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Zehntes Kapitel.


Mit welchem Herzklopfen erwartete anderen Tages das Kind seinen Vater! Sie öffnete wohl zehnmal das Fenster und sah die Straße hinunter, denn die Sitzung währte länger als gewöhnlich. Endlich, endlich kam Herr von Stein. Agnes flog die Treppe hinab und öffnete ihm selbst die Hausthüre. Sein Gesicht strahlte, seine Wangen waren geröthet. Er trug das Haupt noch höher als gewöhnlich.

»Nun, Vater?«

»Komm mit in mein Zimmer und ich erzähle Dir Alles.«

Sie nahm ihm den Hut aus der Hand, die Handschuhe, weil sie glaubte, dann früher etwas zu erfahren. Jede Fiber in ihr war Erwartung. Endlich begann er:

»Als ich den Sitzungssaal betrat, empfingen mich höhnische Blicke und boshaftes Lächeln von Seiten der Opposition, und selbst die Mitglieder der Rechten wagten nicht, mich so freundlich zu bewillkommnen, wie ich es von ihnen gewohnt bin. Ich bat um das Wort, ich bestieg die Tribüne. Aber die Kehle war mir wie zugeschnürt. Ich war so lebhaft von der schlechten Meinung der Anwesenden über mich durchdrungen, daß sie mich förmlich niederdrückte, als sei ich wirklich schuldig. Aber die Nothwendigkeit, meine Gedanken zu ordnen, um meine Rechtfertigung zusammenhängend, wie ich sie mir gedacht, vorzutragen, brachte mich von dieser schmerzlichen Ueberzeugung ab. Ich erklärte der Versammlung, daß ich mich getäuscht, weil man mir unrichtige Rechnungen zum Vortrage übergeben, und daß ich, da ich bekanntlich erst sechs Wochen vor Eröffnung der Kammer in das Finanzministerium getreten, natürlich in blindem Glauben alle mir übergebenen Detailrechnungen habe annehmen müssen. Der Abgeordnete Schmidt sei völlig wahr berichtet. Warum man jenem Posten von fünfzig tausend Gulden im Finanzministerium einen falschen Namen gegeben, vermöge ich nicht zu erklären, noch zu rechtfertigen, was man auch um so weniger von mir verlangen werde, da ich von heute an mich schon nicht mehr als ein Mitglied der Regierung betrachte, indem ich heute Morgen meine Bitte um Entlassung aus dem Staatsdienste an S. E. den dirigirenden Minister gesandt.

Du kannst Dir nicht vorstellen, welchen Lärm es jetzt gab; ich habe Aehnliches in unserer ›stillen Kammer‹ noch nicht erlebt. Wüthende Demagogen, die mich bisher mit Blicken beinahe vergiftet hatten, drängten sich zu mir, um mir ›ihre Ehrfurcht‹ zu bezeugen. Aber auch mehrere meiner Collegen freuten sich offenbar meiner Erklärung. Die Wahrheit, mein Kind, hat, was man auch sagen mag, doch noch viele Freunde auf Erden! Das sah ich heute zu meiner großen Freude.«

Es wurden Besuche gemeldet. Die halbe Kammer brachte dem Geheimenrath ihre Huldigung, aber nur die halbe, und zwar gerade diejenige Hälfte, welcher er bisher fern gestanden. Diese energischen Gesichter hatte Agnes bisher nie im Hause ihres Vaters gesehn. Einer davon interessirte sie besonders. Sein Kopf hatte Aehnlichkeit mit dem des alten Socrates. Es war ein noch junger Mann mit röthlichem Bart. Das sah sie aus dem Nebenzimmer, dessen Thüre sie angelehnt gelassen.

Der Socrates sprach auch am meisten von Allen. Obgleich nicht alles, was er sagte, lautre Weisheit war, so frappirte sie doch eine seiner Aeußerungen besonders.

