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ob der alte Römer einläßliche Auseinandersetzungen gleich seinem Hauptmahl «mit dem Ei» (ab ovo) an, so beginnen auch wir das belangreiche Kapitel der Haustierpflege nun einmal mit dem Äi. Verständnisvoll wie kein anderer Landwirt wird uns hierin der seeländische beistimmen: er, der in so hohem Maße an den Kleinhandel gewiesen ist. Dieser fordert gebieterisch, daß auch der mittelbäuerliche Besitzer von Chüeh u nd Roß der Kleinwelt zunächst in Hofraum und Hofstatt sein Augenmerk zuwende. Ihn interessiert ganz anders als einen protzigen Großbauer mit ụụszahltem Häimḁt und erwi̦i̦beter Halbmillion Betriebskapital das Äierchöörbbe̥lli seiner Wịịbsḁmi. Er sagt sich, das vermach hundert und hundert Löcher im Haushalt, zu deren Stopfung sonst der Mann müeßt Stöck spalte n für Speern (Späne): Grobs (Wertpapiere und Edelmetall) für de n (Hypothekar-) Zins als Münz (Kleingeld) verzetteln 1 müßte. Der Blick trägt ihn aber weiter in die Hofstatt und den Weinberg, deren Ertrag er um der bedrohlich wachsenden Schädlinge und der dem Untergang nahen nützlichen Vogelwelt willen so bedenklich schwinden sieht. So reicht ihm am Ende weder die gelegentliche Gasthaustafel noch das alltägliche 336 z’Mi tdaag mehr bis «zum Apfel» ( ad mala). Drum sagt er sich: Da̦ mueß öppis ga̦a̦ n! Er leitet seine Jungen nicht bloß an zur rationellen Vögelfütterung, sondern überhaupt zum Vogelschutz auf Grund selbst erworbener Vogelkunde 2 erst am Hausgeflügel, dann an halbzahmen Vööge̥lli. Wir denken an die zutraulichen Mäüsi (Meisen), die lehrreich ergötzlichen Finkli, die gegen u nverschanti Spatzge n so schutzbedürftigen Schwalbeli, die als Traubennäscher verdrießlichen und doch so unentbehrlichen Staare n, die als Obstfrevler verwünschten, aber mit ihrem Gesang so manches Ohr entzückenden Amsle n. Alle diese Tierli sollten besonders zur Zeit der so mannigfach gefährdeten Brut und Brutpflege Atzung finden, welche Kinderhände beschafft haben. Da erinnern wir an Insekten wie Mehlwürm einerseits, und anderseits an Äier (Larven) von solchen. Ihre Eltern aber werden, das bis jetzt im Seeland noch spärlich befolgte Beispiel von Pfarrern und Lehrern zu überholen suchend, dem Beiji oder dem Impi als Impeler die rationelle Bienenzucht angedeihen lassen; zunächst einmal durch Chäste n statt Chöörb im Impe nhụ̈ụ̈sli, durch Gewöhnung an den Impe nsti̦i̦ch, durch richtige Behandlung des Honigs ( Hu̦n’g oder Hu̦ṇ’gg). Denn Brot u nd Hun’gg un d Angge n (Tüscherz) stimmen als feinste Erzeugnisse des Ackerbaus, der Großvieh- und Kleintierzucht bekanntlich gut zusammen. 3
Die stellenweise 4 der Raubwirtschaft erlegenen Schnägge n, besonders die Reebschnägge n, eignen sich ebenfalls zur Zucht durch Kinderhände. Bis jetzt waren die « dicornes» als kleinstes «Hornvieh» bloß ein Gegenstand kindlichen Spiels mit Zuziehung des Sprüchleins, das in Finsterhennen lautet:
Schnägg, Schnägg, zeig mer dini vier Hoorne
n,
Oder i
ch schlaa
n di
ch an e
n Buttle
ndoorne
n.
Gut, daß gerade dieser Ort schon mit seiner Namensgeschichte die Kleinen längst auf eine andersartige Kleintierpflege hingewiesen hat. «Finsterhennen» (1701: Finsterhännen) erhält im Mund von Ortsbewohnern die spassige Deutung, der vergoldete Hahn auf dem Kirchturm des um zehn Minuten entfernten Siselen schaue, vom Sonnenschein zu warm pulsierendem Leben erweckt, jeweils mit sultanischem Blick auf die schon durch den Gegensatz der Farbe anziehende feisteri, «finstere» Henne des kirchgenössigen Nachbarortes hinunter. Nun heißt 337 allerdings das gut mundartliche Feisterhenne n um 1650 Feißter Hennen; 1539 lebte Peter Zülle von Veister Hennen der jung; 5 1527 schrieb man: zu der Veisterhennen, 1526: zu der feißen Hennen, 1453: zu der veisten hennen. Der Pinguis Gallina von 1263 und der grassa Gallina von 1345 entspricht die Benennung Grasse poule oder Grassa Genille. Zwischen 1212 und 1220 schrieb man «Freineshun.»
Wie nämlich «Schaufelbühl», 6 die Schụụfle n (z. B. 1820 als Gampeler Weinberg), sowie verschiedene Schụụfel- und Schụ̈ụ̈feliacher aus klösterliche Bodenzinsforderungen von Schweinsschultern hinweisen, so ließen sich Kloster und Staat häufig auch mit Hühnern abfinden, um nicht vergeblich auf seltenes Bargeld zu warten. 1539 erließ Bern der Gemeinde Lüscherz die Faßnachthüner und Hanen. 7 Vor 1528 forderte diese das nämliche St. Johannsen, das auch vom damaligen bloßen Hof 8 Finsterhennen alljährlich eine fette Henne einzog. So gebührten z. B. 1678 der Pfrund Twan n drei haller (Heller) und ein halb hun. 9 Als Erbe des Klosters ließ sich Bern auch Stu̦ffelhanen entrichten: Hähne, welche nach der Ernte die Stoppeln der Getreidefelder absuchten. Nach Dekreten und Urbarien sollte jeder, der hinter Finsterhennen und anderer der Enden pflichtigen Bannstellen pflüget oder pflügen läßt, nach der Ernd ein paar Stufelhanen bezahlen. Siselen bat um Erlaß, ward aber abgewiesen. (11. März 1786.) Auch Erlach hatte von angeblümten Ackern Stuffelhanen zu entrichten (1761). Aber bereits in den Jahren zwischen 1326 und 1400 hatte Sefrit Ringolt, Burger von Erlach, offenbar ein reicher Herr, laut seinem Rodel aus der Herrschaft Erlach 338 jährlich 86 Zinshühner zu beziehen. Wie rar zu Zeiten Häneli werden konnten, zeigt der Bericht des Twanner Schaffners Irlet vom 11. September 1776 an Hauptmann Fischer in Bern, der für den Herbstaufenthalt seiner Familie Backhähnchen aus Ängelbärg bei Twann geliefert haben wollte. Jää, die sị n iez tụ̈ụ̈r! hieß es. Die kosten bis 7 Batzen, weil die Wirte zu Biel und Neuenstadt für das Gefolge des demnächst zu Biel Einzug haltenden Fürstbischofs alle aufkaufen.
