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Wäre auch von der Römerzeit jede andere Kunde verschollen, so würden die auf dem ganzen Boden der alten Welt in so großer Zahl stehengebliebenen, zum Teil so gewaltigen Ruinen ihrer Bauten, sowie die unermeßlichen, aus bergenden Schutt- und Aschendecken hervorgezogenen Überbleibsel der bildenden Künste schon allein laut genug bezeugen, welche hohe und reiche Kultur mit dem römischen Weltreiche zugrunde gegangen ist. Bei weitem die meisten und bedeutendsten erhaltenen römischen Bauten stammen aus der Kaiserzeit. Sie stehen zum Teil in weiten Einsamkeiten als Marksteine jener Kultur, deren Herrschaft sich über ungeheure Gebiete erstreckte, die seit Jahrhunderten wieder der Barbarei oder völliger Verödung anheimgefallen sind: wie die gewaltigen Ruinen von Ba'albek und Tadmor; die Hunderte von ganz aus Stein erbauten verlassenen, noch bewohnbaren Städten und Dörfern in Ostsyrien mit ihren eigentümlichen Bogen- und Kuppelbauten, Grabpyramiden und Taubentürmen; die überraschend wohlerhaltenen Reste so überaus zahlreicher römischer Städte in Kleinasien und Nordafrika. Manche sind erst im letzten Jahrhundert verschwunden: die in den französisch-spanischen Kriegen zerstörte Brücke von Almarez stand noch 1806, die die Riesenschlucht des Rumad überwölbende, die den einzigen Zugang zu Constantine bildete, ist erst 1857 eingestürzt. Zum Teil beschämen sie in Ländern der heutigen Kultur mit ihrer imposanten Großartigkeit, ihrer unverwüstlichen Solidität, ihrer hohen, noch dem jetzigen Bedürfnis entsprechenden Zweckmäßigkeit alles, was spätere Jahrhunderte ihnen an die Seite gestellt haben: wie die Brücken von Rimini, von Alcantara und Merida, der Pont du Gard, die Aquädukte von Segovia und so manche andre Römerbauten in den Mittelmeerländern. »Eine zweite Natur, die zu bürgerlichen Zwecken handelt, das ist ihre Baukunst.« Versucht man vollends, aus der unübersehbaren, verwirrenden Masse von Trümmern aller bildenden Künste ein Bild von der unermeßlichen Fülle und Mannigfaltigkeit des künstlerischen Schmucks zu gewinnen, in dem die so äußerst zahlreichen größeren und reicheren Städte des römischen Reichs prangten: wie gering und armselig erscheinen dann die modernen Bestrebungen, das öffentliche und Privatleben durch den Schmuck der Kunst zu verschönern und zu adeln.
Eine so großartige und umfassende Verwendung der Architektur und der bildenden Künste setzt eine Verbreitung nicht nur der Kultur, sondern auch des Wohlstandes voraus, wie das ganze frühere Altertum beides nicht gekannt hat. Das römische Kaisertum brachte der bis zum Tode erschöpften Welt den allgemeinen Frieden, der mit geringen Unterbrechungen mehr als zwei Jahrhunderte dauerte; den aufs äußerste ausgesogenen Provinzen eine bessere Verteilung der Lasten und eine im ganzen wenigstens leidliche Verwaltung. Mit der wiederhergestellten Sicherheit und Ordnung, dem gewaltigen Aufschwunge des Verkehrs hob und verbreitete sich Wohlstand und Reichtum in einem Grade wie nie zuvor.
Am augenfälligsten gab sich dies in der fortwährend im Wachsen begriffenen Schönheit und Pracht der Städte in fast allen Provinzen kund. Auch die Zahl derselben nahm durch neue Anlagen, Kolonisationen, Verleihungen von Stadtrechten und Vereinigungen mehrerer kleiner Orte zu einer Kommune stetig zu. So namentlich in den gallischen und spanischen Provinzen, wo früher die Gauverfassung in voller Geltung gewesen war. Im tarraconensischen Spanien waren unter Augustus von 293 Gemeinden nur 179 in Städten vereinigt, doch unter Antoninus Pius gab es nach Ptolemäus dort bereits 248 Städte. Auch »in den östlichen Provinzen, in Galatien, in Cappadocien und den gräzisierten Teilen Syriens entstanden zwar langsam, aber doch fortwährend neue Kommunen, und selbst in den Uferländern der Donau und in Numidien und Mauretanien hatte die durch die militärische Besatzung sich vollziehende Romanisierung zahlreiche neue Städteanlagen zur unmittelbaren Folge«.
Nur auf eine Art der Entstehung neuer Städte, die aus Lagern, soll hier näher eingegangen werden. In Afrika verdankten die Städte Lambäsis (Lambessa) und Verecunda ihren Ursprung dem am Ende der Regierung Trajans oder am Anfange der Hadrians errichteten und 128 an den endgültigen Platz verlegten Lager der dritten Legion. Aus den Baracken und Buden der dort nicht zugelassenen, in einer Entfernung von etwa einem Kilometer angesiedelten Marketender, Frauen und Mädchen, Kaufleute, Händler, Lieferanten, Handwerker usw. entstanden jene beiden Ortschaften, wird; Lambäsis erhielt Stadtrecht spätestens 207, Verecunda wohl erst durch Valerian und Gallienus. Lambäsis war mit dem Lager durch eine schöne, mit Quadern gepflasterte Straße verbunden, die durch einen dreitorigen Triumphbogen in die Stadt eintrat und durch einen andern Bogen hinaus auf den Weg nach Verecunda führte. Sie war reich an stattlichen Bauten aller Art (Tempeln, Thermen, einem Amphitheater, einem viele Quellen in eine große Leitung zusammenfassenden Septizonium; vor dem Haupttempel war eine forumartige Anlage mit zahlreichen Statuen von Legionslegaten; im Jahre 208 erhielt die Stadt ihr Kapitol. Als sie für immer von der Legion verlassen wurde, ist sie schnell verfallen. Als die Byzantiner die Städte Afrikas in Verteidigungszustand setzten, errichteten sie dort aus Architraven, Friesen, Altären, Grabsteinen und Postamenten eine Zitadelle; wie sie den Ort verließen, haben ihn die Franzosen bei der Besitznahme Algeriens gefunden.
In derselben Weise entstanden aus Ansiedelungen von Römern in Baracken ( canabae) neben den Lagern mehrere Städte in den nördlichen Provinzen, wo die Lager oft, wenn nicht in der Regel, in der Nähe schon bestehender einheimischer Niederlassungen errichtet wurden, die dann allmählich mit den römischen zu einem Gemeinwesen verschmolzen. Das Lager der 15. Legion wurde (wohl unter Claudius) nach dem, wie es scheint, schon ansehnlichen keltischen Handelsplatz Carnuntum (Petronell in der Nähe von Wien) verlegt; bereits Hadrian erhob bei seinem dortigen Aufenthalte die römische Ansiedlung zur Stadt. In der Nähe des Lagers von Castra vetera (Xanten) waren infolge des langen Friedens Bauten »nach Art einer Stadt« entstanden, die im Jahre 69 niedergerissen wurden, um nicht den aufständischen Barbaren als Stützpunkt beim Angriff auf das Lager zu dienen. Der Komplex von Ortschaften bei dem großen Lager von Mainz wurde eine römische Stadt erst unter Diocletian, ihre Blüte fällt ins 4. Jahrhundert, diesem werden die noch erhaltenen Architekturstücke angehören, die einen Schluß auf sehr stattliche Bauwerke gestatten. Eine ähnliche Entstehungsgeschichte haben Straßburg (Argentorate), Alt-Ofen (Aquincum), Wien (Vindobona), Iglitza (Troesmis), Karlsburg (Apulum) und viele andre Städte gehabt.
In der im Jahre 145 gehaltenen Prunkrede des Aristides auf die Größe Roms kann man bei aller Überschwenglichkeit die Wirkung großer, ja überwältigender Eindrücke nicht verkennen, die allerdings vorzugsweise aus den östlichen Ländern stammten. Wann, heißt es dort, gab es soviel Städte auf dem Festlande und auf dem Meere, oder wann waren sie so durchaus geschmückt. Oder welcher Herrscher der Vorzeit konnte jemals in seinem Reiche mit jeder Tagereise eine Stadt erreichen, manchmal auch an demselben Tage durch zwei und drei Städte wie durch Straßen fahren? Man möchte sagen, daß alle früheren nur Könige einer Wüste mit festen Plätzen waren, ihr allein aber über Städte herrscht. Unter euch haben sich jetzt alle griechischen Städte, und alle ihre monumentalen Zierden und Kunstwerke suchen bei euch Ehre einzulegen; mit Städten sind Küsten und Binnengegenden angefüllt, die teils unter, teils durch euch gegründet, teils vergrößert sind. Ionien steht durch Glanz und Schönheit an erster Stelle, und um wieviel es früher durch Schmuck und Anmut andre Länder überragte, um soviel hat es nun selbst im Vergleiche zu seiner eignen Vergangenheit gewonnen. Die große und stolze Stadt Alexanders ist eine Zierde eurer Herrschaft geworden, wie ein Halsschmuck einer reichen Frau unter vielen andern Besitztümern. Die ganze Erde ist im Festkleide, sie hat ihre alte Tracht, das Eisen, abgelegt und sich zu Pracht, Zier und Lustbarkeit aller Art gewandt. Alle Städte beherrscht nur der eine Wetteifer, daß jede als die schönste und gefälligste erscheine. Alles ist voll von Ringplätzen, Wasserleitungen, Propyläen, Tempeln, Werkstätten und Schulen, und mit Fug darf man sagen, daß die Erde, die von Anbeginn krank war, nun genesen ist. Unablässig kommen Gaben von euch, und von eurer gegen alle gleichen Huld kann man keine Stadt vor andern bevorzugt finden. Die Städte strahlen in Glanz und Lieblichkeit, und die ganze Erde ist wie ein Garten geschmückt.
Daß die Bewunderung des Rhetors für die Menge und Schönheit der Städte des Weltreichs in der Tat begründet war, beweisen außer ihren zahlreichen Ruinen manche statistische und sonstige Angaben. Bei der Angabe Aelians, daß Italien »einst« 1197 Städte gehabt habe, ist freilich ebenso ungewiß, auf welche Zeit sie sich bezieht, wie worauf sie beruht; vielleicht hat aber auch das Land, trotz der Verödung mancher Orte, wie überhaupt seine höchste Blüte, so namentlich die größte Zahl bedeutender und reicher Städte in der Zeit von Augustus bis Marc Aurel gehabt. Von den 18 »durch Reichtum, Bauart und Lage an Schönheit hervorragenden« Städten Italiens, welche die Triumvirn 711 = 43 v. Chr. den Soldaten als Lohn aussetzten, nennt Appian als die ansehnlichsten Capua, Rhegium, Venusia, Benevent, Nuceria, Ariminum und Hipponium (Vibo). In Strabos Zeit übertraf Oberitalien (Gallia cisalpina) die übrigen Landschaften an Reichtum und Größe der Städte. Von diesen ist Verona die einzige, deren Ruinen noch jetzt an den alten Glanz erinnern; unter Augustus war die bedeutendste Stadt der ganzen Gegend Patavium mit 500 Familien, die den Ritterzensus und darüber besaßen. Erst in der späteren Zeit erhob sich Mediolanium zur »ersten Stadt Italiens (nach Rom) an Größe, Bevölkerung und Reichtum«, wie Procop es nennt; seine Angabe, daß bei der Zerstörung der Stadt durch Witigis 300.000 Erwachsene männlichen Geschlechts ums Leben gekommen seien, ist allerdings ohne Zweifel stark übertrieben. Andre bedeutende Städte Oberitaliens waren Altinum und Ravenna – beide im Wasser auf Pfählen gebaut, das letztere ein antikes Venedig, nur auf Brücken oder Fahrzeugen gangbar –, Aquileja, Placentia, Cremona (bis zur Zerstörung im Jahre 69 sehr reich, blühend und stark bevölkert), Parma, Mutina, Bononia, Ariminum, Ticinum, Dertona. Aquileja, das große Emporium für den nordischen Handel, »in mehr als einem Sinne die Mutterstadt Venedigs«, galt im 4. Jahrhundert der Volkszahl nach als die vierte Italiens (nach Rom, Capua, Mediolanium). Außerhalb der sie umschließenden doppelten Mauer breiteten sich weite Vorstädte aus. Der Boden der bis auf die Fundamente zerstörten Stadt ist reich an industriellen Erzeugnissen. An mehreren Orten Istriens stehen noch stattliche Ruinen aufrecht; so in Tergeste (Triest), Tarsatica (Fiume), Parentium (Parenzo). Doch die bedeutendsten Reste aus römischer Zeit hat Pola: einen ganz und einen größtenteils zerstörten Tempel, einen eleganten, reich verzierten Triumphbogen, das berühmte Amphitheater, das 20.000-25.000 Menschen fassen konnte; die letzten Reste eines im 17. Jahrhundert zerstörten Theaters sind erst um 1870 hinweggeräumt worden; von den ebenfalls erst im 19. Jahrhundert eingerissenen Stadtmauern stehen noch zwei Tore. In Mittelitalien zeugen Ruinen, wie die von Ocriculum (Otricoli), Asisium (Assisi), Hispellum (Spello) sowie die sehr stattlichen von Ancona in Picenum von der Ansehnlichkeit auch der Mittelstädte. Das von Trajan als Hafen für die Kriegsmarine ins Leben gerufene Centumcellä (Cività Vecchia) war noch in Procops Zeit groß, bedeutend und volkreich. Von dem Wohlstande der Hafenstadt Ostia (mit wohl mehr als 50.000 Einwohnern) zeugen ihre Ruinen und die Kunstschätze, die sie bergen, ihre stattlichen Straßen, Kaufhallen, Tempel, Thermen, Theater. Der Herculestempel der Villenstadt Tibur gehörte zu den größten und reichsten in Latium, ebenso der Fortunatempel des »zinnenreichen«, in fünf Terrassen zu seiner Burg hinankletternden Präneste. In Unteritalien haben Pompeji und Herculaneum in der überraschendsten Weise gezeigt, daß es auch Orten, die von den antiken Autoren nur ganz selten und beiläufig erwähnt werden, an zahlreichen stattlichen, mit bescheidenem Luxus dekorierten öffentlichen Bauten nicht fehlte. Neapel war unter Domitian eine prächtige, reich geschmückte Stadt, mit vielen Tempeln, mit Plätzen, die von unzähligen Säulen eingefaßt waren. Von dem alten Glanze Capuas, das noch in Domitians Zeit nicht allzu weit hinter Rom zurückstand und noch in Ausonius' Zeit zu den 14 berühmten Städten des Reichs gerechnet wurde, ist außer seinem mächtigen Amphitheater wenig übrig. Puteoli, die erste Handelsstadt Italiens (mit vielleicht nicht viel unter 100.000 Einwohnern), war reich an Prachtbauten aller Art. Unter den 68 Städten Siciliens war gegen Ende der Republik die größte und blühendste Centuripä mit 10.000 Bürgern, d. h. etwa 100.000 Einwohnern; Syrakus und Catina Catania) nennt Ausonius unter den 14 berühmten Städten. Corsica hatte 32 Städte.
