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»Nun ja,« sagte Kikimora eines Abends zu Lila. »Ich habe mein Tag danach gestrebt, mit aller Welt Freundschaft zu halten, die Mäuse und die großen Käfer ausgenommen. Aber gelungen ist es mir nicht. Ist das nicht eine recht niederschmetternde Erkenntnis?«
Seit einigen Nächten hatten sie auf dem Kirchturme des Dorfes ein Stelldichein, in der Glockenstube. Die schmalen Schallöcher gestatteten einen herrlichen Ausblick auf die mondblaue Landschaft, über die Wälder, über die Felsen, über den stillpilgernden Strom. Auch Kieder und Suska waren da. Sie hatten noch ein paar Schleierkäuze mitgebracht, die seit Jahren in einem Steinbruch wohnten. Nette Leute, ein bißchen wortkarg, aber besinnlich und im ganzen liebenswürdig. Nun, Kilian sagte ja auch nicht viel.
Kikimora hätte ihren Mann gern ein wenig beweglicher gesehen, ein wenig temperamentvoller. Aber er sagte: »Tja, du mußt bedenken, ich habe den größten Teil meines Lebens außerhalb der Gesellschaft gestanden. Damals hatte ich mich allen Verkehrs entwöhnt. Das hängt mir noch an.«
Richtig. Er erklärte seine einsiedlerischen Gepflogenheiten nicht ungeschickt. Und Kikimora hatte ja nun auch viele Bekannte. Da konnte sie ihren Mann gewähren lassen. In den letzten Tagen hatte sie übrigens eine Veränderung an ihm wahrgenommen, eine Veränderung seelischer Art. Darüber war sie erfreut; denn eifersüchtige Regungen waren ihr – wenigstens in dieser Jahreszeit – fremd.
Kilian hatte gleich zwei, die ihn begehrenswert fanden: die kleine Lila und Frau Kunz, die Waldkäuzin.
»Hm,« sagte Kikimora zu der behäbigen Witwe, »bei Ihnen finde ich das allerdings ein bißchen sonderbar. Ich glaube, wenn Sie sich umtäten, so müßte es Ihnen doch nicht schwerfallen, einen Gatten zu finden. Mir scheint, Sie sind zu bequem dazu.«
»Ach wo,« sagte die Kunzin, »ich habe einstweilen gar nicht das Bedürfnis zu heiraten.«
»Bei einer Ihres Schlages ein seltener Fall,« warf Kikimora ein.
»Ganz gewiß. Ich bin nun einmal eine Frau von Eigenart.«
Kikimora konnte sich nicht helfen: sie fand diese Eigenart ganz einfach in der Faulheit der Kunzin. Nun, aufdringlich benahm sich die dicke Witwe Kilian gegenüber nicht. Deshalb brauchte sich Kikimora auch nicht zu entrüsten. Mit der kleinen Lila war das schon etwas anderes. Aber Kikimora hatte für die Lage der Zwergeule volles Verständnis. Lila war vom Leben verschlagen. Sie war an diese Landschaft gefesselt wie Robinson auf sein Eiland im Ozean. Sie hatte Sehnsucht nach ihrer Heimat in den dalekarlischen Wäldern. Aber die Liebe zu ihrem gefangenen Kinde hielt sie im fremden Lande. Weit und breit war ihr hier niemand versippt. Deshalb beglückte sie die liebenswürdige Teilnahme Kilians für ihr Schicksal.
So fand sich im Laufe der Nächte ein Freundeskreis zusammen. Nach dem abendlichen Jagdausfluge traf man sich in der Glockenstube. Auch die Ohreule Lulu mit ihrem neuen Gatten gehörte dieser Vereinigung an. Er hieß Graukopf, war aber keineswegs ein Greis an Jahren. Man blieb da regelmäßig versammelt bis über die Mitternacht hinaus. Sehr hübsch war es und unterhaltsam. Man pflegte der Verdauung. Man warf Gewöll aus, man schnurrte ein bißchen wie die Katzen am gemütlichen Herdsitz oder wie die Spinnräder der alten Frauen in den Dorfhäusern. Deshalb nannte sich der Verein auch die Spinnstube. Man verzog die Gesichter recht wunderlich, wenn der Hammer der kleinen Glocke sich hob und den hellen Schlag hinausviertelte in die schlafende Welt. So war der Unterhaltung immer genug. Und noch viel possierlicher war das Spiel der Mienen, der Augenlider und Nickhäute, wenn der dunkle Stundenschlag das balkige Hochgemach durchdröhnte.