»Wissen Sie, Herr Geheimerath,« sagte er eifrig, »Was mich zur Opposition geführt hat? Nicht die Tyrannei der Regierungen, nicht die unzeitgemäßen Ideen, die Mißbräuche, wie die Censur, die Bevorzugung des Adels u. dergl. – nein, das verzeihe ich Alles und würde Manches selbst nicht besser machen, hätte ich das Schwert in der Hand. Aber Eins würde ich nicht thun – nämlich lügen, und immer und immer wieder lügen. Durch dies Lügensystem untergraben unsere constitutionellen und unconstitutionellen Fürsten allein das Ansehn der Throne. Einen Tyrannen fürchtet man, aber einen Lügner verachtet man! Und dann das Mißtrauen – das Mißtrauen. Diese Fürsten, die ewig versprechen und nie halten! Wer glaubt ihnen noch ein Wort? Sagten sie statt: ›Ich werde jenen Vorschlag oder jene Bitte in gnädige Erwägung ziehen und ihr möglichste Berücksichtigung angedeihen lassen: Gehen Sie nach Hause, ich kann Ihre Ansicht nicht theilen, hier haben Sie Ihr Memoire zurück!‹ – so würde man sie zwar nicht lieben, aber als ehrliche Männer doch respektiren. Ich sehe einen Preis aus für denjenigen, dem bei Ueberreichung eines Gesuches oder eines Vorschlages nicht die beste Hoffnung gegeben wurde und dem nicht nachher Alles abgeschlagen worden! Nie in meinem Leben habe ich einen Menschen gesehen, dem von der Regierung Wort gehalten oder etwas bewilligt worden!«

Alle lachten. Der Geheimerath sagte: »Vielleicht rührt das meist von dem ewigen Conflikt zwischen Fürst und Regierung her, vielleicht wollte der Fürst gewähren, aber die Minister weigerten sich.«

»Das kann ich nicht beantworten, so gern ich auch wollte, denn wer könnte noch diese beiden von einander unterscheiden; sie sind in einander verschlungen wie ein gordischer Knoten, und alle Mal, wenn man den einen anzufassen meint, hat man den andern erwischt. ›Seine Hoheit vermögen nicht, weil die Minister anderer Meinung sind!‹ und die Minister hinwieder bedauern unendlich, daß Seine Hoheit in dieser Angelegenheit nicht ›von einer leider vorgefaßten Meinung abzubringen sind!‹«

»In Ihren Augen,« fragte Herr von Stein, »sind also die Constitutionen vergeblich verliehen?«

»Die Constitutionen,« sagte der Socrates lächelnd, indem er den Finger an seine aufgestülpte Nase legte, »sind nur eine Erfindung des Teufels, damit die Regierungen, die alle bisher ›schlecht und recht‹ gewesen, nun ›schlecht und falsch‹ werden. Der Lügenvater hat offenbar dies System erfunden, um eine großartige Propaganda seiner Wahrheitsliebe auf Erden zu etabliren.«

»So sind Sie also der Meinung des Kaisers von Rußland: La monarchie absolue ou la republique

»Bewahre Gott! Ich bin nicht dieser Meinung, wäre es auch die richtige, denn ich müßte sie mit dem Kaiser von Rußland theilen, und das kann kein deutsches Landeskind. Nein, ich will eine Constitution, aber eine andere, als wir haben. – Wir müssen ehrlich und offen regiert werden und uns ehrlich und offen regieren lassen, dann ist Alles gut – und kann gehen, wie es will – denn selbst ein Unrecht, wenn es offenbar ist, ist kein Unrecht mehr.«

»Welche Logik!« sagte der Geheimerath lächelnd, aber offenbar von der Weise des jungen Mannes angezogen.

 

Schon nach zwei Tagen erhielt der Geheimerath seinen Abschied und ein Pensionsdecret über zwölf hundert Gulden jährlich zugetheilt. Dabei lag ein Schreiben des Oberhofmarschallamtes, welches ihn aufforderte, seinen ihm vom Fürsten gnädigst verliehenen Kammerherrnschlüssel zurückzusenden.

Lächelnd nahm er die Papiere zusammen und ging damit zu seiner Tochter.

