Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vor 1848.


Thürmerlied.

(1840.)

   Wachet auf! ruft euch die Stimme
Des Wächters von der hohen Zinne,
Wach auf, du weites deutsches Land!
   Die ihr an der Donau hauset,
Und wo der Rhein durch Felsen brauset
Und wo sich thürmt der Düne Sand!
      Habt Wacht am Heimatsherd,
      In treuer Hand das Schwert,
            Jede Stunde!
         Zu scharfem Streit
         Macht euch bereit!
Der Tag des Kampfes ist nicht weit.

   Hört ihr's dumpf im Osten klingen?
Er möcht' euch gar zu gern verschlingen,
Der Geier, der nach der Beute kreis't.
   Hört im Westen ihr die Schlange?
Sie möchte mit Sirenensange
Vergiften euch den frommen Geist.
      Schon naht des Geiers Flug,
      Schon birgt die Schlange klug
            Sich zum Sprunge;
         Drum haltet Wacht
         Um Mitternacht
Und wetzt die Schwerter für die Schlacht!

   Reiniget euch in Gebeten,
Auf daß ihr vor den Herrn könnt treten,
Wenn er um euer Werk euch frägt;
   Keusch im Lieben, fest im Glauben,
Laßt euch den treuen Muth nicht rauben,
Seid einig, da die Stunde schlägt!
      Das Kreuz sei eure Zier,
      Eu'r Helmbusch und Panier
            In den Schlachten.
         Wer in dem Feld
         Zu Gott sich hält,
Der hat allein sich wohl gestellt.

   Sieh herab vom Himmel droben,
Herr, den der Engel Zungen loben,
Sei gnädig diesem deutschen Land!
   Donnernd aus der Feuerwolke
Sprich zu den Fürsten, sprich zum Volke,
Und lehr' uns stark sein Hand in Hand!
      Sei du uns Fels und Burg,
      Du führst uns wohl hindurch.
            Hallelujah!
         Denn dein ist heut
         Und alle Zeit
Reich, die Kraft, die Herrlichkeit.


Gesicht im Walde.

(1841.)

Ich hatte mich verirrt im tiefsten Wald.
Schwarz war die Nacht, unheimlich troff der Regen,
Der Sturm ging in den Wipfeln wild und kalt.

Da sah ich plötzlich unfern meinen Wegen
Durch's feuchte Laub glutrothe Funken sprühn,
Und Hammerschläge dröhnten mir entgegen.

Durch Dornen und durch Buschwerk drang ich kühn;
Und bald gewahrt' ich, rings vom Wald umfangen,
In hoher Wall' ein Schmiedesfeuer glühn.

Drei Riesen waren's, die die Hämmer schwangen,
Berußt, die Augen nur auf's Werk gekehrt,
Dazu sie schauerliche Weisen sangen.

Sie schmiedeten an einem großen Schwert:
Zweischneidig war's, der Griff als Kreuz gestaltet,
Die Kling' ein Strahl, der züngelnd niederfährt.

Und Einer sang in Tönen fast veraltet,
Doch also tief, wie wenn emporgeschwellt
Der mächt'ge Hauch in dumpfer Orgel waltet:

»Es rührt im Birnbaum auf dem Walserfeld
Sich schon der Saft, und seinem Volk zum Heile
Erscheinen wird der langersehnte Held.

Drum rüstig mit dem Hammer, mit der Feile!
Das Schwert, das Königsschwert muß fertig sein,
Und unser Werk hat Eile, Eile, Eile!«

Er schwieg, und singend fiel der Zweite ein
Mit einer Stimm', als wollt er aus den Grüften
Mit Erzposaunenschall die Todten schrei'n:

»Es hat zu Nacht gedonnert in den Klüften
Des alten Bergs, den man Kyffhäuser heißt,
Und einen Adler sah ich in den Lüften.

Wie Sturmesrauschen klingt es, wenn er kreis't,
In seinen Fängen trägt er Blitzeskeile;
Die Rabenbrut entflieht, wo er sich weis't.

Drum rüstig mit dem Hammer, mit der Feile!
Zur rechten Stunde sei das Werk gethan;
Das Kreuzesschwert hat Eile, Eile, Eile!«

Und tief einfallend hub der Dritte an,
Das scholl, wie unterird'sche Donner grollen,
Wenn sich die Lava rühret im Vulkan:

»Die Zeit ist schwanger, aus den dürren Schollen
Wird eisern aufgehn eine Kriegersaat;
Sein rothes Banner wird der Kampf entrollen.

