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Von 1849 bis 1866.


Deutschland.

(1849.)

Ein Jahr lang rangest du in bittern Wehen
Gleich einem Weibe, das da will gebären,
Hinströmen sah' ich deine blut'gen Zähren,
Und deine Seufzer, Deutschland, hört' ich gehen.

Wohl trug ich Leid, dich so in Qual zu sehen,
Doch Eine Hoffnung wagt' ich fromm zu nähren:
Es werd' aus deines Schooßes dunklem Gähren
Die Eintracht wie ein lächelnd Kind erstehen.

Mich trog ein Wahn; dein Weinen ging verloren,
Verloren alle Noth, so du erlitten.
Doch die darüber jauchzen acht' ich Thoren.

Denn Ahnung sagt mir, stets umsonst bestritten,
Nun werde solche Frucht einst ungeboren
Mit scharfem Stahl aus deinem Leib geschnitten.


Wie rauscht ihr Waldesschatten.

(1849.)

Wie rauscht ihr Waldesschatten
So kühl noch weit und breit!
Wie schaut im bunten Kleid
Ihr Blumen nur so lustig aus den Matten!
Wie mögt ihr Vöglein pfeifen
In dieser argen Zeit!
Mir ist so trüb, ich kann es kaum begreifen.

Ist's doch ein Traum gewesen,
Der sonder Spur verschwand,
Daß du, mein deutsches Land,
Noch einmal seist zu Ehren auserlesen.
Und wo in vor'gen Tagen
Der Stuhl des Kaisers stand,
Wächst fort das Gras; das muß ich ewig klagen.


Böse Träume.

(1850.)

Ich ließ mein Rößlein grasen
Im Wald an Baches Rand
Und lag auf kühlem Rasen
Und dacht' ans Vaterland.
Und bei des Baches Rinnen
Entschlief ich unterm Baum;
Da wob vor meinen Sinnen
Ein dreifach Bild der Traum.

Ich sah ein Volk von Immen,
Das ohne Weisel fuhr
Und mit verworrnen Stimmen
Hinschwärmte durch die Flur.
Nach allen Winden zogen
Sie ziellos kreuz und quer,
Und hatten sich bald verflogen
Und fanden sich nimmermehr.

Ich sah ein Bündel Pfeile
In blöder Knaben Hand,
Die trieben kurze Weile
Und lösten Ring und Band.
Sie spielten mit den Rohren
Uneins und ungeschickt;
Die Hälfte ging verloren,
Die Hälfte ward zerknickt.

Ich sah, wie ein Karfunkel
Verschmäht am Kreuzweg lag;
Von Staube war er dunkel,
Zerspellt von Stoß und Schlag.
Die Krone der Welt zu schmücken
Geschaffen däucht' er mir;
Nun haschte nach den Stücken
Der fremden Raben Gier.

Da wacht' ich auf beklommen
Und stieg zu Roß in Hast;
Die Sonne war verglommen,
Das Spätroth war verblaßt,
Im kühlen Abendschauer
Von dannen ritt ich stumm;
Mein Herz verging in Trauer
Und wußte wohl, warum.


Fahnentreu.

(1850.)

Weil auf blut'gem Plane
Heut ihr Stern erblich,
Ließest du die Fahne
Deiner Wahl im Stich?

Deine Waffen ehrlos
Würfst du in den Sand
Und ergäbest wehrlos
Dich in Feindes Hand?

Nein! Und mag den Streichen,
Strauchelnd Schritt für Schritt,
Zahme Klugheit weichen:
Weiche du nicht mit!

Kannst du nimmer siegen,
Zeugen darfst du frei
Durch ein stolz Erliegen
Für dein Feldgeschrei.

Bis sie dich durchbohren,
Trutze drum und ficht;
Gieb dich selbst verloren,
Nur dein Banner nicht.

Andre werden's schwingen,
Wenn man dich begräbt,
Und das Heil erringen,
Das dir vorgeschwebt.


Ein Gedenkblatt.

(1851?)

Am Samstag Morgen vor Palmarum war's
Im Jahre, da man Neun und Vierzig schrieb,
Daß mich die goldne Sonne des Aprils
Aus meinem alten Nest am Hafendamm
Hinab ins Freie lockte. Draußen zog
Der Fluß, von mächt'gen Segeln schon belebt,
Blauglänzend hin und in den Lüften schwamm
Des Frühlings ahnungsvolles Hoffnungslied.
Mir aber wuchs das Herz bei diesem Ton,
Als müßt' er Glück verkünden. Ruhiger
Gedacht' ich an der Zeit verworr'nen Kampf
Und an die Zukunft, deren Loos vielleicht
In diesem Augenblick geworfen ward.
Da, wie ich so am Damm des Ufers noch
Vertieft hinabschritt, kam mein Jugendfreund,
Der blonde Maler, hastig und erregt,
Daß Bart und Haar ihm flog, des Wegs daher,
Und sein des Lächelns ungewohnt Gesicht
Erglänzte wie vom Frühroth übersonnt.
So rief er mir entgegen: Weißt du's schon?
Und da mein Blick ihn fragte, quollen ihm
Aus tiefster Brust die Worte: Freue dich!
(Und seine Stimme zittert', als er sprach)
Ein deutscher Kaiser ist gewählt am Main
Und seine Boten sendet ihm das Reich.

Und während er von Allem, wie's geschah,
Mir nun Bericht gab, sieh, da schmückten sich
Die alten Zackengiebel längs dem Fluß
Mit frohen Fahnen schon und grüßend flog
An manchem Schiff ein deutscher Wimpel auf,
Und wallte breitentrollt im Morgenwind.
Und jetzt, von Thurm zu Thurm einfallend, scholl
Der Glocken Chorgesang und kündigte
Das Fest der Palmen an. Mir aber war's,
Als läutete man ein das deutsche Reich,
Und das Hosannah, das in meiner Brust
Andächtig widerklang, zwei Königen,
Die ihren Einzug hielten, galt's zumal,
Dem himmlischen und dem von dieser Welt.