Die Städte Galliens gibt Josephus nach einem offiziellen Verzeichnis auf etwa 1200 an, und wenn ein großer oder der größte Teil noch in der Kaiserzeit dorfartig gewesen sein mag, so haben andrerseits auch manche, namentlich im Narbonensischen Gallien, die heute auf demselben Boden stehenden Städte weit übertroffen. Unter den neun, die Pomponius Mela um die Mitte des 1. Jahrhunderts dort als die ansehnlichsten nennt, haben Vasio (Vaison) und Bäterrä (Béziers) wenig oder gar keine Reste aus dem römischen Altertum aufzuweisen, nicht geringe Avennio (Avignon), wo sich unter andern Trümmer eines Triumphbogens aus der ersten Kaiserzeit finden; sehr großartige Arausio (Orange), dessen Triumphbogen und Theater zu den am besten erhaltenen Bauten dieser Gattungen gehören. Die erste Stelle behauptete in Melas Zeit dort Narbo, die Residenz des Prokonsuls und der größte Hafen Galliens, welches noch um die Mitte des 5. Jahrhunderts von Sidonius Apollinaris hochgepriesen wird. Aber die imposantesten und am besten erhaltenen römischen Bauten außerhalb Italiens sind die von Nemausus (Nîmes), das unter Hadrian und den Antoninen zu seiner höchsten Blüte gelangte, und von Arelate, »dem »zwiefachen« (da es sich seit Constantin auf beiden Rhôneufern ausbreitete), »dem gallischen Rom«, wie es Ausonius nennt, das seinen Höhepunkt erst nach dem Niedergange von Lugdunum erreichte und noch im 5. Jahrhundert eine sehr blühende Handelsstadt war. Tolosa, das gegen Ende des 4. Jahrhunderts neben Narbo die erste Stelle einnahm, war eine fünffache Stadt: vier Städte hatte sie aus sich geboren, die sie mit ihren gewaltigen Backsteinmauern umschloß. Vienna, früher ein offener Flecken, eine Stadt erst seit Augustus und von ihm mit einer 5-6 Kilometer langen Mauer umgeben, war reich an schönen Bauwerken; Ruinen eines Tempels (vielleicht des Augustus und seiner Gemahlin Livia), Amphitheaters, Theaters, Thermengebäudes, einer Porticus sind noch vorhanden.
Vienna galt als die zweite Hauptstadt von ganz Gallien. Die erste war Lugdunum (Lyon), welche sich als Residenz des Statthalters von Lugdunensis, Zentralpunkt für die Verwaltung, am Zusammenfluß zweier großer Ströme und im Schnittpunkt der Hauptstraßen gelegen, schnell zu großem Glanz entwickelte und schon unter Nero an den herrlichsten Bauwerken reich war, deren jedes allein hingereicht hätte, eine Stadt zu schmücken. Seit die »große und reiche« Stadt 197 von den Soldaten des Septimius Severus zerstört worden war, scheint sie die alte Bedeutung nicht wiedergewonnen zu haben. Das »Städtchen der Pariser«, wie der Kaiser Julian Lutetia nennt, auf der Seineinsel gelegen, hatte sich auf das linke Ufer ausgebreitet; bekannt sind dort die Überreste des sogenannten Palais des thermes; ein in der Nähe des Pantheons aufgedecktes Amphitheater ist etwa im 3. Jahrhundert erbaut. Augustodunum (»Augustusburg«, ehemals Bibracte), die Hauptstadt der Äduer, hatte wie Vienna einen Mauerumfang von 5-6 Kilometer mit 220 Türmen und zwei dreibogigen Stadttoren; im 17. Jahrhundert waren dort noch bedeutende Reste eines Theaters und Amphitheaters, das zu den größten bekannten gehörte (154 x 130 m), vorhanden.
In Aquitanien war um die Mitte des 1. Jahrhunderts die ansehnlichste Stadt Eliumberrum (Auch). Burdigala (Bordeaux), gewiß von jeher der wichtigste Handelsplatz an der atlantischen Küste, wird als bedeutend nicht vor dem Ende des 4. Jahrhunderts erwähnt, auch tragen die Übererste den Charakter der spätrömischen Zeit. Ihre Mauern bildeten ein Viereck mit hohen Türmen und genau einander entsprechenden Toren; ihre Straßen waren breit und regelmäßig, ihr Stolz die herrliche, die ganze Stadt überreichlich mit Wasser versorgende Quelle Divona.
In Belgica war die bereits unter Augustus sehr volkreiche, noch im 4. Jahrhundert bedeutende Stadt der Römer, Durocortorum (Reims), die Residenz des Statthalters. Die (wahrscheinlich durch Claudius mit einer Militärkolonie besiedelte) Hauptstadt der Treverer (Trier) nennt schon Mela eine sehr ansehnliche Stadt; ihr 6148 m langer Mauerring umschließt ein (nur auf dem rechten Moselufer gelegenes) Areal von 285 Hektar, so daß ihr Umfang den des mittelalterlichen und bis vor kurzem auch des modernen Trier um das Doppelte übertraf; ihre Mauer (mit der Porta Nigra) ist zu Anfang der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts erbaut. Ihre Glanzzeit war das 4. Jahrhundert, wo die Kaiser oft hier residierten; aus dieser stammen die Prachtbauten, von denen noch bedeutende Reste vorhanden sind; doch gehört das Amphitheater einer früheren Periode an. Die Ubierstadt, die unter Claudius eine römische Grenzfestung geworden war und im Jahre 50 als Militärkolonie ihren neuen Namen (Colonia Agrippinensis, Köln) erhalten hatte, war schon im Jahre 71 durch ihre Wohlhabenheit und ihr Wachstum ein Gegenstand des Neids für die Deutschen auf dem rechten Rheinufer. Ihre (derselben Zeit wie die die von Trier angehörige) Ringmauer umschließt einen Flächenraum von 97 Hektar, auf dem eine Einwohnerschaft von 30.000 Seelen Platz finden konnte. Köln und Deutz sind ergiebige Fundstätten von Architekturstücken, Skulpturen, Mosaiken, Metallarbeiten, Glas- und Tongefäßen. In der westlichen Schweiz waren, wie die baulichen Trümmer beweisen, die Flecken Vindonissa (Windisch, bis zur Verlegung der Grenze Standquartier einer Legion), Salodorum, Turicum, Lousonna, Genava zu Städten aufgeblüht, wenn sie auch rechtlich vici, d. h. Dorfgemeinden blieben; auch Baden bei Zürich war zu Anfang des 2. Jahrhunderts ein lebhafter, »in städtischer Weise gebauter« Ort. Die bedeutendste Stadt dieser Gegend, Aventicum (Avenches), stand »an Glanz und Stattlichkeit der öffentlichen Gebäude, an Luxus und Pracht der Wohnungen und Landhäuser der reicheren Bewohner wohl nur wenigen Provinzialstädten des Westens nach«. Ihre Mauern waren mit vielleicht gegen 100 Türmen bewehrt, eine treffliche Leitung versorgte sie mit Wasser, sie hatte ein Theater und ein Amphitheater, welches letztere 17.000 Zuschauer fassen konnte.
Das tarraconensische Spanien (der Norden und die östliche Hälfte) hatte, wie bemerkt, bereits unter Augustus 179, unter den Antoninen 248 selbständige Kommunen. Die Hauptstadt Tarraco war reich an Tempeln und öffentlichen Gebäuden aller Art sowie an plastischen Kunstwerken; Häuser, Villen und Grabdenkmäler zeugten von ihrer Wohlhabenheit. Bätica (Sevilla, Cordova, Granada und Teile der angrenzenden Provinzen) besaß schon unter Augustus 175 Städte, unter denen Gades, nach der Ansicht Strabos von keiner Stadt außer Rom an Einwohnerzahl übertroffen, mit 500 Bürgern, die mindestens 400.000 Sesterzen im Vermögen hatten, zu den größten und reichsten der Monarchie gehörte. »Die Ruinen von Emerita Augusta (Merida), der Hauptstadt von Lusitania (einer der 14 Städte des Ausonius), erregten schon, damals noch vollständiger erhalten, das Staunen der arabischen Schriftsteller; obwohl sie seitdem jahrhundertelang als Steinbruch benutzt wurden, sind doch noch Zirkus, Theater, Amphitheater, Stadtmauer, Wasserleitung, eine Brücke über das Anastal von 81 Bogen fast vollständig vorhanden, zahlreiche Tempelreste, Statuen u. a. mehr oder weniger zerstört.
Auch in Afrika hat die Zahl und der Wohlstand der Städte bis gegen das Ende des 3. Jahrhunderts wohl stetig zugenommen. Bereits Ptolemäus zählt deren 324, darunter nur wenige als Flecken bezeichnete. In einem Seitental des Medscherda (Bagradas) findet man in einer Zone von 55.000 Hektar eine Gruppe von 6 Städten, deren Entfernung voneinander nur wenige Kilometer beträgt; weiter südlich auf der Hochebene, die sich zu den Schotts (Salzseen) und zum Meere abdacht, liegen die Städte noch so dicht (im Abstand von 30 bis 40 Kilometer), daß man bequem in einer Tagereise von einer zur andern gelangen kann. Die Militärkolonien, deren wir in beiden Mauretanien 33, in der Doppelprovinz Numidia-Afrika (wo es in Plinius' Zeit nur 6 gab) 50 kennen, führten nicht bloß zur Vergrößerung, sondern auch zur Vermehrung der Städte, da Dörfer, in denen Veteranen angesiedelt wurden, sich allmählich zu städtischer Verfassung entwickelten. Auch bei manchen der als Zufluchtsorte für die Landbevölkerung bei Einfällen unabhängiger Stämme dienenden »Türme« und Burgen vermehrte sich die seßhafte Bevölkerung so, daß sie Stadtrecht beanspruchen konnte und erhielt. Von der Entstehung der Lagerstädte Lambäsis und Verecunda ist die Rede gewesen. Landgemeinden, die als unselbständige Glieder zu selbständigen Stadtgemeinden gehörten, erwuchsen mit der Zeit selbst zu solchen, wie die anfangs zum Kommunalverbande von Cirta gehörigen Orte Chullu, Mileu und Rusicade (Philippeville) etwa zu Ende des 3. Jahrhunderts; das letztere war reich an öffentlichen Gebäuden und statuarischem Schmuck. Ebenso erscheinen die vier Landgemeinden Thignica, Thibursicum Bure, Thugga, Agbia unter Gallienus sämtlich als Städte, und bedeutende Ruinen geben eine Vorstellung von ihrem Wohlstande.
Überhaupt ist die Blüte der römischen Städte in Afrika in der Zeit von Hadrian bis zu den Severen vorzugsweise durch ihre Überreste bezeugt. Während solche, die für nahegelegene arabische Orte als Steinbrüche dienen konnten, zum Teil so gut wie ganz von der Erde verschwunden sind, wie Karthago – das im 3. Jahrhundert mit Alexandria um die zweite Stelle nach Rom rivalisierte –, Utica, Hadrumetum (Susa), geben von andern in der antiken Literatur nie genannten, wie Uthina, Seressita (jetzt von ihren vier noch stehenden Toren Um-el-Abuab, d. h. Mutter der Tore, genannt, Sufetula, Gigthis, Thubursicum u. a., sehr ansehnliche Reste Zeugnis. In dem jetzt spärlich bewohnten, im Frühjahre von Fieberluft erfüllten Tale des Bagradas, einer afrikanischen Campagna, stößt man bei jedem Schritt auf Ruinen römischer Tempel, Bäder, Wasserleitungen; stellenweise deuten nur noch Trümmerhaufen die einstigen Ortschaften an, anderswo ragen wieder großartige Bauten, mit Skulpturen und Inschriften bedeckt, über das elende Gemäuer der hier eingenisteten arabischen Duars. In Groß-Leptis, von wo ganze Schiffsladungen von Säulen nach England und Frankreich gegangen sind, erkennt man in dem westlichen, tief verschütteten Stadtteile noch zahlreiche Reste von Bauten, die sich durch Kostbarkeit des Materials sowie durch Menge und Größe der Säulen auszeichnen. Sehr umfangreich sind u. a. die Ruinen von Thamugadi (Timgad), einem unter Wüstensand begrabenen afrikanischen Pompeji, sowie die der Vaterstadt des Augustinus, Thagaste, und der des Apulejus, Madaura. Theveste (Tebessa) ist »eine antike Stadt mit antiken Häusern, die noch bewohnt werden, wenn auch noch viel mehr in Schutt und Ruinen liegen«; ein Tempel, ähnlich der Maison carrée in Nîmes, Thermen, ähnlich denen des Caracalla, das Forum, eine Basilika und andres ist wohl erhalten. Auch von den Hauptstädten des östlichen Mauretaniens Sitifi und Cäsarea sind große Überreste vorhanden; das letztere hatte einen Umfang von einer geographischen Meile, mindestens den achtfachen des heutigen Scherschell. Die Ruinen der in West-Marokko (Mauretania Tingitana) gelegenen Stadt Volubilis (Reste eines Triumphbogens, eines Tempels und der Umfassungsmauer) bedecken, obwohl sie lange als Steinbruch für das nahe Miknes gedient haben, noch einen Hügel. Auf eine Zunahme der Gesamtbevölkerung während der Kaiserzeit läßt die Vermehrung und das Wachstum der Städte um so mehr schließen, als nach Herodian um die Mitte des 3. Jahrhunderts auch die ackerbautreibende Bevölkerung groß war. Nach Procop sollen in Afrika durch die Vandalen 5 Millionen Menschen umgekommen sein.
