auf gut Deutsch die Wahrheit sagen, so in der Geschichte und allem. Ins Leben möchte ich mit ihnen, in die Praxis, ernste gute Bücher lesen, Reisen machen! Nicht immer Tugend predigen!«
Die Geheimrätin schüttelte mißbilligend den Kopf: »Das ist alles Theorie und nicht durchzuführen, liebe Tochter! Erst muß die Jugend tüchtig etwas lernen, auch theoretische trockene Sachen. Das ist das Gerüst für das Leben. Alles andere kommt später, und es lernt es jeder nach seiner individuellen Art, wie es sein muß! Ihr Lehrer – – –« – – »Wir Lehrer« – brach Lotte leidenschaftlich aus. – »Erst solltet Ihr einmal besser wählen, ihr Dreimalweisen, die Ihr uns aus Tradition oder pekuniären Gründen diesen Beruf wählen laßt! Wißt Ihr denn, ob wir wirklich zu Jugendlehrern und Vorbildern passen? Bloß, weil wir durch das Examenzeugnis die Quittung über eine gewisse Bildung überreicht bekommen haben, können wir das Amt verwalten, ja? Macht man uns nicht zu Heuchlern? Ich möchte hundert Stunden nehmen, ich fühle mich noch so wissensdurstig, und ich soll schon von meiner Armut teilen? Ich habe das Herz voll tausend andern Dingen und den Kopf voll tausend ernsten und lustigen Geschichten, ich fühle mich jung, wie nur ein Dachs! Und ich soll mich als Autorität hinsetzen? Ist das nicht ein Vertrauensbruch?« – –
»Was regst Du Dich auf und bäumst Dich gegen diesen Beruf auf, Kind?« – rief die Mutter – »Du bist pflichtreu, Deine Schülerinnen lernen viel bei Dir, lieben Dich und ihre Eltern schätzen Dich hoch und sind mit Dir höchst zufrieden!« – – »Wat ick mir dafür koofe!« – erwiderte die gottlose Lotte und knipste mit den Fingern. Dies sprach sie aber gegen ihre Überzeugung, denn innerlich weidete sie sich an der allgemeinen Hochachtung. Gerade nach ihrem früheren schlechten Rangenrufe that ihr diese wohl.
Frau Bach stand am Fenster und wandte sich der Tochter zu: »Du hättest es gar nicht mehr nötig, zu unterrichten! Aber Du hast ja Dein Glück mit Füßen getreten! Körbe ausgeteilt wie eine Fürstin! Wenn ich zum Beispiel an Heinrich Wegner denke!« – – »Dann wird Dir traurig und mir schlimm! So steht die Sache!« – – »Ihr modernen Mädels seit darin unglaublich. Wir wurden weniger gefragt. Da kam der Vater und – – –« – – – »Daher bangen wir uns auch gar nicht nach Eurer guten alten Zeit zurück, Wonnchen! Wir sind mit unserer sehr zufrieden. Das heißt, ich hätte vielleicht so fünfzehn bis zwanzig Jahre später geboren werden mögen! Ein flotter Student wäre ich geworden: ad exercitium salamandri! estisne praeparati? Sumus! Bibite. Donnerschlag, was hätte ich gebibitet!« – – »Und wenn Du mir nun sitzen bleibst!« – – »Keine Angst, Mutter, ich hau mich durch! – – – Im übrigen komisch! Wenn ein Herr der Schöpfung Junggeselle bleibt, dann heißt es, er hat eben nicht geheiratet! Und wenn wir Mädel nicht heiraten, dann sind wir alte Jungfern und sitzen geblieben! Wird auch anders werden! Das heißt, Ehe ist das Höchste allezeit, wenn die Menschen zu einander passen!« – Lotte seufzte – »Laß man gut sein, ich wer' 'ne kiebige alte Schachtel! Werd't Eure Freude an mir haben!« – –
Die Geheimrätin nähte eifrig: »Sag' mal Du, merkwürdig, daß der Feller nicht wiederkommt! Was? Der ist doch bald drei Jahre weg! Und jetzt, wo die Großmutter tot ist, muß er doch ein gut Teil geerbt haben.« – – Lotte putzte ihre Nase. »Mag sein! Bin ich Fellers Hüter? Vielleicht hat er eine Japanerin geheiratet? Dort kommt er ja immer hin!« – – »Wäre Dir das so ganz gleichgültig, Kind?« – – Das junge Mädchen krampfte die Hände zusammen. »Die reine Jägerstraße! Jacke wie Hose, Wurst und Pomade, sogar eins!« – – »Na, na?« – – Der Zweifel machte Lotte aufsässig. Sie wollte etwas Heftiges erwidern. Plötzlich hielt sie inne und stürzte aus dem Zimmer.