Drum schreiten hohe Geister früh und spat
Durch's deutsche Land und pochen an die Thüren,
Und mahnen laut: der Tag des Schicksals naht!

Viel eitles Blendwerk wird der Feind erküren,
Mit Lächeln locken, dräun mit Blitzgeschoß;
O lasse keiner dann sein Herz verführen!

Denn Füße nur von Thon hat der Koloß,
Und stürzen wird er über kurze Weile,
Im Fall begrabend seiner Knechte Troß.

Drum rüstig mit dem Hammer, mit der Feile!
Ihr Bälge blast, ihr Funken sprüht empor!
Das Schwert des Siegs hat Eile, Eile, Eile!«

So sangen sie. Dann schwieg der dumpfe Chor;
In kaltem Schauer bebten meine Glieder,
Doch wagt' ich nicht mich in der Halle Thor.

Zurück ins schwarze Dickicht floh ich wieder,
Und sah verlöschen bald der Flammen Licht,
Nur bang im Haupt noch summten mir die Lieder.

Kaum weiß ich jetzt, war's Traumbild, war's Gesicht?
Doch mahnt es, daß auch wir das Schwert bereiten,
Das Schwert des Geistes, welches nie zerbricht.

Wachet und betet! Schwer sind diese Zeiten.


Was uns fehlt.

(1841.)

Es ist in leere Nüchternheit die ganze Welt versunken,
Und keine Zunge redet mehr vom heil'gen Geiste trunken;
Die Poësie, das fromme Kind, ist scheu von uns gewichen,
Der Himmel dünkt uns trüb und grau, und Sonn' und Mond verblichen;
Die groß geschaut und groß gebaut, sie schlummern in den Särgen,
Auf ihren Gräbern kriechen wir als ein Geschlecht von Zwergen,
Nichts blieb uns, als die schlimme Kunst, zu zweifeln und zu richten,
Und wenn sich ein Gigant erhebt, so ist er's im Vernichten.

Wohl grübelt ihr und möchtet gern das große Räthsel lösen,
Aus welchem tiefverborg'nen Quell der Strom sich wälzt des Bösen,
Ihr eilt geschäftig hin und her, um Wust auf Wust zu thürmen,
Und meint mit eures Witzes Rath den Himmel zu erstürmen,
Doch seht, nur Eines Donners Schlag, nur Eines Blitzes Flammen,
Und eurer Weisheit Pelion und Ossa stürzt zusammen.

Ich aber sage euch: fürwahr, es wird nicht anders werden,
Bis ihr den Blick nicht himmelwärts erhebt vom Staub der Erden,
Bis ihr dem Geist der Liebe nicht, dem großen Ueberwinder,
Demüthig euer Herz erschließt, und werdet wie die Kinder;
Denn wo die Liebe wohnt, da hat ein ew'ger Lenz begonnen,
Da grünen alle Wälder auf und rauschen alle Bronnen,
Ihr offenbart sich, was dem Blick der klugen Welt verborgen,
In trüber Dämm'rung sieht sie schon den rosenrothen Morgen,
Das Brausen wird ihr zur Musik, zum Reigen das Gewimmel,
Helljauchzend steigt ihr Lied empor auf Flügeln in den Himmel,
Sie ist ein Kind und doch ein Held mit unbesiegten Waffen,
Und weil sie noch an Wunder glaubt, so kann sie Wunder schaffen.


An das Vaterland.

(1842?)

Seit zum Jüngling ich erstand
Aus der Kindheit Traume,
Dir gehör' ich, Vaterland,
Wie das Blatt dem Baume.

Meines Wesens Eigenbild
Hast du mir gegeben
Und aus deiner Wurzel quillt
Fort und fort mein Leben.

Was aus deiner Zweige Nacht
Spricht in Geisterzungen,
Das nur hält mit stiller Macht
Mein Gemüth bezwungen.

Und wieviel im Waldrevier
Auch der Stimmen schallen,
Stets am schönsten singen mir
Deine Nachtigallen.

Wenn dein Wipfel himmelwärts
Rauscht in Thau und Sonne,
Schauert leise durch mein Herz
Ein Gefühl der Wonne;

Aber wenn im Sturmgetos
Deine Zweige schwanken,
Schwankt es mit in ruhelos
Sorgenden Gedanken.

Nie den Spalt in deinem Schaft,
Der durch Mark und Rinden
Unvernarbt noch immer klafft,
Lernt' ich zu verwinden.