Auf Windesschwingen flog von Haus zu Haus
Die Kunde weiter, da begann im Glanz
Der Frühlingssonne durch die Gassen hin
Ein festlich Wogen. Freunde tauschten rings
Bewegten Handschlag, Feinde grüßten sich,
Als wäre plötzlich aller Zwist gesühnt,
Und manches Auge, das ich längst im Staub
Der Akten oder über'm Rechnungsbuch
Verhärtet glaubte, sah ich freudenfeucht.
Denn was wir alle, sei's mit klarem Geist,
Sei's dunkel nur im angebornen Trieb
Gewünscht, gehofft, ersehnt, nun schien's erfüllt.

Ich aber stieg zu Pferd und ritt hinaus
Die Stille suchend. O wie däuchten mir
Voll Melodie die Lüfte, die im Flug
Das Haar mir streiften, wie so schön der Wald,
Der kaum von grünem Schimmer überhaucht
Jungfräulich schauert' in des Werdens Lust!
Die Quellen brausten, aus den Wipfeln scholl
Der Ruf der Vögel und seitab vom Pfad
Wob um die Stämme zitternd Dämmerlicht.
In solcher Waldnacht saß wohl Heinrich einst,
Der blonde Sachsenheld, den Finkenschlag
Belauschend, als ihm Herzog Eberhard
Den Purpur und die heil'ge Lanze bot.
Ich sah ihn vor mir fest und wetterbraun
Im schlichten Jagdwamms und im Kreis umher
Der großen Botschaft Werber allzumal.
Er aber sprang empor vom Vogelheerd,
Dem Adler gleich, der seinen Flug beginnt,
Und nahm das Pfand des Reichs und that den Schwur,
Dem deutschen Volk ein Vaterland zu bau'n,
Und klar im ruh'gen Feuer seines Blicks,
In seines Worts einfacher Hoheit lag
Die Bürgschaft deß, was er verhieß. Da bog
Das Knie vor ihm die stolze Frankenschaar
Und huldigt' ihm mit Jauchzen, und mein Herz,
Im Sonnenaufgang frühster Ruhmeszeit
Das Bild des heut'gen schauend, jauchzte mit,
Und Thränen weint' ich, Thränen, wie ein Mann
Sie weinen darf, wenn überwältigend
An seine Brust ein großes Schicksal pocht.
Es war ein froher Tag –

                                 Was später kam,
Ihr wißt es alle. Keinen Hüter fand
Das uralt heil'ge Kleinod unsres Volks.
Die Hand, schon zum Ergreifen ausgestreckt,
Verschloß sich plötzlich und zu Boden fiel
Des Reiches Apfel. Waisen blieben wir,
Wie wir's gewesen drei und vierzig Jahr,
Und an den Weiden hängten wir aufs neu
Die Harfen auf und durch die Saiten ging
Des Windes Seufzen. O wann bringt ein Tag
Dem Vaterlande die Gestirnung wieder!


An F. C.

(Februar 1851.)

Durch die klare Luft im Winde
Segeln heut mir die Gedanken,
Dich, mein hoher Freund, zu grüßen
Zieh'n sie nach dem Strand der Oder.

Nicht im engen Krankenzimmer,
Wo ich, ach, dich ließ beim Scheiden,
Im bereiften Winterforste
Suchen sie den rüst'gen Waidmann.

Frischen Muths und hellen Auges
Hoffen sie dich dort zu finden,
Heiter, wie in jenen Tagen,
Da du zu Gastein dich sonntest.

Schönes Wildbad! Oft noch steigst du
Vor mir auf; in meine Träume
Weht es kühl dann wie Gebirgsluft,
Klingt es wie des Aelplers Cither.

Wieder dann die schwarzen Tannen
Seh' ich nicken über'm Abgrund
Und den Sturzbach durchs Geklüft
Hör' ich leidenschaftlich brausen.

Und die himmelhohen Wände
Gipfeln sich vor mir wie Zinnen
Einer Geisterburg; du trafst
Dort mit sich'rem Blei die Gemse.

Dann gedenk' ich auch des Tages,
Da durch Alpenrosenfelder,
Durch Geröll und Schnee wir klommen
Nach des Gamskahrkogels Spitze.

Mühsam war der Pfad; die Pferde
Stutzten oft am jähen Abhang,
Aber droben im krystallnen
Mittagsglanze welch ein Ausblick!

Um uns her unendlich lag es
Wie ein Meer von Riesenwogen,
Jede Wog' ein Bergesgipfel,
Jeder Woge Schaum Lawinen.

Und du nanntest mir die Höhen:
Watzmann, Herzog Ernst, Großglockner –
Doch den höchsten Berg in Oestreich
Hab' ich damals nicht gesehen.

Schwarzenberg ist der geheißen,
Und zur Zeit so hoch geworden,
Daß er seinen kalten Schatten
Wirft von Wien bis in die Ostsee.

In dem Schatten dieses Berges
Wachsen auch die Zauberstäbe,
Welche jetzt die Welt regieren
Und das deutsche Reich insonders.

Haselstöcke nennt das Volk sie;
Ach, von weißen Hexenmeistern.
Nach dem Takt geschwenkt, du glaubst nicht,
Welche Wunder sie verrichten.

Blutroth wandeln sie in Schwarzgelb,
Adler in geduld'ge Spatzen,
Ja, man lernt sogar Geschichte
Und Geographie von ihnen,

Lernt, daß Slaven stets und Deutsche
Sind ein Brudervolk gewesen,
Daß ein Dänenfluß die Eider,
Und daß Preußen liegt im Monde.

In der freien Reichsstadt Lübeck
Hör' ich täglich jetzt ihr Sausen;
Die Musik spielt auf dazu:
Gott erhalte Franz den Kaiser!

's ist ein schönes Lied, ich lerne
Schon die Weise; binnen kurzem
Wird man von Triest bis Rendsburg
Doch nichts andres singen dürfen.