Die Schneiderin, welche schon lange Jahre im Hause arbeitete, war gekommen. Mit der ganzen Erleichterung, die ihrer momentanen Stimmung entsprach, begrüßte sie Lotte. Fräulein Heilert lachte über das ganze Gesicht. »So kommt mir keiner! Ich würde es auch keinem geraten haben! Aber Fräulein Lottchen kann noch so frech sein, ihr kann ich eben nichts übel nehmen!« – erklärte das brave Mädchen. Und das übermütige Geschöpf machte von diesem Privilegium ausgiebigen Gebrauch.
»Na, Kugel, kugeln Sie man 'rin in die gute Stube!« – rief sie draußen. – »Wissen Sie, daß es halb zehn Uhr ist! Später konnten Sie schon nicht mehr gut kommen!« – –
»Nanu, ich komme von der Zossener Straße!« – entgegnete die Heilert ärgerlich. – – »I was, dann kriechen Sie eben eine Stunde früher aus der Klappe und gehen eher weg!« – beharrte Lotte. – »Wenn ich in der Kochstraße Punkt acht antrete, muß ich auch um halb acht von Hause fort. Und nun brummen Sie nicht von vornherein, Kugel, gehen Sie in sich und bessern Sie sich, sonst hole ich kalten Kaffee!« – – »Auch noch, ich freue mich schon, bei der Kälte etwas Warmes in den Leib zu kriegen. Sie haben auch immer was!« – – »Kugel, nicht brummen, das steht Ihnen nicht, und sonst kriegen Sie keinen Mann! Sie wissen doch, daß ich für Sie einen auf dem Kieker habe! Na, erst hingesetzt, machen Sie aber keinen Fettfleck auf dem Stuhl und drücken Sie den Sitz nicht durch!« – –
Damit rannte sie fort, um das Frühstück zu besorgen. »Die Lotte ist wieder außer Rand und Band!« – sagte die Rätin entschuldigend und verlegen – »Sie müssen ihr schon nicht böse sein, Fräuleinchen, aber so macht sie es mit allen, sogar mit mir!« – –
»Gewiß doch, ich kenn' sie ja! Sie war immer ein verdrehtes Stück; aber wenn's Herz man gut ist!« – – »Nicht wahr!?« – rief Frau Bach, zuerst etwas erstaunt, dann aber erfreut. Sie enthielt sich weiterer Reden, denn die Tochter kam gerade wieder zurück! –
»Kommen Sie gleich mit zu mir, Kugel! Aurora hat bereits geheizt, und Ordnung ist auch. Nach der Fütterung des Raubtieres wird losgelegt. Ich muß leider helfen!« – – »Ei, dann habe ich Gesellschaft!« – antwortete die Schneiderin vergnügt. Sie war für einen kleinen Schwatz und Geselligkeit sehr eingenommen. Außer dieser verständlichen Neigung hatte sie noch eine andere Vorliebe. Sie war auf einer beständigen Suche nach einem Gatten, hatte stets und ständig irgend ein Verhältnis im Gang und starke Hoffnungen auf Verwirklichung ihrer Wünsche. Dennoch kam, stets von seiner Seite, etwas dazwischen, oder sie zupfte im letzten Augenblicke zurück, in der berechtigten Angst, sich und ihre Ersparnisse einem Unwürdigen anzuvertrauen, – Fräulein Bach kannte nicht nur diese Schwäche, sondern jeden der jeweiligen Prätendenten. Sie amüsierte sich königlich über die Schwankungen in den Aussichten und besprach sie immer mit der Heilert. –
