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7.

Leonhard wollte dem Vorsatze sogleich die Tat folgen lassen. Sein Freund hatte sich ihm rückhaltlos geoffenbart. Der gute Bursche liebte Leni mit aller Leidenschaft. Leonhard fand das begreiflich, wenn auch im Übrigen töricht. Er stand eben selbst für einen Augenblick in dem Banne dieses Weibes, obgleich er ihre Untugenden kannte und nahezu einen Ekel vor ihr empfand. Er hielt es wohl für eine Gewissenssache, seinen Freund an dieses Weib zu ketten, und sprach sich hierüber auch erschöpfend zu Ferdl aus. Aber dieser zeigte sich davon überzeugt, dass er mit Leni glücklich sein würde, wenn er sie nur einmal besaß, und er versprach es Leonhard, sich von ihr nie ähnlich beherrschen zu lassen, wie der Grill von ihrer Mutter beherrscht wurde.

Als die beiden Freunde soweit als möglich in das Klare gekommen waren, begab sich Leonhard sogleich hinunter in das Grillenhaus. Es war schon um eine vorgeschrittene Morgenstunde. Das Hausgesinde befand sich unten zu Buchers in der Frühmesse. Die Grillin kochte eben den Morgenkaffee. Der Grill saß am Tische und hatte einen Pack Mahnbriefe und Gerichtsakten vor sich liegen. Von Leni war nichts zu sehen, aber Leonhard hörte sie bei seinem Eintritte im Nebenzimmer rufen:

»Mutter, hol mir meine Spitzkitteln vom Boden. Sie werden doch schon trocken sein? Gewaschen hast du sie ja diese Woche?«

»Nein«, antwortete die Grillin. »Sie liegen noch so abgeschlampt, wie du sie vom Tanz hast zurückgebracht, hinter dem Bette.«

»So, schön!« kreischte die Tochter. »Mit nichts kann man sich auf dich verlassen!«

»Zieh die meinen an«, entgegnete die Grillin. »Gehst heut wieder nach Beneschau?«

»Ja!«

»Meinst, der Böhm wird auch hinkommen?«

»Na freilich! Er passt ja überall auf mich wie der Teufel auf die lieb Seel.«

Hier störte Leonhard das Gespräch, indem er mit lautem Gruße über die Schwelle der halb-angelehnten Stubentüre trat.

Der Grill beantwortete den Gruß sehr freundlich und ging dem Gaste sofort entgegen. Hingegen versteckte sich das Weib hinter dem Kachelofen.

»Nun, was bringt mir denn der Nachbar?« hob der Grill an, als er dem jungen Bauern am Tische gegenübersaß.

»Kannst dir's wohl denken«, entgegnete Leonhard.

»Die Hilf?« fragte der Bauer, und als Leonhard leise nickte, wiederholte er jubelnd: »Die Hilf? Ist's wahr? O vergelt's Gott! Ich hab's ja gewusst, dass du Rat schaffst, Kini.« Er lag jetzt vor dem Jüngling auf den Knien.

Leonhard richtete den wirklich vor Dankbarkeit und Zerknirschung überströmenden Mann auf und sagte: »Lass du die Geschichten und steh mir ehrlich Red. Wie viel betragen deine Schulden?«

»Zweitausend Gulden, grad hab ich's zusammengeraitet. Raiten=rechnen«

»Und wie viel beträgt nach deiner Meinung der Schätzwert »deines ganzen Besitzstandes?«

»Ein bissl weniger als die Schulden.«

»Um fünfhundert Gulden weniger, glaub' ich«, entgegnete der Jüngling. »Die Gratschen Gratschen=Hütte und die verwahrlosten Felder gehen bei einer Feilbietung nit höher als auf fünfzehnhundert. Vieh habt ihr keines mehr.«

»Eine Kuh«, sagte der alte Bauer.