Die Bevölkerung Ägyptens, das unter den Ptolemäern 7 Millionen Einwohner gehabt haben soll, war im 1. Jahrhundert auf etwa 8½ Millionen gewachsen (das sind vielleicht 280 auf den Quadratkilometer, wie etwa heutzutage im dicht bevölkerten Königreich Sachsen). Es sollte in alter Zeit 20.000, unter den Ptolemäern 30.000 Ortschaften gehabt haben, und noch in der Kaiserzeit war es reich an Städten, wenn auch die Mehrzahl derselben klein und unberühmt war, zumal die Metropolen der Gaue mit Ausnahme der Griechenstädte Naukratis und Ptolemais (wozu später Antinoupolis kam) bis auf Septimius Severus der Autonomie entbehrten und daher staatsrechtlich nur den Charakter von Dörfern trugen. Die Weltstadt Alexandria aber, die wohl über 1 Million Einwohner hatte, konnte mit Rom wie in andern Beziehungen so namentlich in der Pracht und Größe ihrer Bauten wetteifern. Noch im 4. Jahrhundert hatte Ägypten mit Libyen und der Pentapolis zusammen 100 Bischofssitze.
Die Hauptstadt Syriens, Antiochia, stand an Umfang, Glanz und Volksreichtum Alexandria gleich; sie bestand aus vier, von besonderen Mauern und einer Hauptmauer umschlossenen Städten und hatte wie Alexandria zwei von bedeckten Säulengängen eingefaßte, einander rechtwinklig schneidende Hauptstraßen, deren längere 36 Stadien (6,5 km) lang war. Durch die Trefflichkeit und Fülle ihrer Wasserleitungen übertraf sie nach Libanius alle Großstädte, und sie war die einzige, von der wir wissen, daß sie (im 4. Jahrhundert) Straßenbeleuchtung hatte. Die beiden einander ebenfalls rechtwinklig schneidenden Hauptstraßen von Apamea am Orontes (mit 117.000 freien Einwohnern im Jahre 759/60 = 6/7 n. Chr.) waren etwa 1½ und 1 km lang; seine Akropolis, auf der jetzt ein Araberdorf von 100 Häusern steht, hatte wenigstens für 400 bis 500 Häuser Raum. Von Apamea bis zur Wendung des Orontes gegen das Meer stehen an seinem rechten Ufer auf einer Strecke von 150-180 km Länge »heute noch die Ruinen von gegen hundert Ortschaften, ganze noch erkennbare Straßen, die Gebäude mit Ausnahme der Dächer ausgeführt in massivem Steinbau, die Wohnhäuser von Säulenhallen umgeben, mit Galerien und Balkonen geschmückt, Fenster und Portale reich und oft geschmackvoll dekoriert mit Steinarabesken, dazu Garten- und Badeanlagen, Wirtschaftsräume im Erdgeschoß, Ställe, in den Felsen gehauene Wein- und Ölpressen, auch große, ebenfalls in den Felsen gehauene Grabkammern mit Sarkophagen gefüllt und mit säulengeschmückten Eingängen«. Es sind die Landwohnungen der Kaufleute und Industriellen von Apamea und Antiochia, Ansiedlungen, die der Zeit vom Anfang des 4. bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts angehören, denen aber sicher ähnliche, minder dauerhafte Villenanlagen vorausgegangen sind: bis zu einem gewissen Grade kann der Wohlstand der syrischen Kaufmannswelt, von dem wir hier ein Bild haben, auch für die frühere Kaiserzeit vorausgesetzt werden. Das »heilige und sehr große Damascus« nennt Kaiser Julian »das Auge des ganzen Orients« und rühmt die Schönheit und Größe seiner Tempel, die Pracht und Reichlichkeit seiner Wasserleitungen. Samosata am Euphrat war eine große und volkreiche Stadt mit einem großen Zeustempel. Für die Bedeutung von Heliopolis (Ba'albek) zeugen die großartigen Tempeltrümmer, die zu den imposantesten Ruinenstätten der Alten Welt gehören. Das schon in der ersten Kaiserzeit zum römischen Reiche gezogene Palmyra verdankte dem Karawanenhandel nach den Handelsplätzen am Euphrat und Persischen Meerbusen seine Bedeutung und seinen Wohlstand, von dem »die noch heute stehenden Tempel der Stadt und die langen Säulenreihen der städtischen Hallen, sowie die massenhaften, reich verzierten Grabmäler zeugen«; »mit Hilfe der großen unterirdischen Wasserleitungen und ungeheuren, künstlich aus Quadern angelegten Wasserreservoirs, von denen sich in der Umgegend noch Reste finden, muß der jetzt aller Vegetation bare Boden einst eine reiche Kultur entwickelt haben«. Nach der Zerstörung der Stadt durch Aurelian (272) »suchte und fand der Handel andere Bahnen, und dem kurzen, meteorartigen Aufleuchten Palmyras folgte unmittelbar die Öde und Stille, die seither bis auf den heutigen Tag über dem kümmerlichen Wüstendorf und seinen Kolonnadenruinen lagert.
Unter den Städten Phöniziens waren Sidon und Tyrus (mit sechsstöckigen Häusern) die größten: Zabulon, sagt Josephus, hatte schöne Häuser, gleich denen in Sidon, Tyrus und Berytus; auch Ptolemais war eine große, Aradus eine sehr volkreiche Stadt mit vielstöckigen Häusern. Unter den Städten Palästinas ragte nächst Jerusalem (mit 60.000 Einwohnern im Jahre 70) Gaza und die von Herodes prachtvoll erbaute Hafenstadt Cäsarea hervor; ihr Tetrapylon, ein Triumphbogen mit vier Toren (wohl auf dem Schnittpunkt ihrer beiden Hauptstraßen), wurde noch im 4. Jahrhundert als Sehenswürdigkeit genannt.
Für Ostsyrien und das Nabatäerland brach mit der Einrichtung der Provinz Arabien und der Verlegung einer Legion nach der Hauptstadt Bostra (106) die einzige Epoche der Ruhe und guten Verwaltung an, deren diese Länder, jetzt eine fast unbewohnte, nur von Beduinen durchstreifte Wüste, sich jemals erfreut haben: der Zeit der römischen Herrschaft (von Trajan bis Justinian) gehören fast sämtliche dort erhaltene bauliche Überreste an. In der Ledjâ, einem 13 Stunden langen und 8-9 Stunden breiten, jetzt fast menschenleeren, damals hochkultivierten Lavaplateau, durch welches die Bostra mit Damascus verbindende Römerstraße führte, und um sie zählt man die Ruinen von 12 größeren und 39 kleineren Ortschaften. Schon der erste Statthalter der neuen Provinz ließ Aquädukte bauen, die das Wasser vom Gebirge des Haurân nach Canatha (Kerak) und Arrha (Rahâ) führten. Bostra, durch eine römische Straße mit dem Persischen Meerbusen verbunden, nahm als Handelsplatz einen gewaltigen Aufschwung; es vermittelte nun neben Palmyra und Petra den Verkehr vom Osten zum Mittelmeer; seine langen Reihen steinerner Buden bezeugen noch jetzt seine damalige sowie die Möglichkeit seiner künftigen Größe. Die bei dem Mangel des Holzes ganz aus Stein aufgeführten Bauwerke des Hauân geben von der ganz eigenartigen dort in dem halben Jahrtausend zwischen Trajan und Mohammed blühenden Kultur ein überraschend anschauliches Bild. Durch die römische Herrschaft »erhielt das Bauen einen Anstoß, der nicht wieder zum Stillstand kam: überall erhoben sich Häuser, Paläste, Bäder, Tempel, Theater, Aquädukte, Triumphbogen; Städte stiegen aus dem Boden binnen weniger Jahre, mit der regelmäßigen Anlage, den symmetrisch geführten Säulenreihen, die die Städte ohne Vergangenheit bezeichnen und für diesen Teil Syriens während der Kaiserzeit gleichsam die unvermeidliche Uniform sind« (M. de Vogué). Die östliche und südliche Abdachung des Haurân weist ungefähr 300 derartige verödete Städte und Dörfer auf, während dort jetzt nur 5 Ortschaften vorhanden sind; einzelne von jenen zählen bis 800 ein- bis zweistöckige, noch bewohnbare Häuser, durchaus aus Basalt gebaut, mit wohlgefügten, ohne Zement verbundenen Quadermauern, meist ornamentierten, oft auch mit Inschriften versehenen Türen, die flache Decke gebildet durch Steinbalken, welche von Steinbogen getragen und durch eine Zementlage regenfrei gestellt werden. Die Bauweise ist im ganzen die gewöhnliche griechische der Kaiserzeit mit einzelnen Anklängen an die ältere orientalische; doch mit einer durch das Fehlen des Holzes bedingten Entwicklung des Steinbogens und der Kuppel, die diesen Bauten technisch wie künstlerisch einen originellen Charakter verleiht. Die Stadtmauer wird gewöhnlich nur durch die zusammengeschlossenen Rückseiten der Häuser gebildet und ist durch zahlreiche Türme geschützt. Vor den Toren liegen die oft unterirdischen oder mit künstlichem Steindach versehenen, zum Teil noch heute von den Beduinen instand gehaltenen Zisternen.
Unter den dortigen römischen Städten ist Gerasa von einer noch überall zu verfolgenden, stellenweise 3,5 m dicken, 3552 m langen Quadermauern umgeben und von drei gewaltigen Säulenstraßen durchzogen; außer dem großartigen Haupttempel sind noch zwei kleinere Tempel, zwei Theater, mehrere große Bäder, Aquädukte und andere Reste übrig. Eine gräberreiche Nekropolis, welche die Größe der Bevölkerung beweist, umgibt die Stadt auf allen Seiten. Das erst von Kaiser Philipp dem Araber zur Stadt erhobene Philippopolis war nach seinen Ruinen ein bedeutender Ort, von einer rechteckigen Mauer umschlossen, von zwei gepflasterten Hauptstraßen kreuzweise durchschnitten, mit einem Theater, einer Wasserleitung, Bädern, Tempeln und zahlreichen andern öffentlichen Gebäuden. Die meist in den lebendigen Felsen gehauenen, größtenteils erst der Römerherrschaft angehörigen Prachtbauten von Petra (der alten Residenz der nabatäischen Könige) zeigen alle phantastischen Ausartungen des sinkenden Architektur- und Skulpturstils des 2. bis 3. Jahrhunderts. »Die Grabstätten, welche in die östlich und westlich von Petra aufsteigenden Felswände und in deren Seitentäler eingebrochen sind, mit ihren oft in mehreren Reihen übereinandergestellten dorischen oder korinthischen Säulenfassaden und ihren an das ägyptische Theben erinnernden Pyramiden und Propyläen sind nicht künstlerisch erfreulich, aber imponierend durch Masse und Reichtum. Nur ein reges Leben und ein hoher Wohlstand hat also für seine Toten zu sorgen vermocht.«
Von den 500 Städten der Provinz Asia, welche die Küstenstriche und Inseln von Äolis, Ionien und Doris, die Landschaften Mysien, Lydien, Karien und Phrygien umfaßte, ist wiederholt die Rede: auch diese Zahl beruht auf einer amtlichen Angabe. Ein der reichsten und prachtvollsten Städte nicht bloß dieser Provinz, sondern ganz Kleinasiens, deren Größe noch jetzt die Ruinen ihres Theaters und Amphitheaters bezeugen, war Cyzicus, die bedeutendste des Binnenlands Apamea (Κιβωτός); daß aber auch Städte zweiten Ranges an Umfang, Wohlstand und Denkmälern sehr ansehnlich waren, haben die Ausgrabungen auf dem Boden des durch seine heißen Quellen berühmten phrygischen Hierapolis gezeigt. Von elf Städten, die sich im Jahre 26 n. Chr. um die Ehre bewarben, dem Kaiser Tiberius einen Tempel erbauen zu dürfen, wurden fünf als zu unbedeutend sogleich zurückgewiesen, darunter Laodicea; doch sagt Strabo von dieser Stadt, daß ihre Wollproduktion und die Fruchtbarkeit ihres Bodens sie reich und die Munifizenz einiger Bürger groß gemacht hatte. Ein Hiero hatte ihr eine Erbschaft von mehr als 2000 Talenten (nahezu 9½ Millionen Mark) hinterlassen; überdies hatte er, und nach ihm der Rhetor Zeno und der (von Antonius und Augustus zur Königswürde erhobene) Polemo sie durch Bauten und Monumente verschönert. Hiernach mag man sich den Glanz und Reichtum der zur Bewerbung zugelassenen Städte Halikarnaß, Pergamum (mit 120.000 Einwohnern), Ephesus, Milet, Sardes und Smyrna vorstellen. Unter ihnen galten Pergamum und Ephesus für die Zierden Asias, das letztere, die Residenz der Statthalter, für eine der volkreichsten und am schönsten gebauten Städte der Welt; doch Smyrna behauptete unbestritten den Ruhm der schönsten in der Provinz. Von Aphrodisias, von dessen Wohlstande und Blüte die reichlichen, auf Inschriftsteinen erhaltenen, bis in die Zeit der Gordiane reichenden Nachrichten über den dort für Schauspiele gemachten Aufwand einen hohen Begriff geben, haben sich trotz der Benutzung der älteren Bauten zu einer im 4. Jahrhundert aufgeführten Mauer und der fortwährenden Ausbeutung der Trümmer als Steinbruch bedeutende Reste aus römischer Zeit erhalten; desgleichen von Stratonicea. Die Hauptstadt der wahrscheinlich unter Vespasian der Provinz Asia einverleibten Insel Rhodus war bis zu ihrer Zerstörung durch ein Erdbeben um die Mitte des 2. Jahrhunderts die reichste und blühendste griechische Stadt, und zugleich eine der am schönsten und regelmäßigsten gebauten und an prachtvollen Anlagen reichsten Städte der Welt.
