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Siebenunddreißigstes Kapitel

Als sie daheim die Tür öffnete, um nachzuschauen, warum Binne säumig sei, fiel ihr Kerzenglanz aus der einsamen Stube entgegen. Der kleine Weihnachtsbaum war leicht zu verbergen gewesen – nun hatte ihn Binne mit flimmerndem Golde behängt und hatte Lichter auf seine Zweige gesetzt. Neben dem Baume war der Tisch mit weißem Laken überdeckt und es war ein einfaches Nachtmahl für zwei Leute hergerichtet.

Kei Bonken setzte sich überrascht in den Armstuhl; da kam Binne von draußen und trug Speiseschüsseln und Brot herbei. Seit Jürgen Bonken nicht mehr heimgekommen war, hatte kein Weihnachtsglanz in die Einsamkeit dieses Hauses gestrahlt; die beiden Frauen hatten den Abend sonst im Hause Knudt Klähns gefeiert. Der heutige hatte Binne Bonkens Herz seit Wochen mit Sorgen erfüllt; in den Nachbarhäusern hatte man sich schon daran gewöhnt, die Namen des Mädchens und Jochen Klähns in einem Atem zu nennen; denn sie dachten jenes Tages der Heimkehr, an dem der Seefahrer die Hände des Nachbarkindes am Saume des Meeres in den seinen gehalten und gesagt hatte: Du bist stark und schön geworden, Binne Bonken.

Nun zog Binne die weißen Vorhänge vor die kleinen Fenster und setzte sich mit der Mutter zu Tisch.

»Hattest Du mich denn daheim erwartet, weil Du die Kerzen angesteckt hast?« fragte Kei Bonken beim Essen.

Da hob das Mädchen seine stillen blauen Augen empor: »Ja, Mutter. Ich dachte, du würdest mich suchen, wenn ich nicht mit Hertje Nomsen zurückkehrte.«

»Weißt Du auch, daß Dich die anderen erwarteten, daß man nach Dir verlangte?«

Da flog eine Röte auf Binne Bonkens Stirn, die verriet dem Auge der Mutter, was ihr Ohr nicht aus der scheinbar gleichgültigen Rede ihres Kindes zu hören vermochte: »Es mag sein. Aber ich dachte: warum können wir zwei denn nicht auch daheim froh sein? Tat ich recht?«

Da sann Kei Bonken; dann sagte sie: »Meinst Du nicht, daß wir noch einmal hinübergehen?«

»Ich finde mich nicht zurecht in ihrer lauten Freude, Mutter.«

»Sie sind nicht laut, Kind. Ich glaube, die Einsamkeit unseres Hauses hat uns den anderen fremd gemacht. Solltest Du nicht auch gern sein, wo die anderen froh sind?«

»Solang ich nicht bei ihnen bin, Mutter – ich meine: wenn noch unsere tiefe Einsamkeit um mich ist, mit der nur immer die Uhren reden, dann denk ich das wohl auch. Aber ...«

»Nun?«

Binne Bonken schwieg und sah auf den Rand ihres Tellers. Dann legte sie Messer und Gabel leise hin, und weil sie merkte, daß Kei Bonken immer noch auf ihre Antwort wartete, erhob sie die Augen nicht mehr.

Da fragte sie Kei Bonken gerade heraus: »Bist Du wegen Jochen Klähn nicht hinübergegangen?«

»Ja, Mutter.«

Draußen pochten eilige Finger an die Scheiben und gleich darauf schlüpfte Antje Nomsen in die Stube, die Augen voll von jungem Mutterglück. Sie kam, Binne Bonken zu sagen, wie schön sie gewesen sei.


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