Richtig, ein Stündchen später saßen das alte und junge Mädchen friedlich bei einander. Beide nähten. Lotte unter Anweisung der andern. Während des Stichelns und Einfädelns entspann sich nun folgende Konversation: »Sagen Sie mal, haben Sie den Briefträger Butschke wiedergesehen?« – – »Pah, der! Der ist doch man Hilfspostbote. Der ist längst verheiratet. Die Frau geht waschen. Ich danke!« – – »So, na, und der lange Schneidermeister, der dünne, der Ihnen immer die Bücher gab?« – – »Ach, sollte ich den 'ranfüttern, den langen Lulatsch? Nee, drei Sonntage ließ er mich die Futterei und das Eintrittsgeld berappen und präpelte nich schlechte. Dann aber hatte ich die Neese voll. Nee, dachte ich mir, lieber ißt du alleine zwei Portionen, da haste doch was von deinem Gelde. Da ließ ich ihn laufen!« – – »Wie haben Sie denn das gemacht, haben Sie ihm die Wahrheit gesagt?« – fragte Lotte. – – »Nee, so was macht man doch diplomatsch!« – – »Wie dann?« – – »Also dreimal habe ich ihn einfach versetzt und vor der Neuen Welt in der Hasenhaide sitzen lassen. Als er da noch nicht genug hatte und zu mir kam, habe ich einfach gesagt, es thäte mir leid; aber ich ginge nur mit bezahlenden Herren!« – – »Ließ er sich das so sagen?« – – »Nee, er meinte, er wollte es ja thun. Er sei nur momentan nicht bei Kasse. Fauler Zauber! Da habe ich ihm aber gesagt, er solle sich nich' irren! Ich hätte keinen Pfennig gespart und noch meine Maschine abzuzahlen und da – – – – – –« – – »Und da?« – rief Lotte gespannt. – »Da wurde er frech und schrie, ob ich mir einbildete, daß er mich alte Speckschwarte etwa aus Liebe nehmen würde? Da habe ihn aber 'rausgeschmissen!« – Die Heilert trat jetzt wütend die Maschine.
Lotte biß sich auf die Lippen. Sie fühlte sich aufs höchste erheitert. »Haben Sie von dem Buchbinder Denzke nichts mehr gehört?« – – »Na, der Schuft war ja noch nicht geschieden, das kriegte der Mieter 'raus, wo bei meiner Freundin wohnt!« – – »Und der Pensionierte Beamte?« – – »Denken Sie doch, Fräulein Lottchen, der hat zehn Kinder und zwölfhundert Mark Pension. Gegen den Mann hätte ich nichts, aber er ist schon Großvater, und zur Großmutter bin ich denn doch noch zu jung! – »Himmel, zehn Kinder, leben die alle?« – – »Natürlich, ein paar sind schon verheiratet!« – – »Na, wen hatten Sie denn noch so im Lauf der Zeiten im Gange, Kugel?« – – »Das soll ich heute noch wissen? Das können Sie nicht verlangen!« – – »Natürlich, wer nennt die Völker, zählt die Namen!« – – »Haben Sie denn nichts für mich, Fräulein Lottchen? Sie machten doch solche Anspielung?« – Die Schneiderin legte die Arbeit in den Schoß und blickte ihr Gegenüber aufmerksam an.
