Gustaf af Geijerstam
Wald und See
Gustaf af Geijerstam

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Anders Petters Geld

Auf einem schlechten Hof weit draußen am Meeresstrand saß ein Bauer und grübelte darüber nach, wie er sich Geld verschaffen könnte. Der Hof war nicht so schlecht, als der Bauer glaubte. Denn es war viel Wald da. Aber der Bauer war nie auf den Gedanken gekommen, daß der Wald so viel wert sein oder daß man ihn abhauen und zu Geld machen könnte. Der Bauer hieß Anders Petter. In den letzten Jahren war ihm alles, was er unternommen hatte, schnurgerade wider Wünschen und Erwarten gegangen. Die Ernte war fehlgeschlagen, der Flachs war in einer Sturmnacht zerstört worden, und sein Sohn ging nach Amerika, weil er keinen andern Ausweg sah, der Einziehung zum Militär in Schweden zu entgehen.

Aber trotzdem er volle fünfundfünzig Jahr alt war, dachte Anders Petter doch, es könne sich eines schönen Tages für ihn ebenso gut wie für so viele andere wenden. Seine Frau war älter als er, alt und kränklich von vielen Wochenbetten. Konnte sie nicht sterben? Konnte er sich nicht wiederverheiraten? Konnte er nicht neue Kinder haben, an Stelle aller derer, die gestorben waren und dessen, der nach Amerika gegangen war? Und wenn die Alte auch nicht starb, so konnte er darum doch Glück haben und alles konnte anders werden und besser, als es je gewesen war.

Anders Petter hoffte immer auf bessere Tage. Das tat auch seine Frau, und hätten sie das nicht alle beide getan, so hätten sie die Last des Lebens gar nicht ertragen. Denn so, wie es jetzt war, hatten sie es nicht schön, und so recht einig waren sie für gewöhnlich auch nicht, wenn die Wahrheit gesagt werden muß.

Anders Petter gerade gegenüber, auf der andern Seite der Bucht, wohnte ein anderer Bauer, der Johan Agust hieß. Er war Gemeinderat in seinem Dorf und ein ganz geriebener Kerl. Er wohnte so nah, daß man den ganzen Winter über und im Frühjahr, eh das Laub ausgeschlagen hatte, von Anders Petter aus das Dach des Wohnhauses auf Johan Agusts Hof und einen Schimmer der Glasveranda sehen konnte, die für die Sommergäste dort gebaut war. Johan Agust war es nämlich gut gegangen in all den Jahren, in denen es Anders Petter schlecht ergangen war. Ernte und Fischerei waren geraten, und sein Sohn war nicht darauf verfallen, nach Amerika zu gehen. Darum geschah es auch oft, daß Anders Petter und sein Weib scheel blickten, wenn sie zu Johan Agust hinüberschauten, und ihn beneideten, und in ihrem Herzen geheimen Groll gegen sein Glück empfanden.

Aber Johan Agust, dem es gut ging, dachte seinerseits, es könnte ihm wohl noch ein bißchen besser gehen; das kam daher, daß Johan Agust die Zeitung las und daraus lernte, wie die Leute im Handumdrehen Geld verdienen konnten wie Heu. Besonders die Brandartikel über das unglückliche Norrland hatte er gelesen, wo die Bevölkerung durch schamlose Spekulationen ausgesaugt und die Wälder um einen Spottpreis verkauft wurden, während die Käufer, die aus zweiter Hand kaufen, Millionäre wurden. Nun war die Moral dieser Artikel, die alle darauf ausgingen, zu zeigen, wie unrecht das ist, an Johan Agust total verloren gegangen. Teils verstand er vielleicht all das Schöne und Erbauliche, das die Artikel enthielten, nicht recht, teils war er vielleicht auch nicht so angelegt, daß dies Schöne und Erbauliche ihm paßte. Denn Johan Agust war es nie auch nur im Traum eingefallen, daß er irgend welche Skrupel kennen könnte, wenn es galt, Geld zu verdienen. Darum ging die Moral der Brandartikel an ihm verloren. Den größten Eindruck machte auf Johan Agust die Tatsache, daß sich an Wald ein solcher Batzen Geld verdienen ließ, und mehr als einmal dachte er bei sich selbst:

»Wär' ich bloß in Norrland, da sollt's der Kuckuck holen, wenn ich nicht auch vorwärts käme.«

Aber Johan Agust war eben nicht in Norrland und dachte auch nicht daran, dorthin zu reisen. Als kluger Kerl, der er war, begann er statt dessen auf den Wald zu spekulieren, der ihm erreichbar war, und mehr als einmal saß er und blickte hinüber nach Anders Petter, bis er sich entschloß, an einem Frühlingsmorgen sein Boot zu nehmen und über den Sund zu rudern, um den der Wald in der Maisonne feucht schimmerte.

Natürlich ruderte Johan Agust an Anders Petters Hof vorbei, ohne auch nur nach den Fenstern hin zu blicken, und er war längst auf der andern Seite der Landspitze, eh er es wagte, anzulegen. Als er so weit war, ging er rund um den Wald herum und mitten hindurch, maß und rechnete, so gut er konnte, und als diese Arbeit vollbracht war, kehrte er wieder nach Hause zurück und sagte keinem Menschen auch nur ein Sterbenswörtchen.

Aber als er einmal dort gewesen war, konnte er nicht anders – er mußte noch öfter hin. Johan Agust gehörte zu denen, die eine Sache ein paarmal sehen und darüber nachdenken müssen, eh sie einen Entschluß fassen; und jedesmal, wenn er heimkam, war es fast, als wäre der Mann unsicher, ob auch der Wald noch immer so stünde, wie er ihn zuletzt gesehen hatte. Darum machte Johan Agust viele Fahrten hinüber zu Anders Petters Wald; jedesmal machte er einen weiteren Bogen über die See, damit man seine Absicht nicht merken sollte, und als der Sommer kam, ließ er die Hechtleine hinter dem Boot herziehen, damit jedermann denken sollte, der Gemeinderat vertreibe sich nur die Zeit mit ein bißchen Fischen. Aber – wie dem auch war – Anders Petter begann doch, sich darüber zu wundern, daß Johan Agust so oft in derselben Richtung vorbeiruderte, und eines Tages, als er ihn wie gewöhnlich über die Bucht rudern und hinter der Landspitze verschwinden sah, zog Anders Petter auf Kundschaft aus und nahm zur Sicherheit einen Umweg durch den Wald, um auf die Weise dahinter zu kommen, wo der andere hin wollte.