Ja, wer weiß, wenn ich zum Herbste
An der Oder heim dich suche,
Ob's im Wald von Heinrichslust
Nicht bereits die Vögel pfeifen.

Doch genug! Lebwohl mein Fürst,
Und verzeih mein formlos Scherzen;
Seit die Welt so ungereimt ward,
Schreib' ich ungereimte Verse.


Sonett.

(1851.)

Eins ist noch schlimmer, als den Damm durchstechen
Und plötzlich dann die Sturmflut meistern wollen:
Begeistrung wecken, und wenn angeschwollen
Im Volk sie herbraust, ihren Strom zerbrechen.

Denn einmal aufgewogt aus tausend Bächen
Verlangt sie stolz und siegreich hinzurollen;
Du hemmst sie wohl, o Fürst, doch kehrt mit Grollen
Ihr Schwall sich wider dich und deine Schwächen.

Je sichrer sie dein Schifflein trug zur Stelle,
Wenn du sie nutztest, desto grimmer trachtet
Dich zu vernichten die gestaute Welle.

Schon manches Volk hat sich dem Ruhm geschlachtet,
Doch seines heiligsten Gefühles Quelle
Läßt keins vergeuden, das sich selbst noch achtet.


Mein Friedensschluß.

(1850.)

Wohl netzt' ich heiß mit Thränen meine Pfühle,
Und rang in Qualen, mich emporzuhalten,
Denn furchtbar brannte dieser Zeiten Schwüle.

Es lag die Welt in grimmem Kampf zerspalten,
Und zu der Heere keinem konnt' ich stehen,
Hier sah ich Wahnsinn, dort Verstocktheit walten.

Das allertiefste Weh war mir geschehen;
Denn meiner Sehnsucht Bild, nun war's gekommen,
Doch wüstverzerrt, ein Gräuel anzusehen.

Das trieb mich rastlos um, von Gram beklommen;
Doch endlich, als ich lange Nächt' und Tage
Gerungen, ward von mir die Last genommen.

Nur wem das Schicksal stumm ist, der verzage;
Zu wem der Gott spricht aus der Weltgeschichte,
Dem singt er Trost zuletzt zur Zeit der Plage.

Durch blasse Dämmrung führt er ihn zum Lichte,
Und zeigt ihm wie von hoher Bergeszinne
Vergangnes und Zukünft'ges im Gesichte.

Und so von ihm geleitet ward ich inne:
Es kämpft sich ein Gedank' in brünst'gem Hoffen
Durch jede Zeit, daß er Gestalt gewinne.

Doch in den Staub geboren weist er offen
Nicht gleich sein Antlitz; Geist und Bild sind zweie,
Verhüllt erst glüht er unter niedern Stoffen.

Durch mißgeschaffner Formen lange Reihe
Die Seelenwandrung hat er zu vollenden,
Bis er verklärt erglänzt im Licht der Weihe.

So rang der Vorwelt Sehnsucht aller Enden
Zum Schönen; doch bis sie's gelernt zu fassen,
Wie tastete sie lang mit schweren Händen!

Wie lange band sie Dinge, die sich hassen,
In Bau der Sphinx, im Zwitterleib des Greifen,
Und thürmte schwunglos trübgedrückte Massen!

Und dennoch lag im Wilden, Rohen, Steifen
Der Reim schon, der bestimmt war, einst im Bilde
Der Schaumgebornen wonnig auszureifen,

Wie sie mit Götterlächeln die Gefilde
Durchzieht und tausend Blumen weckt im Schreiten,
Ganz Liebreiz, ganz Holdseligkeit und Milde.

Nun geht der Freiheit Geist durch diese Zeiten.
Die Massen rührt er, daß sie sich getrauen,
Nach dumpfem Sinn den Leib ihm zu bereiten.

Doch eine Binde liegt um ihre Brauen;
Ihr Thun ist maßlos, fiebrisch ihr Geberden;
Nur eine Götzin schaffen sie voll Grauen.

Und tausend Opfer fallen ihr auf Erden,
Denn ihre Satzung ist mit Blut geschrieben.
Das sind Geburtswehn; anders wird es werden.

Das Bild, aus krankem Sinn emporgetrieben,
Drin sphinxgestaltig Mensch und Thier sich einen,
Zerberstend wird's dahin in Aschen stieben.

In reinerem Gefäß dann wird erscheinen
Der heil'ge Funke, seine Kraft zu proben,
Denn jede Wandlung läßt ihm mehr vom Seinen;

Bis endlich, wie die Schönheit aus dem Toben
Des Meers, die Göttin aufsteigt aus den Schlacken,
Unschuldig, auf der Stirn den Stral von oben.

Im Glanzgelock ruht statt der Krone Zacken
Der Kranz ihr von des Oelbaums Silberlaube,
Und alle Welt beugt feiernd ihr den Nacken.

Die Stunde, da sie so entschwebt dem Staube,
Nicht träum' ich noch mit Augen sie zu grüßen;
Doch auch verzweifeln läßt mich nicht mein Glaube.

Er giebt mir Kraft, zu stehn auf franken Füßen,
Den Spiegel jedem Zerrbild kühn zu zeigen,
Und doch dem Reim zu huld'gen drin, dem süßen.

Und weil ich muß beim Kampf des Tages schweigen,
Den Larven schlagen, hab' ich aufgerichtet
Dieß Lied als Mal, daß ich der Freiheit eigen.

In ihrer Zukunft Sinn hab' ich gedichtet.


Halte die Hoffnung fest!

(1851.)

Wenn der Morgen, der heute tagt,
Nichts als Trümmer dich schauen läßt,
Unter Trümmern noch unverzagt
Halt' im Herzen die Hoffnung fest!

Mag dies irre Geschlecht mit Hohn
Ihrer spotten, verzweifle nie,
Und im Sterben an deinen Sohn
Als dein Kleinod vererbe sie;

Daß er harre, wie du getreu
Und gerüstet zu frischer That,
Wenn zu scheiden vom Korn die Spreu
Einst der Tag der Erfüllung naht,

Jener Morgen von Gott gesandt,
Der bei klingendem Schwerterstreich
Im zerstückelten Vaterland
Neu aufrichtet das deutsche Reich.