»Da wär' euch mit zweitausend Gulden geholfen.«

»Ja freilich! Mit zweitausend! Ich glaub's. Glänzend wär' uns geholfen mit zweitausend.«

»Gut«, sagte Leonhard. »Ich weiß für die Leni einen deutschen Buben, der ihr bare zweitausend Gulden mitbringt in die Eh. Unter drei Wochen will er ihr Mann sein. Und sein Heiratsgut kann ich euch auszahlen zu jeder Stund.«

»Zu jeder Stund!« wiederholte der Bauer schreiend. »Wabi!« fuhr er dann fort, »Wabi, komm und los'.«

Leonhard sprach: »Ich will mit dir reden, Grill, nit mit deinem Weibe.«

Aber da stand die Grillin schon am Tische und antwortete: »Wenn der Handel um mein Kind geht, werd ich mir auch erlauben, ein Wörtel mitzureden.«

Leonhard fuhr, an den Grillen gewendet, fort: »Weil an dem Bräut'ger, den ich für deine Tochter bring, auch sonst gerechterweise nichts auszusetzen ist, musst du ihn für sie annehmen. Du hast keine Ausred. Deine Tochter kriegt einen deutschen Mann, mit dem ihr geholfen ist, darum darf sie nit den Böhm heiraten.«

»Aus und gar ist's mit dem Böhm!« rief der Grill voll freudiger Begeisterung. »Gott sei Dank, dass wir dürfen ein End machen mit dem Böhm! Gehasst hab ich ihn wie den Teufel; das deutsche Herz hat sich gegen ihn empört, ich kann dir gar nit sagen wie. Je früher der Deutsche kommt, desto lieber ist er mir. Und die Leni wird auch froh sein, dass sie dem Böhm den Abschied geben kann. Ich weiß, dass sie sich als ein Kind von meinem Geblüt und meiner Gesinnung gern dem Deutschen wird anvertrauen, wenn er nur halbwegs ein achtbarer Mann ist.«

»Ein Mann«, erklärte Leonhard, »ein Mann ist er, der auf das verlumpte Haus da passt und den ich mit Ehren für meinen Nachbarn will anerkennen.«

»Da muss er schon der Rechte sein, wenn du das sagst«, entgegnete der Grill, »dann stimmt schon alles.« Aber so freudig auch seine Worte klangen, manchmal warf er doch einen furchtsamen Blick auf sein Weib, welches mit einem giftigen Lächeln dastand.

»Du redest gescheit«, sagte sie nun. »Der Böhm hat fünftausend! Bare fünftausend, und der Deutsche hat zweitausend! Willst dem Nachbarn zum Gefallen dreitausend Gulden verschmähen und hinausschmeißen, du Tölpel?

»Das gibt es nit. Wenn du närrisch bist, ich hab gottlob noch meinen Verstand.«

Das war dem Alten doch zu arg von seiner Ehegenossin. Er wurde dunkelrot vor Zorn und Empörung über die gemeine Gesinnung dieses Weibes.

»Pfui«, sagte er, vor ihr ausspuckend. »Schäm dich in Ewigkeit für dein' Niedertracht. Die Händ solltest du dem Kini küssen, und so dankst du ihm! Pfui! Schad nur, dass dein' Zung noch ein deutsches Wort hervorbringt. Ausreißen sollt' man sie dir, diese schamlose, ehrlose Zung. Pfui, noch einmal pfui!«

»Red, was du willst«, sagte sie ganz unerregt und lächelte. »Bist ja ein Narr!«

Ihre Ruhe ärgerte ihn noch mehr. Er war zum ersten Male so recht gehörig über sie entrüstet. Er wollte neuerdings mit argen Schmähungen auf sie einstürmen oder sie gar schlagen. Aber Leonhard gelang es, ihn zu beruhigen. Die Heftigkeit ihres Mannes schüchterte sie nun doch gehörig ein. Sie musste trotz allem doch noch etwas auf seinen Mut und seine Selbständigkeit halten.

»Meinetwegen«, sagte die Grillin endlich gleichgültig, »meinetwegen kann die Leni wählen, wie sie will. Ich werd nimmer mit dir zu raufen anfangen, Mann, jetzt auf meine alten Tag. Meinetwegen soll schon geschehen was immer. Wenn ich nit mucksen darf, so mach halt du den Herren, und mach ihn gut, dann kann es mir ja recht sein. Ich sehn mich in das Ausgeding nach der langen Schinderei auf dem Haus, und es ist mir alleins, ob der neue Bauer deutsch oder böhmisch ist, wenn er nur recht tut mit uns und unserem Kind.«

Diese Rede besänftigte den Grillen wunderschnell.