Doch der Hoffnung auch entsagt
Meine Seele nimmer,
Daß dereinst ein Morgen tagt,
Der ihn schließt für immer.


Italien.

(1841.)

O wie eigen wird dem Wandrer, der, entflohn des Nordens Hast,
Nach dem heißersehnten Süden lenkt die frohe Pilgerschaft,
Wenn er von des Gotthardts Gipfel, der in ew'gem Eise schweigt,
Langsam durch die Morgendämm'rung gen Italien niedersteigt.

Leise theilen sich die Nebel, und es wird so lau die Luft,
Aus der Tiefe wie ein Grüßen weht empor verlorner Duft;
Noch ein Vorsprung! sieh, und unten weit und blühend lacht das Thal,
Dichte Gärten, Silberseen überglänzt vom Morgenstral.

Aus den Hügeln quellen Rosen, um die Ulmen rankt der Wein,
Schlanke Marmorsäulen schimmern winkend im Cypressenhain,
Dort die Berge lorbeerwaldig, hier das blaukrystall'ne Meer,
Und der Himmel wie ein liebend Mutterauge drüber her.

Und dazwischen buntgekleidet buntes Volk in Thal und Höhn,
Braune Buben, stolze Frauen, wie des Landes Rosen schön,
Winzertanz auf allen Bergen, in den Häusern Citherschall,
Lust'ge Lieder in den Barken, Klang und Jubel überall.

Wahrlich, solltest du nicht meinen, ausgestürzt auf dieses Land
Seiner Freuden vollsten Becher hab' ein Gott mit trunkner Hand,
An dem Länderbaum Europens sei's der blütenvollste Zweig,
Wie an grünen Laubgewinden, so an gold'nen Früchten reich?

Aber ach, der bittern Täuschung! Unter diesem farb'gen Scherz,
Wie die Natter unter Blumen, lauscht ein tief verborg'ner Schmerz,
Jener Schmerz, der nimmer rastet, daß die alte Tugend starb,
Daß die Freiheit ging verloren, und ein Heldenvolk verdarb.

O Italien, du der Künste Mutter, stolzes schönes Weib,
Träg'rinn einst der höchsten Kronen, siech und elend ward dein Leib,
Dieser holde Rosenschimmer, der so reizend dich umblüht,
Ach, es ist des Fiebers Hitze, das in deinen Adern glüht.

Ja, es will mich oft gemahnen, aller deiner Blumen Glanz
Lieg' um deine kranken Schläfe fertig schon als Todtenkranz,
Ja, als sei'n Vesuv und Aetna lodernd nur dahin gestellt
Fackeln an dem Sterbelager einer Königinn der Welt. –

Aber nein! Noch lebt die Hoffnung, ob auch tief versteckt im Weh;
Kennst du nicht das Lied vom herben Kummer der Penelope?
Schön wie du vor allen andern ward wie du sie viel umfreit,
Und der Fremden Schwarm verpraßte frech des Hauses Herrlichkeit.

Zwanzig Jahr die Purpurwolle spann sie weinend auf dem Thron,
Zwanzig Jahr mit bangen Seufzern zog sie groß den theuern Sohn,
Zwanzig Jahr getreu dem Gatten blieb sie und getreu dem Gram,
Harrend, hoffend, Boten sendend – sieh, und ihr Odysseus kam.

Weh den übermüth'gen Freiern, als genaht des Rächers Gang,
Als von bittern Todespfeilen sein gewalt'ger Bogen klang;
Von dem rothen Blut der Frevler troffen Säul' und Estrich da,
Und ein schrecklich Fest der Rache ward erfüllt auf Ithaka.

Kennst du jenes Lied, Italia? Hör's und harre muthig aus,
Wie sich auch die Freierschwärme drängten in dein adlich Haus;
Deine Söhne zieh zu Männern unter Thränen früh und spat,
Wein' und hoff'! Es kommt die Stunde, wo auch dein Odysseus naht.


Ein Lied am Rhein.

(1843.)

Durch diesen Herbstestag voll Sturm
Zum Drachenfels empor die Steige!
Schon winkt zu Häupten mir der Thurm,
Der breite, durch die falben Zweige.
Da steh ich – rother Sonnenschein
Umlodert königlich die Klippe;
Zu meinen Füßen braust der Rhein –
Mir schlägt das Herz – o reichet Wein,
Das volle Glas reicht meiner Lippe!