Ein Gegenstand ähnlicher Abgaben war das Ei, Äi, im Aarberger Amt immer noch: das Eier, 10 im alten Ins wenigstens als das Äierli fortlebend. (Etwa so, wie links des Bielersees zur Zeit des ausschließlichen Weinbaus und des Mangels an einer Straße, wo man bloß Maultiere und noch keine Pferde hielt, das Roß das Rësser genannt wurde. Her r Je̥ses, e̥s Rësser! e̥s Rësser! rief eine Frau aus Tüscherz entsetzt, als ein ausgerissenes Tier von Biel her durch das Dorf rannte. Der alte Inser sagte bloß in der Mehrzahl Rösser, was heute kindisch klingt und durch Roß ersetzt wird.) In einer Zeit, wo die Schweiz noch nicht alljährlich für 21 Millionen Eier und Geflügel einführte und wo das frische Winterei noch nicht zwanzig Rappen galt, lasteten solche Zinsen nicht schwer auf den Gütern. Vielmehr bedeutete «nicht ein Ei» 11 svw. «nicht eine Bohne».
Einheimische Züchtereien wie die von Klopfenstein und Mosimann im Erle nhof zu Nidau (1906 wieder eingegangen), im Amseltal zu Lyß u. a. suchten und suchen den Wert des sälber pflanzete n Geflügels zu heben und werden in dem Maß Erfolg haben, wie der einseitig auf groo̥ßi Stuck gerichtete Blick nach Franzosen- und Amerikanerart sich auch dem chlịịnne n Züüg zuwendet. Einstweilen allerdings wird noch mancher Hüennerchrieg zwischen Nachbarn nur mit ịị nb’schließe n oder d’Fäcken abhaue n (was auch von der Abwehr menschlicher Übergriffe gilt) zu vermeiden sein. Zu kurz kommt jedenfalls die wortwitzige Ausrede: d’Hüenner schaar re n ja̦ nụ̈ụ̈d fü̦ü̦rḁ («hervor» und zugleich «nach vorn»), si schaar re n nu̦mmḁ n hin͜derḁ (nach hinten). Fröhlich gaggle n (gackern) und chääre n (grä̆delle n, sagt der Grindelwaldner) die Hühner nur im Freilauf des arrondierten Guts. Da hat denn auch die Äierfrạu, wenn sie ihr klimperndes Bargeld hervorlangt und in der Hinterstube ihre Neuigkeiten über den Hans und die Grete auskramt, ihre guten Tage.
339 Di oberi Schmitten isch d’Glu̦ggere n vom Dorf (Ins): mit zwei vor ihr sich gleichsinnig abbiegenden Straßenzügen umfaßt sie wie mit Flügeln das Oberdorf, und wie allzeit offene Augen überschauen ihre Fenster den Straßenzug nach dem Unterdorf. Auch die Haupteigenschaft der Glucke gab zu einem Bilde Anlaß. Ein Mann hat seine Frau geschlagen, «obschon sie erst noch eine brüetige Kindtbetterin war». (26. November 1750.) 12
Als die dem fachmännischen grị̆ffe n ausgesetzte 13 Eierlegerin und als Mutter ihrer Kücken ( Hüenli, sonst unterbernisch: «Hüendschi») heißt die Henne im westlichen Seeland, in Guggisberg, in St. Beatenberg, in Kerzers und Murten, früher in Basel, stellenweise auch noch in der Ostschweiz 14 die Huen mit gleichlautender Mehrzahl. Der Siseler dagegen zählt: äi ne Huen, zwo Hüenner usw. Das Huen (Mehrzahl: Hüenner) gilt daneben als naturwissenschaftliche Gattungsbezeichnung, unter welcher der Hahn mitzuverstehen ist. Ja, in alter Sprache konnten der Hahn und das Huhn verstärkend synonym nebeneinander treten, wie in der Verleugnungsgeschichte 15 bei Otfrid 16 (zwischen 860 und 870):
Thu lougnis mîn ze wâre,
Êr hinacht
hano krâhe
In notlichemo thinge,
Êr (bevor)
thaß huan singe...
Wârun tho thie ziti,
Thaß
ther hano krâti,
Thaß ouch
thaß huan gikundti (ankündete)
Thes selben dages kunfti.
Das chrääije n des Hahns (welches wir noch 1666 als Zeitbestimmung angeführt finden: «vmb den hanengschrey») gilt schon gemäß der Wortableitung 17 als ein Singen ( canere), was wenigstens in bezug auf die Dynamik sich sehr wohl rechtfertigt. Auch das Huen hat also nach alter Sprache daran Anteil. Nicht dagegen die Huen (deren ausdrücklich weibliches Geschlecht an Genusmotionen erinnert wie die ega [equa] und cavalla des Patois, auch la rosse als die Stute und «die Pfärdten oder Stutten», 18 von welcher «das Pfärten» gleich entschieden wie der Hengst sich unterscheidet). Denn ihr gaggle n 340 (gackern) mißt sich nicht mit dem «Können» des Hahns, der seinerseits mit erstaunlicher Abschattungsfähigkeit der Stimmübungen auf Wohl und Weh seiner Stall- und Feldgenossinnen eingeht. 19 Nicht so heimelig klingt, was von Hahnenäier verlautet. Denn aus solchen ist der durch seinen Blick Tod bringende Königsdrache (Basilisk) ụụsg’schloffe n. 20
Der Hahn oder Hahne n hat nun allerdings auch im Seeländischen seinen alten Namen fast ganz dem Hahn am Faß überlassen und an die Bezeichnung Gü̦ggel (um Kerzers: Gụ̈ggel) getauscht. Wenn das und das nicht wahr ist, da̦ soll mi ch der Gü̦ggel bi̦gge n! Der Gü̦ggel, Gockel, Gockelhahn, alt: gugelhan 21 führt diesen Namen nach dem gugel oder Kamm, Chamme n, der besonders bei den Italiäner (-Rassen) auffällig groß gewachsen ist und, mit dem zierlichen Sägeschnitt des Randes wie eine rote Fahne bolzgradụụf getragen, das stolze Tier zur Zierde des Hofes macht. Dazu hilft bei mehr als einer sauber herausgezüchteten Rasse das prächtig schillernde Gefieder und der schön entfaltete Schweif ( Sti̦i̦l) auch der Hennen mit. Nur nicht in der Mauser ( mutatio, mue), wo überhaupt die gefiederte Welt si ch mụụßet oder mụụset, wie auch der von schwerer Krankheit Erschöpfte tut. Da tritt der bekannte Gesang D’Sunne schịịnt, d’s Vögeli grịịnt usw. seine Geltung an. Ist dies ein natürlicherweise wiederkehrender Zustand, so wecken dagegen katarrhalische Anfälle wie der Pips immer gerechtfertigte Besorgnisse. Der rationelle Geflügelzüchter heilt sie mittelst reiner Luft und weichen, lauen Futters, während der Stümper immer noch à la Doktor Eisenbart die spröde gewordene Zungenspitzenhaut abreißt: de n Hüenner d’s Pfi̦ffi (oder d’s Pfi̦pfi) nimmt.
In alter Zeit, wo nur stadtbernische Häuser im Seeland so und so manchen Flug Tụụbe n halten durften, 22 war für Tụ̈ụ̈beler (Taubenzüchter) weniger Raum als heute. Um so zahlreicher tummelten sich zur Zeit der nun völlig ergangene n Gänseweide ( S. 159 ff.) die Gens während des Winters in all den Glụngge n und Glü̦nggeli, welche nun in kleinen Trüppchen die zierlich gefiederten Änte n in Beschlag nehmen. Geschickt schwadere n sie im Tümpel, drollig watscheln sie von Wegrand zu Wegrand, und in absonderlicher Positur, den Kopf im Gefieder des Rumpfes vergraben, halten sie Siesta.