Anfangs hatten sie dem allem mit unverkennbaren Zeichen des Schreckens gegenübergestanden. Nur die Kunzin tat sehr überlegen. Ihr verflossener Ehemann hatte die Turmstube nämlich schon im Frühling entdeckt. Darum waren die klingenden Glocken für die Kunzin ein längst erprobtes Erlebnis. Und sie hatte Kilian und Kikimoren daheraufgeführt, um sich an ihrem Entsetzen zu werden. So war der Verein Spinnstube zustande gekommen.
Übrigens: selbst die Kunzin war nicht so gedankenlos wie sie aussah. »Es muß ein Zusammenhang bestehen zwischen den lauten Glockenrufen und den nächtlichen Lichtern in den Menschenhäusern,« stellte sie fest. Es war ihr ein besinnliches Vergnügen, zu beobachten, wie die hellen Fenster der Häuser finster wurden, die meisten, wenn es zehn Uhr geschlagen hatte. Nur hie und da blieb eins in kümmerlichem Lichte stehen bis über die Mitternacht hinaus, zum Beispiel bei der alten Auszüglerin, bei der die kleine Lila ihr gefangenes Töchterchen füttern mußte.
Das alles waren nachdenkliche Sachen. Und dann: wie hübsch war es, wenn das Horn des Nachtwächters auf der menschenstillen Dorfstraße erklang! Und wie stimmungsvoll war der Schritt des alten Mannes, der den Spieß im Wandern immer neben den rechten Fuß setzte! Wenn es nach menschlichen Begriffen ganz finster war, dann schaukelte sogar ein Laternlein in dieses Wächters Hand. Kurz, es gab für die Kunzin aus dem Schalloche, in dem sie ihren Stammsitz hatte, da unten im Menschenland immer etwas zu sehen. Stundenlang konnte sie zuschauen. Sie lugte auf die Tür des kleinen Hauses am Dorfende, denn sie wußte: nun mußte die sich öffnen, und der Wächter mußte heraustreten. Sie wartete auf den ersten Hornruf. Und sie wartete auf den rauhen Gesang des Hüters der Nacht: »Hört, ihr Leute, und laßt euch sagen, die Glocke hat zehn geschlagen. Bewahrt das Feuer und das Licht, daß niemand ein Schade geschicht …«
Ja ja, die Kunzin konnte die ganze Dorfnacht auswendig. Und sie durfte sich solch ein beschauliches Dasein auch leisten. Denn sie hatte ihren Freund Kilian recht ordentlich im Zügel. Nicht, daß sie in ihrer rundlichen Behaglichkeit ganz auf einen Flug in die Nacht verzichtet hätte – o nein! Aber dies Fliegen betrieb sie mehr des Vergnügens wegen. Für ihre Ernährung hatte im allgemeinen Kilian zu sorgen. Das hatte sie ihm gleich in den ersten Abenden sozusagen spielend beigebracht. Sie beide hatten gerade in einem Schalloche Platz. Von dort aus schauten sie hinab auf den Kirchhof.
»Guck' mal, Kilian,« sagte die Kunzin, »da unten auf dem dritten Hügel in der siebenten Reihe wuselt etwas. Du erkennst es natürlich nicht.«
Kilian guckte also. Das sah sehr ergötzlich aus, denn er mußte dabei den Kopf ein wenig neigen und lugte über den Schnabel hinweg wie ein Professor über die Brillengläser.
