Theophile Gautier
Der Roman der Mumie
Theophile Gautier

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VII.

Am linken Ufer des Nils lag die Villa Poeris, des Jünglings, den Tahoser am Balkon lehnend erblickt hatte, als sie zum Einzug des Pharao fuhr und dessen Anblick sie so sehr bewegt hatte.

Das Landhaus war von reichen Feldern umgeben, die in dem von rötlichem Nilschlamm befruchteten Boden lagen. Sinnreich angebrachte Kanäle sorgten für beständige Fruchtbarkeit.

Hohe Steinquadern, von dem nahen libyschen Gebirge gebracht, umfriedeten Gärten, Speicher und Wohnhaus. Die Mauern waren abgeschrägt und ihr oberer Rand mit einer Reihe von Eisenspitzen versehen.

Das Haus selbst glich in seiner Art nicht den Häusern von Theben. Der Architekt hatte hier nicht nach den gewöhnlichen monumentalen Wirkungen gesucht, nicht nach dem sonst so prunkhaften Material gegriffen, sondern sich der Umgebung durch einen leichteren, mehr ländlichen Stil angepaßt.

Der Unterbau, der bei starkem Austreten des Nils von dessen Fluten erreicht werden konnten, war aus Stein, der Oberbau aus Sykomorenholz. Lange schlanke Säulen, Fahnenschäften ähnlich, reichten vom Boden hinauf bis zu dem mit geschnitzten Palmenblättern geschmückten Sims und endeten in kleine Würfel, unter welchen das übliche lotosartige Kapitäl hervorsah. Über dem Erdgeschoß war nur ein Stockwerk angebracht, dessen Mauern jedoch nicht bis zu dem flachen Dach reichten, so daß zwischen Zimmerdecke und Dach ein leerer Raum blieb. Diesen umrahmten kleine, blumenverzierte Säulchen, von denen je vier zwischen den großen Säulen standen. Fenster nach ägyptischer Art, unten breit und nach oben zulaufend, ließen das Tageslicht in die Gemächer ein.

Über der Eingangstür war, von einem Rechteck umgeben, das Bild eines Kreuzes, in einem Herz steckend, angebracht. Das Zeichen war jedem leicht verständlich. Es bedeutete: Das Glück wohnt in diesem Haus.

Längs der hohen Mauer lief eine Reihe spitzig zugeschnittener Bäume, die eine angenehme grüne Wand gegen den sandigen Hauch der Wüste bildeten. Hinter dem Haus dehnte sich ein Weingarten, durch den von Säulen flankierte Wege führten. Die Reben schlangen sich um diese Säulen und bildeten so einen natürlichen Laubengang. Vögel und Strahlen der Sonne spielten in den Blättern. Links und rechts von der Villa befanden sich mit Wasserpflanzen bedeckte Weiher, in denen Wasservögel schwammen. An den Ecken des Hauses breiteten große Palmen ihre schirmförmigen Kronen aus. An den Weingarten schlossen sich Blumengärten an, an diesen der Obstpark. Hier erhoben sich Feigen-, Pfirsich-, Mandel-, Oliven- und Granatäpfelbäume in verteilten Gruppen, dazwischen die blühenden Büsche von Zimt, Myrthen, Mimosen und Tamariskensträuchern, die zur Bereitung von wohlriechenden Essenzen dienen sollten. Auch seltene Abarten aus der Gegend der Nilkatarakte und aus den Oasen der libyschen Wüste waren hier zu sehen. Denn die Ägypter lieben es, sich seltsame Bäume und Blumen zu ziehen und fordern solche oft als Tribut von den unterjochten Völkern. Hier befanden sich zwei weitere größere Teiche, die durch einen Kanal von dem Wasser des Nils gespeist wurden und darauf schwammen kleine Schiffe, die dem Herrn des Hauses den Fischfang ermöglichten. Dichte Hecken umrankten diese Weiher und spiegelten ihre Blüten in den grünen Gewässern. Daneben waren kleine Kioske erbaut, die einen Ausblick auf das Wasser boten und, mit einfachen aus Schilf geflochtenen Streckstühlen eingerichtet, dazu einluden, von hier aus die Kühle des Morgens oder Abends zu genießen.

Der Garten, sowie rundherum der ganze Besitz, der freundlich in der duftenden Morgensonne leuchtete, erweckte den Eindruck des Friedens, der Ruhe und des Wohlbehagens.