Nach der Theorie jener Dame, die der Köchin einen Haas zum rạupfe n übergab, gehört auch das Haarwild zum Federvieh. Praktisch 341 denken nicht anders die theoretisch ụụsg’schuelete n Geflügelzüchter, welche zugleich Kaninchenzüchtervereinen wie dem seeländischen, dem von Neuenstadt u. a. angehören. Diese rekrutieren sich vielfach aus gewesenen Knaben, welche als Beamtensöhne den Familientisch vorteilhaft versorgten, oder als Bauernsöhne am Chü̦neli, oder wie man jetzt mit dem Eenerländer sagt: Chüṇ’gel oder Chü̦ṇ’geli sich für Viehzucht und Viehhandel schulten. Ein großer Mangel dieser Vorschule: die schlechte Fellverwertung, hängt mit einem noch größern zusammen: unzweckmäßiger Stallhaltung statt rationell eingeschränkten Freilebens. Wo und wie das «Chü̦ṇ’geli»: «das Königlein» oder der «Königshase» 23 am besten gedeiht, erfahren die Jäger zu ihrem Vorteil und die Ligerzer Gemüsepflanzer ( S. 23) zu ihrem Schaden: aus der Chü̦neli- oder Chü̦ṇ’geliinsel des Bielersees. So heißt di chlịị n Insel (wie der Lüscherzer sie nennt) zunächst bei ortsfremden Jägern. (Vgl. den «Heidenweg», S. 24.) Die Idee, sie mit Kaninchen zu bevölkern, wurde von Rousseau gefaßt und ausgeführt. 24 Lieber als 342 ein solches dem San͜dhaas ähnliches Tierchen ist allerdings dem Züchter eine gut gebaute, rassige, flotti Chü̦neli- oder Chü̦ụ’gelimehre n ohne Grin͜d wi n e n Chü̦ṇ’gelibock.
1
Es könnte dann neuerdings zu jenem «Vers» eines Berner Gefängniswärters kommen: Hans Jakob Düntz hat weder Grobs noch Münz.
2
Im Sinn und Geist von Ramseyers «Gefiederten Freunden».
3
Wir hoffen, «die Poesie der Landwirschaft», zu deren Monographie Sekundarlehrer Studer in Grindelwald als hervorragender Bienenzüchter einen mundartkundlichen Grundstock erarbeitet hat, im 6. Band behandeln zu können.
4
Z. B. in Burgund (Weltchronik).
5
Urb. Mü. 2, 31.
6
Lf. 330.
7
TSB. u/G. K 26.
8
Wie Mullen und Gäserz erst später zum Gemeinwesen erwachten.
9
Irlet.
10
Urgermanisch
ajjaß (
Kluge 107), holländisch
het eïer, auch appenzellisch und in Tablat (wo dagegen die Mehrzahl «Ei» lautet:
schwz. Id. 1, 13) das Eier. Vgl. Körper =
corpus, das Rinder-li u. dgl., dessen -er später als Mehrzahlform gedeutet und verallgemeinert wurde. Daraus abstrahierte man die Einzahl «Ei».
11
Mhd. WB. 1, 413.
12
Chorg.
13
Vgl. den selbstgewählten Spottnamen «Hennengriffer» des Jörg Schaftersheimer 1444 (Tschachtlan 303 ed. Stierlin und Wyß).
14
Schwz. Id. 2, 1871.
15
Mark. 14, 30. 68.
16
4, 13. 36; 18, 34.
17
Kluge 188.
18
Gb. 150. Vgl. auch span.
pollo und
polla (poule), baskisch
ollar und
ollo für Hahn und Huhn (Z. f. rom. Ph. 27, 626); gul und gurr (Hengst und Stute) bei
NMan.
19
Wie durch Gackern auf die Fährte zu Eiern führen, kann der Hahn, wenn wir dem Lübeckschen Buchdrucker Johannes Ballhorn (im 16. Jhd.) glauben wollen, auch Eier legen. Bestand doch die Verbesserung der Ballhornschen Fibel u. a. darin, daß die Sporen des Hahns durch ihm beigegebene Eier ersetzt wurden.
20
NMan. im Testament der Messe 233.
21
Mhd. WB. 1, 626.
22
Kal. Ank.
23
Kluge 227;
schwz. Id. 3, 326 unter «Chünel»
24
Rousseau schreibt in
Les Rêveries d’un Promeneur solitaire (édition Nilson, Paris), cinquième promenade S. 61: ... Aber am häufigsten pflegte ich meine Fahrten von der großen Insel nach der kleinen zu machen, dort zu landen und ... mich auf einer sandigen Anhöhe niederzulassen. Die war von Rasen, Thymian, Blumen, ja sogar von Esparsette und Klee bedeckt. Die schienen sehr geeignet zur Unterkunft von Kaninchen. Die konnten sich hier im Frieden vermehren, ohne etwas zu fürchten, noch [damals!] jemand zu schaden. Ich teilte diesen Einfall dem Inselschaffner mit. Der ließ aus Neuenburg Kaninchen kommen: Männchen und Weibchen; und wir: des Schaffners Frau, eine seiner Schwestern, meine Therese und ich, begaben uns in großartigem Zug nach der kleinen Insel, die Tiere dort auszusetzen. Noch ehe ich fort war, fingen diese an, sich zu mehren (
Jungi z’haa
n;
ils commençaient à peupler avant mon départ). Und sie würden sicherlich gut fortgekommen sein, wenn sie die Rauheit des Winters überstanden hätten. [Das vermochten sie in der Folge nur zu gut.] Die Gründung dieser kleinen Kolonie gestaltete sich zu einem Fest. Der Führer der Argonauten kann nicht stolzer gewesen sein als ich, da ich die Gesellschaft und die Kaninchen von der großen nach der kleinen Insel hinüber gondelte und die sonst so wasserscheue Schaffnerin sich meiner Ruderkunst so völlig furchtlos anvertraute.
Haben wir in diesem Buch endlich einmal die Kleintierwelt in Kürze zum Wort gelangen lassen, so muß nun für die Viehzucht zumeist ein Verweis auf frühere Bände 1 genügen. Daß aber d’Waar, d’s Veh oder Vee̥h (vgl. d’Vehmatte n Br.), das Vieh oder Vych (vgl. der Vehweeg oder «Vychweg» Ga. 1786. 1799), d’s G’vicht (Lg.) auch im Seeland und speziell in Ins eine außerordentlich wichtige Rolle spielt, ergibt sich schon aus dem gewaltigen Rückgang des Weinbaus zugunsten der Milchwirtschaft. (S. «Wein» im Band «Twann».) Diese brachte naturgemäß mehr eine qualitative als eine quantitative Wertsteigerung der Viehzucht: 2 d’Waar het meh ’besseret weder g’mehret. Eine Unmenge b’schị̆ßni Waar (mit welcher der Käufer b’schi̦sse n oder aa ng’schmiert ist) wurde namentlich i n der Tröcheni des Sommers 1893 abg’stooße n und ist vom Schauplatz verschwunden. Ein rauh- und steifhaariges Igeli, einen Rämpel, einen vergrängglete n Gränggel, ein Gränggeli, einen Rieggel oder Grieggel, ein verriegglets oder verräblets (verkümmertes) Tier, ein Schi̦i̦rbli, dü̦ü̦r r wi n e̥s Bräche nschị̆t, wo nu̦mmḁ n no ch Hụ̆t uber Bäi n isch, nu̦mmḁn e n Schi̦ntele n (Schale von Kartoffeln u. dgl., welche man schi̦ntelet), würde heute jedermann auf der Weide, verschwịge n de nn im Stall sehen zu lassen sich schämen. Schon das Chuehli des industriell tätigen Kleinbauers stellt etwas ganz anderes vor als so n es Moosstierli älterer Zeit ( S. 153 f.). Welch einen Anblick bieten dann erst der Stall voll Hoorntöchtere n des mittelgroßen Landwirts und vollends die Schụ̈ụ̈re n voll Waar der sechs großen Anstalten im Erlacheramt! 3
Ein großer Teil dieses Aufschwungs ist dem Genossenschaftswesen zu danken. Ermuntert durch Beispiele wie die der Konsumgenossenschaft Erlach und Umgebung, des Handwerker- und Gewerbevereins des Amts Erlach u. a., dazu geschichtlichen Boden findend in der 1759 durch 343 Johann Rudolf Tschifféli (1716-86) gegründeten ökonomisch-gemeinnützigen Gesellschaft mit deren Organ «Der Schwịzerbụụr», spannen nun diese Vereinigungen ein dichtes Netz auch über das Seeland. Bereits 1863 entstand der landwirtschaftlich Verein Bụ̈ụ̈re n. Bald folgte ihm der von Eiß, welcher 1909 in der landwirtschaftlichen G’nosse nschaft Ins-Erlach aufging, um in Gampelen und Umgebung, in Gals, in Müntschemier, in Treite n, Vinelz u. a. O. Nachahmung zu finden. Neben diesen auch mit Tierpflege sich eifrig abgebenden Genossenschaften gibt es spezielle Viehzuchtgenossenschaften, wie seit 1911 die zu Eiß. Schon am 3. Februar 1881 wurde die Pferdezuchtgenossenschaft Witzwil gegründet. An ihre Stelle trat die des Seeland, welche 1899 eine Hengste nstazion im Bären zu Ins ins Leben rief. Diese wurde freilich 1902 zugunsten derjenigen von Cheerze rz aufgehoben. Zum Ersatz bildete sich 1912 in Ins eine Pferdeversicherungsgesellschaft des Amts Erlach, deren erste Schau sich wie ein Abbild der eidgenössischen ausnahm. Diese findet für die Ämter Erlach, Nidau, Biel, Neuenstadt, Büren und Aarberg, sowie für die Gemeinden Wohlen, Kirchlindach und Bremgarten alljährlich in A arbärg statt.