Es war dunkelblaue Mitternacht. »Hi,« sagte er, »du meinst die Spitzmaus? Jetzt schleckt sie gerade den Tropfen Tau aus der Glockenblume …«
»Ganz recht!« entgegnete die Kunzin. Aber sie sah ihn zweifelnd an. »Deiner Beschreibung nach könnte man meinen, du habest die kleine Maus beobachtet. Aber, Kilian, ich glaube, du hast dir das alles erdichtet. Man kennt euch Männer! Sonst wärest du gewiß schon hinabgeflogen.«
»Ach wo!« sagte Kilian. »Ich mache mir einfach nichts aus Spitzmäusen.«
»Dann weißt du nicht, was gut ist! Mach' dich nützlich, Kilianchen, und ho? sie mir!«
Kilian wollte natürlich zeigen, was er konnte. Die kleine Maus wischte sich den Mund mit den Pfötchen. Da hatte er sie schon im Fange. Wie eine Blume pflückte er sie ab von der stillen Grabstatt. Und die Käuzin ließ sie sich schmecken. Es machte ihr auch niemand die Mahlzeit streitig, denn das ist bei den Eulen nicht Brauch.
Und so schickte sie ihn über das Herz der Nacht hinweg immer ein halbdutzendmal hinunter. Es mißlang ihm nie ein Fang. Auch die anderen fanden das unterhaltsam, sich so von der Höhe des Turmes mit leisen, angezogenen Schwingen hinabzustürzen auf eine Beute.
In der Mitternacht fehlte nur Lila der Spinnstube. Mit der Pünktlichkeit einer verläßlichen Uhr erklang um diese Zeit der Schlag ihrer Schwingen vor dem Fenster der alten Frau. Und Graulieschen, Lilas Tochter, schaute dann schon sehnsüchtig heraus. Manchmal mußte sie der Alten auch ein Zeichen geben, wenn die am Tisch einmal eingenickt war und ihre Hände über dem Strickstrumpf im Schoße schliefen.
Die Kunzin beobachtete diesen Vorgang in jeder Nacht. Lilas Anhänglichkeit rührte sie sehr. Im übrigen aber hatte sie für die Zwergeule nicht viel übrig. Deshalb würdigte sie die Kleine keines Worts.
»Ich begreife dich nicht, Kilian,« sagte sie, »diese verkümmerte Person mit ihrem Spatzenkörper!«
»Gefällt mir gerade!« behauptete er. »Dazu ist sie von einer rühmlichen Begabung.«
Hm. Dagegen war nicht viel zu sagen. Lila übertraf all ihre größeren Verwandten an Fixigkeit, Leisheit, Zielsicherheit auf der Jagd. Sie war sich ihrer Erfolge bei Kilian auch bewußt. Die Kunzin täuschte sich darüber keinen Augenblick. Und schließlich: Gattinnenrechte hatte sie ihm gegenüber ja nicht geltend zu machen. »Hab' ich nur deine Liebe,« dachte sie, »die Treue brauch' ich nicht.« Sie fand ihr Freundschaftsverhältnis zu Kilian sehr praktisch.
Einmal gegen Morgen – es war die Zeit, in der die Eulen sonst aus der Spinnstube schon aufgebrochen waren – einmal gegen Morgen kam ein heftiges Unwetter. Deshalb saßen sie noch beisammen. Es wurde lichter Tag. Alle schliefen und hatten sich dazu in einer dichten Reihe auf das Gebälk gesetzt.
Da kam der Glöckner. Ein seltener Besuch. Ja, selbst die Kunzin hatte so etwas noch nicht erlebt.
Die stillen grauen Nachtgesellen fesselten den Mann offenbar sehr. Die Kunzin, die ihm durch ihre Behäbigkeit auffiel, krabbelte er mit dem Finger am Bauche. Sie rüppelte sich ein bißchen und kicherte. Und die anderen schnitten Gesichter, daß der Gast aus dem Menschenlande laut auflachte.
»Na, und du?« sagte er zu Kikimora. »Du Kleine, du Feine!« und krabbelte sie auch. Ihre hübsche, geschmeidige Erscheinung bewunderte er.
»Huhuhuhuuu!« machte Kikimora und flog einen Sparren höher.
Reglos stand der Glöckner. Dies Eulenlachen klang hier zwiefach gespenstisch und hexenhaft. Reglos saß auch Kikimora. Für solche Lagen hatte sie die Angewohnheit, sich in ein Stück Holz zu verwandeln. (Man weiß, wie das gemeint ist.)
