Theophile Gautier
Der Roman der Mumie
Theophile Gautier

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XVI.

Als Rachel aus ihrem Schlummer erwachte, fand sie den Platz Tahosers leer. Vergebens suchte sie im ganzen Gemach nach ihr. Thamar schien in ihrem Winkel zu schlafen. Tatsächlich beobachtete sie aber gespannt die Bewegungen Rachels.

»Thamar,« rief Rachel sie an, »wo ist Tahoser?«

Die Alte stellte sich, als wäre sie eben erst von dem Anruf erweckt worden, sie dehnte sich und erwiderte endlich: »Ist sie denn nicht bei dir?«

»Nein,« sprach Rachel, »ich erblicke sie nirgends.«

Thamar suchte in der Hütte, dann im Garten, kam aber bald mit verneinender Gebärde zurück.

»Das ist doch merkwürdig«, sagte Rachel nachdenklich.

»Du weißt, oh Herrin,« erwiderte die Dienerin, »daß mir die Fremde von Anfang an nicht gefiel.«

»Weil dir niemand gefällt«, lächelte Rachel.

»Dich ausgenommen, oh Herrin.« Thamar küßte die Hand ihrer geliebten Gebieterin.

»Ich weiß, daß du mir treu bist.«

»Ich hatte niemals ein Kind und alle Liebe und Sorgfalt einer Mutter, die in mir lag, habe ich auf dich übertragen.«

»Gute Alte«, sprach Rachel gerührt und ergriff Thamars Hand.

»Ich hatte doch recht, mein Täubchen, als ich der Fremden mißtraute. Schon ihr Erscheinen ging nicht mit rechten Dingen zu. Sie nannte sich Tahoser, die Tochter Petamounophs, aber in Wirklichkeit wird sie nur ein böser Dämon gewesen sein, der ein Kind Israels verführen wollte. Hast du nicht ihr Erbeben bemerkt, als Poeri ihre Götzen schmähte und die Mühe, mit der sie sich die Worte abrang: ›Lehre mich deine Götter erkennen!‹ Sie sprach, als ob sie glühende Kohle auf ihren Lippen hätte.«

»Aber ihre Tränen waren die echten Tränen einer Frau«, warf Rachel ein.

»Auch Krokodile können weinen und Hyänen lachen,« setzte die Alte fort, »die bösen Dämone wenden all ihre Künste an, um zu ihrem Ziele zu gelangen.«

»So wäre nach deiner Ansicht die liebliche Tahoser ein teuflisches Wesen?«

»Ganz ohne Zweifel,« erwiderte Thamar, »wäre es denn sonst möglich, daß die Tochter Petamounophs die Liebe des Pharao verschmähen würde, um Poeri zu gewinnen?«

Hier wollte ihr Rachel freilich nicht zustimmen, denn Poeri übertraf in ihren Augen alle Männer der Welt.

»Aber warum ist sie dann entflohen, da sie doch am Ziel war und deine Großmut sie als zweite Frau anerkennen wollte? Glaube mir, nur die Angst vor Jehova hat diesen Dämon in die Flucht gejagt!«

»Jedenfalls«, sagte Rachel »hatte dieser Teufel eine wunderbar sanfte Stimme und die holdesten Augen.«

Wenn Rachel auch durch das Verschwinden Tahosers beunruhigt war, so war sie deshalb doch nicht betrübt; denn nun gehörte ihr Poeri wieder ganz allein und der Glanz, den ihr großmütiges Benehmen ihr verliehen hatte, blieb ihr auch jetzt, trotzdem ihr Opfer nicht angenommen worden war. – –

Thamar entfernte sich, angeblich um für den Haushalt zu sorgen. In Wirklichkeit eilte sie geradewegs zu des Königs Palast. Über den Rücken hatte sie einen großen Sack geworfen, da sie beabsichtigte, den König nun an sein Versprechen zu erinnern.

Sie gelangte zu dem Gebäude und wurde sogleich vor den Pharao geführt. Als dieser sie erblickte, ließ er Tymopht rufen und befahl ihm, die Alte in die Schatzkammer zu geleiten. Dort sollte sie sich so viel auswählen dürfen, als sie zu tragen vermochte.