Ebendieser Ort sah am 11. November 1807 die erste Vieh- und Schaaf-Schau, veranstaltet durch die bernische Landesökonomiekommission. Großrat Probst von Ins ( S. 139) mußte dabei als Kunstverständiger walten. 4 Mehr Wirkung üben wohl heute die Rindviehschauen, welche seit 1911 für das Amt Erlach in Eiß abgehalten werden. Der Amtssitz entschädigte sich, indem er im Verein mit Vinelz 1912 der Viehzuchtgenossenschaft Ins eine ebensolche zur Seite gab.
Mit Ins dagegen hat seit 1908 Erlḁch eine Ziegenzuchtgenossenschaft gemein, mit regelmäßigen Schmalviehschauen. Auch Treite n, Meinisberg u. a. O. sind Sitze solcher Vereinigungen strebsamer Gäiße nbụ̈ụ̈rli. Etwa tụụsig Stuck Waar umfaßt die obligatorische Viehversicherung von Eiß.
Die Genossenschaften veranlassen fleißig Wandervorträge durch Professoren der Tierheilkunde wie Heß aus Dürrenroth, Rubeli aus Tschugg, Noyer († 1913) aus dem Mi̦ste̥lach. Gut befolgte Anweisungen, wi mḁ n soll fuetere n, können zu halb ernsten und halb sarkastischen Äußerungen führen wie: Jez frißt d’Waar aa nfange n d’s schöner Mehl weder d’Lüt.
Trotz dem großen Minderwert des Viehstands älterer Zeiten (ein Rößli kostete 1771 in Gampelen 32 Kronen, eine Kalbeten 16 Kronen), 344 sehen wir doch schon früh Maßnahmen gegen Krankheit. Zur Abwehr der Rinderpest gab es 1800 eine Not- und Hilfstafel. 5 Auf dem Tessenberg nahm man um 1801 sehr erfolgreiche Impfungen vor. 6 Dränker (Heiltränke) sehen wir um 1806 eine große Rolle spielen. 7 Den Fich- (Vieh-) Inspäkter Jacob Fischer treffen wir 1809 in Lüscherz. Die Stelle war dort 1832 mit zwei Kronen dotiert. Den Großvater unseres Malers Anker aber sehen wir am 28. Juni 1809 in Ins die Pfärd fisidieren. Im ganzen Amt Erlach hat er im März und April 1810 «die Vichwahr gevisidiert», wobei er mit Hilfe seines Sohnes und Nachfolgers jedem Ort wenigstens einen halben Tag widmete und sich für den Tag zwölf Batzen bezahlen ließ. Im März 1812 hat er daß Hornvich gefisidiert von wegen dem Zungenkräbs. Auch die Schaff (Scha̦a̦f) wurden gevisidiert. 8 Einen Roß-Doktor gab es übrigens schon 1647 im Erlacher Amt, wie 1778 einen Vycharzt und wie 1852 einen Vihdokto̥r. Je einen solchen, akademisch gebildet, haben nun Erlach, Ins und das leicht erreichbare Kerzers. So wird manch ein wertvolles Tier vor dem Bräste ngrabe oder gar dem Schindblätz, dem Schint-Allmeli ( S. 155) bewahrt. — Sowohl der auf gute Nutztiere wie der auf schöne Zäichnigswaar Haltende sind heute besser mit Zuchtware versorgt als ehemals, wo jeder Viehbesitzer an seinem Kehr ( Chehr) den Wucherstier ankaufen und ein Jahr lang unterhalten mußte, allerdings unter Kontrolle der Gemeinde und ihrer Vorgesetzten. 9 Zu diesem Zweck hatten alle Erlachschen Gemeinden Stiere ndäile n. In Ins fiel bis um 1900 ihr Ertrag dem Zuchtstierhalter zu. In Mü. liegt der Stiere nbụ̈ụ̈n ne nkanal. Dem Zuchtstier war in Finsterhennen bis 1874 der Mu̦u̦niblätz eingeräumt. In solchem war der Mu̦u̦ni als Doorfmu̦u̦ni Herr und Meister wie in manch einer Ortschaft der Dorfmagnat, wie auf dem welschen Pfrundhof le coq de la paroisse. 345 Zu Tüscherz heißt oder hieß der Zuchteber (der sonst seeländische Bẹẹr, das «Wucherschwein», 1747) der Sëïmu̦ni. Das Wistenlach entlehnte den Muni als le mouni, während ihm le mani (l’ourno der Ormonttäler oder der Urner S. 275), 10 der kastrierte Brụụchstier ist. Solche Zugochsen, nach deren Reichtum Ins, Gampelen und Cornaux als das Stiere nland bezeichnet wurden (wirklich gab es z. B. 1810 in Ins 216 Ochsen, 155 Kühe und 69 Gusti), nährte s. Z. das Stiere nhü̦be̥lli beim Birkenhof. Das Verschneiden heißt übrigens häile n oder galtsle n. 11
Vorzugsweise der kastrierte Münch oder das halb g’häilet Roß als der Bịịsch (das beast) oder der Bịgger, «Chịịber», «Chịịbhängst», «Zwịck» dient als Brụụchroß. Der Seeländer spannt solchen Brụ̈ụ̈cher nicht selten neben den Ochsen oder die gleich starke Kuh an den Lastwagen. Auch der kleinere Bauer kommt heute ohne wenigstens ein solches guet g’gli̦i̦derets Zugpferd nicht aus; und es besteht wenig Gefahr, daß dasselbe wegen zu langer ungewohnter Ruhe z. B. dem Niere nschlaag (Nieren-Rückenmark-Schlagfluß infolge starker Blutergüsse) erliege. Früher lieh der Inser ein solches Tier sich gelegentlich von den Besitzern großer Wiesen, namentlich zu Mullen und Tschugg, die auf ihnen vier bis fünf Rosse nährten. Unter diesen waren dann auch Meere n (Stuten) und Hengste n zur Zucht gut vertreten. Spanische Hengste scheint um 1805 die bernische Pferdezuchtkommission eingeführt zu haben. 12 — Eine Haupteigenschaft des Brụ̈ụ̈cher ist natürlich: fromm un d frein. Was will der Kleinbauer 346 mit einem Pferd, das in wilder Widerspänstigkeit sich bäumt: strụ̈tzt oder si ch strụ̈tzt? Aber g’sun͜d und gg’rächt muß es gleichwohl sein; insbesondere nicht dämpfig oder bụụchstöösig; es darf nicht als «Posaunenbläser» un͜der der Mụụsig (in Gals: un͜der der Mụ̆ssig) sịị n.