Pause.

(1856.)

Wer will's denn läugnen, daß in unsern Tagen
Ein rascher Pulsschlag sich lebendig regt,
Daß rings ein frischer Geist die Welt bewegt,
Und die Gedanken neue Flüge wagen?

Die Wissenschaft zertrümmert ohne Zagen
Manch dumpfe Schranke, die uns eingehegt;
Der Baum der Freiheit, der schon Blüten trägt,
Verheißt dereinst uns goldne Frucht zu tragen.

Ein Großes aber mangelt dieser Zeit:
Das eigne Dach und Fach, das mit Vertrauen
Die Brust erfüllt, und drin die Rast gedeiht.

Noch heimathlos, bei Sturm und Wettergrauen,
Sitzt sie auf Trümmern der Vergangenheit
Und Quadern, für der Zukunft Bau gehauen.


Ungeduld.

(1857.)

So winterlich noch schaudern
Die Lüfte weit und breit;
O Lenz, was soll dein Zaudern?
Es ist schon Blühens Zeit.

Im Thal und in den Herzen
Das Eis ist schier zerthaut;
Nun ruft nach dir mit Schmerzen
Die bange Sehnsucht laut.

O komm, uns zu erquicken,
Und bring in Donnerschlag,
In Guß und Sonnenblicken
Den Auferstehungstag!

Wir können's kaum erwarten:
Wann wird die Eiche grün!
Wann wird im deutschen Garten
Die Kaiserkrone blühn!


Wann, o wann?

(1858.)

Wann doch, wann erscheint der Meister,
Der, o Deutschland, dich erbaut,
Wie die Sehnsucht edler Geister
Ahnungsvoll dich längst geschaut:

Eins nach außen, schwertgewaltig
Um ein hoch Panier geschaart,
Innen reich und vielgestaltig,
Jeder Stamm nach seiner Art.

Seht ihr, wie der Regenbogen
Dort in sieben Farben quillt?
Dennoch hoch und fest gezogen
Wölbt er sich, der Eintracht Bild.

Auf der Harfe laut und leise
Sind gespannt der Saiten viel;
Jede tönt nach ihrer Weise,
Dennoch giebt's ein klares Spiel.

O wann rauschen so verschlungen
Eure Farben, Süd und Nord!
Harfenspiel der deutschen Zungen,
Wann erklingst du im Akkord!

Laß mich's einmal noch vernehmen,
Laß mich's einmal, Herr, noch sehn;
Und dann will ich's ohne Grämen
Unsern Vätern melden gehn.


Seid eins!

(1859.)

Wie lang noch eifersücht'gen Muthes
Verzehrt ihr euch in Streit und Neid?
Ihr Volksgeschlechter deutschen Blutes,
Besinnt euch endlich, wer ihr seid!

Schon donnert's überm Eidergrunde,
Schon wölkt sich's am Gestad des Rheins;
Es rinnt der Sand der elften Stunde,
Und jedes Sandkorn mahnt: seid eins!

Seid eins! Von Gau zu Gau verkündigt
Ein Fest der Sühnung insgemein!
Wo all in gleicher Schuld gesündigt,
Ist's da so schwer denn, zu verzeihn?

Seid eins! Vom Schmäh'n und vom Verklagen,
Vom Hadern laßt, wer Führer sei;
Der Kühnste soll das Banner tragen,
Und der am treusten deutsch und frei.

Seid eins! Kein Griff nach fremder Krone!
Der Eichbaum wipfle vielverzweigt,
Doch Heil dem König auf dem Throne,
Der vor des Reichs Panier sich neigt!

Seid eins, und laßt euch nicht zerspalten
Durch Priesterzorn und Läugnerspott!
Mag jeder seiner Kirche walten,
Wir glauben all an Einen Gott.

Seid eins im Glück, seid eins im Leiden,
In Wort und That, in Spruch und Schlag,
Was auch der Erbfeind, euch zu scheiden,
Verheißen oder dräuen mag!

Seid eins, so donnert seinen Segen
Der Herr der Herrn vom Himmel drein,
Und sprechen mögt ihr allerwegen:
»Hie deutsches Schwert! So soll es sein!«


Gesang der Prätorianer

(1859.)

Heil dem Gewalt'gen, Heil dem Kaiser,
Dem Herrn im blut'gen Kriegsgezelt!
Er giebt uns Gold und Lorbeerreiser,
Wir geben ihm dafür die Welt.
Denn scheu vor unsrer Adler Blitzen
Zu Boden fliegt der Völker Blick;
Wir tragen auf den Lanzenspitzen
Das Heil des Reichs, der Welt Geschick.

Als Herrscher ziehn wir durch die Lande,
Er hat den Willen, wir die Macht;
Hohnlachend jedem Widerstande
Läßt er uns los im Feld der Schlacht.
Ob tausend über tausend sinken,
Was kümmert's ihn? Er zwingt das Glück;
Wir bringen ihm beim Schall der Zinken
Aus jedem Sturm den Sieg zurück.

Dann lobt und kos't er seine Meute
Und was uns zufiel, theilt er ein;
Für ihn der Ruhm, für uns die Beute,
Für uns die Weiber und der Wein!
Da bricht die Lust aus allen Zügeln,
Da flammt die Feuersbrunst in's Thal;
Auf Städteschutt und Leichenhügeln
Beginnen wir das Bachanal.

So wälzt er uns wie Lavafluten
Von Siegesfeld zu Siegesfeld,
Und schreibt von Nacht zu Nacht mit Gluten
Sein Machtgebot an's Himmelszelt.
Er spricht, wer wagt zu widersprechen!
Wer fragt noch, was beschworen sei!
Er will, und die Verträge brechen,
Die moos'gen Tafeln, morsch entzwei.