Dir sei's, o deutsches Volk, gebracht,
Dem Einen, großen, wundervollen,
So weit der Himmel um dich lacht
Und über dir die Donner rollen!
Was kümmert's mich, auf Stein und Holz
Wie deiner Wappen Farben streiten!
Ich meine dich, das jüngst noch stolz
In Hamburgs Brand zusammenschmolz,
Korinthisch Erz für alle Zeiten.

Und wieder füllt den Römer mir,
Laßt sprüh'n, laßt sprüh'n die gold'nen Funken! –
Er sei aus vollem Herzen dir
Zum Preis, o deutscher Geist, getrunken;
Dir, der sich aus den Tiefen nährt,
Der gleich dem wilden Sohn der Trauben,
Wenn er im Lenze braust und gährt,
Zu süßer'm Feuer nur sich klärt;
Dir Geist voll Liebe, Kraft und Glauben.

Und nochmals füllt! Und wenn darein
Die Neigen aus der Flasche troffen:
Es soll darum nicht schlechter sein;
Den letzten Becher unserm Hoffen!
Dem Wort ein fröhlich Auferstehn,
Dem freien Kampfe der Gedanken!
Laßt kühn des Geistes Stürme gehn!
Was Spreu ist, mag wie Spreu verwehn,
Was Felsen ist, wird doch nicht wanken.

Vorwärts heißt unser Losungswort,
Und durch die Reihen rauscht's im Volke –
Ein Schneegestöber dräut vom Nord,
Und dort im Westen murrt die Wolke –
Vorwärts darum am eig'nen Heerd,
Daß Jena's Schmach sich nicht erneue;
Vorwärts! Und wenn's der Tag begehrt,
Dann blitz' in jeder Faust ein Schwert,
Und Gott mit uns, und deutsche Treue!


Sonette.

(1843-1844.)

I.

Ich hör' es wohl, es rufen die Partei'n:
»Komm her, und woll' uns endlich angehören!
Der rüst'ge Harfner sei zu unsern Chören,
Und schling' als Kranz dein Lied um unsern Wein.«

Mein ewig Echo bleibt ein ruhig: Nein!
Denn zu der Fahnen keiner kann ich schwören;
Den Gott im Busen darf kein Schlagwort stören,
Ich folge meinem Stern und geh' allein.

Dem Wandrer bin ich gleich am Felsenhang,
Dem schroff die Wand sich thürmt zur rechten Seite,
Zur Linken braus't der See mit dumpfem Klang.

Doch rühr ich fromm die Saiten, wie ich schreite,
Und oftmals will's mir dünken beim Gesang,
Daß mich wie Kaiser Max ein Engel leite.


II.

Wenn ich im Lenz durch Grün und Rosen walle,
Da wird mir oft zu Sinn, als müßt' ich klagen,
Daß ich geboren bin in solchen Tagen,
Die rauh' erdröhnen von der Waffen Schalle.

Ich hätte gern ein freudig Lied für Alle
Von Gottesfrieden in der Brust getragen;
Ich hätte gern im Zauberwald der Sagen
Ein weißes Edelwild gebracht zu Falle.

Umsonst! Es ziemt uns nicht im Kranz der Reben
Mit gold'nen Märchen das Gelag zu würzen;
Denn diese Zeit ist wie die Sphinx von Theben.

Wer's heute wagt, als Dichter sich zu schürzen:
Ihr Räthsel wird sie ihm zu rathen geben,
Und lös't er's nicht, ihn in den Abgrund stürzen.


III.

Die Freiheit hab' ich stets im Sinn getragen,
Doch hass' ich eins noch grimmer als Despoten:
Das ist der Pöbel, wenn er sich den rothen
Zerfetzten Königsmantel umgeschlagen.

Die kleinen Seelen glühn in solchen Tagen,
Sich aufzuspreizen als des Himmels Boten,
Und frech verlästern sie die großen Todten,
Denn Sünde ward es, aus dem Schwarm zu ragen.

Ja, wem das Herz nur höher wagt zu pochen,
Aus wem der Geist, der heil'ge, gottgesandte,
Erhaben zürnt, sein Urtheil ist gesprochen.

Hat doch der Pöbel einst, der wuthentbrannte,
Ob Aristides Haupt den Stab gebrochen,
Und ins Exil verstoßen einen Dante.


IV.

O zieht nur auf mit flatternden Standarten!
Ruft euren Uebermuth von allen Zinnen!
Haut, wie Sir John, mit prahlendem Beginnen
Die Klinge, die zum Spiel ihr führt, voll Scharten!

Kampflieder auch stimmt an von allen Arten,
Indeß statt Blutes Ströme Weines rinnen!
Mir däucht es würd'ger, mit gefaßten Sinnen
Den großen Tag des Schicksals zu erwarten.