Indessen traf es sich gerade, daß Anders Petter auf einem Hügelrücken sichtbar wurde, als Johan Agust eben sein Boot festmachte. Froh über seinen gelungenen Kniff mit dem Weg durch den Wald blieb er stehen und blickte hinunter, und gerade als der andere zwischen den Tannen verschwinden wollte, hallote Anders Petter hinab, so daß Johan Agust gezwungen war, sich umzudrehen.

Anders Petter funkelte vor Wut. Was hatte der andere in seinem Wald zu schaffen? Johan Agust schämte sich, daß der andere ihn überrascht hatte, und er brachte es kaum über sich, zu grüßen. Darum ward anfangs, als die beiden zusammentrafen, nicht viel gesprochen.

»Das ist gar kein so kleiner Wald, den du da hast,« sagte Johan Agust schließlich und sah aus, als wäre gar nichts los.

»Bist du deswegen all die Tage herüber gefahren – um dir den anzusehen?« gab Anders Petter zurück.

Er verstand nicht, und darum ward er immer zorniger.

Jetzt hätte Johan Agust zupacken können. Aber es entsprach nicht seiner Gewohnheit, geradeswegs auf eine Sache loszugehen. Darum antwortete er:

»Ich kann ja wohl gehen, wo ich will.«

Dadurch war der Anfang zu einer großen Keiferei gegeben, nach der die beiden Alten als Feinde schieden. Johan Agust stieß sein Boot vom Land und ruderte wütend heim.

Zwei Monate lang ging Anders Petter umher und grübelte darüber nach, was der Gemeinderat Johan Agust damit bezweckte, daß er in seinem Wald herumlief und nicht sagen wollte, weshalb er das tat. Es wurde Herbst, die Sommergäste zogen fort, die Birken schimmerten in Gold und Rot, es wehte stürmisch über die Bucht. Aber Anders Petter wußte noch immer nicht, was der andere in seinem Wald gewollt hatte. Und als nun die Abende länger wurden, hatte er Zeit genug, sich in einen Grimm hineinzugrübeln, der sich immer tiefer einfraß.

Da kam eines Tages, als der Sturm sich gelegt hatte, Johan Agust über die Bucht gerudert. Diesmal ruderte er nicht vorbei, sondern legte an Anders Petters Brücke an, und als er den Kahn festgemacht hatte, ging er geradeswegs den Hügel hinauf, öffnete die Haustür und trat ein. Und diesmal hatte er ein großes, vollgeschriebenes Papier bei sich, das er vor sich auf den Tisch legte, als er sich setzte.

Anders Petter hatte so seine eigenen Gedanken und war ganz voll von seinem großen Ärger, der während des Sommers noch gediehen war. Darum bot er Johan Agust keine Bewirtung, sondern sah ihn nur steif an und wartete auf das, was kommen sollte.

»Es ist lang her, daß wir zwei uns gesprochen haben,« meinte Johan Agust.

»Freilich, ja,« entgegnete Anders Petter. »Und das letzte Mal warst du nicht so gefügig, wie jetzt.«

»Nein, das ist wahr,« gab der andere zu. »Aber ich hab da auch noch nicht gewußt, was ich wollte, und darum hab' ich nichts gesagt.«

»So, so, und das weißt du jetzt,« sagte Anders Petter. Bei sich aber dachte er: »Mich betrügst du nicht!«

Da hustete Johan Agust lang und nachdrücklich und streckte die Hand aus.

»Wir zwei sind doch immer gute Freunde gewesen,« sagte er.

Anders Petter nahm die ausgestreckte Hand.

»Das sind wir«, antwortete er. Aber in seinem Herzen dachte er neugierig: »Ei, ei, du Fuchs, wo willst du hinaus?«

Es schien fast, als ob Johan Agust die Gedanken des andern erriete; es ist auch wohl möglich, daß dem so war. Denn diesmal machte er keine weiteren Ausflüchte mehr, sondern ging gradeswegs auf die Sache los und begann:

»Ich hab' mir gedacht, es könnte ganz gut für dich sein, wenn du deinen Wald verkaufst.«

»Willst du ihn kaufen?« sagte Anders Petter.

Das Herz schlug ihm bis zum Hals herauf. Alles, was er gedacht und geträumt hatte von Geld und von der Möglichkeit besserer Tage schoß wieder in ihm empor, so daß er glaubte, ersticken zu müssen. Aber Anders Petter wußte auch, wenn er jetzt dem andern zeigte, daß ihm die Sache sehr am Herzen lag, so würde er nur der Verlierende sein. Und darum saß er steif und stumm, als hätte er nichts gehört, und ließ Johan Agust reden.

Aber auch Johan Agust wußte, daß Worte manchmal Geld kosten. Darum ließ er das, was er sagen wollte, nur langsam und mühselig heraus, als schleppe er Holz auf dem Rücken.

»Du willst nicht verkaufen?« fragte er, und machte Miene, das Papier wieder einzustecken.

»Es kommt darauf an, was du bietest.«

»Ne – – ein. Dir gehört der Wald – du mußt sagen, was du forderst.«

»Ich hab' noch nie Wald verkauft, und nie jemand gebeten, Wald zu kaufen.«

Das Ende war, daß Anders Petters Eva hereinkam und die Kaffeekanne auf den Tisch stellte und Anders Petter das Zubehör aus dem Schrank holte. Dann breitete Johan Agust sein Papier aus und Anders Petter suchte die Brille hervor. Er sah in der Nähe schlecht.

