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IV.

»Es ist nicht Alles, das Nest der Taube zu kennen,« dachte Don Andreas, indem er aus einem Schlafe erwachte, in welchem das Bild Militona's mehr als einmal voller Anmuth sich ihm gezeigt hatte; »man muß auch bis zu ihr gelangen. Wie ist das anzufangen? Ich sehe dazu kein anderes Mittel, als vor dem Hause zu kreuzen und die Eintretenden und die Ausgehenden zu beobachten. Aber wenn ich nach jenem Stadtviertel gehe, so gekleidet, wie ich jetzt bin, d. h. wie das neueste Pariser Modekupfer, dann würde ich allgemeine Aufmerksamkeit auf mich lenken und das müßte mich in meinen Erkundigungen stören. Nach einer gewissen Zeit muß sie entweder ausgehen oder zurückkommen; denn ich glaube nicht, daß sie ihr Stübchen für sechs Monate mit Zuckerwerk und Nüssen versorgt hat; ich werde sie auf eine galante Weise anreden und dann bald sehen, ob sie eben so wild bleibt, wie sie es bei dem Stierkampf war. Ich muß nach dem Rastro gehen und das Nöthige kaufen, um mich aus einem Stutzer in einen Manolo zu verwandeln; so verkleidet werde ich nicht den Argwohn eines Eifersüchtigen oder eines wilden Bruders erregen und ich kann dann, ohne daß es auffällt, Nachrichten über meine Schöne einziehen.« Als dieser Plan gefaßt war, stand Andreas auf, trank in der Hast eine Tasse Wasserchocolade und ging nach dem Rastro, der gleich dem Temple in Paris der Ort ist, wo man alles Mögliche zu kaufen findet, ausgenommen etwas Neues. Er fühlte sich ganz glücklich und heiter; der Gedanke, daß das junge Mädchen ihn nicht liebe oder einen Andern lieben könne, war ihm noch nicht in den Sinn gekommen. Er hatte jenes Vertrauen, welches selten täuscht, denn es gleicht der Divinationsgabe der Sympathie; der alte Geist der spanischen Abenteurer erwachte in ihm. Die Kleidung unterhielt ihn und obgleich die erwählte Infantin nur eine Manola war, versprach er sich doch Vergnügen davon, unter ihrem Fenster im mauerfarbigem Mantel einherzugehen; die Gefahr, welche das Entsetzen des jungen Mädchens ahnen ließ, raubte dieser Eroberung das, was sie Gemeines haben konnte.

Indem er in seinem Kopfe die tausend und tausend Pläne überlegte, welche einer nach dem andern sich alle untauglich für diese Gelegenheit zeigten, gelangte Andreas nach dem Rastro.

Dies ist ein merkwürdiger Ort. Man stelle sich eine hügeliche Fläche vor, umgeben mit elenden ungesunden Häusern, in denen jede mögliche Art verdächtiger Industrie ausgeübt wird.

Auf diesen Hügeln und in den anstoßenden Straßen haben Trödler niederer Art, Lumpenhändler, Eisenkrämer, alles ausgelegt, was alt, schmutzig, zerrissen, untauglich ist. Flecken und Löcher, unkenntliche Bruchstücke, Nägel aus dem Rinnstein finden hier Käufer. Es ist ein eigenthümliches Gemisch, in welchem alle Stände philosophisch zusammentreffen; das alte Hofkleid, dessen Tressen abgetrennt sind, liegt neben der Bauernjacke mit vielfarbigem Zierrath, der Rock der Tänzerin mit abgeschabtem Silberdruck hängt neben dem ausgefranzten und ausgebesserten Kleide. Steigbügel des Picadores sind unter falsche Blumen gemischt, gar nicht zu erwähnen der einzelnen Bücherbände und der schwarzen und gelben Bilder und der Portraits, die keinen Menschen mehr interessiren. Rabelais oder Balzac könnten davon eine vier Seiten lange Aufzählung machen.

Indeß wenn man den Platz weiter hinaufgeht, findet man einige Butiken, die etwas anständigerer Art sind und in denen Kleider verkauft werden, die zwar nicht mehr neu, aber doch noch reinlich sind und von anderen als ganz gemeinen Leuten getragen werden können. In eine dieser Buden trat Andreas ein.