Über das Verhältnis zwischen Pferde- und Ochsenhaltung im Amt Erlach im Jahr 1796 gibt der Musterungsrodel des Regiments Sternenberg für Kriegsfuhrwerke Auskunft. Danach gab es in der Kirchgemeinde Ins 328 (wenigstens dreijährige) Roß und 348 (ebensolche) Stiere n; in Erlach 46 und 72; in Vinelz 33 und 89; in Gampelen 43 und 88; in Siselen 80 und 86.
Man redete aber damals verdeutlichend von «Pferdhengsten». Das männliche Tier sollte damit als das zugleich größere und stärkere bezeichnet werden. In diesem Sinne redet man z. B. auch von der großen Waldameise oder der Chlammere n als dem «Waldhängst». 13 Ähnlich spricht der Guggisberger 14 vom «Ampelibu̦rre n», weil sich der Bu̦ri oder Bu̦rre n (Kater, Relling) 15 durch den großen Kopf von der Chätzlere n unterscheidet. (Ähnlich der Hun͜d von der Hü̦nte n oder der «Löutsch», 16 der Rü̦ü̦d als der Rammler von der Mätz 17 als der Häsin usw.)
Das Fü̦ü̦lli dagegen ist der Spielgefährte der Kleinen. Zu seinem Ersatz muß jedoch häufig genug ein Knabe oder Mädchen oder ein paar solcher in die Stränge schlüpfen, welche der unablässig hụ̈ụ̈! oder hu̦u̦! Kommandierende mehr oder weniger stramm in Händen hält. Das Spiel heißt von da her hụ̈ụ̈le n oder hu̦u̦le n, wenn nicht rösse̥le n, rößle n, Rößlis mache n, Gụụlis mache n.
Dem Füllen entspricht im Rindviehgeschlecht d’s Chalb, die etwas größern Chalbete n (1768 in Ga. und Gals: Kalbeten) und das dem ersten Wurf nahe: das «nähige» (nööchig) Rind. Dieses unterscheidet sich also vom Metzgrind als Aufzuchttier. Es heißt als solches auch das Gu̦sti oder Gu̦ste̥lli. Zu seiner Pflege gehört u. a. recht häufiger Weidgang, damit es nicht i n de n Füeß überbáue n chöo̥m, die Entfernung der Wär re nchnu̦u̦ble n usw.
Das Rindvieh hilft mit seiner Zugehörigkeit zum westschweizerischen Fleckviehschlag 18 dessen Verhältnis zum Braunvieh auf der Höhe von zirka 55:37 halten. Bloß zu 2,6% sind es Schwarztschägge n, sonst 347 aber Roo̥t- und Falbtschägge n, welche den Satz bestätigen: Mi säit e̥käi ner Chueh Tschägg, oder si häig Fläcke n. (Wo Rauch ist, ist Feuer.) Sowohl dunkelrote wie schwarzgefleckte Tiere gibt es unter den Frịburger Chüeh. In älteren Inventarien, z.B. von 1778, erscheinen «1 rother und 1 falber Stier», sowie «eine schwarzzingelte Kuhe»; 1664 ist eine Kuh «gstryfachtig» ( g’sträift, gestreifelt). Auch der Steer n ( étaila) fehlt nicht. Ebensowenig der Reemi. 19
Weniger geschätzt ist der «Wi̦i̦ßrü̦gger»; er gilt als ung’schlacht. Ins Braunvieh gehörte z. B. 1778 in Müntschemier «1 Paar braune Stieren». Hie und da gewahrt man ein Brienzerli, sowie ein Walliserli aus dem Eringer- oder dem Bagne-Tal ( une bagne).
Nicht zuchtfähige Chalber (die aber solle n Niere n haa n) und ausgemusterte Großtiere verfallen dem Schlächter. Zu den letztern gehört u. a. die nymphomanisch kranke Bru̦mmle n, die Rị̆te n oder die G’hi̦ckti (in den Lenden Eingefallene). Sie ist aber vor dem meste n und metzge n zu kastrieren ( mi mues e̥re n d’Bu̦u̦rdi ụụsḁ neh n).
Reine Metzgwaar ist schließlich auch das Schwein. Während ihres Lebens müssen indes der Bẹẹr und d’Moore n zum züchtle n dienen. Denn drei Moore n verdiene n so vill wi zwoo̥ Milchchüeh. Sie gee n aber o ch z’tüe n! So ist durch Mast der Faselsäü und der Mötz (kastrierten Eber) und durch Zucht mit de n Säü am mäiste n z’mache n. Unter den Rassen erfreut sich heute das große deutsche Edelschwein 20 besonderer Aufmerksamkeit sowohl von seiten der großen Anstalten wie auch der Schweinezuchtgenossenschaften z. B. in Vinelz. Man schätzt es heute mehr als die Spitzöhrler (Tamworth), welche feineres Fleisch liefern, aber sich unprofitlig ụụsmetzge n. Denn mit chu̦u̦rzen Ohren und chu̦u̦rzer Schnu̦u̦re n ist e n chu̦u̦ze n Lịịb verbunden. Bloß Säü mit Lampiohre n gee ben i n d’s G’wicht. Jenen vor allen kommt auch die humanere Behandlung der Neuzeit zu: das barbarische Zän͜d bräche n und das ringle n (der Nase) werden unnötig gemacht durch zweckmäßige Stallung und ausgedehnten Freilauf. An solchen aus alter Zeit erinnert noch der Säüegge n ( S. 159) und das Acherum ( S. 246). Die damit geschaffene freie Bewegung bewahrte die Tiere vor der Brụ̈ụ̈ni (alt rankorn, «Range») 21 und ähnlichen Krankheiten. Dazu gaben Eicheln und Ecker den kernigen und mit Fleisch «dür chzogne n», dür chmischlete n Speck, wie ihn die Chuchischwänki (Lg.) oder das Wääschwasser (Mü.), Abwäschwasser nicht liefern kann.