»Na, gottlob!« rief er, »jetzt redest du doch wieder wie ein Mensch, der ein Gefühl hat und eine Einsicht. In derer Sach da tätest du nichts richten mit mir, meine Liebe. Wenn ich die Leni an den Haaren zu dem Altar schleppen müsst', so tät' ich's, weil's der Kini will; dem sein Willen und Gebot muss mir jetzt als einem deutschen Mann über alles andere gehen. Erst sind wir, die auf der Kalten Tred geboren sind, deutsch und dann erst alles andere. Der Kini macht mir's möglich, dass ich meiner Gesinnung treu bleiben kann, dass ich kein Verrat an ihr darf begehen, und dafür sei ihm tausend Dank und Preis.«

Der von seinen schwersten Sorgen entlastete Mann war ehrfühlend genug, um zu wünschen, dass er wieder in den Augen seines Wohltäters, dessen tiefster Verachtung er sich seit gestern schuldig fühlte, wieder an Menschenwert steigen möge.

So überschwänglich die Dankesworte des Alten auch klangen, Leonhard war doch schön-gläubig und vertrauensselig genug, um sie für vollgültig anzunehmen und sich ihrer zu freuen.

»Jetzt wollt ihr auch wissen, wer der Bräut'ger ist, den ich euch bestimmt habe?«

»Ja, freilich«, sagte der Grill.

»Nun, der Ferdl ist's. Der Buritscher Ferdl.«

»Der Ferdl?« fragten sie beide staunend. Das Staunen der Grillin schien seltsamerweise kein so unangenehmes zu sein, aber sie fügte doch die Worte hinzu: »Der arme Häuslbub!?«

»Er ist kein armer Häuslbub«, erwiderte Leonhard. »Er kriegt von mir zweitausend Gulden Heiratsgut. Er ist es hinlänglich wert, Bauer auf dem Grillenhof zu sein.«

»Das gilt«, sagte der Grill. »Ein prächtiger Bub. Gegen den wird auch die Leni nichts einzuwenden haben, darf nichts gegen ihn einwenden. Und du, Alte?«

»Ich? Mein Gott, ich werd auch einmal um meine Meinung gefragt?«

»Geh, tu nit auf einmal so, als ob du gar so unterdrückt und gering gehalten würdest von mir«, warf der Bauer ein.

»Na«, fuhr die Grillin dann fort, »der Ferdl – mit zweitausend Gulden ist er nit zu verachten.«

»Recht so, Weib!«

Die Grillin hatte – ganz nebenbei gesagt – den Ferdl auch ohne die zweitausend Gulden nie verachtet. Sie hatte trotz ihren vierundsechzig Jahren noch einen klaren Blick für hübsche Männer. Gerade diesem »Häuselbuben« sah sie stets gerne nach.

»Also das ist abgemacht!« rief Leonhard. »Jetzt will ich nur noch dein Wort und Handschlag darauf, Grill.«

»Da«, sagte der Alte und schlug fest in die ihm dargereichte Rechte. »Es gilt für einen Eid. In vier Wochen sind der Ferdl und die Leni deine Nachbarsleut auf dem Grillenhaus.«

»Und deine Hand?« fragte Leonhard, sich an die Grillin wendend, weil er nun zu gut und versöhnlich gelaunt war, um sie zurückzusetzen.

»Willst du doch meine Hand?« fragte sie mit einem neckischen Zieren, welches ihr vor dreißig Jahren ganz allerliebst angestanden haben mochte. »Ist mir eine Ehr.« Sie hielt seine Hand länger als nötig und fuhr dabei zu reden fort: »Und du, Leonhard? Du hast ja auch was im Willen – heut noch.«

»Ich?« fragte er und erglühte.

»Na, siehst, wie du brennst! So ist's denn richtig wahr? Bei uns im Dorfe bleibt rein nichts einen Augenblick geheim. Steh ich früher draußen vorm Haus, rennt der kleine Berschenbub, der Nazi, vorbei. ,Hacksch!' schreit er, ,hacksch, ich geh einen Blumenstrauß brocken. Den stellen wir auf den Tisch, weil heut Nachmittag kommt zu uns der Bräut'ger. Der schöne Nachbar kommt zu uns und nimmt die Friderun mit in den Kinihof. Sein Weib wird sie. Und dann kriegen wir im Kinihof alle Tag einen Gugelhupf. Und die Leni hat er nit mögen, hackscherla!' Jetzt seh ich dir's an, dass der Bub richtig nit gelogen hat, Leonhard.«

»Ich leugne es nit«, sagte er freimütig. »Sonst müsst' ich mich in ein paar Tagen schon öffentlich Lügen strafen.«

»So bald schon?« rief sie überrascht.