Er wählte hier einen ziemlich frischen Manolo-Anzug, der in seiner Neuheit seinem glücklichen Besitzer manche Eroberung in der Straße San-Luis, in der Straße Barquilla, oder auf dem Platze Santa-Ana eingetragen haben mußte. Der Anzug bestand aus einem Hut mit eingedrückter Spitze, mit ausgezacktem Rand und besetzt mit Sammet, einer runden Jacke von Spaniolfarbe, mit kleinen Knöpfen, weiten Beinkleidern, einem breiten seidenen Gürtel und einem Mantel von finsterer Farbe. Das Alles war so abgenutzt, daß es zwar seinen Glanz verloren, aber doch noch eine gewisse Eleganz bewahrt hatte.

Andreas besah sich in einem großen venetianischen Spiegel in einem prachtvollen Rahmen, der hierhergekommen war, man wußte nicht wie, und fand sich ganz nach seinem Geschmack. In der That hatte er so ein leichtes, anmuthiges Wesen, ganz geeignet, die gefühlvollen Herzen auf Lavapiez einzunehmen.

Nachdem er die Kleider bezahlt, und bei Seite hatte legen lassen, sagte er dem Trödler, er würde am Abend wiederkommen, um sich in seiner Bude umzuziehen, da er nicht wollte, daß man ihn so verwandelt von ihm fortgehen sähe.

Auf dem Rückwege ging er durch die Straße del Povar; er erkannte sogleich das Fenster mit der weißen Einfassung und dem hängenden Wasserkruge, von dem Perico ihm gesagt hatte, aber nichts schien die Anwesenheit eines Menschen in dem Gemache anzudeuten. Ein Vorhang von Mousselin war sorgfältig verschlossen und machte die Scheiben nach Außen undurchsichtig.

Sie ist ohne Zweifel ausgegangen, um irgend eine Arbeit zu verrichten; sie wird erst mit Ende des Tages zurückkehren, denn sie muß Näherin, Cigarrenarbeiterin, Stickerin oder etwas dergleichen sein, dachte Andreas, indem er seinen Weg fortsetzte.

Militona war nicht ausgegangen, und auf den Tisch niedergebeugt, ordnete sie die verschiedenen Theile einer Garderobe, die vor ihr ausgebreitet lag. Obgleich sie nichts Geheimnißvolles vollbrachte, war der Riegel ihrer Thür vorgeschoben, ohne Zweifel in der Furcht vor einem plötzlichen Ueberfall Juancho's, den die Abwesenheit der Tia Aldonza gefährlich gemacht haben würde.

Indem sie arbeitete, dachte sie an den jungen Mann, der sie an dem Tage zuvor in dem Circus mit einem so glühenden und einem so zärtlichen Blick angesehen und ihr mit einer Stimme, welche noch in ihren Ohren lieblich tönte, einige Worte gesagt hatte.

»Wenn er nur nicht versucht, mich wiederzusehen! Und. dennoch würde es mir Vergnügen machen, wenn er es versuchte. Juancho würde ohne Zweifel mit ihm einen wüthenden Streit anfangen und ihn vielleicht tödten, oder doch gefährlich verwunden, wie alle Die, welche mir gefallen wollten; aber selbst, wenn ich mich der Tyrannei Juancho's entziehen könnte, der mir von Granada nach Sevilla und von Sevilla nach Madrid folgte und der mich bis an das Ende der Welt verfolgen würde, um mich zu hindern, einem Andern das Herz zu geben, das ich ihm verweigere – was würde das mir helfen? Dieser junge Mann ist nicht von meinem Stande; an seinen Kleidern sieht man, daß er vornehm und reich ist; er kann für mich nur eine vorübergehende Laune haben; ohne Zweifel hat er mich schon vergessen.«

Hier zwingt uns die Wahrheit, zu gestehen, daß eine leichte Wolke über die Stirn des jungen Mädchens flog und daß ein verlängerter Athemzug, den man für einen Seufzer halten konnte, ihre betrübte Brust schwellte.

»Er hat ohne Zweifel eine Geliebte, eine Braut, jung, schön, elegant, mit schönen Hüten und großen Shawls! Ach, wie gut würde er aussehen mit einer gestickten seidenen Jacke, mit Knöpfen von Silberfiligran, mit durchnähten Rondastiefeln und einem kleinen andalusischen Hute! Welch feine Taille hätte er, umschlungen von einem schönen, seidenen Gürtel von Gibraltar!« dachte Militona, indem sie ihr Selbstgespräch fortsetzte und durch eine unschuldige Herzensausflucht Andreas mit einem Anzug bekleidete, der ihn ihr näherte.