Aber während Anders Petter las, ward es ihm ganz klar, daß der andere zwar wohl seinen Wald kaufen wollte, daß er selber aber kein Geld dafür kriegen sollte. Er las wieder und wieder, und seine Lippen bewegten sich, wie wenn er in der Kirche saß. Er verstand die Sache nicht. Und das verdroß ihn.

»Wer hat denn das aufgesetzt?« fragte er endlich.

»Bertil vom Dorf,« antwortete Johan Agust.

»Seid ihr so gute Freunde jetzt?« sagte Anders Petter.

Es war eine alte Geschichte, daß der Gemeinderat Johan Agust einst, vor vielen Jahren, Bertil, der Kirchenältester war, mit einem Pferd betrogen hatte; die Sache mit dem Pferd war die – es war blind. Die Geschichte passierte auf dem Jahrmarkt zu Norrtelje, und Bertil hatte damals wohl auch ein bißchen schlecht gesehen. Denn es war spät am Abend, als er kaufte, und er stand nicht mehr recht fest auf den Beinen. Und als er heimfuhr, kutschierte er in den Graben, und als es Tag wurde, bemerkte er, daß das Pferd ganz still stand, wenn man ihm mit der Faust vor den Augen herumfuchtelte. Da fuhr Bertil mit dem Pferd nach Johan Agusts Hof und verlangte den Gemeinderat zu sprechen. Als der herauskam, stellte er sich vor den Gaul hin, fuchtelte mit den Fäusten und schrie:

»Du hast mich betrogen, Johan Agust! Der Gaul ist stockblind. Behalt du dein Tier und gib mir mein Geld wieder!«

»Einen Fehler mag der Gaul ja haben,« antwortete Johan Agust, »aber das Geld ist mein!« Und dabei grinste er breit.

Mit diesem Bescheid mußte Bertil wieder heimfahren – er konnte keinen anderen Ausgleich erlangen. Daraus entstand eine Feindschaft zwischen Bertil und Johan Agust, und solche Feindschaften dauern lang.

Es war darum nicht verwunderlich, wenn es Anders Petters Bedenken regte, daß Bertil das Papier geschrieben hatte. Er glaubte natürlich, daß Bertil nichts umsonst tat, und daß das, was Bertil für seine Mühe erhielte, sein Wald bezahlen sollte. Natürlich behauptete Johan Agust, wenn nichts von der Bezahlung da stünde, so käme das davon, daß Anders Petter selbst bestimmen sollte, was er haben wolle; er zeigte dem Nachbar auch die Stelle im Kaufbrief, wo die Summe eingetragen werden mußte, wenn das Übereinkommen getroffen war. Diese Erklärung lautete ja ganz schön, aber Anders Petter fühlte sich nicht befriedigt dadurch. Er ward auch nicht befriedigter, als er erfuhr, daß das Geld nicht bar bezahlt werden würde. Auch dies erklärte Johan Agust auf seine Weise: wenn er erst das Seine bekommen hatte für den Wald, den er abzuholzen und zu verkaufen gedachte, dann würde auch Anders Petter das Seine kriegen, und das war ihm ja ganz sicher, wenn er doch das Papier hatte. Es war genau so, als hätte man das Geld auf der Bank oder in der Hand. Nur auf die Summe selber kam es jetzt noch an, und die sollte er selbst nennen. Sie würden sich schon einigen.

Anders Petter saß und hörte das alles mit an. Aber auf den Leim ging er nicht so leicht. Er nahm die Brille ab und schob sie ins Futteral zurück. Das Papier gab er Johan Agust wieder.

»Das ist eine Sache, die man sich nicht bloß einmal überlegen muß,« erklärte er.

Und damit mußte Johan Agust gehen.

Anders Petter aber rief Eva herein und ließ sich mitten am hellen Vormittag noch einen Kaffee mit solidem Zubehör geben.

»Jetzt hör' zu,« begann er dann. »Johan Agust will den Wald kaufen. Wir sind, der Kuckuck hol's, reich gewesen, und haben es nicht einmal gewußt! Jetzt kommen gute Tage! Hab' ich's nicht immer gesagt, einmal würden sie schon kommen? Jetzt fahren wir nach der Stadt. Und malen lassen wir, und alles fein herrichten. Und ein Pferd kaufen wir, und zwei Kühe. Und auch mehr Schafe. Die können draußen weiden, wenn der Wald fort ist. Einen Kirchwagen schaffen wir uns auch an. Und dann schreiben wir dem Jungen, dann kommt er vielleicht wieder heim.«

Anders Petter ging so ins Zeug, daß Eva lange Zeit kein Wort mitreden konnte. Aber als er endlich schwieg, weil er eine Prise nehmen mußte, nahm Eva die Flasche und stellte sie weg.

»Was kriegst du für den Wald?« fragte sie. »Das müssen wir zu allererst wissen.«

Das wußte nun Anders Petter nicht genau. Aber er sah das Paradies offen, das war einmal ganz sicher. Wenn man nur ein bißchen Geduld hatte, so kam man auch schon hinein. Es galt jetzt bloß, nicht zu zeigen, daß einem die Geschichte am Herzen lag, und Johan Agust nicht ahnen zu lassen, daß man mit von der Partie war. Er sollte nur selber mit dem Angebot herausrücken, jawohl, und je länger man wartete, desto höher konnte es werden.

Aber das war ganz und gar nicht Johan Agusts Idee von der Sache. Er hatte sich von Anders Petters Unzugänglichkeit keineswegs täuschen lassen, und sobald sich Gelegenheit bot, kam er wieder. Aber Anders Petter wollte nicht sagen, was er verlangte, und Johan Agust nicht, was er geben wollte. Dreimal kamen die beiden zusammen und dreimal gingen sie auseinander, ohne daß einer den andern dazu gebracht hätte, etwas Bestimmtes über den Preis zu sagen. Beim vierten Mal aber mußte Johan Agust doch daran, denn er wollte doch gern so bald als möglich mit Abholzen beginnen, so daß während des Winters die ersten Fuhren fortgeschafft werden konnten. Als er sich aber endlich dazu entschloß, das Blatt vom Munde zu nehmen, rückte er mit einem so niedrigen Angebot heraus, daß Anders Petter auffuhr und bei seiner ewigen Seligkeit schwor, eher würd' er den Wald selber abhauen und verkaufen!