»Shakespeare sagt, daß der Tod ein schneller Scherge sei, Ungnade ist aber eben so schnell, merke ich! So lange ich dem Lande diene, ist noch kein Gesuch so rasch expedirt worden.«

Agnes nahm die Schriften zur Hand. »Man fordert Dir Deinen Kammerherrnschlüssel ab? Ist das möglich, bester Vater? Kann der Hof es wagen, sich so zu blamiren?«

»Du siehst es. Eine üble Folge hat es aber doch. Ich kann nun auch die Pension nicht annehmen, die ich außerdem für zwanzigjährige Dienste verdient zu haben glaube. Du wirst das einsehen, mein Kind, von einem Fürsten, der mir seinen Kammerherrnschlüssel abverlangt, kann ich keine Pension annehmen.«

»Gewiß nicht, gewiß nicht, das wäre unmöglich!«

»Eigentlich zahlt mir zwar die Regierung diese Pension, aber Du hast vorgestern vom jungen Lilien gehört, daß man die beiden nicht von einander unterscheiden und trennen kann.«

»Lilien heißt der Mann mit dem Socrateskopf?«

»Ein unpassender Name, nicht wahr? – er müßte Distel oder Gallapfel heißen. Kein unwahreres Sprichwort als: nomen est omen

Wir führen dies Gespräch nur an, um zu beweisen, wie geringen Eindruck der Verlust seiner Stellung, seines Gehaltes und seines Ranges auf Herrn von Stein gemacht. Seine edle, unabhängige Natur wurde gar nicht davon berührt.

Agnes entwarf schon am Abend mit ihrem Vater Pläne für die Zukunft. Sie wollten so schnell als möglich ihren Luxus an Meublen und dergleichen verkaufen und von Agnes' Vermögen ein Gut in Ungarn erstehen, wo ihr Vater in seiner Jugend gewesen und das in der Erinnerung ihn immer noch anzog. Agnes freute sich wie ein Kind auf das fremde Land; der Geheimerath behauptete, etwas von der Landwirthschaft zu verstehen, was er im wenig cultivirten Ungarn doppelt brauchen konnte. Er hatte nämlich seine Jugend auf einem Gute seines Vaters, welches später durch die Kriege der Familie verloren ging, zugebracht.

Als Beide eben heiter im besten Plänemachen waren, öffnete sich die Thüre und Emma trat herein.

Sie flog auf ihren Schwager zu und umarmte ihn. »Bester, theuerster Carl! Welche Dinge sind geschehen! Und ich wußte von nichts bis heute! Warum hat Agnes mich nicht aufgesucht, oder durch ein paar Zeilen mich benachrichtigt von Dem, was vorgeht? Bin ich ihr nicht das nächste weibliche Wesen auf Erden?«

»Ich wußte nicht, wie Deine politische Ansicht von der Sache sein würde – ob Du uns in Zukunft nicht ignoriren würdest?« sagte Agnes lachend.

»Ja, so seid Ihr!« rief Emma ärgerlich. »Erst vergeßt Ihr unsereins und hinterher macht Ihr schlechte Späße darüber. Und ich verdiene es nicht! Wie liebe ich Euch und wie habe ich mich über meinen edlen Schwager gefreut! Wie stolz bin ich auf seinen Stolz!«

»Unsere beiderseitigen Stolze werden aber sehr gebeugt werden, wenn ich nach mehreren Monaten Sie wiedersehe und Sie mich nicht mehr kennen wollen – diese Reaction wird auch bei Ihnen eintreten!« sagte Stein lächelnd.

»Nie, nie, liebster Schwager! Dann kennen Sie nicht das alte Sprichwort: Les femmes sont toujours de l'opposition! Also schon deshalb bleibe ich auf Ihrer Seite! Und alle Frauen! Trotz Ihrer fünf und vierzig Jahre und Ihrer erwachsenen Tochter ist eben in unserm ganzen Kreise kein einziges freies weibliches Wesen, das Sie nicht mit Vergnügen heirathen würde – denn Sie sind l'homme du jour seit Ihrer Rede in der Kammer.«