So weit war sie in ihrer Träumerei gekommen, als Aldonza, welche in demselben Hause wohnte, an die Thür klopfte.

»Weißt Du wohl, meine Liebe,« sagte sie zu Militona, »daß der wüthende Juancho, statt seinen Arm zu verbinden, die ganze Nacht vor Deinem Fenster umhergegangen ist? Ohne Zweifel, um zu sehen, ob der junge Mann aus dem Circus auch hier umherschweift. Er hat es sich in den Kopf gesetzt, Du hättest ihm ein Stelldichein bewilligt. Wenn dies nun wahr wäre? Wie leicht könnte das sein! Weshalb liebst Du aber auch den armen Juancho nicht? Er würde Dich in Ruhe lassen.«

»Sprechen wir davon nicht; ich bin nicht verantwortlich für die Liebe, die ich durch nichts hervorgerufen habe.«

»Nicht etwa,« fuhr die Alte fort, »daß der junge Cavalier von dem Stierplatze nicht sehr hübsch und sehr galant wäre; er hat mir das Schächtelchen mit den Pastillen mit vieler Anmuth und aller meinem Geschlechte gebührenden Rücksicht geboten; aber Juancho hat meine Theilnahme und ich fürchte ihn, wie alle Teufel! Er sieht mich wie Deine Hüterin an und wäre im Stande, mich dafür verantwortlich zu machen, wenn Du einem Andern den Vorzug gäbest. Er überwacht Dich so scharf, daß es schwer sein würde, ihm das Geringste zu verbergen.«

»Wenn man Sie hört, sollte man glauben, ich hätte schon eine förmliche Liebschaft mit dem Herrn, dessen Züge ich mir kaum erinnere,« erwiderte Militona, ein wenig erröthend.

»Wenn Du ihn vergessen hast, so erinnert er sich doch Deiner, dafür stehe ich Dir. Er könnte Dein Bild aus dem Gedächtniß malen; er hat während des ganzen Kampfes nicht aufgehört, Dich anzusehen; man hätte glauben können, er sei vor einer Madonna in Extase.«

Als Militona diese Beweise hörte, welche Andreas Liebe bestätigten, neigte sie sich auf ihre Arbeit nieder, ohne zu antworten; ein Gefühl unbekannten Glückes erweiterte ihr Herz.

Juancho seinerseits war weit entfernt von diesen zärtlichen Gefühlen. Eingeschlossen in sein Zimmer, welches mit Degen und Sinnbildern von Stieren angefüllt war, die er mit Gefahr seines Lebens erobert hatte, um sie Militona zu bieten, welche sie aber nicht annehmen wollte, ließ er sich zu dem innern Widerspruch der unglücklichen Liebhaber gehen. Er konnte nicht begreifen, daß Militona ihn nicht liebte; ihr Widerwille schien ihm ein unlösbares Problem zu sein, dessen Erklärung er vergebens suchte. War er nicht jung, schön, kräftig, voll Feuer und Muth? Hatten ihm nicht die weißesten Hände Spaniens tausendmal Beifall geklatscht? Sind nicht seine Anzüge mit ebensoviel Gold gestickt, mit ebensoviel Zierrathen geschmückt, wie die der galantesten Toreros? Wird nicht sein Bild überall lithographirt, auf Taschentücher gedruckt, umgeben von Lobgesängen, wie bei großen Meistern der Kunst?

Wer, Montez ausgenommen, führte einen bessern Stoß, brachte den Stier schneller auf die Knie? Niemand. Das Gold, der Preis seines Blutes, entströmte seinen Fingern wie flüssiges Silber. Was mangelte ihm also? Und aufrichtig suchte er bei sich nach einem Fehler, ohne ihn zu finden; er konnte sich diese Antipathie, oder wenigstens diese Kälte, nicht erklären, als durch die Liebe zu einem Andern. Diesen Andern verfolgte er überall; die geringste Ursache reizte seine Eifersucht und seine Wuth. Er, vordem die wildesten Thiere zitterten, er scheiterte an dem eiskalten Widerstande dieses jungen Mädchens. Der Gedanke, sie zu tödten, um den Zauber zu brechen, war mehr als einmal bei ihm entstanden. Diese Raserei dauerte seit länger als einem Jahre, das heißt seit dem Tage, an welchem er Militona zum ersten Male sah, denn seine Liebe hatte, gleich allen heftigen Leidenschaften, augenblicklich ihre volle Kraft gewonnen. Das Ungeheure kann nicht wachsen.