Johan Agust wußte nun freilich, daß der andere das nicht konnte. Denn dazu fehlte es ihm an Leuten und auch an Betriebskapital. So mußten denn die Zusammenkünfte von neuem beginnen, und diesmal war es Anders Petter, der zum Gemeinderat hinüber ruderte. Es gab eine feine Bewirtung, und eh sie auseinander gingen, hatte Johan Agust ein paar Tausend oder so zulegen müssen. Denn Anders Petter hatte sich begreiflicherweise erkundigt. Er war beim Pastor und beim Schultheiß gewesen und sogar bis nach Norrtelje gefahren um der Geschichte willen. Da hatten sie den Kubikmeter für ihn ausgerechnet, so daß er nun wußte, woran er sich zu halten hatte. Und er verschwor sich hoch und heilig, er würde seinen Wald nicht unter fünfzehntausend Kronen hergeben. Denn er war zwanzig oder fünfundzwanzigtausend wert. Darum saß er und drehte und krümmte sich, und trank Kaffee und Schnaps und rauchte Zigarren, die Johan Agust im Dorfladen gekauft hatte, und schwitzte und wand sich des lieben Geldes willen, daß er ganz mager und bleich wurde und es ihm nach innen schlug. Jede Nacht im Traum sah er die größten Noten der Reichsbank, auf denen in jeder Ecke tausend Kronen stand, und während er schlief, zählte er laut Geld, so daß Eva sich im Bett aufsetzen und nachsehen mußte, ob er nicht wach und gänzlich verrückt wäre. Sie fürchtete sich fast ein bißchen vor ihrem Mann, denn er war keiner von denen, die die Dinge nehmen, wie sie genommen sein wollen, und wenn etwas passierte, das ihm zu schaffen machte, so ging es nicht mehr so leicht an ihm vorüber wie in der Jugend. Anders Petter litt nämlich daran, daß alles sich bei ihm nach innen schlug. Er war auf lange Zeit wie dahin, wenn er über etwas nachgrübeln mußte, und er grübelte über alles nach, – über Dinge, die geschahen und Dinge, die nicht geschahen.

Die Zeit war indessen weiter geschritten, es ging schon auf Weihnachten, und die beiden Bauern begannen schließlich der ungewohnten Arbeit, die ihnen keine Ruhe ließ, müde zu werden. Da erhöhte an einem grimmigen Dezemberabend Johan Agust sein Angebot, so daß es nun bis auf vierzehntausend Kronen stieg. Aber als er das getan hatte, schwor er bei allen Heiligen und bei allem, was er kannte, weiter gehe er nicht. Da ließ sich auch Anders Petter erweichen und schlug zu; und am späten Abend noch ward es eingetragen. Auch nach Bertil wurde geschickt. Und als alles geordnet war, ging es hoch her, es wurde ein Nachtessen aufgetischt, und die Tausendkronenscheine wirbelten wie große Fledermausflügel um die Augen der Männer. Das Dämmern des Rausches senkte sich wohltuend über ihre erhitzten Sinne, und in der Dämmerung erblickten sie Sterne, die blinkten wie das röteste Gold.

Aber als Anders Petter heimfuhr, war er betrübt.

»Um tausend Kronen hat der alte Fuchs mich geprellt,« sagte er, als er ins Haus trat.

»Tausend Kronen hat er mir abgeknöpft, hol' ihn der Henker!«

Mit diesem Abendgebet schlief er ein.

»Tausend Kronen hab' ich doch zu wenig gekriegt.«

Mit diesem Morgengebet wachte Anders Petter wieder auf.

Und als er sich angezogen hatte, ging er vors Haus hinaus, stellte sich hin, sah den Wald an, den er verkauft hatte, und fluchte sorgenvoll.


Es stand nicht lange an, so kamen Leute in den Wald. Lauter Leute Johan Agusts, und wo seine eigenen nicht ausreichten, dingte er andere aus der Umgegend. Sie kamen mit Axt und Beil, mit Sägen und großen Futtersäcken, sie hieben die Bäume um und ästeten sie ab und maßen. Die großen Bäume wurden zu Bauholz gefällt, die kleinen zu Brennholz und Reisig zurechtgehauen. In der Mittagspause ging ein Fäßchen herum, und es war ein Treiben durch den ganzen Wald wie bei einem Ziegeunerlager.

Zuerst hatte Johan Agust freilich die Mühe des Abholzens von sich abladen wollen. Er wollte so billig wie möglich zu allem kommen, das war ja nur natürlich. Darum kam er eines Tages zu Anders Petter und schlug ihm vor, er sollte das Ganze übernehmen.

»Du verdienst dann noch mehr, verstehst du wohl?« sagte Johan Agust. »Wenn du das Abholzen und die Fuhren und die ganze Geschichte übernimmst, dabei fällt ein klotziger Batzen Geld ab.«

Und Johan Agust nannte eine runde Summe, an der Anders Petter ein paar Tage lang stillschweigend kaute. Als sie dann wie zufällig wieder zusammenkamen, hatte Anders Petter lange genug gekaut. Aber er wollte erst wissen, ob er schlucken oder ausspucken mußte. Darum sagte er:

»Bis wann müßte alles fertig sein?«

»In drei Jahren,« sagte Johan Agust und blinzelte.

»Und wenn ich Pech habe und nicht fertig werde, wie wird es dann?« fing Anders Petter wieder an.

»Freilich wirst du fertig. Drei Jahre sind eine lange Zeit,« antwortete Johan Agust.

»Ja, aber wenn?« beharrte Anders Petter.