Mag knirschend ihn der Bürger hassen:
Er bangt und schweigt, das ist genug;
Der Pöbel jubelt auf den Gassen
Stets dem, der ihn in Ketten schlug.
Was ist das Recht? Ein Schreck der Zahmen,
Was ist die Freiheit? Wahn und Spott,
Was sind die Götter? Hohle Namen,
Der Kaiser ist auf Erden Gott.

Triumph! Triumph! Und wenn hienieden
Kein Wort mehr schallt, als seines nur,
Dann ist das Kaiserthum der Frieden,
Dann ist erfüllt sein hoher Schwur.
Drum Heil dem Starken, Heil dem Kaiser,
Dem Herrn im blut'gen Kriegsgezelt!
Er giebt uns Gold und Lorbeerreiser,
Wir geben ihm dafür die Welt.


Einst geschieht's.

(1859.)

Einst geschieht's, da wird die Schmach
Seines Volks der Herr zerbrechen;
Der auf Leipzigs Feldern sprach,
Wird im Donner wieder sprechen.

Dann, o Deutschland, sei getrost!
Dieses ist das erste Zeichen,
Wenn zum Bündniß West und Ost
Wider dich die Hand sich reichen.

Wenn verbündet Ost und West
Wider dich zum Schwerte fassen,
Wisse, daß dich Gott nicht läßt,
So du nicht dich selbst verlassen.

Deinen alten Bruderzwist
Wird das Wetter dann verzehren;
Thaten wird zu dieser Frist,
Helden dir die Noth gebären,

Bis du wieder stark, wie sonst,
Auf der Stirn der Herrschaft Zeichen,
Vor Europas Völkern thronst,
Eine Fürstin sonder Gleichen.

Schlage, schlage denn empor,
Läutrungsglut des Weltenbrandes!
Steig' als Phönix draus hervor,
Kaiseraar des deutschen Landes!


Chäronea.

(1860.)

Auf Chäronea's Haide
Im alten Schlachtgefild
Liegt wie versteint im Leide
Ein marmorn Löwenbild.

Es mahnt, daß kühngemuthet,
Wo jetzt die Disteln wehn,
Im Kampf dereinst verblutet
Die Jugend von Athen.

O Hellas, welche Lippe
Sagt, was dein Herz erlitt,
Als hier des Fremdlings Hippe
Der Freiheit Lilien schnitt!

Was half dir da der Musen
Verhängnißvolle Gunst,
Im göttergleichen Busen
Das heit're Licht der Kunst?

Der Tiefsinn deiner Weisen,
Der Sänger Lorbeerzier,
An jenem Tag von Eisen,
Was frommt' es alles dir?

Ach, krank im Kern des Lebens
Von eifersücht'ger Glut,
Verströmtest du vergebens
Dein letztes Heldenblut.

Weil du gelöst mit Pochen
Des Pfeilbunds stark Geflecht,
Sank, Schaft für Schaft zerbrochen,
Dahin dein ganz Geschlecht.

Mit eh'rnem Schluß die Zügel
Ergriff Barbarenhand –
O schau in diesen Spiegel,
Schau her, mein Vaterland!


Tempora mutantur.

(1860.)

Die Stätten meiner Jugend sah ich wieder,
Doch zeigen sie mir fast ein fremd Gesicht;
Rings wuchsen Giebel, sanken Wipfel nieder
Und selbst das Flußbett ist das alte nicht;
Ja, Freund, den Hauch, der unter'm Schlag der Glocken
Die Welt durchschauert, spür' ich doppelt hier;
Er blies nicht bloß das Braun aus unsern Locken,
   Verwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.

Wie lag im goldnen Märchenduft die Ferne,
Da uns noch eng der Heimath Bann umgab!
Vom ersten Berg schon sah'n wir andre Sterne
Und Zaubergerte schien der Wanderstab.
Sehnsüchtig wuchs das Herz, wenn seine Weisen
Das Posthorn sang im nächt'gen Waldrevier –
Jetzt pfeift der Dampf und läßt im Sturm uns reisen;
   Verwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.

Von Ort zu Ort die traute Liebeskunde,
Die Grüße, die der Freund dem Freunde rief,
Wie bang erharrten wir sie Stund' um Stunde,
Und zum Ereigniß ward der späte Brief.
Verhallend selbst, als Echo nur, empfingen
Der Weltgeschichte Donnerbotschaft wir –
Jetzt trägt der Blitz das Wort auf Feuerschwingen,
   Verwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.

Vom Zauberduft der blauen Blume trunken
Des Herzens Räthseln sann der Dichter nach;
Er klagt' um Sonnen, die hinabgesunken,
Und rief der Vorwelt mächt'ge Schatten wach.
Der Freiheit Muse schlich nur auf den Zehen
Bei Nacht zu ihm, als wär's Verbrechen schier –
Heut läßt sie auf dem Markt ihr Banner wehen,
   Verwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.

Gruß euch, ihr Münster mit den hohen Schiffen,
Gebraus und Orgel, dunkles Chorgestühl,
Wo ein Geheimniß, ewig unbegriffen,
Uns Wahrheit ward durch unser wahr Gefühl!
Auf seinen Flügeln jedes Zweifels Schranke
Hoch überfliegend, kampflos glaubten wir –
Jetzt heischt sein Recht am Glauben der Gedanke;
   Verwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.

Wohl trugen wir das Vaterland im Herzen,
Doch liebten wir wie Knaben stumm und zart;
Zum Freund nur sprach der Freund von seinen Schmerzen
Und von dem Kaiser mit dem Flammenbart.
Das Wort vom Reich, ob niemals ganz verklungen,
Doch scheu nur ward's geflüstert dort und hier –
Heut rauscht es fort im Volk von tausend Zungen,
   Verwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.

Ja, vorwärts geht's; des Webstuhls Spulen sausen;
Die Welt ward weiter, freier Blick und Sinn:
Doch wie des Lebens Ströme schwellend brausen,
Wuchs nach Genuß die Gier und nach Gewinn.
Da singt bei Nacht wohl, eh' die Sterne schwinden,
Vom engen Jugendglück die Sehnsucht mir –
Doch komm nur Tag! Du sollst mich wacker finden!
   Verwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.