Im übrigen Kleinasien war das wasserlose, zum Teil nur zur Weide geeignete Binnenland Phrygiens, Lykaoniens, Galatiens, Cappadociens auch in jener Zeit nur dünn bevölkert, doch die übrige Küste stand hinter Asia nicht weit zurück. Unter den Städten Bithyniens stritten Nicäa und Nicomedia um den ersten Rang. Die letztere war nach Ammian von früheren Kaisern, namentlich Diocletian, so erweitert und verschönert worden, daß sie dem Kaiser Julian nach der Masse ihrer öffentlichen und Privatgebäude wie ein Teil von Rom erschien; außer Rom übertrafen es damals nur Antiochia, Alexandria und Constantinopel an Größe, keine an Schönheit. In der Provinz Pontus, wo die Hauptstadt des Königs Mithridates, Amasea, ein blühender Ort blieb, erwuchs Trapezunt erst in der römischen Kaiserzeit zu einer bedeutenden Stadt. Die Einwohnerzahl der Hauptstadt von Cappadocien, Cäsarea, wurde im 3. Jahrhundert auf 400.000 geschätzt. Die dort an der Grenze von Armenien erbaute Festung Melitene, von Trajan zur Stadt erhoben, wurde mit der Zeit groß und volkreich und breitete sich nun unter dem Kastell aus. Die Ebene bedeckte sich mit Tempeln, Wohnungen für Behörden, Straßen und Markt, Läden und Magazinen, Säulenhallen, Bädern, Theatern und allem, was zum Schmuck einer großen Stadt gehört; Justinian ummauerte sie.
Doch die überraschendsten und reichsten Anschauungen von der Menge, Größe und Pracht der Städte Kleinasiens in jener Zeit bieten die massenhaften, wohlerhaltenen Ruinen in Pamphylien und Pisidien, jetzt »einem vergessenen, verschollenen Winkel der Welt«. Die einzig lebendig gebliebene Stadt der ganzen lykisch-pamphylischen Küste, Attila (Adalia), zeigt als bedeutendstes Denkmal ein dreibogiges Prachttor, das die Erinnerung an einen Einzug Hadrians verewigt. Termessus, 940 m hoch auf einer von Höhen umgebenen Einsenkung mit dem Blick aufs Meer gelegen, ist »ein herrliches, überaus vollständiges Bild einer alten Stadt mit allen ihren wichtigen Bestandteilen, Tempeln, Theater, Gymnasium, öffentlichen Bauten, die den schön und zierlich geordneten Marktplatz umringten, und Gräberfeldern, die sich an den Abhängen hinaufziehen«. Perge erscheint wie ein bewohnter oder eben erst verlassener Ort. An den Burgberg schließen sich in einer Länge von 900 m und einer Breite von beinahe 600 m lückenlos die zinnengekrönten Mauern, auf denen von 70 zu 70 Schritten viereckige Türme stehen, oft bis zu ihrer ursprünglichen Höhe erhalten. Die Straßen kreuzen sich regelmäßig, aus dem Haupttor im Süden führt eine von Säulenhallen flankierte Straße auf die Mitte der Burg zu; Theater und Stadium konnten etwa 15.000 Zuschauer fassen. Unter den Ruinen von Aspendus ragt außer einem großartigen Aquädukt, der das Wasser auch über die Berge führte, neben den Trümmern des Stadiums das Theater mit der überladenen Marmorpracht seiner Szenenwand hervor, das etwa 8000 bis 9000 Zuschauer fassen konnte. Side zieht sich auf einer spitzen Halbinsel ins Meer hinaus, gegen das Festland abgemauert; eine zweite, innere Festlandsmauer schließt das gewaltige, gleich einem Berge aus dem niedrigen Trümmerhaufen der Stadt emporsteigende Theater ein, das für mehr als 15.000 Zuschauer Raum hatte. Die Ruinen von Selge zerfallen in zwei Massen: der stark befestigte obere Teil der Stadt, der zwei Akropolen nebst dem dazwischen liegenden Sattel (dem prächtigsten Bezirk) umfaßte, enthielt die öffentlichen und religiösen Gebäude. Im untern stehen noch fünf Säulen einer Kolonnade, die einst den ganzen Marktplatz umzog; oberhalb derselben das auf 8000 bis 9000 Menschen berechnete Theater und das Stadium. Auch in dem 1000 m hoch gelegenen Cremna, das unter Augustus eine römische Kolonie erhielt, gehören die meisten Bauten der mittleren und späteren Kaiserzeit an. Sagalassus liegt auf einem ansteigenden und zugleich wellenartigen Terrain: »Indem jede der wellenartigen Erhebungen mit bedeutenden Gebäuden gekrönt war, die durch Säulenhallen und bei der Unebenheit des Bodens durch breite Treppen und Terrassen miteinander verbunden waren, entstand ein überaus malerisches Bild, dessen Eindruck auch die ungeheuren Trümmer noch ganz hervorzurufen vermögen.« Unter ihnen ist die Ruine eines korinthischen Tempels (vielleicht aus der Zeit Trajans) und die des Theaters, über dem sich wieder die Reste eines sehr großen Tempels befinden. Auch eine Kleinstadt wie Sillyon hatte ein Theater, ein Odeum und ein Stadium. »Am Ausgange des 2. Jahrhunderts n. Chr., so kurz vor dem nahenden Verfall, müssen diese Städte den Eindruck von großen, einheitlichen Kunstwerken, von Idealbildern gemacht haben, mit ihrem malerischen Mauerringe, aus dem wohlgepflegte, gräberumsäumte Wege hinausführten, ihren gerade gezogenen Straßen, den öffentlichen Anlagen, Tempeln, Bädern, Gymnasien, Markthallen in jedem Quartier, darüber die Burg mit stolzen Säulenbauten, dem Wohnplatz der die Stadt beschützenden Götter.« Die baulichen Anlagen der Küste Ciliciens sind ebensogut erhalten, wie die pamphylischen, »desto mehr tritt eine verhältnismäßige Ärmlichkeit im Material und der ganzen Bauweise hervor«. Eine Ausnahme macht Antiochia am Kragos mit seinen beiden Hallenstraßen und dem prächtigen Marmortempel. Reste von Hallenstraßen haben sich auch in Pompejopolis, Seleucia am Calycadnus und in Hierapolis-Castabala erhalten. Von der einstigen Bedeutung von Mopsuestia zeugen eine ansehnliche Stadtbefestigung, ein Theater und eine große Wasserleitung. Das Innere der gänzlich verlassenen Stadt Anazarba ist tief verschüttet und überwuchert von einer üppigen Vegetation, aus welcher einzelne Säulen einstiger Hallenstraßen hervorragen; von andern aus dem Altertum stammenden Bauten sind zwei großartige Wasserleitungen, ein Theater, Stadium und Amphitheater erkennbar.
Aber nicht bloß hier, sondern überall, wo »ein von der Verwüstung der anderthalb Jahrtausende, die uns von jener Zeit trennen, vergessener Winkel des Lands sich der Forschung erschließt, da ist das erste und mächtigste Gefühl das Entsetzen, fast möchte man sagen die Scham über den Kontrast der elenden und jammervollen Gegenwart mit dem Glück und dem Glanz der vergangenen Römerzeit«. Als unter Claudius Lycien Provinz ward, verlegte man die alte Bergstadt Kragos in die Ebene; auf dem Marktplatz der neuen Stadt Sidyma stehen noch die Reste des viersäuligen, dem Kaiser damals gewidmeten Tempels und einer stattlichen Säulenhalle, welche ein von dort gebürtiger und als Arzt zu Vermögen gelangter Bürger in seiner Vaterstadt baute. Statuen der Kaiser und verdienter Mitbürger schmückten den Markt; es gab in der Stadt einen Tempel ihrer Schutzgötter Artemis und Apollon, Bäder, Gymnasien für die ältere wie für die jüngere Bürgerschaft; vor den Toren zogen sich an der Hauptstraße, die steil hinab nach dem Hafen von Kalabatia führte, Reihen hin von steinernen Grabmonumenten, stattlicher und kostbarer als die Pompejis und großenteils noch aufrecht. Dies Kragos-Sidyma gehörte nicht zu den Städten erster Klasse der kleinen Provinz Lycien, war ohne Theater, ohne Ehrentitel, eine bescheidene Provinzialstadt und durchaus eine Schöpfung der römischen Kaiserzeit. Aber im ganzen Vilajet Aidin ist heute kein Binnenort, der für zivilisierte Existenz auch nur entfernt diesem Bergstädtchen, wie es war, an die Seite gestellt werden könnte.
Byzanz, die größte, sehr wohlhabende und volkreiche Stadt Traciens, wurde bei der Einnahme durch Septimius Severus nach einer zweieinhalbjährigen Belagerung 195 größtenteils zerstört, ihrer Theater, Bäder und allen Schmucks, sogar des Stadtrechts beraubt; ihre gewaltigen, auf der Landseite 5 Stadien (rund 900 m) langen Quadermauern, mit hohen, die Verteidiger völlig deckenden Schutzwehren und zahlreichen, kunstvoll angelegten Türmen, erregten noch als Ruinen Bewunderung. Im Innern des Landes, das in der Zeit seiner Selbständigkeit nur Dörfer und Fürstenburgen enthalten hatte, sind außer Philippopolis, das im Jahre 251, wo es den Goten erlag, 100.000 Einwohner gezählt haben soll, die größeren Orte erst unter den Römern entstanden oder städtisch ausgebaut worden, namentlich unter Trajan und Hadrian (u. a. Hadrianopolis, wo sich im späteren Altertum ausgedehnte Waffenfabriken befanden). Die Hauptstadt Macedoniens, Thessalonice, preist Lucian in einer dort gehaltenen Rede wegen ihrer Schönheit und Volksmenge, ihres Reichtums und Glanzes und nennt sie eine mit allen wünschenswerten Gütern geschmückte Stadt. Die Hauptstadt Dalmatiens, Salonä, die als bedeutendster Handelsplatz in diesen Gewässern neben Aquileja eine der volkreichsten und wohlhabendsten des Okzidents gewesen sein muß, war von einer Mauer mit 88 Türmen und 3 Toren umgeben. Ihre im 17. Jahrhundert noch sehr bedeutenden Überreste sind zu Neubauten verbraucht, doch Reste eines Theaters und Amphitheaters noch vorhanden. Der gewaltige Palast, den Diocletian sich in der Entfernung von etwa einer halben Meile am Meere erbaute, war nach Art eines Lagers angelegt und erschien von außen als ein von Mauern umschlossenes Rechteck (175 x 215 m) mit 4 Türmen an den Ecken. Die heutige Hauptstadt Spalato hat zum größten Teil innerhalb seiner Mauern Platz gefunden, und dessen Tempel dienen ihr als Dom und Baptisterium. Auch in Jader (Zara) zeugen Säulen und Architravblöcke von entschwundener Pracht, und die Lage des alten Burnum bezeichnen zwei luftige Bögen bei Kistagne, nach denen die Stätte im Volksmunde noch heutigen Tages » archi Romani« heißt.
Griechenland (ohne Thessalien und Epirus) besaß, obgleich sehr verarmt und verödet, unter den Antoninen auf dem Festlande neben einer großen Zahl von Dörfern und Flecken noch über 100 Orte (davon 60 im Peloponnes), in denen ein wirkliches städtisches Leben fortbestand: die meisten waren ohne Zweifel sehr herabgekommen, doch hatten sich auch manche gehoben, wenigstens von Tithorea sagt es Plutarch. Von dem neuen Glanze, den Athen durch die Bauten Hadrians und des Herodes Atticus erhielt, wird unten die Rede sein. Die Hauptstadt und Residenz des Statthalters, Korinth, war auch als römische Kolonie groß, reich, glänzend und stark bevölkert. Die von Augustus als Denkmal des Seesiegs von Actium an dem südlichsten Punkt von Epirus (1½ Stunden n. von Prevesa) gegründete Stadt Nicopolis »blieb, wie die ausgedehnten Ruinen und zahlreichen Münzen beweisen, ebenfalls verhältnismäßig blühend und bevölkert«.