Er bleibt nicht aus. Doch seine Donner tödten
Mit ihrem ersten Hall den Lärm der Schreier,
Und seine Blitze sind wie Morgenröthen.

Dann will ich fragen euch, ihr Weltbefreier:
Habt ihr ein Schwert in eures Volkes Nöthen?
Und für die Schlachten habt ihr eine Leier?


V.
Schill.

O eine Eiche pflanzt auf diesen Hügel!
Die grünste sucht, so weit die Amsel ruft!
Sie streue Schatten auf des Helden Gruft,
Und Lieder rausch' in ihr des Windes Flügel.

Denn gleich dem Roß, das knirschet in die Zügel,
Und scharrt und stampfet, spürt es Morgenluft:
So wittert er zuerst der Freiheit Duft,
Da Alles schwieg, und schwang sich in den Bügel.

Fürwahr, o Schill, du warst ein ächter Reiter,
Und schneller als die Zeiten rittst du gern,
Mit dir wie Blitze deine blanken Streiter.

Dein Jagdhorn klang: »Der Tag ist nicht mehr fern!«
Da ging der Morgen auf so roth und heiter;
Doch unter gingst du, schöner Morgenstern.


VI.
Theodor Körner.

Als wider Frankreichs räuberischen Geier
Das Waidwerk anhub durch die deutschen Lande,
Da schoß, die Seelen zu geweihtem Brande
Entzündend, Blitz auf Blitz aus deiner Leier.

Zum Schwerte stürmtest du in zorn'ger Feier
Dein Volk empor aus thatenloser Schande,
Und selbst voran im schwarzen Jagdgewande
Die Eisenbraut erkorst du dir als Freier.

So sangst und rangst du, unsre Noth zu sühnen,
Und wardst in beidem gleich getreu erfunden,
Dein Lied besiegelnd durch den Tod der Kühnen.

Drum, wenn manch edler Kranz im Flug der Stunden
Dahinwelkt, wird noch frisch der deine grünen,
Bethaut mit Opferblut aus heil'gen Wunden.


VII.

Das ist der Fluch von diesen trüben Zeiten,
Wo losgelassen die Parteien toben,
Daß kaum der Starke, welcher blickt nach oben,
Vermag in Reinheit mittendurch zu schreiten.

Nur Einen Fußbreit mag er seitwärts gleiten,
So hat sein ganzes Wesen sich verschoben,
Nur Einen Schritt, so lernt sein Mund zu loben,
Was er noch jüngst bedacht war zu bestreiten.

Drum gieb, o Herr, daß ich die Lebensamme,
Die heil'ge Freiheit, nie mit jenem Weibe.
Im blutigen aufgeschürzten Kleid verdamme!

Und ob die Wilde mich an meinem Leibe
Schmerzlich versehren mag mit Erz und Flamme:
Gieb, daß ich treu der Himmelstochter bleibe!


VIII.

Zum Himmel bete wer da beten kann,
Und wer nicht aufwärts blickt nach einem Horte,
Der sag's dem Sturm, daß er von Ort zu Orte
Es weiter trag' als einen Zauberbann.

Der Säugling, der zu stammeln kaum begann,
Von seiner Mutter lern er diese Worte,
Du Greis noch sprich sie an des Grabes Pforte:
»O Schicksal, gieb uns Einen, Einen Mann!«

Was frommt uns aller Witz der Zeitungskenner,
Was aller Dichter ungereimt Geplänkel
Vom Sand der Nordsee bis zum wald'gen Brenner!

Ein Mann ist Noth, ein Nibelungenenkel,
Daß er die Zeit, den toll gewordnen Renner,
Mit ehrner Faust beherrsch' und ehrnem Schenkel.


IX.

Bei Gott, ich zähle nicht zu den Verwegnen,
Die um ein Nichts ein schwer Verhängniß fodern,
Doch besser, als am innern Krebs vermodern,
Däucht mir's dem Feind auf blut'gem Feld begegnen.

Ja, dreifach will ich jetzt die Stunde segnen,
Wo ihrer Scheiden baar die Schwerter lodern,
Und wo an euern Moseln, euern Odern
Statt ew'ger Zankesworte Kugeln regnen.

O säh' ich morgen schon den Sonnenschein
Sich spiegeln auf den Helmen der Geschwader!
Ging's morgen schon in Feindes Land hinein!

Krieg! Krieg! Gebt einen Krieg uns für den Hader,
Der uns das Mark versenget im Gebein! –
Deutschland ist todtkrank – schlagt ihm eine Ader!