Geschichte und Gegenwart.

(1861.)

Du, die im Wirrsal dieser Tage
Sich zur Prophetin Gott ersah,
Wie hoch und ernst mit deiner Wage,
Geschichte, stehst du vor mir da!
Sibylle, der vom keuschen Munde
Das Zeugenwort der Dinge tönt,
Die mit jahrtausendalter Kunde
Des jüngsten Morgens Leid versöhnt.

Wohl hast du ewig unbestochen,
Von Zorn und Liebe nie entflammt,
Den Sterblichen ihr Recht gesprochen,
Doch schmückt dich heut ein höher Amt.
Mit kühner Hand im Zeitenbuche
Aufblätternd was von Anfang war,
Machst du mit priesterlichem Spruche
Das Weltgeheimniß offenbar.

Denn tief im Schutt bis an die Brüste,
Das Haupt von Flugsand überschneit,
Lag schweigend, wie die Sphinx der Wüste,
Dein Räthselbild, Vergangenheit.
Das Auge, das an Stirn und Falten
Nur hier und dort ein Zeichen las,
Verlor, vom Nächsten festgehalten,
Des Ganzen ungeheures Maß.

Doch nun allmählich aus den Tiefen,
Die nimmermüder Fleiß durchgräbt,
Sich überdeckt mit Hieroglyphen
Des Riesenleibes Umriß hebt;
Nun in untrüglicher Gestaltung
Der Sprache Fußspur vielverzweigt
Uns der Geschlechter frühe Spaltung
Und ihren frühsten Bund uns zeigt:

Nun rollt vor dem betroffnen Blicke
In festgegliedertem Verlauf
Die Kette sich der Weltgeschicke
Wie ein vollendet Kunstwerk auf;
Nun sehn wir reifend durch die Zeiten,
Das Antlitz wandelnd Zug um Zug,
Des Gottes Offenbarung schreiten,
Die jeder gab, was sie ertrug.

Wohl lastet über weiten Räumen
Unsichrer Dämm'rung trüber Flor,
Doch wächst in Bildern dort und Träumen
Die Sehnsucht nach dem Licht empor;
Wohl stürzt, was Macht und Kunst erschufen
Wie für die Ewigkeit bestimmt;
Doch alle Trümmer werden Stufen,
Daran die Menschheit weiter klimmt.

Und wie wir so aus Nacht zum Glanze
Den Wandel der Geschlechter sehn,
Erkennen wir – den Blick auf's Ganze –
Die Stätte, da wir selber stehn:
Wir spüren, froh des hohen Waltens,
Das jeder Zeit ihr Ziel verliehn,
Den heil'gen Fortgang des Entfaltens
Im Tag auch, der uns heut erschien.

Und ob sich rings Gewitter thürmen
In West und Ost um unsern Pfad,
Uns schwant, daß auch in diesen Stürmen
Ein gottgesandter Frühling naht;
Und aus der Kräfte dunklem Gähren
Umwittert uns geheimnißvoll
Der Hauch, der was erstarb verzehren,
Und was da lebt verjüngen soll.

Da schwillt, was immer uns betroffen,
Das Herz von muth'ger Werdelust,
Da füllt ein unvergänglich Hoffen
Zukünft'gen Heiles uns die Brust.
Zum Kern des Lebens wird der Glaube,
Von dem das Kleid der Formel fällt,
Und wir verehren tief im Staube
Den Gott im Tempelbau der Welt.


Deutschlands Beruf.

(1861.)

Soll's denn ewig von Gewittern
Am umwölkten Himmel brau'n?
Soll denn stets der Boden zittern,
Drauf wir unsre Hütten bau'n?
Oder wollt ihr mit den Waffen
Endlich Rast und Frieden schaffen?

Daß die Welt nicht mehr, in Sorgen
Um ihr leichterschüttert Glück,
Täglich bebe vor dem Morgen,
Gebt ihr ihren Kern zurück!
Macht Europas Herz gesunden
Und das Heil ist euch gefunden.

Einen Hort geht aufzurichten,
Einen Hort im deutschen Land!
Sucht zum Lenken und zum Schlichten
Eine schwerterprobte Hand,
Die den güldnen Apfel halte
Und des Reichs in Treuen walte.

Sein gefürstet Banner trage
Jeder Stamm, wie er's erkor,
Aber über alle rage
Stolzentfaltet eins empor,
Hoch, im Schmuck der Eichenreiser
Wall' es vor dem deutschen Kaiser.
Wenn die heil'ge Krone wieder
Eine hohe Scheitel schmückt,
Aus dem Haupt durch alle Glieder
Stark ein ein'ger Wille zückt,
Wird im Völkerrath vor allen
Deutscher Spruch aufs neu erschallen.

Dann nicht mehr zum Weltgesetze
Wird die Laun' am Seinestrom,
Dann vergeblich seine Netze
Wirst der Fischer aus in Rom,
Länger nicht mit seinen Horden.
Schreckt uns der Koloß im Norden.

Macht und Freiheit, Recht und Sitte,
Klarer Geist und scharfer Hieb
Zügeln dann aus starker Mitte
Jeder Selbstsucht wilden Trieb,
Und es mag am deutschen Wesen
Einmal noch die Welt genesen.


Ludwig Uhland.

(1862.)

Es ist ein hoher Baum gefallen,
Ein Baum im deutschen Dichterwald;
Ein Sänger schied, getreu vor allen,
Von denen deutsches Lied erschallt.
Wie stand mit seinem keuschen Psalter
Im jüngern Schwarm er stolz und schlicht!
Ein Meister und ein Held, wie Walter,
Und rein sein Schild, wie sein Gedicht.

Wohl Größre preist man unser eigen,
Um deren Stirnen ewig grün
Im Kranz gewebt aus Eichenzweigen
Die Lorbeern der Hellenen blühn;
Doch keiner sang in unsrer Mitte,
Der, so wie Er, unwandelbar
Ein Spiegel vaterländ'scher Sitte,
Ein Herold deutscher Ehren war.