Auch in den nördlichen Ländern blühten die Städte in erstaunlich kurzer Zeit empor. Selbst in dem sehr allmählich eroberten, durch Kriege und Aufstände fortwährend in Unruhe erhaltenen Britannien, wo die Spuren städtischen Lebens sehr gering sind, waren die römischen Orte an stattlichen Bauten nicht arm. Die Hauptstadt Camulodunum (Colchester) wurde im Jahre 61, 18 Jahre nach der Eroberung des Lands, von den aufständischen Einwohnern leicht eingenommen, weil man bei ihrer Anlage mehr für Annehmlichkeit als für Festigkeit gesorgt hatte. Sie besaß eine Kurie, ein Theater und einen Tempel des Claudius, in dem sich die römischen Soldaten zwei Tage lang halten konnten. Londinium (London) war ein durch Handel sehr lebhafter Ort; an beiden Orten und Verulamium (nahe St. Albans) zusammen wurden im Jahre 61 an 70.000 Bürger und Provinzialen von den Aufständischen erschlagen. Die in bedeutendem Umfange auf dem Boden Londons gefundenen, zum Teil Prachtgebäuden angehörigen römischen Reste bestätigen diese Angabe vollkommen. Auch von Viroconium (Wroxeter, dem infolge der 1859 begonnenen Ausgrabungen sogenannten »britischen Pompeji«) sind erhebliche Ruinen übrig. In Bath, wo keine Spur von städtischem Leben sich gefunden hat, sind bedeutende Reste von Thermen und einem Tempel, geringere auch von andern Tempeln entdeckt worden; an verschiedenen Orten Britanniens werden Tempel in Inschriften genannt. Agricola benutzte schon den ersten Winter seines Aufenthalts in Britannien 78 dazu, die zerstreuten und rohen und deshalb kriegslustigen Einwohner durch Lebensgenuß an Ruhe und Frieden zu gewöhnen, indem er Bauten von Tempeln, Foren und Wohngebäuden durch Ermahnungen und Unterstützungen förderte; und bald ging man zu Bädern und Säulenhallen über. So schnell schmückte sich auch diese abgelegenste Provinz mit Luxusbauten, deren besiegter Fürst Caratacus nur ein Menschenalter früher beim Anblick Roms unbegreiflich gefunden hatte, daß die Besitzer solcher Pracht die armseligen Hüttchen von Wilden begehren konnten.
Die Ebene am rechten Rheinufer und das Neckargebiet bis zur Schwäbischen Alb hinauf mit Einschluß des Schwarzwalds (das Zehntland) ist nur vom Ende des 1. bis in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts in römischem Besitz gewesen; doch sind in Württemberg allein an weit über 100 Orten Spuren römischer Niederlassungen gefunden worden, und das städtische Leben blühte innerhalb des neuen Grenzschutzes auf, fast wie auf dem linken Rheinufer: »Sumelocenna (Rottenburg am Neckar), Aquä ( civitas Aurelia Aquensis, Baden-Baden), Lopodunum (Ladenburg) hatten, wenn man von Köln und Trier absieht, in römisch-städtischer Entwicklung den Vergleich mit keiner Stadt der Belgica zu scheuen«; auch die römische Ortschaft bei Wiesbaden ( aquae Mattiacae) wird zu den bedeutenderen gehört haben. Sumelocenna war am Ende des zweiten und im dritten Jahrhundert der bedeutendste Ort nicht allein des Neckargebiets, sondern vielleicht der rechtsrheinischen Provinz überhaupt. Die römische Stadt erstreckte sich auf beiden Seiten des Flusses weit über die heutige hinaus. Fortwährend werden in und bei Rottenburg die Werkstücke monumentaler Bauten, Säulen, Kapitelle und Gesimse, Bildwerke und Inschriften aufgefunden, die Ruinen von Heiligtümern und Bädern, auch ein großes Theater ist zum Vorschein gekommen. Bei Rottweil war auf dem rechten Neckarufer eine sehr bedeutende römische Niederlassung, Arae Flaviae, wohl der Vorort einer Gaugemeinde, deren Blüte in der mittleren Kaiserzeit Grundmauern vornehmer Privathäuser, ein sehr stattliches Bad, schöne Mosaiken und Einzelfunde aller Art aus Bronze, Glas und Terrakotta beweisen. Die 1784 durch Zufall entdeckten Bäder in Badenweiler, deren Bauten eine Fläche von gegen 300 m² bedeckten, setzen eine ständige Niederlassung voraus, und sicherlich war das römische Badenweiler, wenn es auch an Baden-Baden nicht heranreichte, ein ansehnlicher Vicus.
Die Hauptstadt des mit dem nur sehr unvollkommen und spät romanisierten Rätien verbundenen Vindelicien, die unter Augustus gegründete und nach ihm benannte, schon zu Ende des 1. Jahrhunderts sehr ansehnliche Niederlassung Augusta Vindelicorum (Augsburg) besaß vielleicht ein Amphitheater, und zahlreiche Inschriften und Skulpturen zeugen von ihrer einstigen Blüte. Während sie aber in Rätien das einzige Zentrum römischer Zivilisation blieb, drang diese in dem angrenzenden Noricum so tief ein, daß es »ein Vorland und gewissermaßen ein Teil Italiens« wurde. Die kleinen dortigen Standlager und selbst das von Marc Aurel eingerichtete Lager einer Legion Lauriacum bei Enns waren für die städtische Entwicklung Noricums ohne Bedeutung. Die großen Ortschaften, wie Celeja (Cilli), Aguontum (Lienz), Teurnia (St. Peter im Holz), Virunum (Zollfeld bei Klagenfurt), der Zentralpunkt der Provinz, von dem sehr ausgedehnte Reste übrig sind, im Norden Juvavum (Salzburg), sind rein aus bürgerlichen Elementen hervorgegangen.
Dagegen in Pannonien stand und blieb die Zivilisation ganz unter dem Einflüsse der Lager der drei, später, wie es scheint, nur zwei Legionen; das Hauptquartier wurde wohl unter Vespasian Carnuntum (Petronell, östlich von Wien) und daneben Vindobona (Wien); von der neben dem ersten Ort entstandenen Lagerstadt sind weit ausgedehnte Ruinen übrig. Erst seit dieser Zeit ging die Regierung daran, die Provinz, die bis dahin nur in ihrem westlichen Teil Städte gehabt hatte, wie Emona (Laibach) und Savaria (Stein am Anger), städtisch zu organisieren. In dem westlichen, ursprünglich norischen Gebiet erhielt Scarbantia (Ödenburg am Neusiedler See) Stadtrecht unter den Flaviern, zwischen Save und Drau Siscia (Sziszek) und Sirmium (Mitrovitza) zu derselben Zeit, an der Drau Poetovio (Pettau) unter Trajan, Mursa (Eszeg) unter Hadrian Kolonialrecht. Die Hauptorte waren Sirmium und Savaria, das unter seinem alten Namen bis zur magyarischen Eroberung im 10. Jahrhundert fortbestand und an römischen Resten sehr reich ist. Von dem Wohlstande Sirmiums zeugen namentlich auch die zahllosen, vielgestaltigen Funde an plastischen Kunstwerken, Geräten aller Art, Münzen usw. und z. B. auch die im Agramer Museum lagernden mächtigen Brunnenröhren, welche aus beträchtlicher Höhe weither von Norden klares Wasser leiteten.
Noch geringer als in Pannonien war die Entwicklung der Städte in Mösien. Auch hier ging die italische Zivilisation von den Lagern aus, von denen die bei Singidunum (Belgrad) und Viminacium (Kostolatz) wahrscheinlich die ältesten waren; die Bedeutung der letzteren Stadt beweist ein großes Ruinenfeld und die Menge der von hier durch das benachbarte Serbien verschleppten Kunstreste. In Untermösien (zwischen Balkan und Donau) entstanden die Anfänge einer römischen Zivilisation erst mit der Gründung der Legionslager von Novä (bei Svischtova), Durostorum (Silistria) und Troesmis (Iglitza bei Galatz).
Auch in der jüngsten und nach 170 Jahren wieder aufgegebenen Provinz Dacien (Siebenbürgen, Banat, Moldau und Walachei) haben anderthalb Jahrtausende nicht völlig zu zerstören vermocht, was die römische Herrschaft in so kurzer Zeit geschaffen hat. In dem ganz neu mit Ansiedlern aus verschiedenen Provinzen (namentlich Dalmatien und Kleinasien) bevölkerten Lande entwickelte sich das römische Städtewesen schneller und kräftiger als in den übrigen Donaulandschaften. Eine Fülle der mannigfaltigsten Überreste aller Art bezeugt die Existenz von weit über 100 mehr oder minder blühenden römischen Orten, größtenteils in Siebenbürgen. Sarmizegetusa (Várhely), die von Trajan zur römischen Kolonie umgeschaffene Landeshauptstadt, blieb der Mittelpunkt der Provinz und die Residenz des Statthalters: zwölf walachische Dörfer erfüllen heute den Raum ihres einstigen Umfangs, noch sieht man den Felsen ihres Kapitols und die Arena ihres Amphitheaters. Von der Bedeutung des militärischen Zentrums der Provinz, Apulum, zeugt das weite Trümmerfeld um das heutige Karlsburg. Eine Reihe von Dorfgemeinden in Dacien erwuchs zu Städten, und die Militär- und Straßenstationen, mit denen das Land wie mit einem Netze überzogen war, gewannen mit der Zeit mehr oder weniger stadtartige Bedeutung.
Sowohl für die Kommunen als für die einzelnen Bürger war der im Altertum in so hohem Grade entwickelte und auch in jener Zeit noch durch die relative Selbständigkeit der Gemeinden genährte Munizipalpatriotismus (eine der besten Seiten des antiken Städtelebens) der stärkste Sporn, nach Kräften, ja selbst mit großen Opfern zur Ausstattung der Städte mit notwendigen und nützlichen Bauten und Anstalten, sowie zu ihrer Verschönerung auf jede Weise beizutragen. Der in der antiken Menschheit so mächtig wirkende Trieb, sich ansehnlich, würdig und prächtig darzustellen, beherrschte die Gemeinden nicht weniger als die einzelnen und trieb sie allem Anscheine nach nicht selten zu Anstrengungen, die ihr Vermögen überstiegen. Dazu kam besonders in den griechischen Ländern die Eifersucht der Städte aufeinander, »diese alte Krankheit der Hellenen«, und das daraus entspringende Trachten, einander zu überbieten.
Die römischen Kolonien sollten »Abbilder der Hauptstadt im kleinen« sein, was sich selbst in der Anwendung von Namen römischer Lokalitäten zeigt: die (je 7) Bezirke zweier von Augustus kolonisierter Städte, Ariminum und Antiochia in Pisidien, sind allem Anscheine nach mit denselben von Gegenden Roms entlehnten Namen (wie Cermalus, Aventin, Velabrum, Tuskerquartier) bezeichnet gewesen, und wahrscheinlich wurden solche in Kolonien häufig angewandt, doch nicht bloß in ihnen. So hatte Falerii eine heilige Straße, Benevent eine esquilinische, Puteoli eine palatinische Region, Lyon und die Chattenhauptstadt Mattiacum einen Vatikan, Aquileja vielleicht eine Region Isis und Serapis usw. Das Recht, ein Kapitol zu besitzen, das wie das römische Tempel des Juppiter, der Juno und der Minerva trug, oder die Statue des Marsyas (wie ebenfalls in Rom) auf dem Forum aufzustellen, scheinen (bis auf Caracalla) nur Kolonien gehabt zu haben. An einigen Orten, wie Köln, Florenz, Nîmes, Cagliari, hat sich die Erinnerung an die Kapitole in Benennungen von Kirchen (»St. Maria im Kapitol« und dgl.) erhalten.
Die Ausführung der städtischen Bauten erfolgte entweder durch eigens ernannte Baukommissare ( curatores operum) oder durch die jährlich wechselnden obersten Gemeindebeamten, die sie in der Regel an den Mindestfordernden in Akkord gaben und nach der Vollendung abnahmen. »Wenn die Städte eine Vergebung von Tempelbauten oder Errichtung von Kolossen ausschreiben«, sagt Plutarch, »so hören sie die Künstler an, die sich um die Übernahme bewerben und ihre Anschläge und Risse vorlegen; dann wählen sie den, der bei den geringsten Kosten die beste und schnellste Ausführung verspricht.«
Den Umfang, die Bedeutung und die Zwecke der städtischen Bauten mögen zunächst einige Mitteilungen aus der Korrespondenz veranschaulichen, die Plinius (in den Jahren 111-113 etwa) als Statthalter von Bithynien mit Trajan führte. Zu allen städtischen Neubauten aus öffentlichen Mitteln bedurfte es der kaiserlichen Erlaubnis. Für Prusa am Olymp erwirkte Plinius diese zum Bau eines neuen Bads, wie es »die Würde der Stadt und der Glanz der Regierungsperiode« erforderte; der Bau erfolgte auf der Stelle eines in Ruinen liegenden Hauses, und so wurde zugleich die häßlichste Stelle der Stadt verschönert. Zu Nicomedia war eine Wasserleitung, die der Stadt 3,329.000 Sesterzen (gegen 724.000 Mark) gekostet hatte, unvollendet geblieben, dann abgebrochen worden, ebenso eine zweite, für die bereits 200.000 Sesterzen (43.500 Mark) ausgegeben waren. Nun erteilte Trajan die Erlaubnis zum Bau einer dritten, die auf Bogen (teils aus Quadern, teils aus Backstein) das Wasser auch in die höheren Teile der Stadt führen sollte: Plinius versicherte, daß sowohl der Nutzen als die Schönheit des Baus der Regierungszeit Trajans höchst würdig sein werde. Kurz vorher hatte dieselbe Stadt den Bau eines neuen Forums neben dem alten begonnen. Zu Nicäa hatte der Bau eines Theaters bereits mehr als 10 Millionen Sesterzen (2,175.000 Mark) verschlungen; Privatleute hatten sich anheischig gemacht, es aus eigenen Mitteln mit mannigfachen Verschönerungen auszustatten, namentlich einen Säulengang oberhalb des Zuschauerraums und Basiliken im Umkreise aufzuführen. Aber noch vor Vollendung des Hauptgebäudes zeigten sich so große Risse, daß eine Reparatur kaum zu lohnen schien. Gleichzeitig wurde an Stelle des abgebrannten Gymnasiums ein weit größeres und weitläufigeres gebaut, dessen Mauer aber der mit der Fortführung des (von einem andern begonnenen) Baus beauftragte Architekt trotz der kolossalen Dicke von 22 römischen Fuß (6½ m) für zu schwach erklärte, um die in Aussicht genommene Belastung zu tragen. Zu Claudiopolis befand sich eine ungeheure städtische Badeanstalt im Bau. Zum Bau eines Aquädukts, der das Wasser aus einer Entfernung von 16 Millien (24 km) nach Sinope führen sollte, gab Trajan der Stadt die Erlaubnis, falls der Bau ihre Kräfte nicht überstiege, da er sehr zur Erhöhung der Gesundheit und Annehmlichkeit beitragen würde. Die schöne und prächtige Stadt Amastris hatte unter andern herrlichen Bauwerken eine sehr stattliche und lange Straße, die aber ein übelriechender Fluß ihrer ganzen Länge nach durchfloß; auch hier genehmigte Trajan dessen Bedeckung aus städtischen Mitteln.