War es, weil ihm Lulu, die Ohreule, den Rücken zukehrte, oder war es, weil sie aussah wie ein Uhu im ersten Jahre seines Lebens: der Glöckner breitete seine Hand über Lulu aus wie einen Schirm, nahm sie auf und trug sie von hinnen. Graukopf, ihr Mann, knappte wütend mit dem Schnabel. Er schlug ein paar bedrohliche Kreise um den Glöckner. Dann flog er in ein Schalloch und strich erregt hinaus in den Tag.
»O weh!« sagte die kleine Lila.
»Sie haben immer etwas zu lamentieren!« begann die Kunzin. »Warum ist sie denn nicht weggeflogen?«
»Man wird doch noch Mitleid mit seiner Freundin haben dürfen!« sagte die Zwergeule. »Gefangenschaft ist nichts Schönes.«
»Das kann ich bestätigen,« mischte sich Kikimora von oben her ein.
»Sehr richtig!« bemerkte Kieder. »Ich bin in meiner Jugend einmal auf die Insel Helgoland verschlagen worden. Dort haben die Menschen sogar die barbarische Gewohnheit, Eulenfleisch als eine Delikatesse zu betrachten. Können Sie sich so etwas vorstellen?«
Ein Hohngelächter folgte diesen Worten.
»Wenn es Lulu nur nicht auch so geht!« fistelte die Zwergeule. »Am Ende kommt doch alles auf meine Rede hinaus: die Menschen sind ein Geschlecht, dem wir sehr mit Vorsicht zu begegnen haben. Meinen Sie nicht, daß auch dieser Glöckner ein Eulenesser ist?«
Sie grauten sich dabei entsetzlich ab. »Man hat hier von solchen verwerflichen Gewohnheiten noch nichts gehört,« antwortete Kikimora der kleinen Lila.
Die Kunzin, neugierig wie sie war, hatte inzwischen einen Platz im Schalloch eingenommen. Von dort aus wollte sie versuchen, über das Schicksal ihrer Gevatterin Lulu etwas in Erfahrung zu bringen. Sie hatte die letzten Worte Kikimoras gehört. »Nehmen Sie nur die Menschen nicht in Schutz!« rief sie ihr zu.
»Mir ist am wohlsten, wenn ich keinen sehe!« sagte die kleine Lila. Sie war sehr verbittert. Das kam in der Hauptsache daher, weil die Altenteilerin ihr Kind an die Kette gelegt hatte.
»Aber Sie müssen doch auch bedenken, daß die Kleine die einzige Freude der alten Frau ist,« sagte Kikimora mit spitzfindiger Überlegenheit.
»Sie haben immer etwas zu quengeln!« rief die Kunzin. »Und Sie, kleine Lila, Sie brauchen sich auf Ihre Klugheit gar nicht soviel einzubilden. Ich wette, wenn Sie nicht in jeder Mitternacht Ihre verwöhnte Tochter atzten, dann hätte die alte Frau sie schon längst freigegeben. Glauben Sie etwa, die sei noch behend genug, selber Mäuse zu fangen?«
Das war ein verwünscht gescheiter Gedanke. Aber Lila hatte ihn schon selber gehabt. Nur fürchtete sie, wenn sie es darauf ankommen ließe, würde ihr einziges Kind mit Sicherheit verloren sein. Der Kunzin hinwiederum lag daran, Lila loszuwerden. Sie konnte diese kleine Person nun einmal nicht leiden. Lilas Gemüt war jedoch sehr aus dem Gleichgewicht gekommen durch die Rede der Kunzin. »Was meinen Sie dazu, Gevatterin Kikimora?« fragte Lila.
»Tja,« antwortete die, »man kann darüber geteilter Meinung sein. Auf alle Fälle: probieren müssen Sie es wohl einmal.«
Die Unterhaltung wurde erregter. Zum Vorteile der Menschen ward wenig vorgebracht. Und schließlich ging die allgemeine Meinung dahin, daß die Menschen und die Tagvögel verachtungswürdig seien.