Um Andreas zu finden, sagte sich Juancho, daß er den Salon des Prado, das Theater des Circus und del Principe, die eleganten Kaffeehäuser und die andern Versammlungsorte der Vornehmen besuchen müßte. Obgleich er eine tiefe Verachtung vor den bürgerlichen Kleidern hegte und gewöhnlich als Majo gekleidet ging, lag dennoch ein Ueberrock, ein schwarzes Beinkleid und ein runder Hut auf einem Stuhl bei ihm. Er hatte sie am Morgen unter den Säulenhallen der Calle Mayor gekauft, zu der Stunde, in welcher Andreas seinen Einkauf im Rastro machte: Beide hatten dasselbe Mittel ergriffen: Der Eine, um zu dem Gegenstande seines Hasses, der Andere, um zu dem Gegenstande seiner Liebe zu gelangen.

Feliciana, der Don Andreas übrigens seinen Besuch zu der gewöhnlichen Stunde mit der Pünktlichkeit eines verbrecherischen Liebhabers machte, ergoß sich in bitteren Vorwürfen über die falschen Noten und die zahllosen Zerstreutheiten, deren er sich am Abend zuvor bei der Marquise von Benavidès strafbar gemacht hatte. Es lohnte wohl der Mühe, so sorgfältig das Duett zu wiederholen und es täglich zu singen, um dann an dem feierlichen Abend damit Fiasko zu machen. Andreas entschuldigte sich so gut als möglich. Seine Fehler hatten das ausgezeichnete Talent Feliciana's nur um so glänzender erscheinen lassen und nie war sie besser bei Stimme gewesen, denn sie sang, um selbst die Ronconi von dem Theater des Circus eifersüchtig zu machen; er hatte nicht viel Mühe, sie zu beschwichtigen, und sie trennten sich als sehr gute Freunde.

Als der Abend gekommen war, durcheilte Juancho in seinen modernen Kleidern, die ihn ganz unkenntlich machten, mit heftigen, fieberhaften Schritten die Gänge des Prado, jedem Manne in das Gesicht sehend, ging, kam, überall zugleich zu sein versuchend; er trat in alle Theater, er durchforschte mit seinem Adlerauge das Orchester, das Proscenium, die Logen; er verschlang alle Arten von Gefrorenem in den Caffeehäusern, mischte sich in alle Gruppen der Politiker und Poeten, welche über das neue Stück stritten, aber er konnte nichts entdecken, was dem jungen Manne glich, der an dem Tage des Stierkampfes mit so zärtlichem Wesen zu Militona gesprochen hatte. Der vortreffliche Grund dieses Mißlingens war, daß Andreas, der sich bei dem Trödler umgekleidet hatte, ein Glas gefrorener Limonade in einer Orchateria de Chufas trank, welche dem Hause Militona's beinahe gegenüber lag und in welcher er das Hauptquartier seines Beobachtungspostens mit Perico als Plänkler aufgeschlagen hatte. Uebrigens hätte Juancho auch an ihm vorübergehen können, ohne auf ihn zu achten, denn ihm wäre der Gedanke nicht eingefallen, seinen Nebenbuhler in der runden Jacke und dem Sombrero eines Manolo zu suchen. Militona, die in der Ecke ihres Fensters verborgen stand, hatte sich darüber nicht eine Minute getäuscht; aber die Liebe ist auch hellsehender, wie der Haß. Eine Beute der lebhaftesten Besorgniß, fragte sie sich, in welcher Absicht der junge Mann sich in der Bude befände, und sie fürchtete den entsetzlichen Auftritt, der nicht unterbleiben konnte, wenn Juancho und er zusammenträfen.