Dieselbe Wohlhabenheit der Städte und dieselbe Verwendung großer Mittel für bauliche Zwecke, wie sie diese Angaben für Bithynien erweisen, darf für die meisten Provinzen des römischen Reichs in jener Zeit vorausgesetzt werden. Bauten, die für eine ganze Landschaft wichtig waren, wurden von mehreren Städten gemeinsam ausgeführt: wie die im Jahre 105/6 vollendete Brücke von Alcantara von elf Munizipien der Provinz Lusitanien.
Zu den regelmäßigen Einnahmen der städtischen Gemeinden Italiens und der Westprovinzen (seltener im Osten des Reiches) gehörten die Antrittsgelder, welche die zu Ehrenämtern und Priestertümern erwählten Männer und Frauen sowie die in den Gemeinderat (Dekurionat), den zweiten Stand (die Augustalität) oder dessen Vorstand (den Sevirat) Erwählten auf Grund der Festsetzungen des Gemeindestatuts an die Stadtkasse zu zahlen hatten, und welche nach der Bedeutung des Orts und des Amts sehr verschieden waren. Sie betrugen für den Duumvirat 2000, 3000, 4000 bis 10.000 Sesterzen (die letzte Summe in Pompeji), für die Ädilität 4000, aber auch 20.000 (Rusicade), für den Dekurionat 1000, 2000, in Cirta und Rusicade 20.000, für das Priestertum des Pontifex 10.000, aber auch 55.000 (in Rusicade), für den Flaminat 2000, 10.000 (zu Musti im prokonsularischen Afrika und Diana in Numidien), 12.000 (zu Lambäsis in derselben Provinz), 2000 für den Sevirat. Die Summe von 400.000 Sesterzen, die eine zu Calama in Numidien auf Lebenszeit zur Flaminica erwählte Frau zum Bau eines Theaters versprochen hatte, war eine ganz ungewöhnlich hohe. Aber es war wohl überall Sitte, über den Minimalsatz hinauszugehen oder andre Leistungen hinzuzufügen, die auch anstatt der Zahlungen erfolgen konnten, wie Schauspiele, Volksbewirtungen oder Bauten. So zahlte z. B. ein Flavius Justinus in Porto Torres (Turris Libisonis) auf Sardinien für die Erwählung zum höchsten Amt (der Quinquennalität) die außergewöhnlich hohe Summe von 35.000 Sesterzen und legte überdies auf eigne Kosten ein Bassin an, in welches er auch das Wasser hineinleiten ließ. In Äclanum ließen einmal die Quattuorvirn für das Geld, das sie für die Erwählung zu diesem Ehrenamt zu zahlen verpflichtet waren, auf den Beschluß des Gemeinderats einen Weg durch den Viehmarkt führen und pflastern. In Lanuvium (Città Lavigna) wurden die aus den Antrittsgeldern der Priester geflossenen Kapitalien neben andern Einnahmen (mit Erlaubnis von Septimius Severus und Caracalla) zum Bau von Thermen verwendet usw.
Derselbe Munizipalpatriotismus, der die Städte trieb, nach Kräften oder selbst über ihre Kräfte in Bauten miteinander zu wetteifern, beseelte gewöhnlich auch ihre wohlhabenden Bürger. Zum Teil spornte diese auch die Ruhmbegier, ihre Namen in würdigster Weise auf großen Bauwerken durch Inschriften auf die Nachwelt zu bringen, deren Unvergänglichkeit gesetzliche Bestimmungen gewährleisteten. Aber auch schon der Ehrgeiz, der seine Befriedigung in den städtischen Ämtern, in Belobungen, Bekränzungen, Statuen, Ehrenplätzen u. dgl. fand, trieb manche, große Summen für öffentliche Bauten herzugeben, ja nicht selten sich zu ruinieren: und die öffentliche Meinung, die, wie in den alten Republiken, noch immer von den Angesehenen und Reichen große Leistungen für die Gemeinde erwartete, ja forderte, bestimmte ohne Zweifel viele selbst wider ihren Willen zu großen Opfern. In der Tat sind die in der damaligen Zeit in allen größeren und kleineren Städten der ganzen Monarchie fort und fort von Privaten zu Kommunalzwecken freiwillig gegebenen Beisteuern wahrhaft erstaunlich, und namentlich die aus Privatmitteln aufgeführten Bauten haben wahrscheinlich an sehr vielen Orten die städtischen an Umfang und Bedeutung weit übertroffen, deren Einschränkung sie ja auch eben ermöglichten und veranlaßten. öffentliche Bauten aus Privatmitteln bedurften keiner kaiserlichen Erlaubnis, »außer wenn sie aus Rivalität gegen eine andre Stadt unternommen wurden, oder Veranlassung zum Aufruhr wurden, oder in der Umgegend eines Theaters oder Amphitheaters stattfanden«. In größter Menge sind in der Literatur, noch mehr in den Denkmälern aller Provinzen Zeugnisse von gemeinnützigen Bauten einzelner erhalten, von den geringfügigsten bis zu wahrhaft fürstlichen. Zahlreiche Inschriften bezeugen die Errichtung der größten öffentlichen Gebäude, wie Tempel, Portiken, Theater, Amphitheater, Brücken, durch reiche Privatpersonen aus eignen Mitteln. Andre Inschriften zeigen, daß auch minder Wohlhabende zur Wohlfahrt und Behaglichkeit der Städte beizutragen bemüht waren, indem sie z. B. Straßen pflasterten, die öffentlichen Spielplätze ebnen und einfassen, Sonnenuhren aufstellen, auf den Märkten Buden für die Verkäufer und Steintische für die Waren errichten ließen, für Normalmaße und Gewichte sorgten u. dgl. Seit durch Nerva die Städte die Erlaubnis zur Annahme von Legaten erhalten hatten, erfolgten auch Vermächtnisse zu öffentlichen Bauten sehr häufig, und es war keineswegs selten, daß Testamente den Erben die Verpflichtung zur Ausführung eines Bads, Theaters oder Stadiums auferlegten.
Einige Beispiele werden die Allgemeinheit der Beteiligung einzelner an der Verschönerung ihrer Städte sowie die Großartigkeit solcher Leistungen veranschaulichen. Nach der Zerstörung Cremonas im Jahre 69 wurden Foren und Tempel durch die Munifizenz von Bürgern wiederhergestellt. Der Großvater der dritten Frau des jüngeren Plinius erbaute zu Como in seinem und seines Sohns Namen eine prachtvolle Kolonnade und schenkte der Stadt ein Kapital zur Verschönerung der Tore. In Oretum (in der Tarraconensis) ließ ein Bürger »auf die Bitte des Rats und der Bürgerschaft zu Ehren des göttlichen (d. h. Kaiser-) Hauses« eine Brücke für 80.000 Sesterzen (17.400 Mark) bauen und gab bei ihrer Einweihung Zirkusspiele. In Thagaste (Numidien) errichtete ein römischer Ritter eine Portikus für 300.000 Sesterzen (65.250 Mark). Der Arzt Crinas ließ Mauern in seiner Vaterstadt Massilia und andre Mauern für beinahe 10 Millionen Sesterzen (2,175.000 Mark) erbauen; die beiden Brüder Stertinius, Leibärzte des Claudius, erschöpften ihr Vermögen durch Ausstattung der Stadt Neapel mit Bauwerken. Die Inschrift an dem Postament einer Ehrenstatue eines Bürgers von Citium auf Cypern meldet, daß derselbe ein Theater von Grund auf nebst allem Zubehör auf eigene Kosten habe aufführen lassen. Dio von Prusa, dessen Großvater sein ganzes Vermögen für Kommunalzwecke geopfert hatte, erbaute in seiner Vaterstadt eine Kolonnade bei den Thermen nebst Läden und Werkstätten; den Boden allein hatte er mit 50.000 Drachmen (etwas über 39.000 Mark) bezahlt. C. Antius A. Julius Quadratus, der um 106 das Prokonsulat der Provinz Asia bekleidete, war nach Aristides von Gott gesandt worden, um seine Vaterstadt, das gealterte Pergamum, neu zu verjüngen, und hatte sie zu dem gemacht, was sie nur war; wenn andre Geschlechter von der Stadt abstammten, so konnte man sagen, die Stadt stamme von ihm: »Sie selbst bekannte es laut in den Ratssälen, den Theatern, den Versammlungsplätzen, in welchem Teil man will, da ja alles durch jenen verschönert ist.« Die schönste Ruine von Ephesus sind die Überreste der prächtigen öffentlichen Bibliothek, die unter Trajan der Konsular Ti. Julius Aquila als Heroon seines Vaters Ti. Julius Celsus Polemeanus errichtete und mit Mitteln reichlich ausstattete. Die meisten noch mit Weihinschriften versehenen öffentlichen Gebäude in den Städten Pamphyliens und Pisidiens sind von Privaten errichtet.
In den griechischen Ländern waren es ganz besonders die Sophisten, die einen Teil der oft ungeheuren, durch ihre Kunst erworbenen Reichtümer zur baulichen Verschönerung ihrer Geburts- oder Wohnorte verwandten. Nicetes legte in Smyrna glänzende Straßen an und erweiterte die Stadt bis an das nach Ephesus führende Tor. Alexander von Cotyäum erbaute (nach dem übertreibenden Ausdruck des Aristides) diese seine Vaterstadt fast ganz neu. Damianus von Ephesus (ein Schüler des Aristides und Hadrianus) verband unter anderm den dortigen Artemistempel mit der Stadt durch eine (in ihren Fundamenten neuerdings wieder aufgefundene) bedeckte Halle von der Länge eines Stadiums (180 m), damit die Andächtigen auch bei Regenwetter in den Tempel gehen könnten, und erbaute in dem heiligen Bezirke selbst einen ungeheuren Saal zu Opferschmäusen, der aufs prachtvollste mit Pavonazetto geschmückt war. Auch seine Nachkommen wurden in Ephesus »wegen der Geringschätzung des Geldes« hoch geehrt.
Doch selbst die größten derartigen Leistungen verdunkelte die beispiellose, mehr als fürstliche Munifizenz des Herodes Atticus (geb. zu Marathon um 101,† gegen 177), der an Reichtum und Rang zu den Ersten seiner Zeit gehörte (er war Konsul 143), unter den damaligen Virtuosen der Redekunst (Sophisten) unbestritten der erste war. Sein Ehrgeiz war, seinen Namen nicht minder durch massenhafte, prachtvolle und gemeinnützige Bauten als durch seine von der Mitwelt hochbewunderten Reden auf die Nachwelt zu bringen; von jenen sind zahlreiche Reste und noch mehr Nachrichten, von diesen nichts erhalten. Schon als Herodes um das Jahr 130 Präfekt der freien Städte Asias war, hatte ihn sein Vater Tiberius Claudius Atticus in den Stand gesetzt, gegen die Stadt Alexandria Troas eine großartige Freigebigkeit zu üben: zu den 3 Millionen Drachmen, die ihr Hadrian zu einer Wasserleitung bewilligt hatte, ermächtigte er ihn, die noch erforderlichen 4 Millionen (über 3 Millionen Mark) zuzulegen. Die Freigebigkeit des Herodes erstreckte sich später auch auf Italien, wo er die Stadt Canusium (Canosa) mit einer Wasserleitung versorgte, galt aber hauptsächlich Griechenland, vor allem seinem Vaterlande Attika und dessen Hauptstadt, in deren Nähe er in dem reizenden, noch jetzt als Sommeraufenthalt benutzten Kephisia den Abend seines Lebens in vornehmer Zurückgezogenheit verbrachte. Er ließ den Städten in Euböa, im Peloponnes, in Böotien Unterstützungen zufließen, half dem herabgekommenen Oricum in Epirus auf, errichtete in Korinth ein bedecktes Theater, in Olympia eine Wasserleitung, in Thermopylä Bassins zu Schwefelbädern und baute zu Delphi das Stadium in Stein aus, wie er auch für die Ausschmückung des isthmischen Heiligtums reiche Mittel verwendete. Selbst die Durchstechung des korinthischen Isthmus hatte er ins Auge gefaßt. In Attika ließ er in dem Demos Myrrhinus einen Tempel der Athene herstellen, in Athen selbst das panathenäische Stadium des Lycurgus innerhalb von vier Jahren aufs prächtigste vollständig mit pentelischem Marmor auslegen, errichtete auf einem der Felshügel oberhalb seiner Langseiten einen Tempel der Glücksgöttin mit deren elfenbeinernem Bilde und erbaute am Fuße der Akropolis zu Ehren seiner gestorbenen Gemahlin Regula ein mit Zedernholz gedecktes Theater (Odeum) für etwa 6000 Personen, das nach Pausanias an Größe und Pracht der Ausstattung alle ähnlichen Bauten übertraf und jetzt wieder bloßgelegt ist.