Kikimora hatte wiederholt die gegenteilige Ansicht vertreten. Aber sie drang damit nicht mehr durch. Und wenn sie die Summe ihrer Erfahrungen prüfte, so mußte sie sich sagen: die Überlieferung, die ihre Sippe in das gestirnte Reich der Nacht verwies, war in jeder Weise hochzuhalten. In den Nächten schlief aller Haß. In den Nächten gingen die Mäuse spazieren und was sonst schmackhaft war. In den Nächten schlief auch die Dummheit der Menschen, die mit Stein und Feuerrohr hantierte. Von der törichten Ansicht, daß die Eulen nur in der Finsternis sähen, war natürlich gar nicht zu reden.
Auf einmal – »Achtung!« rief die Kunzin von ihrem Beobachtungsposten her. »Jetzt ist der Eulenfresser aus der Kirche getreten. Er geht am Pfarrhaus vorüber. Es laufen die Kinder zusammen, die auf dem Weg in die Schule sind. Alle staunen unsere Freundin Lulu an. Die Mädel decken sich ihre Flachshaare mit beiden Händen zu und rufen: Eine Waldhexe! Ein Nachtgespenst! Sie bilden sich nämlich ein, wir raufen ihnen die Haare aus, um sie für unsere Nester zu verwenden.«
»Welch eine ungeheure Albernheit!« entrüstete sich Kikimora. »Da hätten wir viel zu tun!«
»Huhuhuuu!« lachte Kieder. An dem einfältigen Märchen war sein Großvater schuld. Einmal in der Dämmerung nämlich war der Küster ohne Hut sinnierend auf dem Kirchhofe herumspaziert. Da hatte sich ihm Kieders Großvater, ein zerstreuter alter Schleierkauz, auf den Kopf gesetzt. Als der Küster unter ihm zu hupfen begann, erkannte der Kauz sofort seinen Irrtum. Mit Geheul und Eile strich er von dannen. Dabei blieb ihm die Perücke des Mannes in den Fängen. Der machte natürlich ein großes Aufheben von dieser Geschichte. Und den befangenen Sinnen der Menschen war es nun klar: der zerstreute Schleierkauz hatte den falschen Haarschmuck stehlen wollen. Von Stund' an übertrug man dies vermeintliche Gelüst auf die ganze Sippe der Eulen.
»Huhuhuuu!« ertönte es durch die Versammlung. Inzwischen berichtete die Kunzin eifrig weiter, was auf der Dorfstraße geschah. Es verstand sie natürlich niemand. Endlich verschaffte sie sich wieder Gehör. »Ah! Jetzt geht der Glöckner mit der Gevatterin Lulu ins Jägerhaus!«
Das war das letzte, was sie zu sehen bekam. Und sogleich war man in der Spinnstube der Meinung, der Jäger werde nun wohl sein Feuerrohr holen und die arme Lulu totschießen. Eine ungeheure Empörung bemächtigte sich aller. Sie konnten gar nicht begreifen, warum sie dem Glöckner nicht aufsässig gewesen waren. Hatten sie ihn nicht wie geistesabwesend betrachtet?
»Ich sag' es ja, wir vertrauen dem Menschen in geradezu lächerlicher Weise. Aber er ist dieses Vertrauens unwürdig!« belehrte die kleine Lila die anderen.
»Nein, es liegt daran, daß wir uns mit den Einrichtungen des Tages zu wenig vertraut machen!« behauptete Kikimora. »Wir müßten uns nach ganz anderen Gesetzen richten, wenn wir auf der Höhe des Lebens stehen wollen, die uns bei unseren scharfen Sinnen zukommt. Wir haben alle Fähigkeiten, aber wir entwickeln sie zu einseitig.«
So wollte jede recht haben.
»Ach was,« schrie die dicke Kunzin, »tut euch nicht so wichtig! Und kommt mir ja nicht mit neuen Gesetzen! An allem ist das Unwetter schuld, das in der Morgendämmerung mit Sturm und Hagelschlag über die Welt prasselte.«
»Natürlich!« gab ihr Kieder recht. »Wir für unseren Teil sind mit der bestehenden Ordnung der Dinge sehr zufrieden!« Er liebte das Hergebrachte. »Komm, Suska!« Und mit leisem Fluge strichen sie ihrem behaglichen Wohnsitz auf dem Gutshofe zu. Kikimora und Kilian suchten bald danach ihre Felsenburg auf.