»Es müßte natürlich eine Strafsumme im Kontrakt eingetragen werden,« erwiderte Johan Agust langsamer und blickte zur Seite. »Sie wäre gerade so groß, wie die, die du sonst zu bekommen hättest. Aber du brauchst sie ja nicht zu bezahlen, so daß gar kein Risiko dabei ist.«

Da wußte Anders Petter, – den Bissen schluckte er nicht! In großen Affären war er nicht gerade schlau, aber in kleinen war es nicht seine Gewohnheit, sich prellen zu lassen. Darum spuckte er bedächtig aus und lachte.

»Dann hätt' ich also die Arbeit umsonst getan, und du würdest noch für das bezahlt, was ich getan hätte,« sagte er. »Da begnüg' ich mich lieber mit meinen vierzehntausend.«

So ging es zu, daß Anders Petter auf den Extraverdienst durch Abholzen und Fuhren verzichtete, und daß Johan Agust das Abholzen selber besorgen mußte. Und Anders Petter ging umher und sah zu, wie die Leute arbeiteten. »Das ist mein Wald, der da geht,« dachte er. Und um einstweilen wenigstens etwas Sicheres zu haben, half er selber im Taglohn im Wald. Auf diese Weise brachte er die Zeit herum, und es fiel doch immerhin etwas dabei ab. – –

Die ganze Zeit über aber wartete Anders Petter darauf, daß der Tag anbrechen sollte, an dem das ersehnte Geld einbezahlt werden müßte. Er mußte recht lange warten. Denn es nimmt Zeit, einen ganzen Wald abzuholzen; auch das zum Strand-Hinunterschaffen geht nicht so schnell. Aber auf jeden Fall ging es doch. Jedes Frühjahr kam Schiff um Schiff, ward mit Holz und Pfählen beladen und segelte ab. Auch kleine, flinke Schleppdampfer kamen. In langen, durch Ketten verbundenen Reihen ward in ihrem Kielwasser das Bauholz zur Hauptstadt oder nach andern Landungsplätzen der Küste geschleppt. Jeden Herbst begann die Arbeit im Wald von neuem, und Anders Petter ward nicht müde, sich darüber zu wundern, wie es möglich war, daß immer noch so viel da wäre.

Schließlich aber kam doch der Tag, an dem nur noch Stumpf neben Stumpf zu sehen war, wo der alte Wald gestanden hatte, und nun fing Anders Petter an, daheim zu hocken und in seinem Papier zu lesen, um zu ergründen, ob er nicht bald das Recht hätte, wenigstens etwas von seinem Geld zu fordern. Johan Agust lief mit strotzender Brieftasche herum und sackte nur immerzu ein. Jeden Herbst fuhr er nach der Stadt und brachte Geld auf die Bank. Aber Anders Petter, dem doch eigentlich der Wald gehört hatte, kriegte auch nicht einen Öre zu sehen, und immer weniger ward er aus dem Papier klug, das er erhalten hatte. War da irgend ein Kniff, hinter den er nicht kommen konnte? Oder nicht? Anders Petter war kreuzunglücklich, weil er der Geschichte nicht auf den Grund kam, und jeden Tag versuchte er sich darauf zu besinnen, wieviel er eigentlich an jenem Dezemberabend getrunken hatte, als er unterschrieben hatte. Andere fragen mochte er nicht gleich. Er schämte sich. Und das Geld mußte ja doch einmal kommen. Ein Mensch konnte doch nicht seinen Wald nehmen und ihn ihm vor der Nase weg verkaufen, ohne daß er selber auch nur einen Öre dafür kriegte. Es gab ja doch Recht und Gesetz für ihn ebenso gut, wie für alle andern.

Im Frühjahrsbeginn, genau drei Jahre nach dem Tag, an dem Johan Agust zu Anders Petter hinübergerudert war und die beiden im Wald zusammengetroffen waren, ruderte darum Anders Petter zum Gemeinderat hinüber und fragte ihn gerade heraus, was er denn meine, und wann er denn einmal zu seinem Geld käme. Johan Agust wartete einen Schnaps auf und war freundlich und spendabel. Aber vor Herbst könnte es nicht sein. Das erklärte er ganz bestimmt. Denn vorher wären die Geschäfte nicht abgewickelt, behauptete Johan Agust.

Was diese Antwort eigentlich bedeuten sollte, verstand Anders Petter nicht. Aber er gab sich zufrieden mit der Sache, so wie sie eben war, und ruderte heim. Er konnte ja auch nichts anderes tun. – – – Als der Herbst kam, ruderte er wieder zum Gemeinderat hinüber. Aber bei diesem Besuch führte Johan Agust sich so sonderbar auf, daß Anders Petter unruhiger ward als je. Johan Agust holte nämlich ein großes Buch herbei, voll von Zahlen und Abrechnungen, und aus denen sollte hervorgehen, daß er, der Gemeinderat Johan Agust, an der ganzen Geschichte gar nichts verdient hätte; es war alles nur Mühe und Arbeit gewesen, aber kein Verdienst.

Anders Petter saß und dachte darüber nach. Geschriebenes zu lesen ging bei ihm langsam. Aber endlich schien ihm, nun wäre ihm alles so klar, daß er nur wünschte, er dürfte um sich hauen.

»Das bedeutet, daß ich gar nichts haben soll,« brach er aus.

Nein, meinte Johan Agust, das bedeutete es nicht. Es bedeutete bloß, daß er Geduld haben und warten sollte – bis bessere Zeiten kämen.

»Ich habe drei Jahre lang gewartet,« sagte Anders Petter. »Das ist lang genug.«

Er war so zornig, daß seine Stimme zitterte. Johan Agust wollte erklären. Aber Anders Petter ließ es nicht zu und mochte nichts hören.

»Du hast immer noch deinen Hof,« schrie er »Und ich habe das Papier. Und mein Geld bekomm' ich, und wenn ich vors Gericht muß!«

Damit ging Anders Petter seines Wegs; seine Beine zitterten unter ihm. Denn nun schien es Anders Petter, als sähe er so klar wie in einem Gesicht, wohin das Geld gekommen wäre und daß er für sein Teil auch nicht den Schatten eines einzigen Öre zu sehen kriegen würde. Aber fügen würde er sich nicht, und wenn sie ihm sein Herzblut abzapften, alle die, die jetzt wider ihn waren.