In den Alleen sah man geschäftige Diener auf- und abgehen. Sie trugen Tontöpfe, die an gebogenen Stangen über der Schulter mit Schnüren befestigt waren und in denen sie Wasser in das Haus schafften, es in kleine Reservoirs rund um die Bäume schütteten oder in Rinnen taten, die zu den einzelnen Beeten und Pflanzenanlagen führten. Gärtner stutzten Bäume und Sträucher und gaben ihnen verschiedene Formen. Andere gruben mit einer Hacke aus hartem Holz die Erde für frische Pflanzungen um.

Die Türe der Villa öffnete sich und Poeri trat vor die Schwelle. Er war nach ägyptischer Art gekleidet, doch konnte der flüchtigste Beobachter bemerken, daß er keineswegs zu der eingeborenen Rasse des Niltales zählte. Seine feine Adlernase, seine glatten Wangen, seine schmalen Lippen und die ovale Form seines Gesichtes, standen in ausgesprochenem Gegensatz zu den Merkmalen der afrikanischen Rasse, der etwas eingedrückten Nase, den vorstehenden Backenknochen, den wulstigen Lippen und dem runden Antlitz, wie es den Ägyptern eigen ist. Auch die Hautfarbe war nicht das übliche Rotbraun, es war die Farbe der Oliven, durch die ein feines Rot hindurchschimmerte. Die Augen waren weder tiefschwarz noch durch Antimon gefärbt, sie waren dunkelblau wie die Nacht, die Haare weich und glatt und die Schulterlinie lief nicht so gerade, wie dies bei den Eingeborenen der Fall war.

Alle diese Abweichungen vom Gewöhnlichen hatten einen fremden Schönheitstypus geformt, der die Tochter Petamounophs gefangen nahm.

Von dem Tag an, da sie das erstemal Poerie erblickt hatte, wie er auf seinem Lieblingsplatz vor dem Haus am Balkon nach vollbrachter Tagesarbeit saß, war sie in ihrem Wagen oftmals dort vorbeigefahren.

Aber es halfen weder die schönsten Prunkgewänder, mit denen sie sich bekleidete, die kostbarsten Hals- und Armbänder, noch die gefärbten Augen, die geschminkten Wangen und die leuchtenden Lotosblüten. Poeri schien sie niemals zu bemerken. Und doch war Tahoser schön. Um die von Poeri mißachtete Liebe hätte selbst der Pharao Vieles gegeben. Seine Frauen Twea und Taia, Amensa und Hout-Recha, seine asiatischen Gefangenen, seine Goldschätze, seine Kriegswagen, sein unbezwingliches Heer, sein Zepter und selbst sein Totengemach, an dem seit seiner Thronbesteigung tausend und abertausend Arbeiter tätig waren.

In diesen glühenden Ländern ist die Liebe nicht dieselbe wie in den kälteren Zonen, wo die innere Ruhe zugleich mit der kühlen Luft vom Himmel herabsinkt. Das ist nicht Blut, das sind Flammen, die in den Adern toben und darum siechte Tahoser dahin, trotz Blumen und Wohlgerüchen, die sie umgaben und trotz dem Tranke des Vergessens der ihr bereitet worden war. Weder Musik noch Tanz konnten sie erheitern, der Schlaf mied sie und oftmals erhob sie sich zitternd und bebend vom Lager und streckte sich auf die Marmorplatte des Fußbodens hin, um Kühlung zu finden.

In jener Nacht nach dem Einzug Pharaos, wurde sie von solcher Verzweiflung ergriffen, daß sie beschloß, das Äußerste zu wagen und sollte es sie ihr Leben kosten.

Bei Tagesgrauen hüllte sie sich in ein einfaches Leinenkleid, nahm keinen Schmuck als ein Armband aus wohlriechendem Sandelholz, umhüllte den Kopf mit einem Schleier und ohne Nofre zu wecken, die sicher von Ahmosis träumte, verließ sie ihr Gemach, eilte durch den Garten, öffnete das Tor, das zum Wasser führte und gelangte an das Ufer. Dort weckte sie einen der Schiffer und ließ sich an das andere Ufer übersetzen. Zitternd, die Hand auf ihr Herz gepreßt, schritt sie der Villa Poeris zu.

Es war inzwischen Tag geworden und die Tore des Gutes waren weit geöffnet, um dem Vieh, das zur Feldarbeit und Weide ging, Raum zu geben.

Tahoser kniete an der Schwelle des Hauses nieder und legte eine Hand in flehender Gebärde über den Kopf. Sie war noch schöner als sonst in dieser bescheidenen Stellung und dem einfachen Kleid. Ihre Brust wogte heftig und große Tränen flossen über ihre Wangen hinab.

Poeri, der sie so erblickte, hielt sie für irgend eine Unglückliche, die bei ihm Zuflucht suchte, er trat zu ihr und sprach: »Tritt herein, mein Haus steht jedem offen.«



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