348 Die Sạu und das Säüli, das Gụ̆si und Gụ̆seli, das Gụụßi und Gụụßeli (Lg., Vi.) hatten die Gäiß oder die Gịbe n in den Besitz der abschätzig behandelten Gäiße nbụ̈ụ̈rli oder Gäißeler als der min͜dere n Lụ̈̆t zurückgedrängt, bis endlich die Ziegenzuchtgenossenschaften ( S. 343) den Wert des Tieres wieder zu Ehren brachten. Auch manch ein behäbiger Bauer schätzt heute die durch richtige Fütterung des schläärmige n Tieres sehr wohlschmeckend gemachte Gäißmilch als bakterienarme Krankenspeise und als Gaffẹmilch, die ihm erlaubt, die Kuhmilch mit kleinerem Abzug der Käserei zuzuwenden. Wenig taugte allerdings hierzu die planlose alte Zucht mit irgendwelchem Bock, Gäisbock, der auf einem halbjuchartgroßen Bockacher oder Bockblätz (Fh.) weidete. (In Mü. warf vormals der Bocke ntäil 20 Franken ab für den Ziegenbockhalter. Heute werden aus ihm d’Chääfer [die eingesammelten Maikäfer] verlochet.) Es bedurfte zu rationeller Ziegenzucht der Einführung der mittellanghaarigen Saane ngäis. Aber auch aus dieser Rasse müssen fortwährend die Hängebäuche (welche an den Häübụụch des Kleppers erinnern) und die Schin͜dle n fern gehalten werden; und die «Holzschuhe» ( Holzbööde n, d. i. überlang gewachsene 349 Zehen) sollten an keiner Schau mehr vorkommen. Die auf raschen Wertumsatz bedachte Ziegenzucht schaltet auch womöglich die Ubergitzi aus: Tiere, welche erst im zweiten Jahr tra̦a̦ge n. ( «Ubergitzi» heißt auch en alti Ju̦mpfere n.)
Ganz der Vergangenheit aber gehören die Tschü̦ppeli und vollends Trịịbete n Scha̦a̦f an, wie z. B. der letzte Erlacher Landvogt Gingins sie auf seiner vielhundertköpfigen Schäferei im Waadtland hielt, 22 und wie sie z B. 1787 dem Landvogt von Frienisberg hundert Kronen einbrachten. Auch der Tessenberg, insbesondere Linieri, 23 bringt keine weit und breit geschätzte U̦u̦rfle n mehr auf den Markt. Die Schafe weideten auf all den Scha̦a̦fachere, in Treiten auf den Scha̦a̦fplätze n neben dem Roßgarte n und der Gense nweid ( S. 159). Der Vergangenheit gehört also auch sowohl die spöttische Bezeichnung des Moosgebiets als des bernischen Zäggenegge n an, wie das nächtliche Spiel in den Insergassen, welches der Schööffer hieß. Der «Schäfer» trieb, von einem «Hun͜d» sekundiert, einen Trupp Jungburschen als Scha̦a̦f vor die Fenster begehrenswerter Mädchen zur «Tränki».
350 D’Wa̦a̦g bi’m Beere n («Bären») z’Eiß, durch eine Gesellschaft von 18 Mitgliedern erstellt, erinnert an je zwei Handels- Metzger in Ins und in Erlach. An jedem dieser Orte finden wir noch 1852 bloß einen Schlächter von Beruf. Eine Schaal ( macella) gab es in Erlach bereits 1396. Sie entrichtete der Herrschaft Savoyen jährlich einen alten Gulden. 24 Dagegen führte erst um 1746 auch der Rathauswirth von Ins eine Scha̦a̦l. Ihm verbot in diesem Jahr das Chorgericht, während des Gottesdienstes Fleisch auszuhängen. 1575 hatten beide Metzger Händel. 25 Das begreifen wir, wenn wie 1666 in Erlach d’s Pfun͜d Fläisch e n Batze n g’chostet het und damit als tụ̈ụ̈r galt. 26
Bauern, die mit Hilfe des Bụụre nmetzger jeden Winter zwoo̥ dolli Säü i n d’s Hụụs metzge n, empfinden die heute beinah zehnfachen Preise wenig. Das beweist schon die abendliche Mahlzeit am Tag der Metzg, Metzgi (Lü.), Metzgete n (Vi.): das Metzgässe n (Mü.), Metziässe n (Lg.), die Metzgsuppe n (Mü.). An dieser Metzelsuppe, zu welcher Säübrägel und Bra̦a̦tis natürlich nicht fehlen, wurden vormals in Lengnau 27 die Wurstzöd del verlesen und zum harmlos witzigen u̦mmḁgee ben vorgemerkt, welche nachbarliche und befreundete Familien einander a n Pfanne nsti̦i̦l schmuggelten. Sie mahnten in lustig foppenden Knittelversen etwa, künftig gedeihlicher, nicht bloß mit Spülicht ( Chuchischwänki, Wääschwasser, Abwäschwasser) zu mästen und von dem heute geschlachteten Igeli für z’moornderisch wenigstens noch ein Stümpchen Späck in e n Röösti la̦ n fü̦ü̦rz’blịịbe n. Sein Visier lüftete der Poet etwa so weit, daß er zu erkennen gab:
Är heißt nit Xerres u nit Xander,
Würzt sini Würst mit Koriander.
Koliander sagt hierfür der alte Inser, als wäre ihm, wie einem stammelnden Kind, das dältsche n angetan. 28
Ein Hauptziel der Mast ist das Fett: d’Niere nfäißi und der übrige Schmu̦tz (Mü.) oder das Schmäär (Lg.). Daneben wird der Talg der Wiederkäuer (d’s Ụụschlig, s̆s̆, 1757 Vschlig, 1702 Vnschlicht) als Speisefett gleich sehr gemieden wie der frönd Schmutz, zumal der Amerikaner. Der verschämte Konsum des letztern wird durch die Rede persifliert: e n Däil Lụ̈̆t brụụche n nḁ für der Char re n z’salbe n un d überchöo̥me n de nn Bụụchweh dḁrvo n. Den Inhalt des 351 bäuerlichen Schmutzchü̦ü̦bel mehrt dagegen der ụụsg’la̦a̦ ßnnig Späck, während die Grieben ( Gräübi, greubons, graubons) 29 als Schläck den Kindern zufallen. Gesottener Speck dagegen gehört zu Bohnen, Rüben 30 und Rüebli ( «vo n» de n Rüebli ist der Späck d’s beste n) und (wie dem Waadtländer) zu Äpfeln und Birnen. Roue r Späck hinwieder isch guet für de n Heerzbrönner (das Sodbrennen). Auf dem Schraage n ( trabetzet) werden ferner herauspräpariert die Hamme n, mit welchen seinerzeit, z. B. 1601, «vil vnzimlich wäsen am Hammentag» getrieben wurde. Ihre Chnöödli sind die geschätzteste Art der Gnaagi. Dem Leibesinnern erhebt man die Chuttle n (1666: das Kütdell), der Chrooße n (Hals, namentlich aber der Kuh) und das Ungehnd (die Abfälle). Fläischgeebe̥lli und Fläischhöögge n befördern das meiste Fleisch und die Würste (Einzahl: den Wurst) zum röüke n in das Kamin. Schließlich lassen sich die Wiederkäuer d’Hụt abzieh n. Von ihr sagt das zweideutig auch die Menschenhaut einbeziehende Sprichwort: en iedere r mues mit sị’r Hut i n d’Geerbbi.
1
Der B’satz:
Lf. 246-295; d’s G’vicht:
Gw. 332-381; Tiereni:
Gb. 139-167. Dazu in diesem Band: Moosweide
S. 152 ff.
2
In den Jahren 1901-11 im Kanton Bern um Fr. 69,303,140, so daß 1911 ein Wert von Fr. 200,681,224 vorhanden war. (
Stat. II, 3.)
3
Taschb. 1891, 298. Vgl. Prof. A. Krämer: die Entw. d. Landw. in d. letzten hundert Jahren (Basel, 1884).
4
Probst II.
5
Ebd. 98.
6
Lign. 22.
7
Kal. Ank.
8
Ebd
9
Tsch. R. 1816.
10
Vgl. auch
la chvits (die Schwyzerkuh) des
Gros de Vaud.
11
Vgl. Elsa Galtzlers ln Freiburg 1379:
Zimm. 2, 94.
12
Einen solchen sollte Propst (s.