»Erst weitergenäht, Kugel, ich brauche das Kleid! Sie können auch so arbeitend zuhören!« – – »Herrje, sind Sie aber happig!« – – »Schad't nischt, sonst werden Sie alte Nöhlliese wieder nicht fertig. Ich kenn' doch meine Pappenheimer! Bei Ihnen dauert die Futterei schon immer lange genug! Und nun machen Sie nicht so 'n verbissenen Mund, das steht Ihrer netten Mondscheibe von Gesicht gar nicht!« – – »Na, Sie treiben es auch zu doll, Fräulein Lottchen!« – – »Quatsch! Übelnehmen giebt es unter Brüdern nicht! Also, Kugel, es stimmt, ich habe etwas für Sie in petto. Ein braver, solider Mann mit einem gangbaren Geschäft ist er.« – – »Ei was?« – Die Heilert strahlte. – »Schön ist er nicht!« – – »Das ist auch gar nicht nötig. Wie sieht er denn so ungefähr aus?« – – »Hm, ein bißchen unter mittelbrillant. Aber ganz ansehnlich groß ist er!« – – »So, größer als ich?« – – »Dazu gehört nicht viel, Sie Dreisechserkäse! Er hinkt ein wenig! – – – –« – – »Das ist ganz interessant!« Lotte machte eine Schippe: »Gewiß, so was ist Auffassungssache! Ja, und dann schielt er; aber man sieht es fast gar nicht, denn er trägt eine blaue Brille.« – – »Was für Haare hat er denn?« – – Lotte war beinah' verlegen. »Hm, der Bart ist schon graumeliert, oben – – – offen gesagt, Kugel, oben ist er ratzekahl! Na, Ihr Zopp ist ja auch zum An- und Abwachsen. Da haben Sie sich gegenseitig nischt vorzuwerfen!« Die Heilert schwieg eine Weile. Endlich sagte sie, aus ihrem Nachdenken emporfahrend: »Wer weiß, wie der aussieht? Wenn Sie schon so wenig von ihm erzählen, dann muß er an Schönheit nicht gerade sterben!« – – »Na, da hört doch die Weltgeschichte auf, wollen Sie alte Dampfnudel etwa einen Adonis haben? Mein Pieseke ist zwar keine Schönheit; aber er ist honett, im höchsten Grade honett!« – – Dies Fremdwort schien der andern sehr zu imponieren.« »Gewiß,« – meinte sie kleinlaut – »man heiratet ja nicht die Außenseite, wenn's Herz man brav ist!« – – »Na eben, sehen Sie, jetzt sind Sie vernünftig!« – – »Was ist er denn?« – – »Papierfritze, das heißt der Mann hat einen hübschen, kleinen Laden, wo er Papier aller Arten, Tinte, Federn und andere Sachen verkauft. Er macht einen sehr gebildeten Eindruck. Ich, zum Beispiel, plaudere immer mit ihm und bin erstaunt, wie nett er sich zu unterhalten weiß. Neben dem Geschäft liegt die Wohnung, zwei Zimmer. Und die sind eingerichtet! Fein, fein: Tüllgardinen, Vertikow, Plüschmöbel, so 'was Solides! Nee, im Ernste, Heilert, wenn Sie den kriegten, könnten Sie sich alle zehn Finger ablecken!«
Beide nähten. In der Heilert schien Pieseke bereits festen Fuß zu fassen. Sie lächelte vor sich hin. Plötzlich sagte sie: »Frau Pieseke – – – schön klingt das gerade nicht!« – – »Na, denn warten Sie gefälligst, bis ein Prinz von Hohenzollern um Sie anhält!« – erwiderte Lotte trocken. – – »Herrjeh, ich sag' doch man bloß so. – – – Wer besorgt ihn denn jetzt?« – – »Seine Amme!« – – »Wer?« – – »Na, seine Amme. Wer ihn besorgt, so eine dumme Frage!« – – »Ich meine doch, wer seine Wirtschaft besorgt?« – – »Meinen Sie ein anders Mal gleich richtig, Kugel! Seine Mutter lebt bei ihm, eine nette alte, weißhaarige Frau. Sie scheint krank zu sein, denn meist sehe ich sie durch die Glasscheiben der Thür im Nebenzimmer und in Tücher gemummt auf dem Lehnstuhl sitzen. Wenn man in den Laden tritt und er ist hinten bei der Druckmaschine, dann ruft sie immer so zärtlich: Paulchen! Kunden! – Und dann stürzt er hinzu!« – – »Wissen Sie, Fräulein Lottchen, wenn er ein guter Sohn ist, so will das heutzutage schon viel sagen! Arrangieren Sie die Geschichte man! Sie sind ja so ein Schlaumeier, Sie werden es schon machen. Natürlich!« – – »Gut, ich nehme es in die Hand, verlassen Sie sich auf mich, den kriegen Sie! Erst mache ich ihm den Mund wässerig, zeige Ihr Bild und dann richte ich es so ein, daß Sie mal zusammenkommen. Aber zu Ihrer Hochzeit lassen Sie ein »paar harte« springen und laden mich dazu ein, ja?« – – »Na aber, die Stifterin muß doch den Ehrenplatz an der Tafel habe»!«
Spät am Abend verabschiedete sich Fräulein Heilert nach gethaner Arbeit. Sie war diesmal, in blindem Vertrauen auf Lotte Bachs Tüchtigkeit, ihrer Sache ganz sicher. Selig dem heißersehnten Ziel näher zu kommen, schritt sie über die Straße. Frau Ladenbesitzer! Sie, in hübschen Kleidern hinter einem Ladentisch, die Kunden bedienend, hier und da einen gemütlichen, kleinen Schwatz abhaltend? Etwas Schöneres gab es ja gar nicht! Und schon der Titel: Frau, nicht immer das gräßliche, ewige Fräulein! – Was kam es da auf den Gatten selbst groß an! Wenn er man solide war und ihre »paar Kröten« zusammenhielt! Herr und Himmel, je weniger schön er war, um so mehr kam sie zur Geltung. Sie war kein Kind mehr und bei ihrer Dicke – – – – – – – – Schwamm drüber!