»Ja, so bald, Grillin.«

»Siehst du, Leonhard«, sagte sie nun mit plötzlich zu recht schmerzlichen Tönen überschlagender Stimme. »So glücklich wie mit der wärst du mit meiner Leni auch worden. So gern wie die wird dich keine mehr haben, keine mehr. Die Friderun, der Eiszapfen, schon gar 'nit. Du weißt nit, was für ein Herz du gebrochen hast, ja gebrochen, denn unglücklich bleibt das Dirndl sein Leben lang. Du hättest sie nit zurückstoßen sollen mit ihrer Lieb. An dem Stoß hat sie genug bis an ihr Grab.«

Hier bedeckte die Alte das Gesicht mit der Schürze und hob leise zu schluchzen an. Leonhard wusste darauf nichts zu sagen als: »Die Lieb lässt sich nit zwingen. Mir erbarmt die Leni, aber helfen kann ich ihr nit. Und so behüt' euch denn Gott miteinander!«

»Halt!« rief der Bauer, welcher tat, als ob er die letzten Reden gar nicht hörte, »da fällt mir was ein. Das hab ich in meinem Glück vergessen. Ich muss dir eines sagen, Leonhard: Es könnt' leicht geschehen, dass noch vor der Hochzeit die Hausfeilbietung angesetzt würd. Das wär' ein bissl zuwider.«

»Ja freilich«, sagte Leonhard, »das wär' schon recht zuwider.«

»So viel schön wär's«, redete der Alte weiter, »wenn die Schulden schon vor der Hochzeit bezahlt werden könnten.«

Leonhard überlegte eine Weile, dann griff er in die Brusttasche und zog ein Sparkassenbuch heraus. Er überreichte es dem Alten und sagte: »Da ist dem Ferdl sein Heiratsgut. Ein Sparkassenbüchl lautend auf zweitausend Gulden. Ich hab mir's für alle Fälle gleich eingesteckt.«

»Aha!« warf die Grillin wie in klarem, aber nicht gerade freundlichem Verständnisse ein. Leonhard kehrte sich nicht nach ihr, sondern fuhr fort: »Kannst es ja gleich bei dir behalten, Grill. Morgen gehen wir damit hinunter in die Stadt, du, der Ferdl und ich, und beheben das Geld. Dann geht ihr zwei miteinander die Schulden zahlen.«

»Vergelt's Gott zu tausendmal«, sagte der Alte, das Buch in Empfang nehmend. »Je eher die Last von dem Haus weg ist, desto besser.« Er wollte zum Schlusse dem Jüngling noch mit Gewalt die Hand küssen, aber dieser riss sich los und ging nach Hause.

»Jetzt ist unser einziges Kind verkauft«, sagte die Grillin, als die Stubentüre hinter Leonhard zugefallen war. »Verkauft wie ein Stück Vieh, oder man könnt' noch besser sagen: jetzt ist sie ausgezahlt für ihre reine, treue Lieb, – wie eine verworfene Vettel für ihre Lieb aus'zahlt wird.«

»Willst nit wieder anfangen zu teppen Teppen=toben?« schrie der Grill.

»Nein, ich bin schon still«, sagte sie im Leidenstone. »Aber da druckt's, Kasper, da im Herzen, so was wurmt eine Mutter und frisst ihr am Leben.«

»Musst es halt fressen lassen«, sagte er derb; denn er wurde durch das Umschlagen des Weibes zu diesem Benehmen schon wieder beträchtlich gereizt.

Jetzt kam Leni stolz aufgerichtet und langsam herein. Ihr Gesicht war leichenfahl. Aber es lag der Ausdruck einer großen, unerschütterlichen Entschlossenheit darauf. Dem Vater begegnete sie mit einem vollen, freien Blicke. Der Grill las eine unbesiegbare, zielbewusste Auflehnung aus diesem Blick und eine Missachtung, welche sein Vatergefühl auf das empfindlichste beleidigte. Und dann sprach sie in einem Tone, welcher den alten Mann traf wie ein Schlag in das Gesicht:

»Du bist ein schlechter Händler, du hast die verkaufte Ware nit gerichtet zum Verkauf. Sie wird sich perewengen Perewengen=regen, dass dich das Grausen angeht.«

»Nit rühren wirst du dich wider meinen Willen!« schrie er voll Zorn. Aber so stark er in diesen Augenblicken schien, sah er sich doch diesem Geschöpfe nicht überlegen, es flößte ihm eine quälende, unbeschreibliche Furcht ein.

