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Einige Tage später bestieg der Pharao seinen Wagen, um begleitet von seinem Gefolge das Anschwellen des Nils zu beobachten. Plötzlich standen Moses und Aaron wie aus der Erde gewachsen vor ihm.
Moses wiederholte seine Bitte, das Volk der Hebräer ziehen zu lassen.
»Zeige mir ein wirkliches Wunder, das mir die Macht deines Gottes beweist und ich werde meine Zusage zu euerem Auszug geben« antwortete der König. Moses wandte sich zu Aaron. »Strecke deinen Stab aus über die Gewässer Ägyptens und sie alle, Flüsse und Seen, Quellen, Brunnen und Weiher werden in Blut verwandelt sein und zu Blut soll alles Wasser in Vasen, Krügen und Schalen werden.«
Aaron berührte mit seinem Stab das Wasser des Flusses.
Das Gefolge des Königs beobachtete unruhig das Tun der beiden Hebräer.
Kaum hatte der Stab Aarons den Flußspiegel berührt, so begann das Wasser, sich zu trüben und zu schäumen, es bekam nach und nach die Farbe und das Aussehen wie Blut und schließlich wälzte sich der ganze breite Strom des Nils gleich einem Strom von Blut dahin.
Die Krokodile und Nilpferde versuchten, an das Ufer zu fliehen und leblose Fische trieben bald in großer Menge auf den roten Fluten.
Auch die Bäche und Kanäle, die Weiher und Wasserbecken, alles enthielt dieselbe rote Flüssigkeit und selbst in den Wasserkrügen und Trinkschalen wurde das Wasser zu Blut.
»Dieses Wunder kann höchstens alte Weiber und das ungebildete Volk erschrecken«, sprach der Pharao. »Laßt Ennana und seine Jünger kommen.«
Diese erschienen und erblickten den rot dahinfließenden Nil.
»Gib dem Wasser seine natürliche Farbe wieder,« sprach Ennana zu Aaron, »damit ich dein Wunder wiederholen kann.«
Der Hebräer erhob seinen Stab und sofort gewann das Wasser sein ursprüngliches Aussehen wieder.
Ennana nickte bei dem Gehaben Aarons beifällig, als wollte er unparteiisch die Geschicklichkeit des anderen anerkennen.
»Nun komme ich«, sagte er.
Er erhob den Stab gegen den Fluß und rot wie früher wälzte sich dieser dem Meere zu.
»Hast du kein anderes Wunder, um mir die Macht deines Gottes zu beweisen?« fragte der König ironisch den Hebräer. »Denn wie du siehst, können meine Magier dasselbe vollbringen, wie dein Gott.«
Ohne sich aus seiner Ruhe bringen zu lassen, erwiderte Moses: »Wenn du binnen sieben Tagen nicht bereit bist, mein Volk in die Wüste ziehen zu lassen, werde ich wiederkehren und dir ein anderes Wunder zeigen.« –
Sieben Tage waren verflossen, als Moses wieder vor den Pharao trat. Er sprach zu Aaron: »Geh hinunter zum Fluß, halte deinen Stab über die Gewässer und alle Frösche des Nils werden das Land heimsuchen.«
Aaron tat wie ihm geheißen. Und schon krochen über die Ufer des Flusses und aus den Sümpfen und Teichen unzählige Frösche und Kröten hervor. Sie bedeckten bald Felder und Gärten, Höfe und Wohnräume, ja selbst die Küchen und die Kochherde, die Backöfen, die Betten und alle Liegestätten. Sie waren überall, wohin man auch den Fuß setzte, wohin man blickte. Und es wurden immer mehr. Das erschreckte Vieh, Pferde, Esel und Ziegen, flohen voll Ekel auf die Felder hinaus, doch wohin sie auch kamen, alles war mit Fröschen überschwemmt.
Der Pharao, der von der Schwelle seines Palastes aus das Anschwellen dieser Flut beobachtete, gab Auftrag, soviel als nur möglich von ihnen zu vernichten. Aber es war menschenunmöglich, auf diese Weise ihrer Herr zu werden; immer wieder kamen neue herbei. Von Stunde zu Stunde erhöhte sich die Schicht der übereinander steigenden Tiere, sie kletterten an den Säulen empor, überschwemmten die Terrassen, die flachen Dächer der Häuser und sie gelangten schließlich sogar auf die Türme und Obelisken, auf die Statuen und Sphinxen.