Als er auf die Treppe hinaustrat, wandte er sich um und ballte die Faust gegen Johan Agust.

»In einer Woche komme ich wieder,« sagte er. »Und ich rate dir, daß du dann das Geld da hast. Sonst kommt der Schultheiß.«

Damit schob Anders Petter gemächlich das Boot vom Land ab und setzte sich an die Ruder, ohne auch nur einmal noch aufzublicken. Er ruderte bloß heim, daß der Schaum um das Boot aufrauschte.

Johan Agust blieb auf seiner Landungsbrücke stehen und sah dem andern nach, der eigensinnig zwischen seine Kniee starrte und wegruderte, daß die Ruder knackten. Er wollte Anders Petter erst zurückrufen, aber das tat er doch nicht. Johan Agust wußte nämlich recht wohl, daß, wenn er überhaupt zu einem Vergleich die Hand böte, er ihn unter keinen Umständen mit weniger als vierzehntausend Kronen, die er nun einmal schuldig war, zustande brächte. Und während er daran dachte, fuhr seine Unterlippe heraus, die Augen wurden ganz klein und der Mund kniff sich zusammen, als hätte er das Geld zwischen den Zähnen und wollte es um keinen Preis herauslassen oder auch nur zeigen, wo es steckte.

Denn so weit war es mit Johan Agust gekommen, daß die Liebe zu dem Geld, das nicht ihm gehörte, ihm in Fleisch und Blut übergegangen war. Er empfand einen derartigen Widerwillen gegen den Gedanken, es von sich zu geben, daß es auf ihm lag wie eine der großen Sorgen, die den Menschen krank machen. Ihm schien, er würde arm und von allem entblößt, wenn er gezwungen würde, Anders Petter zu geben, was ihm zukam. Sobald er versuchte, sich die Stunde vorzustellen, in der er vierzehn große neue Scheine hervorholte und hergab, Scheine, die er von sich selber losriß, meinte er auch immer zu sehen, wie Anders Petter sie zählte und betastete, sie zu sich steckte und ging.

Johan Agust schauderte beim bloßen Gedanken. Wessen war das Geld, das jetzt auf der Bank lag? War es nicht sein? Summe für Summe hatte er es hingebracht. Schöne, weiße Quittungen hatte er dafür erhalten. In den Quittungen stand – ja, da stand just das, worein keiner seine Nase zu stecken brauchte! Es war so geworden, weil er die Idee gehabt hatte! Was hatte denn Anders Petter getan? Umhergelaufen war er und hatte bloß das Maul aufgesperrt und genommen! War es vor Gott und Menschen recht, so viel Geld zu kriegen, bloß weil der Wald zufällig auf der unrechten Seite der Bucht gewachsen war?

Johan Agust biß die Zähne zusammen, ging zum hundertsten Mal in seine Stube, nahm die Bankquittungen aus der Chiffonière, las sie durch, schrieb die Zahlen auf ein paar Zettel und addierte die Tausender. Das hatte er schon viele Male getan. Es wurde nicht mehr und nicht weniger, so oft er auch zählte. Aber jedesmal fühlte Johan Agust sich gleichsam ruhiger, weil er aufs neue gezählt hatte.

Den ganzen Tag nach der Unterredung mit Anders Petter konnte Johan Agust indessen nicht zur Ruhe kommen. Als es Nachmittag war, nahm er seine Mütze, zog den Rock über das Wollwams an und machte sich auf den Weg ins Dorf, wo Bertil wohnte. Warum er eigentlich gerade zu Bertil ging, vermochte Johan Agust sich selbst nicht zu erklären. Aber Bertil war ein schlauer Bursche, und ein bißchen dickfellig war er auch. Jedem Beliebigen kann man solche Pläne nicht anvertrauen, wie die, mit denen Johan Agust jetzt sich beschäftigte. Und es kann wohl sein, daß Johan Agust gleichsam einen Instinkt dafür hatte, daß Bertil derjenige war, der ihn am besten verstehen konnte. Übrigens war Bertil auch derjenige, der ihm seinerzeit geholfen hatte, das Papier zu schreiben, über das Johan Agust nun nachgrübelte in dem Gedanken, ob er es nicht auf irgend eine erdenkliche Art ungeschrieben machen könnte, und dadurch machte es sich ja ganz natürlich, zu Bertil zu gehen. Während er auf dem Waldweg weiterging, fiel Johan Agust jedoch die Geschichte mit dem blinden Gaul ein und wie er einst Bertil beim Kauf betrogen hatte. Das bereute er jetzt. Denn wäre diese Geschichte nicht gewesen, so hätte er sich gleichsam sicherer gefühlt. Doch tröstete sich Johan Agust damit, daß die Sache ja alt und abgetan wäre. Und damit trat er denn bei Bertil ein und setzte sich.

Es dauerte natürlich eine gute Weile, eh Johan Agust mit dem herausrückte, was er auf dem Herzen hatte. Bertil hatte Kognak zum Kaffee hergetan, er wollte es immer feiner geben als andere. Aber Johan Agust achtete gar nicht einmal auf die Bewirtung. Er saß da und schluckte seine Kognake, als täte er es im Schlaf, und redete von dem Kontrakt und vom Wald und von Geld und von den schlechten Zeiten. Aber was er eigentlich sagen wollte, das vermochte er nicht auszusprechen und hätte es sein Leben gegolten.

Wie er aber so dasaß und sich innerlich abhaspelte, begann Bertil zu begreifen, wo der Schuh drückte. Er blickte Johan Agust von der Seite an und strich seinen roten Kinnbart. Und dann begann er langsam und bedächtig:

»Du möchtest das Geld nicht hergeben, damit du es selber behalten kannst.«

Johan Agust fühlte sich erleichtert, sobald das Wort ausgesprochen war, und er wußte, daß er recht geraten hatte in seinem Glauben, daß Bertil ihn verstehen würde. Aber er wollte nicht so rasch zu viel verraten.