Mene Tekel.

(1845.)

Hei, wie die Tafeln sind geschmückt,
Wie klar die Kerzen erglommen!
Wer singt und lacht und Rosen pflückt,
Der ist zum Fest willkommen.
    Musik erklingt den Saal herauf,
Schöne Mädchen warten auf
In leichten losen Gewanden.

Sie tanzen um das goldne Kalb,
Sie fallen ihm gar zu Füßen;
Sie rufen: eh das Laub wird falb,
Hilf du die Lust uns büßen!
    Ueberschäumt im Kelch der Wein.
Ich drücke mich stumm in den Winkel hinein;
Mir schaudert das Herz im Leibe.

Mir ist's, durchsichtig wird die Wand,
Und draußen dicht und dichter
Da drängen sich bei Fackelbrand
Viel tausend Hungergesichter.
    Durch's Gewühl mit riesgem Leib
Herschreitet kampfgeschürzt ein Weib
In blutroth phrygischer Mütze.

Und sieh, der Boden wird zu Glas,
Und drunten seh' ich sitzen
Den Tod mit Augen hohl und graß,
Und mit der Sense blitzen;
    Särg' auf Särgen rings gethürmt –
Doch drüberhin wie rasend stürmt
Der Tanz mit Pfeifen und Geigen.

Sie haben Augen und sehen's nicht,
Sie prassen fort und lachen,
Sie hören's nicht, wie zum Gericht
Schon Balk' und Säule krachen;
Lauter jauchzt der Geige Ton –
Ihr Männer, ihr Weiber von Babylon
Mene, Tekel, Upharsin!


Ein Septembernacht.

(1845.)

Zu Lübeck im Rathskeller saßen spät
Wir Freunde noch beim Wein, und tranken,
Wo tiefgebräunt die Eichentafel steht
Aus unsres letzten Kriegsschiffs Planken.
Doch galt es heute keinen Zecherspaß,
Rein lustig Liedel, keine Becherfehde,
Es schaute jeder ernst ins grüne Glas,
Und ernst und sinnig floß die Rede.

Wir sprachen von des alten Glanzes Zeit,
Von jenen, die der Hansa Schlachten schlugen,
Wir sprachen von der jüngsten Tage Leid,
Und von der Hoffnung, die wir trugen.
Wohl spürten's alle feierlich und leis',
Wie sich aus Trümmern junges Leben zeuge,
Und stille ward's, als ob in unsern Kreis
Der Schutzgeist unsrer Stadt sich beuge.

Da schlug es Mitternacht. Sie brachen auf,
Wir drückten herzlich uns die Hände;
Mich aber trieb es noch den Gang hinauf
Die Fässer durch, entlang die schatt'gen Wände.
Ich konnt' an Schlaf nicht denken. Sonst und Heut
Zerfloß in meinen Sinnen lose;
So trat ich ein, gedankenvoll zerstreut,
Ins hallende Gewölb' der »Rose«.

Wie kühl, wie stille! Nur mein Fußtritt scholl
Verdreifacht von den Gurten wieder,
Ein Schauer wie vor Geisternähe quoll
Geheimnißvoll durch meine Glieder.
Und sieh, ein Lichtschein drang mir wunderbar
Linksher entgegen aus der hohen Nische
Ich naht' und stand – Denn traun, ein seltnes Paar
Erblickt' ich zechend dort am Tische.

Der Eine saß, geschmückt nach alter Art
Mit Sammetschaube, Kraus' und Kette,
Umflossen Wang' und Kinn vom blonden Bart,
Die mächt'ge Stirn beschattet vom Barette.
Das blaue Auge zuckt in scharfem Glühn,
Als hing' ein Weltgeschick an seinen Winken;
So saß er da, gebeugt und dennoch kühn,
Und starrt' in seines Römer Blinken.

Der Andre stand die Hand am Schwertesknauf,
Riesig, vom Haupt zum Fuß in blankem Erze;
Wie Blut an seinem Panzer spielt' herauf
Der rothe Flackerschein der Kerze;
Ein wild und rauh Gesicht. Ich spürt' es bald,
Hier war die Faust, dort das Ersinnen;
Da, murmelnd wie der Wind durch Herbstlaub wallt,
Hört' ich des Ersten Worte rinnen:

»O Meeresauge, dunkelblauer Sund,
Du felsumstarrte Ostseepforte,
Wie schaut' ich oft hinab in deinen Grund,
Und zwang ins Herz zurück der Sehnsucht Worte!
Dort unten, wo die Welle leiser schoß,
Sah ich den gold'nen Zauberschlüssel liegen,
Der uns ein neues Wunderreich erschloß
Von Meeresherrschaft, Glanz und Siegen.