P. III) an die Kost nehmen.
13
Vgl.
Schwz. Id. 2, 1452.
14
Gb. 368.
15
NM. Papst 653.
16
NMan.
17
Aus Mächthild (
schwz. Id. 4, 1215). Sinnig läßt Widmann (Der Heilige 46. 48) die Löwin und ihr Junges den «Menschenmann» aus der Menge der «Menschentiere» herausheben.
18
Dessen Pflege
Jahn B. 1, 140 als ein Charakteristikum des Burgundionentums darstellt.
19
Gw. 374;
Gb. 164.
20
Kell. W. 19.
21
Rudolf Manuel.
22
Kal. Ank.
23
Lign. 45.
24
Taschb. 1901, 13.
25
NM. 323.
26
EB. A 129.
27
Wie Abrecht in
Lg. 156 lustig erzählt.
28
Natürlich handelt es sich um erleichternde Ferndissimilation.
29
Brid. 188.
30
NMan.
Jez isch es vill besser z’sịị n weder früecher: bsun͜ders wege n der Chĕserei! Es het vill g’änderet, das s iez d’Lụ̈t besser chönne n zahlle n. 1
Ein mächtig vermehrtes Gewicht erhielt und erhält die Milchwirtschaft des Amts Erlach durch die sechs großen Anstalten, obwohl die in Tschugg alle ihre Milch im Hause verbraucht und die zu Witzwil die ihrige seit dem Frühling 1913 in eigener, modernst eingerichteter Dampfcheserei verarbeitet. Denn man denke an all die durch so viel Hände erschlossenen Futterschätze im Moos! Welchen Umschwung aber auch die privatbäuerliche Landwirtschaft erfahren hat, zeigt recht augenfällig die 1911 (um 40,000 Franken) gebaute Käserei zu Lugnorre im Wistenlach, also im ausgesprochensten Wein- und Gemüseland. Weder die Milchsiedereien im unfernen Páijeere n (Payerne, Peterlingen) und in Neuenégg, welch letztere täglich 80,000 l kondensiert, noch das unschwer zu Bahn und Schiff erreichbare Neuenburg mit seinem Milchverbrauch, noch etwa gar die neuste Milchverwendung zu Kunstseide ( Sịịde n) erreicht also heute die Chĕserei als Brotchorb. Es fehlt bloß noch, daß selbst im entlegensten Dorf, wo noch unlängst der Dreibäi n statt des Mälchstuehl dem Mälcher zum Sitze diente, das 352 eläkterisch mälche n aufkomme. In diesem Fall wären allerdings Melkerkurse, wie der am 1. und 2. März 1911 von den Käservereinen Seeland, Bucheggberg und Leberberg im Bären zu Eiß, sowie der 1913 vom Verband der bernischen Käsereien und Milchgenossenschaften und vom bernischen Käserverein zu Mühleberg veranstaltete, deren ersterer von 57 Teilnehmern besucht war, überholt. Es fehlte aber ferner noch, daß man die Kunst erfände, ohne Schädigung von Kuh und Kalb dü̦ü̦r ch u nt dü̦ü̦r ch z’mälche n, das vier- bis achtwüchig Trockenstehen also unnötig zu machen.
Doch hat ohne solche Kunst, die Kuh zur Milchmaschine zu machen, das Amt Erlach die Zahl und Größe seiner Chesereie n gewaltig vermehrt. Um 1852 zählte es drei solche: zu Vinelz, Brüttele n, Mulle n. Heute hat außer dem mit Mullen zusammenspannenden Schụgg und dem mit Brüttelen vereinigten Gäserz jede Einwohnergemeinde eine Emmentalerkäserei.
Vinelz hat 1913 seine alte Chĕserei abgri̦sse n und an einen stattlichen, den Erfahrungen der Gegenwart angepaßten Musterbau getauscht.
Eiß besitzt eine Käserei sit ụụsgehnds de n fü̦fzge n (ungefähr seit 1859).
Zuerst war sie im Haus der Spänglerei Niklaus eingerichtet. Dann bezog sie das alte Gebäude neben dem Bären, und dieses ist im Frühling 1911 mit sehr vielen wünschbaren Einrichtungen für rationelle Milchverarbeitung ausgestattet worden. Hätte nicht der solide Bau und die zentrale Lage des Hauses gegen einen Neubau entschieden, so wäre solcher ohne Zweifel zur Dampfcheserei samt Zäntriffụụge n nach dem Muster derjenigen von Belfaux (bei Freiburg) erhoben worden, wie es z. B. in Bi̦bere n bei Gümminen geschah. Das bestehende Gebäude gestattete bloß eine kleine Ausweitung der Käsereiräumlichkeiten, das Anbringen eines Eläktermotors von 2,7 PS für den Anke nchü̦ü̦bel, den Rüehrer und die Cheesmilchpuṃpe n, sowie den Einbau eines zweiten Cheeschessi für 1200 l neben dem alten von 1400 l. Aber auch so lohnt es sich, die stattliche Neueinrichtung zu sehen und unter Einfügung eines kleinen Inser Sprachschatzes das in «Lützelflüh» und «Guggisberg» 2 über die Talkäserei und in «Grindelwald» 3 über die Bergkäserei Gebrachte in aller Kürze nochmals zu durchgehen.
Die 60-67 Lieferanten bilden eine Käsereigenossenschaft, welche seit 1900 Herrn Ernst Wüthrich-Siegenthaler d’Milch verchạuft und die Cheserei samt allen Einrichtungen verpachtet. Derselbe schrịịbt 353 jedem Lieferauten die äm Moorgen un d äm Aa̦be nd gebrachte und voorg’woogni Milch i n sị ns Milchbüechli ịị n. Auf Grund desselben zahlt der Genossenschaftskassier aus dem all drei Moonḁt vom Cheeser empfangenen Geld.
Ungefähr 330 bis 340 Chüeh 4 des Gemeindebezirks Ins liefern in der besten Milchzeit (im Mai) etwa 2600-2700 l, in der schlechtesten (im Dezember als der Hauptperiode des chalbere n) täglich zwischen 1600-1700 l Milch in die Käserei. Die übrigen zwei bis drei Dutzend Milchkühe versorgen den Familientisch, auf welchem der Seeländer der Gaffee nid schwarz trinkt, und bedienen die Kälbermast und -aufzucht. 180-200 l werden in der Käserei um den Detailpreis von 20 bis 23 Rappen ụụsg’mässe n. (Der Höchstbetrag fällt in den Winter, wo der kleine Viehhalter seine Kuh oder seine Ziegen trocken stehen hat.)
Ein anderer kleiner Teil wandert in einige der zirka fünfzig holzige n oder hölzige n, nun lieber bleechige n Gepse n, um aus dem abgeschöpften Rahm Nịịdlenanke n z’gee n für Abnehmer, welche den höhern Preis (Fr. 1.80 für das Pfund) gern bezahlen, um nicht Vorbruchanke n ( S. 355) kaufen zu müssen. Angesichts der (trotz fallender Tendenz) immer noch hohen Milchpreise wird im Bauernhause selten g’anket. Die Anke nballe n am Platz alter Bestechungs- und Schweigegelder hat ausgelebt. Nicht einmal der «Schlag Ankenkübel» (Twann 1795): das stehende Anke nchü̦ü̦bli wird häufig zwüsche n d’Chnäü g’noo̥ n; verschwịịge n dee n, daß das Drehbutterfaß: der Anke nchü̦ü̦bel ’tröölt wu̦u̦rd (würde). Die Anke nheefe n nehmen auch Schweineschmalz gastlich in ihre Räume auf, und aus alten Zeiten stammt die Vertröstung auf scheinbar Verlorenes, aber in anderer Form Wiedergenommenes: es chunnt i n der Anke nru̦u̦mmi u̦mmḁ.