Als Thamar das viele Gold erblickte, geriet sie vor Entzücken außer sich. Sie krempelte die Ärmel empor und begann in dem Goldhaufen zu wühlen, um ihren Sack vollzustopfen. Sie benahm sich, als ob sie vom Fieber geschüttelt sei und ließ die Münzen durch ihre Finger gleiten, besah und beroch sie von allen Seiten, lachte, gluckste und gebärdete sich wie eine Betrunkene.

Tymopht, den dieser Anblick belustigte, ließ sie ruhig gewähren, trotzdem er es für unmöglich hielt, daß sie den vollen Sack von der Stelle würde rühren können. Aber Thamar band diesen oben zusammen, spannte all ihre Muskel bis aufs äußerste und tatsächlich hob sie ihn auf ihre Schulter. Der Geiz verlieh ihr Riesenkräfte, ihr Hals und ihre Arme, Schulter und Brust dehnten und spannten sich und trugen ein Gewicht, das ein kräftiger Mann kaum zu schleppen vermocht hätte. Sie kroch beinahe auf Händen und Füßen dahin und so kam sie aus dem Palast, sich immer wieder an die Mauern festhaltend, um nicht zusammenzubrechen.

Nun war das Gold ihr rechtmäßiges Eigentum. Hustend und keuchend ließ sie sich außerhalb der Tore auf ihren kostbaren Schatz nieder, um sich darauf auszuruhen. Als nach einiger Zeit zufällig zwei ihrer Glaubensgenossen vorbeikamen, rief sie diese an und bewog sie, ihr den Sack gegen Bezahlung nach Hause zu tragen. – – –

Tahoser war königlich untergebracht worden. Ihre Gemächer glichen denen des Königs, die Zimmerdecken waren mit glitzernden Sternen besät, die Wände bunt bemalt und der Fußboden mit feinen Decken bespannt. Einrichtung und Schmuck der Zimmer gaben Zeugnis von der Liebe, die Pharao für Tahoser fühlte. Mit dem Wert der Kostbarkeiten, welche dieses Gemach enthielt, hätte man ein kleines Königreich aufkaufen können.

Tahoser saß auf einem Sessel von Elfenbein und besah sich die kostbaren Stoffe und Geschmeide, welche nackte Sklavinnen vor ihren Augen ausbreiteten. Sie kam gerade aus dem Bad und ihr Körper erglänzte noch von den Essenzen, mit denen sie eingerieben worden war. Sie war so schön, daß sie selbst ihrem Spiegelbild zulächeln mußte, als sie es zufällig erblickte. Ein leichter Schleier umhüllte ihren Körper, ohne ihn zu verbergen. Sie trug keinen einzigen Schmuck bis auf ein aus emaillierten Herzen zusammengesetztes Halsband.

Der Pharao betrat den Raum.

Bei seinem Anblick erhob sich Tahoser und wollte sich vor ihm zur Erde beugen, er aber hielt sie zurück und hieß sie neben ihm Platz nehmen.

»Beuge dich nicht vor mir, Tahoser«, sprach er sanft. »Du sollst mir in Allem gleichgestellt sein. Ich bin allmächtig und du bist mein Eigentum, aber trotzdem will ich wie der Einfachste der Sterblichen warten, bist du mich liebst. Laß jede Furcht beiseite, sei nichts als ein Weib! Du sollst deinen eigenen Willen haben, deine Sympathien, Antipathien und Launen. Ich kenne stolze Frauen bisher nur von Hörensagen und wenn du fühlst, daß dein Herz für mich erwacht ist, dann reiche mir als Zeichen die Lotosblumen aus deinem Haar.«

Trotz seines Verbotes kniete Tahoser zu den Füßen des Pharao nieder und benetzte sie mit ihren Tränen.

Und sie frug sich voll Verzweiflung: »Warum, o warum weilt meine Seele noch immer bei Poeri?«

Tymopht erschien und verbeugte sich grüßend.

»O König, ein rätselhafter Mann wünscht mit dir zu sprechen. Sein schneeweißer Bart reicht bis zu seinen Knien hinab, seine Stirne erglänzt und seine Augen schleudern Blitze. Unsichtbare Macht muß von ihm ausgehen, denn keiner der Wachen konnte ihn aufhalten und alle Türen öffnen sich von selbst vor ihm.«

»Wie ist sein Name«, fragte der Pharao.

»Moses«, erwiderte Tymopht.



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