Lotte hatte jetzt viele Kleinigkeiten bei Herrn Pieseke zu kaufen. Bald waren es Federn, bald Briefbogen, bald Tinte. Ihr Bedarf wuchs fast ins Ungeheuerliche. Und stets hatte sie noch Ansichtspostkarten zu besichtigen, zu fragen und zu plaudern, um ihren Aufenthalt in dem Laden auszudehnen. Dabei war die Unterhaltung mit dem Verkäufer nicht etwa leicht! Im Gegenteil, meist mußte sich der bescheidene Mann mit einem antwortenden Lächeln begnügen. Die lebhafte Lotte war schon immer mit Gedanken und Fragen weitergeeilt, ehe er seine Erwiderung herausgestottert hatte. Denn Pieseke stotterte, stotterte sogar ganz bedenklich! Eine Thatsache, die seine Protektorin vorläufig noch wohlweislich der heiratswütigen Schneiderin verschwiegen hatte. An so etwas gewöhnt man sich schließlich, denn es ist bloß äußerlich! war ihr Trost. – Eines Nachmittages kam Fräulein Bach in das Geschäft, um lange Couverts zu besorgen. Sie trug ein Packetchen mit einer Photographie in der Hand, holte diese hervor und wies sie ihm hin.
»Sehen Sie sich nur mal die an! Ist das nicht ein nettes, freundliches Gesicht und eine kleine, sympathische Figur?« – fragte sie. – Er nickte und besah aufmerksam das Bild. – »Wissen Sie, Herr Pieseke, und eine gutherzige, lustige Dame ist es, tüchtig und klug! Das ist unsere Schneiderin, Fräulein Heilert, von der ich Ihnen schon so viel erzählte! Denken Sie nur, über viertausend Mark Ersparnisse hat sie, ist das nicht enorm?« – – Der Gefragte lächelte, ihr das Kärtchen reichend. »Und wie die mit den Leuten sprechen kann, famos! Das Mädchen ist dazu geboren, mal in einem Geschäfte zu verkaufen! Die zieht die Kundschaft an!« – –
So arbeitete Lotte langsam, ohne sich zu überstürzen. Jedesmal plauderte sie von der Heilert, kaufte und pries ihrerseits die kleine, dicke Person wie eine Ware an. Jedesmal lächelte Pieseke zuvorkommend und schob ihr mit immer größerem Entgegenkommen den Stuhl zum Setzen hin. Ab und zu warf er mühsam ein Wort in die Unterhaltung. – Nach einiger Zeit langte Lotte sich ihren Schützling: »So, Kugel, jetzt wickeln Sie sich ein, und kommen Sie mit zu Ihrem Zukünftigen! Sie sagen, daß Sie sich das Durchpauspapier selbst aussuchen müßten. Der Mann will! Der ist schon ganz rapplig nach Ihnen. Ein Wort von mir, und die Verloberei geht los! Vorerst sollen Sie sich mal das Geschäft, die Zimmer und den Knopp selbst ansehen. Ich habe Ihnen ja gesagt, eine Schönheit ist er nicht! Das sind Sie auch nicht! Also seid Ihr quitt! Und dann wundern Sie sich nicht, er stottert etwas. Das ist aber ausgezeichnet, dann kann er nicht das große Wort führen, und Sie haben Oberwasser. Gott, machen Sie ein Gesicht wie die Katze, wenn es donnert! Das ist doch nicht weiter schlimm! Ein Buckel wäre fataler! Allons jetzt, angezogen!«
»Stottern thut er auch?« – versetzte die Heilert darauf betroffen; aber sie enthielt sich jedes weiteren Urteils, um ihre Ehestifterin nicht böse zu machen. Sie wollte sich jetzt erst selbst von allem Wissenswerten in Kenntnis setzen. So schritt denn Lotte als Amor mit ihrem Schützling über die Straßen bis zu dem betreffenden Geschäft. –
