Theophile Gautier
Der Roman der Mumie
Theophile Gautier

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XIX.

Unverwandt blickte der Pharao auf die Leiche seines Sohnes. Er hatte nachgegeben, aber sein Wort reute ihn. Er glaubte nicht an den Gott der Juden und alle Plagen, von denen Ägypten heimgesucht worden war, erklärte er sich mit der Zauberkunst des Moses. Er hätte gerne die Hebräer zurückgehalten, wollte jedoch nicht noch größere Plagen über sein Volk herbeiführen.

Was ging inzwischen in Tahosers Innerem vor? Liebte sie nun wirklich den Pharao, oder sprach aus ihren Worten die Angst um Poeri und seine Brüder? Sie fürchtete eine allgemeine Verfolgung der Juden und ein Blutbad und war daher voll Kummer und Sorge.

Die Leiche des jungen Prinzen wurde geholt, um nach Memnonia gebracht zu werden.

Der Pharao sah ihr nach und sprach: »Nun habe ich keinen Sohn mehr und wenn ich sterbe, wirst du den Thron der Pharaonen besteigen.«

»Warum sprichst du vom Sterben«, erwiderte das Mädchen. »Noch viele Jahre werden dahinfließen, ohne dich zu beugen, du wirst aufrecht stehen, während rings um dich die Generationen fallen werden wie dürre Blätter.«

»Ich, der Unbesiegbare, bin nun zum ersten Male besiegt worden und mein ganzer Ruhm ist dahin. Alle meine Taten sind ausgelöscht. Ich bin nun nicht größer als jeder gewöhnliche Sterbliche. Aber ich will alles vergessen, da du mich nun liebst. Sobald die Trauerfeierlichkeiten vorüber sind, sollst du zur Königin gekrönt werden.« –

Die Hebräer, die fürchteten, der Pharao würde sein Versprechen bereuen, beschleunigten so sehr ihren Aufbruch, daß sie schon nach wenigen Stunden mit ihrem Auszug begannen. Sie nahmen all ihre Güter, Schätze und Möbeln und Herden mit sich und alles Volk von den Kindern bis zu den Greisen waren in ihrem Zug.

Jedem, der ihren Auszug sah, war es klar, daß das Opfer in der Wüste nur ein Vorwand war und daß die Hebräer beabsichtigten, Ägypten für immer zu verlassen.

Als dem Pharao davon Meldung gemacht wurde, geriet er in rasenden Zorn und beschloß sofort, die Juden zu verfolgen.

Er ließ sechshundert Kriegswagen bespannen, berief seine Feldherren zu sich, er selbst bestieg gewappnet sein Fahrzeug und das Heer, Wagen, Reiter und Fußvolk, setzte sich in Bewegung. Schrecklich in seinem Zorn, trieb er Mann und Roß, vor ihnen einherfliegend, zu rasender Jagd. Oftmals mußte er einhalten, damit die Teile seiner Armee sich sammeln konnten. Weder der beschwerliche Weg noch der sengende Brand der Sonne konnte ihn aufhalten.

Ein ganzes Volk mit Weibern, Kindern und Greisen kann nicht so schnell vorwärts ziehen wie eine Armee und so wurde der Zwischenraum zwischen den Hebräern und den Ägyptern von Tag zu Tag kleiner.

In der Nähe des Roten Meeres holte das Heer die Juden ein. Diese lagerten eben am Strand, als sie in der Ferne die goldenen Wagen der Ägypter und die dunklen Scharen der Reiter auftauchen sahen. Da erhoben sie ein großes Geschrei und verfluchten Moses, daß er sie derart ins Verderben geführt hatte.

Die Lage war in der Tat hoffnungslos. Denn vor dem Volk war die Flut des Meeres und hinter ihm der heranstürmende Feind. Die Frauen warfen sich zu Boden, zerrissen ihre Kleider, rauften sich die Haare und heulten: »Warum hat man uns nicht in Ägypten gelassen! Das Sklavenleben war noch immer besser als der Tod. Warum, o Moses, warum hast du uns hiehergelockt?!«

Moses blieb inmitten all dieser Flüche und Verwünschungen unbewegt. Er begann zu beten und dann streckte er seinen Stab über das Meer aus. Da fegte ein Sturm über das Wasser und teilte es in der Mitte, so daß sich rechts und links hohe Wasserwände bildeten. So wurde am Grund des Meeres ein Weg frei, durch den die Hebräer trockenen Fußes bis an das andere Ufer ziehen konnten.

Und das Volk der Juden stürzte in diesen Engpaß hinab und der Sturm fegte über ihren Häuptern hinweg und hielt die Wassermassen links und rechts zurück.

Die Ägypter, die nun am Ufer angelangt waren, zögerten erschrocken ob dieses neuen Wunders. Schon wollten sie von der Verfolgung der Juden abstehen. Aber der Pharao befahl mit schallender Stimme weitere Verfolgung. Er selbst betrat als erster den Weg durch die Gewässer.

Seine Augen waren blutunterlaufen, Schaum stand ihm vor dem Mund und er brüllte gleich einem Löwen, der seine Beute entrinnen sieht.

Die Nachhut der Hebräer, unter denen sich auch Poeri, Rachel und Thamar befanden, glaubten sich schon verloren, als sie sahen, daß der Feind sie verfolgte.

Aber als der letzte der Juden das Land erreicht hatte, erhob Moses abermals seinen Stab, der Sturm legte sich und die ganzen ungeheuren Wassermassen stürzten zusammen. Und sie begruben unter ihren Wellen die nachdrängenden Ägypter.

Der Pharao, auf seinem Wagen stehend und mit dem tobenden Wasser kämpfend, sandte noch immer Pfeile aus seinem Köcher hinter dem fliehenden Feinde her, als ob er selbst während seines Unterganges noch den unbekannten Gott bekämpfen wollte.

Da stürzte eine riesige Welle über ihn und er versank als Letzter seines ganzen Heeres. –

Am jenseitigen Ufer aber stimmten die Hebräer ein Danklied für ihre Befreiung an.



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