»Auch wenn diese freien weiblichen Wesen erfahren, daß ich auf eine Pension von zwölf hundert Gulden reduzirt bin und selbst diese ausgeschlagen habe, und in diesem Augenblick nichts besitze, als den Erlös meiner verkauften sieben Orden und das – was meine Tochter mir giebt?«

»Ist es aber nicht zu stolz, daß Sie die Pension ausschlagen, da Sie nach Ihrer eigenen Erklärung kein eigenes Vermögen mehr besitzen?«

»Kann ich sie annehmen von Jemand, der sie mir mit der einen Hand giebt und mit der andern meinen Kammerherrnschlüssel zurückfordert?«

»Das hat man gewagt? Heiliger Gott – so haben also diese Junker ganz aufgehört, sich zu schämen. Nein, werfen Sie ihnen Alles an den Kopf! Diese Elenden dürfen nicht sagen können, daß ein Mann wie Sie ihnen etwas verdankt!«

»Liebste Emma, ich kenne Sie nicht, ich staune Sie an! Ich habe nie gewußt, daß in Ihrem niedlichen Kopfe solche revolutionaire Principien, solche Sympathien für die Feinde der Regierung wachsen?«

»Sie machen es nicht besser als alle Männer, lieber Carl! Sie begreifen Alle nicht, daß wir Frauen keine ›Parthei‹ kennen, daß wir in der Aristokratie Gebornen nur eine Aristokratie anerkennen, die Aristokratie der guten Erziehung und des guten Geschmacks. Außerdem interessiren wir uns für Das, was uns eben eine reizende Seite bietet, wir lieben, was schön ist, was uns huldigt und was uns unterhält. Die Freiheit lieben wir natürlich viel mehr, als die Männer sie lieben, weil wir weniger davon besitzen, gerade so wie ein Bettler mehr Werth auf das Geld legt, als ein Mann, der sein Auskommen hat.«

»Welche Beispiele hat man aber von dem Partheinehmen der Frauen, denken Sie nur an Judith bis zu Charlotte Corday.«

»Das kommt nur in Zeiten der Krisen vor. Während einer Revolution oder überhaupt einer Staatsumwälzung nimmt jede Frau Parthei, so gut wie bei einer Belagerung jede eine Waffe – da geht es um den Kragen; so lange aber so friedliche Zeiten sind, wie die unsrigen, begnügen wir uns, unsern Antheil an der Politik gerade da zu nehmen, wo es uns gefällt. Wir würden uns gewiß alle, statt in die langweiligen Hofherren, in die amüsanten Demagogen verlieben, wenn die Demagogen nur nicht in der Regel so verzweiflungsvoll schlechte Manieren hätten – ein Cavalier wie Sie in der Opposition ist unwiderstehlich!«

»Das will mir noch nicht recht einleuchten, verehrteste Frau Schwägerin!«

»Gewiß, gewiß. Denken Sie nur an unsre kleine Hofdame, die Gräfin Uttenhof. Nichts declamirt sie lieber als Herwegh'sche Gedichte, und die Fürstin selbst hört ihr mit ungeheuchelter Freude zu, sobald der Fürst seine Siesta hält. Sie wissen, wie unsere Ministerin für den langen Nachtwächter schwärmte, so lange er, mit der Hornlaterne in der Hand, vor ihr sang, und wie sie ihm unwiderruflich ihre Gunst entzog, sobald er Hofrath wurde. Nein, das ist unsere beste Eigenschaft, daß wir die Freiheit lieben, dem Schönen huldigen, wo wir es finden, und uns den Kukuk um Eure langweiligen politischen Kategorien kümmern. Der unliebenswürdigste Zug der Fürstin Metternich ist entschieden der, daß sie diese ächt weibliche Eigenschaft nicht besitzt und in allem Ernst das schauderhafte System ihres greisen Pluto anbetet – pfui über eine Frau, die so das schönste Vorrecht ihres Geschlechts wegwirft, um dafür die widerwärtigste Eigenschaft der Männer anzunehmen.«