Das große, geschmackvoll dekorierte Schaufenster, der hübsche Laden verfehlten entschieden den Eindruck auf die Schneiderin nicht. Schmunzelnd musterte sie alles, spähte dreist durch die Glasthür in das Nebenzimmer. Darauf wurde sie noch vergnügter. »Na, wo bleibt er denn?« – raunte sie Lotte aufs höchste gespannt zu. Diese rückte stark mit dem Stuhle, hustete – – – – – worauf nebenan die bewußte Stimme: »Paulchen! Paulchen!« rief. Eine bange Sekunde. Paulchen erschien mit dem ihm eigenen Grinsen. –
Fassungslos prallte die unselige Heilert zurück. So entsetzlich hatte sie sich den edlen Pieseke denn doch nicht gedacht! –
Lotte unterdrückte die kaum zu bändigende Lachlust nur schwer. Da die andere keine Anstalten machte, um an den Tisch zu treten, mußte sie den Einkauf selbst übernehmen. Sie that es und brachte den Unglücklichen sogar zu einigen Antworten, die nur langsam von statten gingen. Die Heilert beäugte ihn von weitem, ängstlich, beinah' hilflos wie die Maus die Katze, die im Begriff ist, auf sie zu stürzen. – Kaum waren sie aus dem Geschäft, so ging der Jammer und die Empörung los. »Aber, Fräulein Lotte, das ist ja der reine Schimpanse! So was von Häßlichkeit giebt's ja gar nicht wieder! Keine Haare, keine Zähne! Schielen, stottern, lang, wie der Tag vor Johanni und dürr, pfui Teufel! Nich' in die Tüte! So ein Scheusal!« – – »Sie sind wahnsinnig und oberflächlich wie ein grünes Jöhr!« – donnerte Lotte los, in dem richtigen Gefühl, daß man mit Gebrüll am weitesten kommt, wenn logische Gründe versagen. – »Heiraten Sie sich nur einen schönen Lumpen, der Ihnen Ihr Geld durchbringt. Sie werden noch tüchtig 'reinfallen, Sie altes Gestell, Sie! Die Solidität, das edle Herz, die Bravheit, die gediegenen Verhältnisse, das spielt bei Ihnen gar keine Rolle, was? Natürlich – – – – –«
Und so ging die Moralpauke fort, bis die Heilert ganz betäubt und windelweich war. Jammernd gab sie Lotte in allem recht und gestattete ihr sogar, daß sie am nächsten Tage mit Pieseke endlich ein offenes Wort sprechen sollte. Ging er ein auf Lottes Vorschlag, so konnte er Sonntag mit ihr sich irgendwo treffen. Das nächste Mal konnte man dann die Geschichte endgültig ins Reine bringen. – Lotte wollte alles einfädeln und der Heilert in einem Brief das Resultat ihrer letzten, wichtigen Unterredung mitteilen. –
Am nächsten Vormittag betrat Lotte den Laden in der festen Absicht, durch Offenheit und Energie das gesteckte Ziel zu erreichen. Nach einigen Einleitungsphrasen ging sie ans Werk. »Wie alt sind Sie eigentlich, Herr Pieseke?« – – »Fünfzig!« – stotterte er verwundert. – –»Ja, da ist es aber die höchste Zeit! Himmel, Sie müssen in geordnete Verhältnisse kommen! So geht das nicht weiter!« – – Er blickte sie betroffen an. –