Aaron und Moses triumphierten. Der Pharao ließ abermals Ennana herbeirufen, der lange überlegte. Der König wartete und begann schließlich ungeduldig zu werden. »Nun, Ennana, übersteigt dieses Kunststück deine Kräfte?«
Der Magier schien endlich die richtige Formel gefunden zu haben, er hob seinen Stab und augenblicklich verschwand die Plage von den Straßen und Plätzen, von den Bauwerken und Höfen und alles nahm wieder sein gewöhnliches Aussehen an.
Der König lächelte.
»Es genügt mir nicht,« sprach Ennana, »daß ich die Tiere verschwinden habe lassen, ich will den Zauber Aarons nun auch wiederholen.«
Er sprach seine Zauberformel und die Frösche erschienen wie früher, aber als er sie nun wieder bannen wollte, da erhob Aaron seinen Stab und nun blieben die Zauberworte des Ägypters ohne Wirkung.
Schließlich mußten sich die Weisen beunruhigt und gedemütigt zurückziehen, da die Flut der Frösche wieder alles überschwemmte.
Trotzdem wollte der Pharao sich nicht beugen. Lange blieb er gegen alle Reden und Bitten Moses taub.
Als die Plage jedoch nicht von dem Lande wich, versprach er endlich, die Juden in die Wüste ziehen zu lassen, wenn die Frösche verschwinden würden.
Die Frösche verschwanden. Aber sogleich bereute der König sein Wort und brach, trotz Tahosers Bitten, sein Versprechen.
Nun begannen schreckliche Plagen über Ägypten hereinzubrechen. Der Staub des Landes wurde von Moses in Insekten verwandelt und die rote Pest befiel alle Einwohner Ägyptens, nur die Juden blieben verschont.
Der Pharao ließ den Obersten seiner Magier kommen und befahl ihm, den Zauber zu bannen. Dieser antwortete ihm: »Oh Herr, meine Kunst ist zu Ende! Beuge dich vor der unbekannten Macht und gib uns so Zeit, zu erforschen, wer dieser unbekannte Gott sein kann, der mächtiger zu sein scheint, als Ammon-Ra.«
Noch immer wollte der Pharao nicht nachgeben. Nun siechte alles Vieh der Ägypter dahin, dann kamen Schwärme von Heuschrecken, welche die Sonne verdunkelten. Sie flogen so dicht dahin, daß sie dunklen Wolken glichen, überfielen das ganze Land und ließen sich darauf nieder. Sie krochen in alle Lücken und Winkel, füllten alle Gruben und Brunnen, sie setzten sich in die Kleider der Ägypter, ja sie krochen sogar in den Mund, in die Nase und in die Ohren der Menschen. Sie verheerten die Felder und vernichteten die Ernte; kein grüner Strauch und kein Grashalm blieb verschont.
Der Pharao ließ Moses rufen. Dieser sprach einige Worte und alsogleich erhob sich ein Sturm, der die Heuschrecken in das Meer trieb und das Land reinigte.
Noch immer war das Herz des Königs nicht erweicht.
Nun erhob sich ein Ungewitter, Hagel fiel vom Himmel, – ein Naturereignis, das in Ägypten völlig unbekannt ist – und alles wurde zerstört, was an Äckern und Feldern noch zu vernichten war. Der Himmel verdunkelte sich, eine undurchdringliche Finsternis breitete sich über Ägypten aus und hüllte dieses Land ein, dessen Bewohner eine Fülle von Licht und Sonnenschein gewohnt waren und dessen Nächte klarer waren als in nördlichen Gegenden der Tag. Die Luft war so dumpf, daß alle Lampen verlöschten; das erschreckte Volk weinte und jammerte laut. Es umlagerte die Stufen der Tempel und zerriß verzweiflungsvoll seine Gewänder.
In einer schrecklichen Nacht flog der Engel des Todes durch alle Gefilde Ägyptens. Er betrat alle Häuser, deren Türe nicht mit dem Blut eines geopferten Lammes rot bestrichen war und so raffte er alle männlichen Erstgeborenen hinweg, den Sohn des Pharao ebenso wie den des letzten Paraschiten.
Finster und aufrecht stand der König, vor sich hingrübelnd, an der Leiche seines erstgeborenen Sohnes und achtete der Tränen Tahosers nicht, die seine Hand benetzten.
Plötzlich trat Moses vor ihn hin.
Der Pharao sah ihn an und endlich sprach er: »Zieht hinweg und opfert eurem Gott! Geht!«
Da schlang Tahoser ihre Arme um ihn und flüsterte: »Nun liebe ich dich. Denn nun bist du ein Mensch und kein Götze aus Stein.«