Drum, wenn wir seinen Weisen lauschen,
Umweht es uns wie Heimatluft,
Wir hören deutsches Waldesrauschen,
Wir athmen deutschen Maienduft.
Die Herrlichkeit verschollner Tage
Steigt mondbeglänzt vor uns herauf,
Uns geht beim Waldhornruf der Sage
Das Herz in süßem Schauder auf.

Und wenn mit männlich ernstem Fodern
Sein Lied nach Freiheit ruft und Recht,
Auch das ist deutschen Geistes Lodern,
Beharrlich', prunklos, stark und ächt.
Es lehrt uns – was das Schicksal sende –
Dem Weltlauf fest in's Auge schaun;
Es lehrt uns treu sein bis an's Ende
Und auf der Zukunft Sterne traun.

Und forschen wir, wie vom Beginne
Der Sprache zweigend Erz gediehn,
Und was der Väter gläub'gem Sinne
Als uralt heilig Bild erschien:
Er hat den rechten Schacht gefunden,
Er trägt auf vielgewundner Bahn
Durch's Labyrinth der Götterkunden
Die Fackel deutend uns voran.

So wob er schon in unsre Jugend
Des Liedes Schmuck, der Sage Lust,
So reift' er zu entschloß'ner Tugend
Den Freiheitsdrang in unsrer Brust.
So stand er deutschen Reichthums Wächter
In sinnverwelschter Zeiten Lauf,
Und huld'gend schauten drei Geschlechter
Zu seiner stillen Hoheit auf.

Er schied; es bleibt der Mund geschlossen,
So karg im Wort, im Lied so klar,
Der Mund, draus nie ein Spruch geflossen,
Der seines Volks nicht würdig war.
Doch segnend waltet sein Gedächtniß,
Unsterblich fruchtend um uns her;
Das ist an uns sein groß Vermächtniß,
So treu und deutsch zu sein, wie Er.


Reformation.

(1862.)

Woll' uns deinen Tröster senden,
Herr, in dieser schweren Zeit,
Da die Welt an allen Enden
Durstig nach Erlösung schreit!
Denn es geht ein heilig Sehnen
Durch der Völker bangen Sinn,
Und sie seufzen unter Thränen:
Hüter, ist die Nacht bald hin?

Ach, sie fühlen's: alles Wissen,
Ob's den Stoff der Welt umfaßt,
Bringt, vom Ew'gen losgerissen,
Kein Genügen, keine Rast.
Doch die Suchenden, Beschwerten
Treibt levitisch Schwertgezück,
Treibt der Spruch der Schriftgelehrten
Hart und eng in sich zurück.

Was einst Trost und Heil den Massen,
Ward zur Satzung dumpf und schwer;
Dieser Kirche Formen fassen
Dein Geheimniß, Herr, nicht mehr.
Tausenden, die fromm dich rufen,
Weigert sie den Gnadenschooß;
Wandle denn, was Menschen schufen,
Denn nur du bist wandellos.

Aus dem dunkeln Schriftbuchstaben,
Aus der Lehr' erstarrter Haft,
Drin der heil'ge Geist begraben,
Laß ihn auferstehn in Kraft!
Laß ihn über's Rund der Erde
Wieder fluten froh und frei,
Daß das Glauben Leben werde,
Und die That Bekenntniß sei!

Flammend zeug' er, was vereinigt
Einst der Boten Mund getönt,
Wie's, vom Zeitlichen gereinigt,
Sich dem Menschengeist versöhnt;
Zeug' es, bis vor solcher Kunde
Jede Zweifelstimme schweigt,
Und empor vom alten Grunde
Frei die neue Kirche steigt.


An Ludwig Aegidi.

(1863.)

Die Stunde segn' ich, da der Gedanke mir
Des ew'gen Weltfortschrittes wie Sternenglanz
      Im Herzen aufging, jene Hoffnung
   Endlichen Heiles, die Alles ausgleicht.

Wär' mir's versagt, im Trüben das Werdende,
Zukünft'gen Aufbau's Quadern im Trümmerfall
      Zu ahnen, abgrundstief in Schwermuth
   Müßte das bange Gemüth versinken.

Denn täglich klafft heilloser des Vaterlands
Wehvoller Zwiespalt, der ein besonnen Herz
      Mitspaltet, weil es keinen Ausweg
   Sieht, als die Schärfe des Schwerts und Umsturz.

Rastlos zugleich im Schooße der Staaten kämpft
Starrsinn mit Starrsinn, ach, und es wagt wie oft
      Leichtfert'ger Ehrgeiz an den kleinen
   Sieg der Partei das Geschick des Ganzen!

Und während hier durch starrer Leviten Schuld
Des Volks Gemüth vom Brode des Himmels sich
      Entwöhnt, und sternlos durch die Wildniß
   Eines versandenden Daseins hinirrt:

Hebt abermals kühnstrebende Priestermacht
Jenseits der Berg' ihr blendend Medusenhaupt,
      Vor dessen Blick die kaum entsprungnen
   Brunnen des Geistes zu Stein gefrieren.

Das Schöne selbst dient üppigem Spiel, es kehrt
Von strenger Hoheit Zauber die Welt sich ab,
      Und hüllt des Schwächlings flache Stirne,
   Weil sie bequem sich erreicht, in Lorbeer.

Ist dies der Einbruch sinkender Todesnacht?
Ist's Morgenzwielicht, drin die Gespenster sich
      Der Finsterniß noch einmal rühren,
   Mächtiger rühren, bevor der Hahn kräht?

Wer sagt's! – Ich weiß nur: tief in Gewölk verhüllt
Der Gott die Stirn oft, wenn er Entscheidung bringt,
      Und anders, als wir hofften, löst er,
   Als wir gefürchtet, des Schicksals Räthsel.

So harr' ich denn und dämpfe mit Saitenspiel
Des Busens Unrast, froherer Zeit gedenk;
      Denn wer in's Chaos starrt, ist niemals
   Besser geworden dadurch noch weiser.