»Haben Sie gestern Fräulein Heilert gesehen?« – – Er nickte. – – »Gefällt Ihnen das Mädchen?« – – »O – – – ja – –!« – – »Na also, wer die kriegt, kann sich gratulieren: tüchtig, arbeitsam, gediegen, hübsch, schon gesetzt, energisch!« – – Pieseke schaute hilflos. – – »Ich möchte Fräulein Heilert gern verheiraten. Sie sollen sie kennen lernen! Sehen Sie, Herr Pieseke, Sie leben so allein, das reine Einsiedlerleben. Sie sind ein hochachtbarer Mann; aber glauben Sie mir, Ihr Geschäft würde hundertmal mehr bringen, wenn Sie eine redegewandte Hilfe hätten! – – – – – – – Sehnen Sie sich nicht nach Familie?« –
Er nickte schweigend. – – »Drum eben! – – »Was soll man machen?« – stammelte er. »Vertrauen Sie sich mir an!« – erklärte Lotte überzeugt. Er knickte vor Entsetzen fast zusammen. – »Ohne Spaß, ich verstehe das doch! Herr Gott, ich bin doch nicht auf den Kopf gefallen!« – meinte Lotte. Pieseke glotzte sie starr aus seiner blauen Brille an. Das war ihm denn doch noch nicht vorgekommen! – »Herrjeh! was sehen Sie mich so an, ich rede doch keinen Kohl! Wirklich, ich meine es gut mit Ihnen! Sie dürfen nicht so allein sein! Die arme, kranke Frau da ist kein ausreichender Verkehr für einen jungen Mann wie Sie!« – – »Was, wa – – a – – s?« rief er. – – »Nein, wahrhaftig nicht, Herr Pieseke, Sie sollten – – – – – heiraten!«
Er fiel wie ein Mehlsack auf einen Stuhl, der zufällig bereit stand. »Nein, wirklich, Sie sollten Fräulein Heilert heiraten, dann wäre Ihnen allen geholfen!« – – Pieseke glotzte sie an. Plötzlich ging ein Strahl der Erkenntnis über sein unschönes Gesicht. Er grinste. Die Erleuchtung schien seine Zunge zu beflügeln, denn fast ohne zu stottern, stieß er hervor:
»A – – ber, gn – – – ädiges – – – Fräu – – – l – l – ein, ich bin – – ja – – l – – längst verheiratet – – –, dr – – in – – sitzt j – ja mm – – eine Frau!« – – Damit hielt er ihr die Hände hin. Richtig, da saß am vierten Finger der rechten der schmale, abgenutzte, runde Goldreifen.
»Himmeldonnerwetter!« – rief Lotte – »O, ich Kamel!« –
Schleunigst trat sie den Rückzug an, sich im stillen mit nicht gerade schmeichelhaftem Namen bezeichnend. Was sollte sie der armen, schnöde betrogenen Heilert schreiben? – – – Es dauerte lange, ehe sie den Brief formuliert hatte. Endlich war er so weit. Er lautete:
»Liebe, kleine Kugel!
Danken Sie Gott, daß Sie den Schimpansen nicht zu kriegen brauchen! Sie hatten ganz recht, daß Sie ihn gleich nicht wollten! An so ein Gesicht gewöhnt man sich doch nicht. Dazu, das heißt, zu so was haben Sie noch in zwanzig Jahren Zeit genug. Um so einen Ichneumon zu kaufen, haben Sie sich nicht redlich geschuftet und fleißig gespart! Ich gebe Ihnen vollständig nach! Es ist famos, daß Sie nicht mögen! – Im übrigen ist er seit zwanzig Jahren verheiratet. Seine Frau ist krank! – Schad't nix, ich kriege Sie doch unter die Haube, morgen versuche ich es bei unserm Uhrmacher, ein famoser, hübscher Kerl, gut zu Ihnen passend! Leben Sie wohl! Es grüßt Sie herzlich