Aus dem Großteil der Milch werden im Hochsommer täglich drei und auch im tiefsten Winter zwei Fettkäse von 100-110 Kilo bereitet. Der winterfäiß Chees ist b’süechiger als der summerfäiß: nur 354 müssen auch seine Laibe über 100 kg wiegen. Für Käufer, die den halbfäiße n und den maagere n Chees vorziehen, muß der Käser solchen selber us dem Waadtland und anderswoher zụcha tue n. Ein verstohlen umgehender Witz sagt: I ch g’chenne n vi̦ll Lụ̈ụ̈t, si cheese n der Maager alläini (für sich zu Hause, unter dem Vorgeben), der Fäiß blịịb ’nen im Maage n.
Er werden also im Vormittag die beiden Chessi und am Abend des Sommers noch eins derselben in Tätigkeit gesetzt. In die aus 27°R g’wäärmti Milch wird der Chasle̥t g’rüehrt. In 25-35 Minuten soll d’Milch dick sịị n. Weil die oberste Schicht nie rächt ụụsdicket, wird die geronnene Masse süüferli ch überlä̆it (g’chehrt). Dann wird sie mit der Cheeshaarpfe n zerschnitten und während etwa zehn Minuten mit der Nịịdelchelle n verzooge n, damit di Dickete n e n chläi n Gri̦i̦f f überchöo̥m. Jetzt wird mit der «Harfe» eine halbe Stunde lang g’rüehrt, damit ’s e n glịịchlige n Bru̦u̦ch geeb. Um ein Festwerden der Masse zu erzielen, la̦a̦t mḁ n ’s fü̦ nfzeeche n Minute n la̦ n setze n. Nun folgt ein neues ụụfrüehre n mit dem Cheesbrächer. Die weitere Arbeit übernimmt zunächst für eine kleine Halbstunde der vom Motor getriebene Rüehrer, d’Rüehrmaschine n, indes der unter das Chessi geschobene und mit Stäi nchohle n (d. i. Braunkohle) gefüllte Fụ̈ụ̈rwa̦a̦ge n eine Wärme von 42 bis 46°R unterhält.
Das nun 30-45 Minuten währende, ebenfalls vom Rührer besorgte, ụụsrüehre n, bei welchem es namentlich in der winterlichen Kurzfutterzeit ein fatales verbrönne n zu vermeiden gilt, erzielt reiskörnergroße, trockene Flocken, welche uf de n Zänd gịxe n un d e n Chu̦st häi n wi Nußcheerne n. Nun heißt’s: d’Maschiine n abb, schön glịịchlig z’Bode n g’rüehrt und der Chees ụụsḁ! Der Kesselinhalt wird durch vorgängig ausgeschöpfte Si̦i̦rte n (geronnene Milch) g’chüehlt. Dann fährt das in ein elastisch stählernes Böögli gewickelte Cheestuech aus zwi̦i̦rnetem rịịstigem Garn drun͜der dü̦ü̦r ch und wird mittelst des flaschenzugartigen Ụụfzu̦u̦g ụụsḁb’bü̦ü̦rt. An einem unter der Decke hinlaufenden T-Eisen trägt die schnurrende Rolle die triefende Last blitzschnell in den auf der Presse aufgebetteten Jäärb. Diese Käseform, forma, nach welcher der formage, fromage, fromâzo 5 benannt ist, heißt auch die retsa, ritscha, le routze. routsche, routzon, 6 welche Wörter wir in dem guggisbergischem «Zigerru̦tsch» wiedererkennen. 7
355 Der im Tuch eingeschlagen bleibende Käse wird tüchtig g’chnättet, mittelst des nun sehr einfach und praktisch schraubenartig gebauten Prässel der letzten Flüssigkeit entledigt, in der ersten Stunde zweimal g’chehrt, den ganzen Vormittag bis vier Mal, im Nachmittag alli zwoo̥ Stun͜d. I n Zịt vo n mene n Daag ist der Käse trocken geworden. Er wandert nun für 14 Tage i n de n chalt Chäller. Dort verbleibt er noch einen Tag im Jäärb, um dann 3-4 Tage lang mit den jüngsten Schicksalsgenossen im Salzbaad auszuhalten. Dieses Bad gewährt der zementene Salztrog von 360 cm Längi, 110 cm Bräiti, 90 cm Täüffi. Für die weitern Tage genügt ein tägliches wüsche n und salze n, sowie das neu techle n, was alles nach Erfordernis auch während der zirka achtwöchigen Verwahrung im Häizchäller fortgesetzt wird. Diese hat den Zweck, den Käse mittelst der durch 18 °R Wärme geregelten Gärung offe n z’mache n, so daß er Löcher überchunnt, und zwar gemäß der Laune zumal der französischen Käufer recht groo̥ßi. Das ụụszieh n oder stäche n mittelst des Käsbohrers kontrolliert neben dem chlopfe n, welches ein hohles Geräusch ergeben soll, die Laibe auf diese Lochung hin. Wieder in den kalten Keller verbracht, erwarten diese hier ihr Loos.
Auch die Verurteilung als Ụụsschu̦tz macht freilich dem Käser nit Bụụchweh. Der Eißer äßt o ch gee̥rn Chees, u nd das lieber e n chläi n rääße n weeder lääije n (oder faade n). Mi wäis, wa̦rum. Er zahlt auch gerne für das Pfund Mittelstück ohne viel Ra̦uft Fr. 1 bis Fr. 1.20, obschon dies im Vergleich mit den neun Chrụ̈tzer (oder sieben Kreuzer für Magerkäse) des Jahres 1768 (in Gals) e n chläi n vill ist.
Nun zum Käsekessel zurück! Der nach dem Aushub des Käses verbleibenden Si̦i̦rte n wird der als Fett obenaufschwimmende Vorbruch zum Buttern entnommen. Die zurückgelassene Cheesmilch wird mittelst der elektrisch angetriebenen Pumpe n in die riesige Bütti befördert, wo sie nebst der Anke nmilch den Lieferanten zugeteilt wird. Als Schweine- und Kälbertränke sehr geschätzt, darf sie nicht durch zi̦i̦gere n ihres Albumins beraubt werden. Der Zi̦i̦ger ist also in Ins höchstens ein Nebenprodukt der unentbehrlichen Sụụr- und Chaslet-Bereitung und bietet überhaupt rechts des Bielersees keine Handhabe zu freundnachbarlichen Ortsneckereien wie zwischen Ligerz und Twann, die beide durch alten Weinbau zu Wohlstand gelangt sind. Jene betitelten diese vormals als Stiere nbäi ngnaager, diese die ersteren als Zĭ̦gerchü̦ü̦bel. Aber auch die alten Inser haben z. B. 1667 «mit lust Ziger gessen» 8 und 356 sind damit als Milch- und zugleich Weinproduzenten behend und flink geworden, wie auch der bei ihnen heimisch gewordene Käser trotz den Holzschuhen auf dem kalten Blättlibode n es als Zögling seines Berufes ist.
1
Die 84jährige Frau Schumacher.
2
Lf. 479-492;
Gb. 168-182.
3
Gw. 382-409.
4
Vgl. den häsin-käs aus der sehr dicken Hasenmilch (!) in
NMan., Eck und Faber Str. 2, und
aus dem Tierbuch von
Forer.
5
Brid. 168.
6
Ebd. 329.
7
Aus lat.
rusca, Rinde.
Schwz. Id. 6. 1855:
Gb. 177 f.
8
Chorg.