Als Emma weg war, sagte Agnes ganz verwundert zu ihrem Vater: »Was war denn, das? Was dachtest Du dabei, als Emma Dir förmlich ihre Hand antrug? Sie sagte ja deutlich, alle noch freien Frauen würden sich glücklich preisen, Dir anzugehören war das nicht ein Antrag in aller Form? Es ist mir zum ersten Male bei ihr vorgekommen, als ob ihr Verstand mit ihrem Herzen durchginge.«

»Du irrst, mein Kind, es war nicht ihr Herz, es war nur ihre Einbildungskraft; die ist ihr eben so ge fährlich, wie sie Dir es ist; nur währt es kürzer bei ihr, weil ihr Herz den Verstand ungestört dagegen operiren läßt, während Dein Herz sich immer zur Phantasie schlägt.«

»Das kommt wohl daher,« sagte Agnes lachend, »weil mein Verstand zu schwach sie zu besiegen ist.«

»Ja, daher kommt es,« erwiederte Herr von Stein auch lachend »und dann – ich muß doch gerechter gegen Dich sein als Du selbst – dann auch daher, daß überhaupt Dein Herz sich stärker fühlt, als das Deiner Tante, und deshalb es nicht über sich vermag, neutral zu bleiben.«

 

Um Mitternacht, Alles im Hause des Geheimenraths war schon in tiefe Ruhe versenkt, ertönte auf der Straße eine liebliche Musik. Agnes erhob sich und lauschte hinter der Gardine verborgen den süßen Tönen. Sie war überzeugt, daß dies eine politische Demonstration zu Ehren ihres Vaters sei – aber dennoch fiel ihr auf, daß alle Nummern klagende Liebeslieder waren. Ihr Vater, die ganze Nachbarschaft, ja die Musikanten selbst hielten es für eine Herrn von Stein dargebrachte Huldigung – aber freilich Niemand ging in der stillen Nacht ein paar Häuser weiter und traf da, an ein Portal gelehnt, einen großen blonden jungen Mann, Dessen ernster Gesichtsausdruck mit seinen rothen Wangen sonderbar contrastirte. Der junge Mann befand sich in dem seltenen Falle, eine Huldigung darzubringen, von der er im Voraus wußte, daß sie ein Anderer auf sich bezog – und diesen Umstand sogar benutzte.

Einige Tage später erhielt Herr von Stein einen kleinen Zettel von dem Prinzen Waldheim. Es war ein Abschiedsbriefchen. Er reiste nach Hause und konnte vorher keine Besuche machen, da er sich den Fuß vertreten. Er empfahl sich »dem gütigen Andenken des Herrn Barons und bat um die Gunst, sich dem gnädigen Fräulein in Gedanken zu Füßen legen zu dürfen.«

Der Geheimerath gab seiner Tochter das Billet; sie wurde bleich, als sie die Buchstaben sah, die der Mann gezeichnet, für den sie am meisten Zuneigung empfunden und der – rasch entschlossen warf sie den Zettel in das Kaminfeuer!

Ihr Vater erschrak und fragte: »Zürnst Du ihm so sehr?«

»Nein, aber ich will ihn um jeden Preis vergessen!«

»Sie ist doch klüger, als ich glaubte,« dachte Herr von Stein, »denn sie hat schon die erste Eigenschaft des Weisen: sie mißtraut sich selbst.«

Agnes sagte nichts mehr, aber sie schloß die Augen, was sie oft that, wenn sie einen beobachtenden Blick auf sich ruhen fühlte. War es in ihr vielleicht noch ein Rest der Gewohnheit der Kinder, die es im süßen Glauben thun, es könne sie dann Niemand sehen?

Die Vorbereitungen zur Abreise nahmen von nun an alle ihre Thätigkeit in Anspruch; sie betrieb sie auch so eifrig, daß wirklich binnen sechs Wochen Alles vollbracht war. Versteigerungen, Abschiednehmen, Alles war glücklich überstanden, und mit einem Herzen, das nur noch einen Gedanken, den an ihres Vaters Zufriedenheit, kannte, bestieg sie mit ihm den Wagen, um nach Wien zu reisen, wo sie vorerst Erkundigungen über die Güterverhältnisse in Ungarn einziehen wollten, ehe sie sich dort ansiedelten.



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