Man sieht, daß die Freigebigsten unter den Reichen und Vornehmen ihre Munifizenz nicht auf ihre eignen Städte beschränkten, wenn es auch vielleicht niemand dem Herodes gleichtat, der, als er, des Mords der Regilla angeklagt, vor Gericht stand und sein Gegner sich einer Wohltat gegen eine Stadt Italiens rühmte, erwidert haben soll: »Auch ich könnte vieles der Art von mir sagen, wenn ich auf der ganzen Erde vor Gericht gezogen würde.«
Es war wohl die Regel, daß Munizipale, die sich zum Senatorenstande (durch den sie aufhörten, Bürger ihrer Vaterstadt zu sein) oder sonst zu hohen Stellungen in Rom aufgeschwungen hatten, und römische Große, die als Patrone oder anderweitig zu einer Stadt in Beziehung standen, ihr durch Bauten und Zuwendungen ihre Anhänglichkeit und ihr Wohlwollen bewiesen. Der jüngere Plinius, der in seinem Testament seine Vaterstadt Como mit einem bedeutenden Kapital zur Erbauung, Einrichtung und Instandhaltung von Thermen bedachte, erwies der Stadt Tifernum Tiberinum, die ihn sehr jung zum Patron erwählt hatte, seine Erkenntlichkeit durch den Bau eines Tempels, dessen Einweihung er mit einem Festmahl beging. Die sehr vornehme Ummidia Quadratilla, die in Rom einen Palast in der 12. Region bewohnte und etwa im Jahre 107 fast 80jährig starb, stammte aus Casinum: eine dort gefundene Inschrift meldet in fünf Zeilen, daß sie den Casinaten auf eigene Kosten ein Amphitheater (von dem noch stattliche Überreste vorhanden sind) und einen Tempel erbaute. Dasumius (wahrscheinlich der Urheber des S.C. Dasumianum 98 oder 99 n. Chr.) hatte seine Vaterstadt Corduba mit öffentlichen Bauten zu schmücken begonnen, deren Vollendung und Übergabe er in seinem (im Jahre 108 verfaßten) Testament einer Kommission rechts- und sachverständiger Personen übertrug. Ein L. Dasumius Tullius Tuscus (Konsul unter Marc Aurel) vollendete zu Tarquinii den Bau von Thermen, zu welchen sein Vater, der Konsular P. Tullius Varro, der Stadt 3,300.000 Sesterzen (717.750 Mark) vermacht hatte, indem er das Kapitol vergrößerte und den Bau erweiterte: auch bei dieser Munifizenz war ohne Zweifel der Grund einer der angegebenen. Um den Kurort Epidaurus machte sich in der Antoninenzeit der Senator Julius (Major) Antoninus, ein Gönner des Periegeten Pausanias, durch eine stattliche Reihe von Baulichkeiten hochverdient.
Auch kaiserliche Freigelassene statteten nicht selten ihre Geburtsorte und andre Städte mit Bauten aus. Cleander z. B., der mächtige Freigelassene des Commodus, verwandte einen Teil seines ungeheuren Vermögens auf Häuser, Bäder und »andre, sowohl einzelnen als ganzen Städten nützliche Anstalten«. Endlich betätigten auch abhängige oder befreundete Fürsten ihre Freigebigkeit und Prachtliebe vor allem durch Bauten, und nicht bloß in ihren eigenen Ländern. Herodes der Große, der Judäa mit zahlreichen, großartigen Bauwerken und Anlagen hauptsächlich zu Ehren des Augustus füllte, unter welchen die von ihm geschaffene Hafenstadt Cäsarea die großartigste war, schmückte auch die Städte Phöniziens, Syriens, Kleinasiens und Griechenlands aufs reichste und prächtigste. Athen, Sparta, Nicopolis, Pergamum waren nach Josephus voll von seinen Gaben; in Antiochia hatte er eine bis dahin sehr schmutzige, zwanzig Stadien (über 3½ Kilometer) lange Straße mit Marmorplatten gepflastert und mit einer ebenso langen Kolonnade zum Schutz gegen den Regen ausgestattet. Auch die übrigen Herodeer bauten viel, namentlich Herodes Antipas, der Gründer der neuen, glänzenden Hauptstadt Tiberias.
Zu den Motiven dieser Munifizenz gehörte für die Fürsten wie für die hochgestellten Männer Roms auch das Beispiel, ja die direkte Aufforderung der Kaiser (eine solche erließ z. B. Nerva in einer »herrlichen Rede«), so wie die Kaiser ihrerseits offenbar mit durch die Absicht bestimmt wurden, eine möglichst ausgedehnte Nachahmung ihres Beispiels zu veranlassen. Sie veranstalteten fort und fort große öffentliche Bauten nicht bloß in Rom, sondern auch in den Städten Italiens und selbst der Provinzen, und unterstützten diese namentlich bei den so häufigen Kalamitäten, wie Überschwemmungen, Feuersbrünsten, Erdbeben, in freigebigster Weise zu den erforderlichen Neubauten.
Große Brände haben wahrscheinlich oft ungeheure Verheerungen angerichtet, obwohl sie außerhalb Roms selten berichtet werden. In Nicomedia hatte kurz vor Plinius' Anwesenheit eine Feuersbrunst gewütet: in dieser so bedeutenden Stadt waren weder Feuereimer noch Spritzen vorhanden, noch überhaupt von Seiten der Kommune die geringste Fürsorge für Löschanstalten getroffen. Den Antrag des Plinius auf Errichtung einer Gilde von (höchstens 150) Zimmerleuten, die hauptsächlich als Feuerwehr dienen sollten, lehnte Trajan als bedenklich ab und ordnete nur die Anschaffung der nötigen Gerätschaften und die Aufforderung der Hausbesitzer an, erforderlichenfalls unter dem Beistande des Volks zu löschen. Aber auch in den Städten, wo Gilden von Zimmerleuten und Verfertigern von Lappendecken ( centonarii) bestanden (welche letztere, wie noch im 17. und 18. Jahrhundert in Holland und Bremen Schiffssegel, mit Wasser getränkt, zum Feuerlöschen dienten), haben sie schwerlich viel ausgerichtet, da ja auch die größte und bestorganisierte Feuerwehr, die 7000 Mann starke Nachtwache der Stadt Rom, gegen die dortigen unaufhörlichen Brände so wenig vermochte. Auch anderwärts nahmen diese gewiß nicht selten große Dimensionen an. Im Jahre 64/65 brannte Lyon so völlig ab, daß Seneca, wenn auch mit noch so großer Übertreibung, sagen konnte, man suche es vergebens: eine Nacht habe diese große Stadt völlig vernichtet und so viele herrliche Bauwerke, deren jedes allein eine Stadt hätte schmücken können, in Schutt gelegt. Im Jahre 65 bewilligte Nero für den Wiederaufbau die Summe von 4 Millionen Sesterzen, welche die Lugdunenser früher bei dem großen Brande Roms angeboten hatten. Auf einen sehr großen Umfang des Brandes in Bologna im Jahre 53 läßt die zur Unterstützung bewilligte Summe von 10 Millionen Sesterzen schließen.
In einem am Schlusse des selbstverfaßten Rechenschaftsberichts des Augustus hinzugefügten Anhange heißt es: die Geschenke, die er in Italien und den Provinzen Städten, die durch Brand und Erdbeben zerstört waren, zugewendet habe, seien zahllos. Durch anderweitige Nachrichten sind solche Unterstützungen von ihm bezeugt für Neapel, Paphus auf Cypern, Chios, mehrere Städte Kleinasiens, wie Laodicea am Lycus, Thyatira, Tralles. Auch Vespasian »stellte sehr viele Städte im Reiche schöner wieder her, die durch Brand oder Erdbeben gelitten hatten«; und die Bemerkung des Tacitus, daß Laodicea nach einem Erdbeben im Jahre 60 sich aus eignen Mitteln ohne Staatshilfe wieder erhoben habe, zeigt, daß diese letztere in solchen Fällen in der Regel erfolgte. Noch existiert ein in Puteoli dem Tiberius von 14 Städten Kleinasiens errichtetes Monument, die – zwölf im Jahre 17, die beiden andern 23 und 29 – durch Erdbeben mehr oder weniger zerstört worden waren, und die er beim Wiederaufbau reichlich unterstützt hatte. Die Weltchronik des Eusebius verzeichnet in der Zeit von Augustus bis Commodus elf Erdbeben, davon 10 in Griechenland und im Orient; aber auch für diese Länder ist das Verzeichnis durchaus unvollständig. Unter andern fehlt darin das ungeheure Erdbeben, das zwischen 138 und 142 auf dem griechischen Festlande Sicyon, von den Inseln Rhodus und Kos, in Asien Lycien und Carien furchtbar verwüstete. Die erforderlichen Neubauten ließ Antoninus Pius mit bedeutenden Summen aufs herrlichste ausführen. Stratonicea erhielt allein 1 Million Sesterzen. Ganz besonders war Lesbos wie die nahen Inseln und das gegenüberliegende Festland von Erdbeben heimgesucht; eines derselben verwüstete im Jahre 151/52 Mytilene und erschütterte auch Kleinasien. Unter den von Eusebius verzeichneten Erdbeben waren die bedeutendsten das von 115, das u. a. Antiochia etwa zum dritten Teil völlig zerstörte, das von 122, das Nicomedia und Nicäa hart beschädigte, und das von 178, das ganz Ionien erschütterte, am furchtbarsten aber Smyrna verwüstete. Bei den beiden letzten wird die in umfassendster Weise zum Wiederaufbau geleistete kaiserliche Hilfe ausdrücklich erwähnt. Im Westen war namentlich Campanien »niemals vor diesem Übel sicher«; im Jahre 62 am 5. Februar wurde Pompeji sehr hart, Herculaneum in geringerem Grade, einigermaßen auch Neapel und Nuceria durch ein Erdbeben beschädigt.
Aber die durch Verwüstungen veranlaßten Neubauten waren nur ein geringer Teil der Bauunternehmungen, die von allen Regierungen (mit Ausnahme der des Tiberius) in großem Maßstabe in und außerhalb Roms betrieben wurden, nicht bloß zum Besten der damit bedachten Städte, sondern gewiß auch, um große Massen freier Arbeiter lohnend zu beschäftigen. Doch haben die Julischen und die Flavischen Kaiser bei ihren gemeinnützigen Bauten außerhalb Roms vorzugsweise oder ausschließlich Italien berücksichtigt: so baute Claudius den Emissar des Fucinersees und den neuen Hafen bei Ostia (Portus) mit mächtigen Molen und einem sehr hohen Leuchtturm, Nero den Hafen von Antium. Vespasian scheint sich, abgesehen von seinen großen Neubauten in Rom, im wesentlichen auf Herstellung des dort, in Italien und den Provinzen Zerstörten beschränkt zu haben, ohne doch, wenigstens in Rom, alles Begonnene vollenden zu können; und da während der kurzen Regierung des Titus wieder ein großer Brand einen Teil Roms in Asche legte, fand Domitian dort selbst Raum genug zur Befriedigung seiner fast leidenschaftlichen Baulust; übrigens ließ er auch in Italien einige Straßenbauten ausführen.
Trajan, der gleich bei seinem Regierungsantritte seine großen, zum Teil alle früheren überbietenden Bauunternehmungen in Rom in Angriff nahm und sie in seiner späteren Regierungszeit in solchem Umfange betrieb, daß er in Rom und der Umgegend kaum Techniker genug hatte, sorgte auch für das übrige Italien in der großartigsten Weise, namentlich durch Straßen-, Hafen- und Wasserbauten, führte aber außerdem in den Provinzen, auch abgesehen von seinen Städte- und Kolonieanlagen, bedeutende Werke aus; das größte von allen war nach Cassius Dio die auf 20 Pfeilern ruhende, 1070 Meter lange Donaubrücke. Ihre nach der Abtragung stehengebliebenen Pfeiler schienen ihm da zu sein, um zu zeigen, daß der menschlichen Natur nichts unmöglich sei.
Die Bauten Hadrians, dessen erster Regierungsakt ein Erlaß rückständiger Steuern im Betrage von 900 Mill. Sesterzen (über 195 Mill. Mark) war, geben einen gleich hohen Begriff von den unerschöpflichen Hilfsquellen des römischen Reichs, wie von der rastlosen Tätigkeit dieses merkwürdigen Manns. Er, der Rom mit den glänzendsten Prachtgebäuden schmückte, zu denen die Erneuerung des 110 abgebrannten Pantheon (etwa 115-125) gehörte, in Tibur sich einen auch architektonisch überreich ausgestatteten Feensitz schuf, ließ sich auf den Reisen, in denen er von 121-134 sein ganzes Reich durchzog, von einem militärisch organisierten, in Kohorten geteilten Heer von Architekten, Bauhandwerkern, Technikern und Künstlern begleiten, die überall die Ausführung seiner nie versiegenden Pläne durch einheimische Arbeiter leiten konnten. Darunter waren auch Gründungen neuer Städte wie Hadrianotherä in Mysien, Hadrianopolis in Thracien, Aelia Capitolina auf den Trümmern von Jerusalem und Antinoupolis in Ägypten.