Mag einst ein Herz in Qualen der Ungeduld
Des fromm nach Fassung ringenden Dichters sich
      Getrösten: Gleiches litt auch dieser,
   Aber er trug es und sang und hoffte.


Musikfest.

(1864.)

Singt und jubelt nur und laßt
Schäumen die Pokale,
Doch beruft den trüben Gast
Nicht zum Freudenmahle.

Tiefe Schwermuth überkommt
Mich beim Schall der Lieder;
Bringt was unserm Volke frommt
Kein Gesang doch wieder.

Während ihr die Eintracht preist
Bei des Festes Kerzen,
Geht durchs Land ein finstrer Geist
Und entzweit die Herzen.

Durch der Weisen Jubelton,
Durch den Prunk der Reden
Hör' ich fern ein Dröhnen schon
Eh'rner Schicksalsfäden.

Ach, und will im Wein ich dann
Was mich quält ersticken,
Schaut mich draus die Zukunft an
Mit Medusenblicken.


In den Tagen des Conflikts.

(1865.)

Das ist ein trostlos Sylbenstechen,
Mißtrauen hier, Verstimmung dort;
Sie möchten wohl von Sühnung sprechen,
Doch keiner trifft das rechte Wort.

So wächst die Kluft von Tag zu Tage,
Man reizt und höhnt, man trutzt und schmollt,
Ob draußen auch mit dumpfem Schlage
Vernehmlich schon das Wetter grollt.

Erhitzt bekämpfen sich die Reihen
Zur rechten und zur linken Hand
Und über'm Hader der Parteien
Denkt keiner mehr ans Vaterland.


Zur Antwort.

(1865.)

Wenn von außen der Feind uns droht,
Wohl mit klingenden Saiten
Im gewappneten Aufgebot
Ziemt's dem Dichter zu schreiten.

Eisern wie ein geschwungnes Schwert
Soll sein Hymnus ertönen,
Bis ihm gnädig ein Gott bescheert,
Siegerstirnen zu krönen.

Aber wo mit Gewalt und List
Haupt feindselig und Glieder
Sich befehden im innern Zwist,
Da verstummen die Lieder.

Eh sie diente, der Volkspartei'n
Zwietracht weiterzutragen,
Lieber wollt' ich am nächsten Stein
Diese Harfe zerschlagen.


Eiserne Zeit.

(December 1865.)

Unter'm alten Eichenbaum,
Wo das Volk ihm lauscht im Kreise,
Dumpf, gleichwie aus bangem Traum,
Singt der Spielmann seine Weise:
Haltet Muth und Schwert bereit!
Eisern, eisern ist die Zeit.

Sühnung hofft' ich manches Jahr
Und getrost zu neuen Siegen
Sah ich schon den Doppelaar
Mit dem Aar der Zollern fliegen.
Weh, der Sieg gebar den Streit,
Eisern, eisern ist die Zeit.

Dort ein Kaiserthum im Ost,
Hier ein Reich vom Fels zum Meere,
Eins des andern Schirm und Trost,
Beide gleich an Macht und Ehre
Schöner Traum, wie liegst du weit!
Eisern, eisern ist die Zeit.

Trotz im Auge, Groll im Mund
Stehn die jüngst noch Kampfgesellen;
Ach, nicht birgt das Land am Sund
Ihres Haders tiefste Quellen.
Deutschland gilt was sie entzweit;
Eisern, eisern ist die Zeit.

Deutschland gilt's und. ruhelos
Glimmt die Zwietracht fort der Beiden,
Daß in aller Gauen Schooß
Die da Brüder sind sich scheiden
Und des Hasses Saat gedeiht;
Eisern, eisern ist die Zeit.

Horch, schon läßt sich dumpf bei Nacht
Unterm Grund ein Brausen spüren,
Hoch zu Rosse wie zur Schlacht
Ziehn in Wolken die Walkyren,
Angst und Schwüle weit und breit!
Eisern, eisern ist die Zeit.

Brich herein denn, Schicksalstag!
Ende diese Noth im Wetter!
Unter Sturm und Donnerschlag
Send' uns einen Hort und Retter!
Deutschlands Purpur liegt bereit,
Eisern, eisern ist die Zeit.


Das Lied vom Reiche.

(? jedenfalls vor 1866.)

Frisch auf und unverdrossen,
Wie grimm die Welt auch thut!
Die Zwei sind dir Genossen,
Dein Gott und deutscher Muth.
Ob's Herz schier bricht,
Verzage nicht,
Die Zähne beiß zusammen!
Es fügt sich doch
Wofür so hoch
Die besten Herzen flammen.

Nicht knechtisch Wohlbehagen,
Noch blutig Gaukelspiel
Aus wälscher Gleichheit Tagen
Ist unsres Volkes Ziel.
Doch birgt sein Herz
Nicht mehr den Schmerz
Um die zerborst'ne Eiche,
Doch wächst das Wort
Allmächtig fort,
Das Wort vom deutschen Reiche.

Wohl hält der alte Drache
Vielköpf'ger Eifersucht
Am Baum des Lebens Wache
Und weigert uns die Frucht.
Doch, wie er faucht
Und Flammen haucht,
Laß dich nicht mit zerspalten!
Getrost im Graus,
Mein Volk, halt aus!
Gott wird der Hoffnung walten.

Der Treue kann's nicht fehlen,
Beharren bringt Gedeihn;
Was reif ward in den Seelen,
Das schafft sich Fleisch und Bein.
Es wird die Noth
Ihr laut Gebot
Im Schlachtendonner sprechen;
Und kommt's nicht jetzt,
So kommt's zuletzt
Mit Biegen oder Brechen.

Das ist die einz'ge Sühne,
Das ist des Liedes Schluß,
Das ist der Lenz, der grüne,
Der endlich werden muß:
Voll Macht und Ruhm
Das Kaiserthum,
Dem freien Volk zum Frommen.
Drum, wie's auch tost,
Herz, sei getrost!
Das Reich wird dennoch kommen.



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