»Das wird sich nicht machen lassen,« sagte er darum, und seufzte.

»Nein, nein,« meinte Bertil. »Es ist schwer, von dem loszukommen, was einmal geschrieben ist.«

»Freilich. Und sich mit dem Gesetz einlassen, das tut nicht gut.«

»Nein, davor muß man sich in acht nehmen,« sagte Bertil andachtsvoll.

»Das muß man, freilich,« antwortete Johan Agust. »Aber es kostet einen was.«

»Es kann einen so noch mehr kosten,« meinte Bertil, und freute sich.

Er dachte just in diesem Augenblick an den blinden Gaul.

»Hast du mit Anders Petter geredet?« forschte er nach einer Weile.

»Ja, das hab' ich,« erwiderte Johan Agust. »Er sagt, wenn er das Geld innerhalb einer Woche nicht hat, so nimmt er mir den Hof. Kann er das?«

»Das kann er,« sagte Bertil und schob ihm das Kognakglas hin.

Aber Johan Agust beachtete den Kognak noch immer nicht. Er saß und blickte starr in die Dämmerung, die sich in der Stube verdichtete. Er konnte sich nicht von dem Gedanken an seine schönen Quittungen und an den Hof losmachen, und ihm schien, als wäre das Ganze ein einziger schrecklicher Wirrwarr, den kein Mensch in Ordnung bringen könnte. Bertil konnte freilich helfen, wenn er frei von der Leber weg sprechen wollte. Statt dessen saß er nur da und meinte – und dachte –. Und Johan Agust saß da und schraubte an sich selber herum und fragte sich, ob er heimgehen und die Hoffnung fahren lassen müsse.

Da stand Bertil auf und zündete die Lampe an. Als das geschehen war, stellte er sie so, daß er Johan Agusts Gesicht sehen konnte.

»Hast du je Geld aufgenommen auf den Hof?« sagte er zuletzt.

»Nein,« antwortete Johan Agust und sah großartig aus. »Der Hof ist mein.«

»Das ist dumm,« meinte Bertil. »Hättest du eine Hypothek auf dem Hof stehen – wir wollen sagen, vierzehntausend Kronen – so könnte er ihn dir nicht nehmen. Denn viel mehr ist der Hof ja wohl nicht wert.«

Johan Agust saß und grübelte über dies nach. Aber Bertil fuhr fort, als wenn gar nichts wäre:

»Ich könnte dir in der Geschichte schon dienen, wenn ich wollte. Aber vielleicht paßt dir die Art nicht?«

Johan Agust blickte fragend auf. Er verstand nicht.

»Du schreibst einen Schuldschein auf mich, eine Hypothek nennt man das. Dann gehört der Hof mir, und Anders Petter kann sich das Maul nach seinem Geld lecken.«

»Recht ist das aber nicht,« wandte Johan Agust ein. Aber der Einwand kam so schwach heraus, daß der andere sofort wußte, wie er mit seinem Mann dran war.

Darum ward Bertil nun deutlicher. Denn er verstand sich auf Geschäfte, und hatte schon mehr als eine Sache, die nicht ganz sauber war, zu einem glücklichen Ende geführt.

So lächelte er jetzt ein vielsagendes Lächeln und fuhr fort:

»Wenn du darüber schweigst, daß du kein Geld gekriegt hast, und ich verschweige, daß ich dir keines gegeben habe, so kann kein Mensch etwas darüber sagen. Und recht vor dem Gesetz ist es. Das weiß ich.«

Es währte lang, eh Johan Agust an diesem Abend von Bertil nach Hause zurückkehrte. Wenn zwei Menschen sich in dieser Weise finden und übereinkommen, zusammenzuhalten, da wird die Vertrautheit groß, und der Gesprächsstoff geht nicht aus. Nie zuvor hatte es Johan Agust solche Freude gemacht, reden zu können, und nie waren ihm die Worte so leicht geworden. Bertil war sein Freund. Bertil verstand ihn. Alle alten Geschichten waren vergessen, und das Geld für das Pferd würde er ihm zurückgeben. Mit Zinsen! Prosit! Sechs Prozent! Johan Agust schwor, was Bertil jetzt täte, um einem Menschen zu helfen, das sollte er nicht umsonst tun. Und Bertil schwor, er würde das Papier zu unterst in seiner Kiste verstecken und es wie seinen Augapfel hüten. Kein Mensch solle Wind davon bekommen, wie der Zusammenhang war. Das Papier ward geschrieben und Johan Agust unterzeichnete selbst. Es kamen Leute, die die Namensunterschrift bezeugen sollten, damit alles sicher und gültig wäre, obwohl Johan Agust beteuerte, er wäre nicht derjenige, der seinen Namen verleugne. Die Zeugen wurden jeder mit einem Kognak traktiert und konnten dann wieder gehen. Und als Johan Agust auf dem Heimweg war, stand es ihm klar vor Augen, wie die Geschichte gedeichselt werden mußte, und daß er einen Freund gefunden hatte, auf den er bauen konnte. Im Wald begegnete er seinem eigenen Knecht, der von einem Stelldichein kam und vor Bestürzung unter einer Tanne stehen blieb, als er sah, daß dies sein Herr war und zu hören glaubte, daß Johan Agust sang. Aber das war vermutlich Einbildung. Denn Johan Agust sang nie, weder allein noch in Gesellschaft.