Andreas stützte den Ellenbogen auf den Tisch und prüfte mit der Aufmerksamkeit eines Polizeispions, der auf ein Complott lauert, die Leute, welche in das Haus eintraten. Es kamen Weiber, Männer, Kinder, Menschen jeden Alters. Anfangs in großer Zahl, denn das Haus wurde von vielen Familien bewohnt, und dann in längeren Zwischenräumen; allmählig brach die Nacht herein und es kamen nur noch einige Nachzügler. Militona hatte sich nicht gezeigt.

Andreas begann an der Richtigkeit der Mittheilungen seines Spähers zu zweifeln, als das dunkle Fenster beleuchtet wurde und zeigte, daß das Zimmer bewohnt sei.

Er hatte die Gewißheit, daß Militona sich zu Haus befand. Aber das brachte ihn nicht sehr vorwärts; er schrieb einige Worte mit Bleistift auf ein Stück Papier, rief Perico, der in der Nähe umherschweifte und gebot ihm, es der schönen Manola zu überbringen.

Perico schlich einem nach Hause kommenden Miethmann nach, ging die dunkle Treppe hinauf, tastete sich an den Wänden hin und gelangte endlich zu dem oberen Absatze. Der Schein, der durch die Ritzen der Thürfächer drang, ließ ihn die Thür entdecken, welche die Militona's sein mußte; er klopfte zweimal bescheiden an, das junge Mädchen öffnete die Klappe in der Thür, nahm den Zettel und schloß die Oeffnung wieder.

»Wenn sie nur lesen kann,« dachte Andreas, indem er sein gefrorenes Getränk leerte und dem Valencianer, dem Besitzer der Orchateria, die Limonade bezahlte.

Er stand auf und ging langsam unter dem Fenster hin. Der Brief enthielt folgende Worte:

»Ein Mann, der Sie nicht vergessen kann und dies auch nicht will, sucht Sie wiederzusehen; aber nach den Worten, die Sie ihm in dem Circus sagten, und da er Ihre Lebensweise nicht kennt, fürchtet er, indem er es versuchte, Ihnen irgend eine Unannehmlichkeit zu bereiten. Wäre die Gefahr nur auf seiner Seite, so würde ihn das nicht abhalten. Löschen Sie Ihre Lampe aus und werfen Sie Ihre Antwort zum Fenster hinaus.«

Nach Verlauf einiger Minuten verschwand die Lampe, das Fenster öffnete sich und Militona warf einen der Basilikumtöpfe auf die Straße, so daß er in geringer Entfernung von Don Andreas zerschmetterte.

In der braunen Erde, die sich auf dem Pflaster verstreute, glänzte etwas Weißes; es war die Antwort Militona's.

Andreas rief einen Sereno (Nachtwächter) herbei, der mit seiner Laterne an der Spitze seiner Lanze vorüber ging; er bat ihn, seine Laterne zu senken, und bei dem Scheine derselben las er, geschrieben mit zitternder Hand und mit großen unregelmäßigen Buchstaben, Folgendes:

»Entfernen Sie sich! – Ich habe nicht Zeit, Ihnen mehr zu schreiben. Morgen werde ich um zehn Uhr in der Kirche San-Isidro sein, aber aus Barmherzigkeit, gehen Sie; es handelt sich um Ihr Leben.«

»Ich danke, mein Freund,« sagte Andreas, indem er einen Real in die Hand des Sereno drückte; »Ihr könnt weiter gehen.«

Die Straße war ganz verödet und Andreas entfernte sich mit langsamen Schritten, als die Erscheinung eines Mannes, der in einen Mantel gehüllt war, unter dem der Griff einer Guitarrenspitze hervorstach, seine Neugier erweckte, so daß er sich in eine dunkle Ecke stellte.

Offenbar sollte das lärmende Vorspiel die Schöne erwecken, zu deren Ehren das Spiel begann und da das Fenster Militona's geschlossen blieb, mußte der Mensch sich mit einem unsichtbaren Auditorium begnügen, ungeachtet des spanischen Sprichwortes, welches behauptet, daß kein Mädchen so fest eingeschlafen ist, um nicht bei dem Klange der Guitarre die Nase zum Fenster hinauszustecken.

Mit einem scharfen andalusischen Dialekt sang der Ständchenbringer ein Lied von vielen Versen.