»Das kommt von der zu vielen Güt und Nachgiebigkeit gegen die Kinder«, stöhnte er dann plötzlich, »das hat man zum Danke für das Beste und Liebste. In das äußerste Unglück, in die ärgste Schand könnt' einen die Brut ohne einen Funken von Erbarmen stürzen. Um einen wollüstigen Genuss könntest du mich dem Teufel verkaufen mit Seel und Leib. Aber du wirst mich nit eidbrüchig machen an dem Kini, du nit! Ich werd dir die versäumte Streng einbringen, tausendfach.«

Sie lachte zur Antwort nur höhnisch auf. Da meinte er auf sie losstürzen und sie züchtigen zu müssen. Sie ging ihm schneller entgegen als er ihr und schien vor ihm zu wachsen. »Schlag her«, sagte sie, »erschlag mich nur. Es ist das Beste, das Barmherzigste von all dem, was du mir tun willst.«

Er ließ die erhobene Hand fallen und kehrte sich stöhnend um.

Jetzt ließ sich die Grillin mit einem weinenden Aufschrei vernehmen: »Leni!« – »Mutter!« schrie Leni ebenso, und dann lagen sich die beiden Frauen laut weinend und schluchzend in den Armen.

Der Grill ging hinaus. Er hielt sich hierbei mit beiden Händen den Kopf, als ob ihm der sonst zerspränge. Als der Alte fort war, ließen die beiden von ihrer Umarmung ab und hörten zu weinen auf.

»Gelt«, sagte die Grillin, »du willst ihn nur schrecken?«

»Nein«, entgegnete Leni, »ich nimm den Ferdl nit.«

Die Grillin erschrak nun selbst und sagte in einem eindringlichen Überredungstone:

»Aber geh! Das ist eine dumme Einbildung. So ein bildsauberer und guter Kerl ist er. Gefällt mir neunmal besser als der Böhm. Den Ferdl nimm nur in Gottes Namen, da dagegen ist nichts mehr zu machen. So arg dürfen wir unseren Vater doch nicht zuschanden stellen. Er hat einmal geschworen.«

»Warum hat er geschworen? Dafür muss er jetzt ein Eidbrecher werden.«

»Das ist dein Ernst nit, mein Kind, so körntest du doch um Gottes willen nit verfahren an deinem Vater.«

»Überleg es, Mutter, wie er mit mir verfährt.«

»Nit ungerecht, im Grund genommen. Ich weiß es, Leni, dir ist es jetzt nur um die Rach zu tun.«

»Ja«, gestand Leni leidenschaftlich, »nur um die Rach! Um die Rach an ihm, an dem Kini. An sonst denk ich nichts. Und wenn ich den Ferdl nimm, da räch ich mich schlecht an dem Leonhard, da wär' ich ihm ja zu Willen wie ein geschlagener Hund! Sonst wär' der Ferdl nit der letzte, den ich mir in der äußersten Not zum Mann wünschte, es tut mir sogar leid im ihn; denn jetzt weiß ich's erst, dass er mich gern hat, aus dem Kini seinen Worten weiß ich's. Aber dem Kini zum Trotz darf ich ihn nit nehmen.«

»Patscherl«, sagte die Grillin, »räch dich auf keine so dumme Art! Wenn es dir jetzt schon ein wenig leid tut um den Ferdl, vielleicht tä's dir dann noch recht leid um ihn. So ein schöner Mann! Und zweitausend Gulden! Der stellt was anderes vor als der Böhm, mit dem du am End doch überall ausgespott' und veracht' wirst. Überlass die Rach mir! Ich weiß eine Rach, die ist für den Kini bitterer, und dem Vater geschieht kein Leid dabei.«

Leni horchte gespannt auf.

»Eine Rach?« fragte sie hastend, »die den Kini ärger trifft, als wenn ich den Böhm heirat?«

»Die ihn viel ärger, grausamer trifft«, entgegnete die Alte lächelnd. »Eine Rach, die ihn von dem höchsten Himmel in die tiefste Höll wirft.«

»Lass hören«, drängte Leni. »Wenn mir die Rach, die du mir anrätst, besser passt als die meine, so kann ich dir's und dem Alten ja zu liebe tun, dass ich den Ferdl und dem Kini seine zweitausend Gulden nehm.«

Die Grillin lächelte wieder.

»Du hast es ja gehört, dass er heute zur Friderun geht, um die Heirat auszumachen.«

»Ja!« presste Leni hervor. Der Name Friderun schien ihr Folterqualen zu bereiten.

»Ich werd es ihm verderben mit der Friderun. Ist dir das recht, Lenerl?«

»Kannst du das?« forschte Leni.

»Ich hoff, mein Herzerl, ich hoff.«

»So tu's!«


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