Von dem Tag an aber ging Johan Agust umher wie neugeboren, froh wie ein Spielmann und zufrieden wie ein reicher Erbe. Er sehnte sich bloß darnach, daß Anders Petter wiederkommen und sein Geld verlangen sollte. Den Kragen, den sollt er kriegen, aber nicht die Krawatte, jawohl! Anders Petter kam auch, und als er kam, redete Johan Agust davon, wie unglücklich es sich träfe, daß sein Hof nun nicht länger ihm gehörte, sondern daß er eine Hypothek hatte aufnehmen müssen, bei Bertil, der ihn mit schweren Zinsen seit Jahren aussauge. Anders Petter stand da, als ob der Blitz auf ihn niedergefahren wäre, und ohne weiter zu fragen, machte er sich direkt auf den Weg nach dem Dorf, um Bertil zu sprechen und das Papier zu sehen. Er sah es auch, und Bertil selber half ihm beim Lesen, weil Anders Petter Geschriebenes so schwer lesen konnte. Anders Petter hörte andächtig zu und las Zeile um Zeile mit, damit Bertil nicht etwa lesen könnte, was ihm beliebte. Mit eigenen Augen sah er, daß der Name und alles in Ordnung und richtig war. Da war ihm, als hätte er den Todesstreich empfangen, und ohne auch nur Danke oder Adieu zu sagen, ging er auf demselben Weg, den er gekommen war, wieder zurück. Als er an Johan Agusts Hof vorbei kam, stand der Gemeinderat am Zaun und grinste ihn an. Das tat Johan Agust, weil er sich wirklich glücklich fühlte und ruhig, und sich in vollem Ernst in seinem guten Recht glaubte.

»Du bist ein Hallunk', Johan Agust,« sagte Anders Petter, und seine Beine wankten unter ihm. »Aber Gott wird dich schon strafen, daß du es bereust, und wenn du dich schon dem Teufel verschrieben hast!«

»Bereuen werd' ich schon nicht, aber vielleicht du!« antwortete Johan Agust.

Und mit diesem Bescheid schieden er und Anders Petter.

Anders Petter ruderte schnurstracks heim und ließ das Boot stehen, wie es stand, ohne die Ruder herauszunehmen. Mit gekrümmtem Rücken und schwachen Knieen ging er mitten in die Stube. Dort stand er still und redete so wirr und machte solch seltsame Bewegungen mit Kopf und Körper, daß seine Frau ums Leben nicht bei ihm in der Stube bleiben konnte. Sie ging hinaus auf den Hügel und setzte sich hin und weinte. Sie glaubte, der Alte wäre verrückt geworden und es würde nie wieder recht werden.

Verrückt wurde Anders Petter nicht. Aber recht wurde es auch nicht wieder. Denn Johan Agust hielt Wort und bereute nicht. Mit jedem Halbjahr, das verging, wurde er fetter und großartiger, er brachte seine Ernten ein und zog das Netz aus dem See. Jedes Jahr fuhr er nach der Stadt und erhob seine Zinsen, und er war so wohl daran, daß er seine Kinder auf die Volkshochschule schickte. Bertil und er machten Geschäfte miteinander, und sie waren so gut Freund und so unzertrennlich, daß sie geradezu sprichwörtlich wurden im Dorf.

Aber eines Tages war's aus mit der Freundschaft, und das geschah, als Bertil zu Johan Agust kam mit der Hypothek und verlangte, er solle sie mit vierzehntausend Kronen einlösen.

Johan Agust hatte die ganze Geschichte und das Papier und alles total vergessen. Alles war ihm so gut von der Hand gegangen, und jetzt stand das Haus in hellen Flammen, und er hatte die Brandversicherung vergessen!

Johan Agust versuchte, zu tun, als wäre das Ganze ein Scherz. Aber der Köder zog nicht. Das sah er gleich. Denn Bertil blieb dabei, das Papier wäre richtig. Johan Agust konnte nicht fassen, daß er vergessen hatte, das Papier zurückzufordern, und jetzt reute ihn das bitter.

Anders Petter, der Ärmste, der ohne Geld und Wald dasaß, hatte in dieser Reue keinen Raum. Johan Agust dachte, wie immer, nur an sich selber. Er ward feuerrot im Gesicht, als sollte ihn der Schlag rühren, und sah dabei so wild aus und gefährlich wie ein gereizter Stier. Aber Bertil sah den Gemeinderat ruhig an und sagte:

»Nicht hauen, Johan Agust! Damit gewinnst du nichts! Denn ich bin stärker.«

»Ich bring' dich vors Gericht,« heulte der Gemeinderat. »Das Papier ist falsch.«

»Das wirst du schon bleiben lassen, Johan Agust. Du hast es ja selber geschrieben.«

Da packte die Reue Johan Agust so tief, daß er fast weinte.

Aber Bertil strich sich übers Kinn und sagte:

»Wäre nicht das mit dem blinden Gaul gewesen – du weißt – so wär' ich nie darauf gekommen.«

Damit ging Bertil, und Johan Agust wußte, nun saß er fest. Die Sache war nämlich die: Anders Petter war vor zwei Jahren zum Schultheiß gegangen und hatte dem seine Not geklagt. Da ward das Papier hervorgeholt, und Johan Agust hatte vor dem Schultheiß bezeugt, daß die Schuldverschreibung an Bertil, der Hypothekenhandel und alles, echt und richtig wäre.

So unglaubhaft es klingt, so ist dies doch die wahrhafte Geschichte vom Waldkauf am Meeresstrand, und wie schlecht es geht, wenn ein Mensch das Geld zu seinem Abgott macht. Johan Agust und Bertil bedrohen sich noch heutigen Tages gegenseitig mit Prozessen, und Bertil hat jede Woche die größte Mühe, Geld aus Johan Agust herauszupressen. Anders Petter sitzt auf seinem abgeholzten Hof und droht nicht mit Prozessen. Denn das hatte der Schultheiß ihm gesagt:

»Was du auch tust, Mensch,« hatte er gesagt, »prozessier' nicht! Da kommst du bloß vom Regen in die Traufe.«

Darum stand Anders Petter von derartigen Racheplänen ab. Aber er empfiehlt seit Jahren seinen Widersacher täglich und stündlich dem Wohlwollen Gottes und des Teufels, und in letzter Zeit freut er sich; denn seine Gebete scheinen Erhörung zu finden. Johan Agust ist im letzten Jahr abgemagert und hat sehr eingezogen mit seinem Staat. Er macht auch keine Geschäfte mehr, weder mit Bertil, noch mit andern. Und wenn er zur Stadt fährt, so geschieht es nicht, um Geld auf die Bank zu bringen.

 


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