Ich warb um ihn, wie um den Ring der Braut,
Ich warb auf Leben und auf Sterben
O hätte mir das blöde Volk getraut,
Den Sieg erzwingen mußte solch ein Werben,
Den Sieg der Kampf, der sieben Jahre durch
Im Rath, zur See, im Schlachtfeld grollte,
Der Riesenkampf, der unsrer Hansa Burg
Bis zu den Sternen thürmen sollte.

Sie faßten's nicht – es war für sie zu groß –
Sie zitterten die Käufer und Verkäufer;
Da führten meine Feinde schlau den Stoß,
Verräther hieß ich, Wiedertäufer.
Sie rissen von den Stufen mich herab,
Sie saßen trotzig zu Gerichte,
Sie brachen über mir den weißen Stab,
Und mehr! – Sie schrieben die Geschichte.

»Dreihundert Jahre sind's, da sprang vom Schlag
Des Beils mein Blut in Strömen vom Schaffotte;
Doch war ein Geist des Unheils seit dem Tag
Mit meiner Heimath Heer und Flotte. –
Was Menschen bauten wird des Windes Spiel,
Nur Gottes Rathschluß bleibt beständig;
Die Hansa sank, das alte Reich zerfiel,
Doch Deutschland steigt empor lebendig.

Es geht ein heil'ger Sturm von Stadt zu Stadt,
Sie spüren's all erwacht aus schwerem Traume:
Deutschland ist Eins, und jeder ist ein Blatt
Am riesengroßen Wunderbaume.
Schon grollt man jedem fremden Uebermuth,
Schon zürnt der Süden, ist der Norden fröhnig;
Hinweg denn mit dem knechtischen Tribut,
Dem Schoß an jenen Inselkönig!

Frischauf mein Volk, du großes Vaterland
Treueinig, wie ich's nimmer durfte schauen!
Vollführe du was mir im Herzen stand,
Zu Masten laß des Forstes Tannen hauen.
Dein sei der Sund, der dich nach Westen weist,
Der Weg des Meeres dein, ein glorreich Lehen.
Mit Kugeln gieb den Zoll! Es soll mein Geist
Am Steuer deines Heerschiffs stehen!«

Er fuhr empor; die Beiden stießen an,
Die Schwerter klirrten, und die grünen Becher,
Und hastig bis zur Neige stürzten dann
Den Wein hinab die selt'nen Zecher.
Da dröhnt es Eins von Sankt Marien Thurm,
Hochflackernd losch der Kerze Schein, der gelbe,
Durch Pfort' und Gitter braust es wie ein Sturm,
Und einsam stand ich im Gewölbe.

Mir graute nicht. Wohl hatt' ich sie erkannt
Die Heimgekehrten aus dem Reich der Gräber,
Die mächtigen Gestalten Hand in Hand,
Marx Meier, Jürgen Wullenweber.
Mein Herz schlug kühn, zur Hoffnung hoch erwacht,
Und durch des Herbstes Wind und Blättertreiben
Heimschritt ich froh, um noch in tiefer Nacht,
Was ich vernommen, aufzuschreiben.


Die Eiche.

(Waldhusen 1846.)

Es stand in meinem Hage
Ein Eichbaum kronenlos;
Von jähem Wetterschlage
Zerspalten war sein Schooß.

Ihn schmückten keine Blätter,
Kein Vöglein kam ihm nah,
Er stand in Sonn' und Wetter
Ein dunkler Riese da.

Und sah ich fern ihn ragen,
Geschah mir's wie ein Leid;
Ich schaut' in ihm zerschlagen
Die deutsche Herrlichkeit.

Doch als mit Braus gefahren
Der Frühling heuer kam,
Mocht' ich am Baum gewahren
Ein Zeichen wundersam.

Von neuer Kraft durchquollen
Urplötzlich trieb der Schaft,
Die knorrigen Zweige schwollen
Getränkt von üppigem Saft;

Hervor brach unverdrossen
In tausend Knospen bald,
In tausend lichten Sprossen
Des Lebens Urgewalt.

Und wo noch jüngst vom Stamme
So fahl die Aeste sahn,
Schien eine grüne Flamme
Zu spielen himmelan.