»Der Teufel,« dachte Andreas, »was für eine wilde Poesie! Die Verse sind nicht etwa schmachtend. Ich muß doch sehen, ob Militona, denn ihr zu Ehren ertönt dies nächtliche Geklimper, fühllos gegen einen solchen Gesang ist. Wahrscheinlich ist das der entsetzliche Galan, der ihr so viel Furcht einflößt. Man könnte wirklich vor ihm erschrecken.«

Don Andreas hatte bei diesen Worten den Kopf ein wenig aus dem Schatten vorgestreckt, in dem er sich bisher verbarg; er wurde von einem Strahl des Mondes beschienen und die wachsamen Blicke Juancho's gewahrten ihn.

»Gut!« dachte Andreas bei sich, »ich bin gefangen; geben wir uns eine Haltung!«

Juancho warf seine Guitarre zu Boden, so daß sie zitternd auf dem Pflaster ertönte und eilte auf Andreas zu, dessen Gesicht hell beschienen war und den er auf der Stelle erkannte.

»Was machen Sie zu dieser Stunde hier?« fragte er mit zornbebender Stimme.

»Ich höre auf Ihre Musik; es ist wirklich ein großes Vergnügen.«

»Haben Sie genau auf die Worte im Liede geachtet, so müssen Sie wissen, daß ich Jedem, wer es auch sei, verbiete, in dieser Straße zu bleiben, während ich singe.«

»Ich bin von Natur aus nicht sehr gehorsam,« erwiderte Andreas mit der größten Gleichgültigkeit.

»Du wirst heute Deinen Charakter ändern.«

»Durchaus nicht; meine Gewohnheiten sind mir lieb.«

»Nun wohl; so vertheidige Dich oder stirb wie ein Hund,« schrie Juancho, indem er seine Navaja zog und seinen Mantel um den Arm schlang.

Diese Bewegungen ahmte Andreas nach, welcher mit einer Schnelligkeit sich benahm, die eine gute Methode bewies und den Torero ein wenig überraschte; denn Andreas hatte längere Zeit unter einem der geschicktesten Meister in Sevilla gelernt, wie in Paris junge, elegante Herren den Stockkampf lernen, der nach mathematischen Grundsätzen von Lecour und Boucher gelehrt wird.

Juancho umschritt seinen Gegner, streckte wie einen Schild seinen linken Arm aus, der durch die mehrfache Dicke des Stoffes geschützt wurde und hielt dabei den rechten Arm zurückgebogen, um dem Stoß mehr Kraft zu verleihen; wechselsweise erhob er sich und senkte sich auf seinen Fußgelenken, indem er sich groß machte wie ein Riese oder verkleinerte, wie ein Zwerg. Allein die Spitze seines Messers traf jederzeit auf den zusammengerollten Mantel, mit dem Andreas den Stoß parirte.

Bald sprang Juancho rasch zurück, bald griff er ungestüm an; er sprang rechts, links, schwang sein Messer wie einen Speer und bereitete sich, es zu werfen.

Andreas erwiderte diese Angriffe mehrmals so rasch, so gut geleitet, daß jeder Andere, wie Juancho, seine Stöße nicht hätte pariren können. Es war in der That ein schöner Kampf, würdig einer Galerie gelehrter Zuschauer. Aber zum Unglück waren alle Fenster geschlossen und die Straße vollkommen verödet. Ihr Akademiker der Küste von San-Lucar, des Porto de Cordovo, des Albaycin von Granada und des Barrio von Triana, weshalb seid Ihr nicht zugegen, um diese schönen Stöße zu würdigen!

So kräftig die beiden Männer auch waren, fingen sie doch an, zu ermüden; der Schweiß rann ihnen von den Schläfen, ihre Brust keuchte wie Schmiedeblasebälge, ihre Füße traten den Boden schwer, ihre Sprünge hatten weniger Elasticität.

Juancho fühlte die Spitze von Andreas Messer in seinen Arm dringen und seine Wuth steigerte sich dadurch; er machte eine äußerste Anstrengung auf die Gefahr hin, sich tödten zu lassen, und sprang wie ein Tieger auf seinen Feind zu.

Andreas stürzte nieder, sein Fall öffnete die schlechtgeschlossene Thür zu dem Hause Militona's, vor dem der Kampf stattgefunden hatte. Juancho entfernte sich mit langsamen Schritten. Der Sereno, welcher am Ende der Straße vorüberging, rief: »Nichts Neues! Elf ein halb Uhr! Heiteres Wetter, sternenheller Himmel!«


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