Und wie der Wind die Zungen
Der Flamme rauschend bog,
Und wie die Vögel sungen
Im dichten Laubgewog,

Da kam auf mich hernieder
Ein frischer Hoffnungstraum:
Getrost! So grünt auch wieder
Dereinst des Reiches Baum.


Die junge Zeit.

(1847.)

Wohl schwillt mir hoch die Brust mit raschem Klopfen,
Seh ich, im Angesicht des Schweißes Tropfen,
Die junge Zeit, wie sie gewaltsam ringt,
Wie sie, zu stetem Werk geschürzt die Lenden,
Ein neuer Herkules, mit Kinderhänden
Das Ungeheure schon vollbringt.

In tausend Schmieden bei der Essen Brande
Gießt sie das Erz, und schweißt in Eisenbande
Die weiten Länder, die ihr unterthan;
Vom müden Saumroß, das sich wund getragen,
Nimmt sie das Joch, und schirrt vor ihrem Wagen
Den Dampf, den wilden Riesen, an.

Durch Felsenschachte wühlt sie ihm die Gänge
Gewölbt und fest, daß in der düstern Enge
Des Schlotes Feuer roth wie Fackeln sprühn;
Sie schlägt ihm über's Thal mit Strom und Weilern
Wie einen Aquädukt auf hundert Pfeilern
Von Berg zu Berg die Brücke kühn.

Im Schiff, das keck entgegen jedem Winde
Ihr Dämon treibt, durchfliegt sie pfeilgeschwinde
Zum fremden Küstenland die salzige Bahn;
Stolz flattert wie ein Busch von schwarzen Federn
Der Rauch am Mast, und grollend in den Rädern
Knirscht der bezwungne Ocean.

Des frostigen Nords, des heißen Südens Sterne
Schlingt sie zum Kranz, schon giebt es keine Ferne;
Vor'm Hammerschlage ihrer mächt'gen Hand,
Wie einst vor Israels Posaunenschalle
Die Mauern Jericho's, zerbarst im Falle
Des Raumes ehrne Scheidewand.

Und sieh, nun braust es her auf tausend Wegen,
Was nie sich schaute, tritt sich keck entgegen,
Bunt sind die Trachten, das Gedräng' ist dicht –
Der Bergschütz grüßt den Reitersmann im Panzer,
Der deutsche Bauer schaut dem Steppenpflanzer
In's tiefgebräunte Angesicht.

O welch ein endlos Wühlen, welch ein Rauschen!
O welch ein Markt, welch Hinundwiedertauschen
Von Schätzen, wie sie jede Zon' erzieht!
Jeder ist Kaufmann, und mit ew'gem Schwanken
Von Mann zu Mann gehn Waaren und Gedanken,
Des Juden Gold, des Sängers Lied.

Der todte Buchstab weicht lebend'ger Rede,
Gekämpft wird Blick in Blick der Geister Fehde,
Und wieder schließt sich Hand in Hand der Bund;
Frohlockend spürt der Stamm im Bruderstamme
Sein eigen Blut, es schwebt wie eine Flamme
Der Freiheit Wort auf jedem Mund.

Glückauf, und magst du's stets im Herzen tragen
Bei deiner Hast, bei deinem Mühn und Wagen!
Glückauf, Glückauf du junge Zeit von Erz!
Und doch – muß ich so ganz versenkt dich schauen
In Stoff und Wucht – beschleicht mit leisem Grauen
Mir oftmals eine Furcht das Herz:

Du möchtest einst im Rauche deiner Essen,
Im Trotze deines Riesenwerks vergessen,
Daß droben Einer sitzt auf ew'gem Thron,
So lang vergessen, bis er in Gewittern
Herabsteigt, was du bautest zu zersplittern,
Wie jenen Thurm von Babylon.


Durch tiefe Nacht.

(1845.)

Durch tiefe Nacht ein Brausen zieht
Und beugt die knospenden Reiser,
Im Winde klingt ein altes Lied,
Das Lied vom deutschen Kaiser.

Mein Sinn ist wild, mein Sinn ist schwer,
Ich kann nicht lassen vom Lauschen;
Es klingt, als zög' in den Wolken ein Heer,
Es klingt wie Adlers Rauschen.

Viel tausend Herzen sind entfacht
Und harren wie das meine,
Auf allen Bergen halten sie Wacht,
Ob roth der Tag erscheine.

Deutschland, die schön geschmückte Braut,
Schon schläft sie leis' und leiser –
Wann weckst du sie mit Trommetenlaut,
Wann führst du sie heim, mein Kaiser!



 << zurück weiter >>