Von den Bauten, mit denen Hadrian, wie sein Biograph sagt, fast alle von ihm berührten Städte schmückte, werden in den westlichen Provinzen nur einzelne erwähnt, wie die Herstellung des Augustustempels zu Tarraco, eine zu Ehren Plotinas erbaute Basilika in Nemausus, eine Wasserleitung in Sarmizegetusa, eine der »unzähligen«, die seinen Namen trugen. Aus dem langen Verzeichnisse seiner noch jetzt nachweisbaren Bauten im Orient und Griechenland, wo fast jede Stadt Wohltaten von ihm aufzuweisen hatte, mehrere ihn mit Recht als ihren »Erretter« und »Gründer« preisen konnten, genügt es, hier einige der bedeutendsten hervorzuheben. Auch Palmyra, das er im Jahre 130 besuchte, verdankte ihm so viel, daß es sich fortan Hadriansstadt nannte. Auf dem Isthmus schuf er aus dem höchst gefährlichen und beschwerlichen Bergpfade der skironischen Klippen durch umfassende Felsarbeiten und kolossale Substruktionen eine fast 2 Kilometer lange, bequeme, für Lastwagen gangbare Kunststraße, deren Möglichkeit an dieser Stelle man heute kaum noch begreift; führte aus dem Hochtale von Stymphalus in einem gewaltigen Aquädukt eine Überfülle kühlen Bergwassers nach Korinth und schmückte diese Stadt mit prächtigen Thermen. Vor allem aber erhob er Athen durch eine Menge der prächtigsten Bauten zu neuem Glanz, dessen südöstlichen Teil er in eine »neue Hadriansstadt« umschuf. Antoninus Pius hat namentlich in Rom und Italien mehrere bedeutende Bauwerke teils wiederhergestellt (wie den Leuchtturm – wohl zu Ostia – und die Häfen zu Terracina und Puteoli), teils neu ausgeführt, wie den Hafen zu Cajeta, ein Bad zu Ostia, einen Aquädukt zu Antium, Tempel zu Lanuvium. Außerdem setzte er viele Städte durch Geldunterstützungen zur Ausführung neuer wie zur Restauration älterer Bauten instand und baute unter anderm, wie bemerkt, in Athen und den von dem Erdbeben zwischen 138 und 142 betroffenen Gegenden, ferner in Syrien und Karthago und in dem von einer großen Feuersbrunst heimgesuchten Narbo. Von Septimius Severus sah man in sehr vielen Städten herrliche Bauwerke. Unter den späteren Kaisern war Diocletian (nach einem feindseligen christlichen Berichte) von einer maßlosen Leidenschaft des Bauens beherrscht, die schwere Belastungen der Provinzen zur Folge hatte. »Hier entstanden Basiliken, dort ein Zirkus, hier eine Münze, dort eine Waffenfabrik, hier ein Palast für seine Gemahlin, dort für seine Tochter.« Oft mußte behufs der Neubauten ein Teil der Stadt geräumt werden und die Einwohner mit Frauen und Kindern ausziehen, wie nach einer Einnahme durch Feinde. War alles zum Ruin der Provinzen fertig gebaut, so erklärte er es für schlecht, es solle anders werden; dann mußte wieder zerstört und aufgebaut werden und das Neuerrichtete vielleicht nochmals fallen. In der Tat aber stand seine fast fieberhafte Bautätigkeit ganz im Dienste des Staats. Überall erhoben sich auf sein Geheiß monumentale Bauten, in Alexandria, in Antiochia und Palmyra, in Mailand und Karthago. Seine Thermen in Rom übertrafen an Größe und Pracht selbst die Caracallas. Die kolossale Bautätigkeit Justinians, der sich auch dadurch gleichsam als ebenbürtiger Nachfolger der römischen Kaiser zu legitimieren strebte, hat Procop zum Gegenstand einer ausführlichen Darstellung in drei Büchern gemacht.
Diese Nachrichten werden einige Vorstellung davon geben, wie großartig die Kaiser für die bauliche Ausstattung der Städte in Italien und, namentlich seit Trajan, auch in den Provinzen sorgten. Doch den ganzen Umfang der kaiserlichen Bauten außerhalb Roms auch nur annähernd zu schätzen, sind wir schwerlich imstande, da Erwähnungen und Spuren derselben sich nur gelegentlich und zufällig und sicher sehr unvollständig erhalten haben. Wenn z. B. Aristides in dem Briefe, in dem er Marc Aurel und Commodus um die Wiederherstellung Smyrnas nach dem Erdbeben von 178 bittet, sich beiläufig auf die Fürsorge beider Kaiser für die Städte Italiens beruft, die sie aus ihrem Verfall aufgerichtet und erhoben haben: so ist hier wie in der Angabe der Biographie Marc Aurels, »daß er wankenden Städten Hilfe geleistet habe«, doch wohl auch an Förderung und Unterstützung städtischer Bauten zu denken. Die so überaus glänzenden öffentlichen Bauten der Kaiser in Rom selbst bedürfen hier keiner besonderen Aufzählung und Beschreibung.
Neben den im ganzen römischen Reiche während der beiden ersten Jahrhunderte fort und fort in den größten Dimensionen betriebenen öffentlichen Bauten wurde die Architektur überall auch für Privatzwecke vielleicht in umfassenderer Weise in Anspruch genommen als zu irgendeiner andern Zeit, da nicht nur der Privatwohlstand ein verhältnismäßig sehr hoher und weitverbreiteter war, sondern auch diese Kunst (wie bereits erwähnt) mehr als irgendeine andre den Neigungen und Tendenzen dieses Zeitalters zu entsprechen vermochte. Von der Pracht und Großartigkeit der Palast- und Villenbauten in Italien ist die Rede gewesen. In wie hohem Grade sich aber der Luxus der Privatbauten auch in die Provinzen verbreitet hatte, bezeugen außer einzelnen Nachrichten noch heute Überreste römischer Wohngebäude in allen Teilen des Reichs; so die bereits erwähnten, so wohl erhaltenen von Villen am Orontes. Eine der zahlreichen Villen des Herodes Atticus, in Kephisia (nordöstlich von Athen), hatte elegante, reichlich versorgte, von Licht strahlende Bäder, lange und bequeme Wandelbahnen. Auch in der höchsten Glut gewährte das Haus, noch mehr sehr große Haine, Schatten und Kühlung, und von allen Seiten ertönte das melodische Rauschen der Wasser und der Gesang der Vögel. Daß auch bei der Ausstattung des Inneren nicht gespart war, darf man daraus schließen, daß Herodes beim Tode seiner Gemahlin Regula die Räume seines Hauses nicht bloß mit schwarzem Anstrich, schwarzen Vorhängen und Teppichen, sondern auch mit schwarzem Marmor dekorieren ließ. Die Vorstadtvilla der Laberier bei Uthina (unweit Tunis) enthielt 67 Mosaikfußböden mit figürlichen Darstellungen. Ein in der Gegend von Constantine (Cirta) gefundenes Mosaik zeigt ein herrschaftliches Schloß, einen ausgedehnten mehrstöckigen Bau mit flankierenden Türmen, den Besitzer selbst zu Pferde jagend, ein andres seinen Marstall mit beigeschriebenen Namen der Pferde. Auf einem bei Hadrumetum (Sussa) gefundenen Mosaik sitzt die Gutsherrin sich fächelnd unter einer Palme; ein Diener hält den Sonnenschirm über ihr und ein Hündchen an der Leine. In den prachtvollen Villen und Gärten von Karthago überließen sich die Vandalen einer ebenso zügellosen Schwelgerei wie die früheren Besitzer. Aus dem 5. und 6. Jahrhundert haben wir Schilderungen des Lebens auf den behaglich und herrschaftlich eingerichteten Landsitzen an den Ufern der Garonne mit seinen mannigfachen Lustbarkeiten, wie Falkenjagden und Fahrten auf schönen Flußgondeln, die nicht bloß mit hohen Geländern, Polstern und Zeltdach, sondern auch mit Mosaiktischen und kunstvoll gearbeiteten Würfelspielen ausgestattet waren. Wie reich die künstlerische Dekoration mancher der größten unter denselben war, haben in überraschender Weise die Überreste der am linken Ufer der Garonne (40 km von Toulouse) gelegenen Villa von Chiragan (Martres-Tolosanes) gezeigt, deren wohl aus der Zeit des Augustus stammendes, durch mehrfache Umbauten auf das Dreifache erweitertes Wohnhaus bis ins 4. Jahrhundert bestanden und seinen Skulpturenschmuck hauptsächlich unter den Antoninen erhalten hat. Zum Teil sind diese Bildwerke an Ort und Stelle nach guten Vorbildern mittelmäßig ausgeführt, zum Teil von Rom oder einem andern Kunstzentrum beschafft. Zu den letzteren gehört eine etwa unter Trajan begonnene, durch 200 Jahre fortgesetzte Sammlung von Kaiserbüsten (einige in mehreren Exemplaren) und Büsten von Mitgliedern der kaiserlichen Familie; zu den ersteren Medaillons mit Götterköpfen (in anderthalbfacher Lebensgröße), und zwar außer den zwölf Olympiern Äskulap, Hygiea, Mithras, Hercules aus Marmor von St. Bréat, frühestens aus dem 2. Jahrhundert; ferner zwei Serien von Reliefs der Herculesarbeiten mit Figuren von zwei Drittel Lebensgröße aus demselben Marmor und derselben Zeit; bacchische und szenische Masken aus italienischem Marmor; Statuen und Büsten von Göttern, Philosophen, Rednern usw.
An die heimatlichen Ufer der Garonne fand sich Ausonius durch die ebenfalls mit Wein bepflanzten und mit Villen geschmückten der Mosel erinnert, und zahlreiche Funde hier und an der Saar zeigen, daß die ganze Gegend, selbst heute unwirtliche Gebiete der Eifel, angefüllt waren mit römischen Landhäusern von sehr umfassender Anlage und reicher Ausstattung, namentlich mit Mosaikfußböden (wie z. B. die Villen zu Nennig bei Trier und Kreuznach) und Skulpturenschmuck (wie die Villa zu Welschbillig), in denen durch vorgelegte Säulenhallen dem Bedürfnisse nach Aussicht Rechnung getragen war. Auch im Zehntlande waren die Villen, wie zahlreiche Überreste zeigen, mit Bädern und Wasserleitungen ausgestattet, mit Marmorornamenten, Skulpturen, Mosaiken und Bronzen geschmückt. Überhaupt darf man sich nach den Ausgrabungen in den Rheinlanden und der Schweiz die Wohnungen der Wohlhabenden auch in den Grenzprovinzen nicht ohne den Schmuck von Mosaik und Wandmalerei vorstellen. Selbst in den vereinzelten römischen Ansiedelungen der niemals völlig romanisierten Ostschweiz fehlt beides nicht, wenn auch der künstlerische Wert dieser Dekorationen sehr gering ist. Auch Britannien erhielt mit der Zeit, wie die erhaltenen Reste (besonders Mosaiken) schließen lassen, in seinen mittleren und südlichen Teilen so viele große und reich dekorierte Villen wie nur irgendeine andre Provinz des römischen Reichs. Sogar vorübergehende Aufenthalte erhielten eine den Ansprüchen eines verwöhnten Geschmacks entsprechende Gestalt. Unter den Maßregeln, die Hadrian zur Herstellung der gelockerten Disziplin in den Heeren Germaniens traf, war auch die Wegräumung von Speisesälen, Kolonnaden, Krypten und Gärten aus den dortigen Lagern.
a) Dekorative Kunst
Schon allein durch die wahrhaft unermeßliche Tätigkeit der Architektur auf einem so ungeheuren Gebiete war eine höchst umfassende Beschäftigung der sämtlichen bildenden Künste bedingt, die überall zur Ausschmückung und Dekoration des Äußern und Innern von Bauten aller Art in reichem Maße in Anspruch genommen wurden. Nirgends, am wenigsten in Rom, erhob sich ein bedeutenderer öffentlicher Bau, zu dessen Verzierung nicht auch der Meißel des Bildhauers mit tätig gewesen wäre, neben dem nach Bedürfnis Stukkateur, Ziseleur, Schnitzer, Gießer, Maler und Mosaizist mitarbeiteten. Statuen, einzeln und in Gruppen, füllten Giebel und Dächer, Nischen, Interkolumnien und Treppenwangen der Tempel, Theater (das des Scaurus hatte 3000 Bronzestatuen), Amphitheater, Basiliken und Thermen, schmückten Brückenportale und -geländer und Bogen aller Art, wie von Stadttoren und Viadukten; vor allem Triumphbogen pflegten mit Reiterfiguren, Trophäen, Vier- und Sechsgespannen, die von Viktorien gelenkt wurden, bekrönt zu sein. Reliefs und Medaillons zierten die Friese, Reliefs oder Malereien die Wandflächen; Gewölbe und Decken prangten mit Stuckverzierungen oder buntem Farbenschmuck, die Fußböden mit schimmernden Mosaiken. Alle architektonischen Glieder, Pfosten und Schwellen, Gesimse und Fenster, selbst Dachrinnen waren mit plastischem Schmuck wie aus einem unerschöpflichen Füllhorn überschüttet.
Schon von der Masse öffentlicher Anlagen und Bauten, die in Rom allein während der ersten Jahrhunderte neben- und nacheinander wie durch Zauber aus der Erde wuchsen, ist es kaum möglich, sich eine Vorstellung zu machen. Diese unaufhörlich sich drängenden großen Unternehmungen waren bereits an sich hinreichend, neben den Architekten und Bauhandwerkern einem ganzen Heer auch von bildenden Künstlern und Kunsthandwerkern vollauf dauernde Beschäftigung zu geben. Agrippa, der während seiner Ädilität (33 v. Chr.) durch großartige Bauten für die Versorgung Roms mit Wasser tätig war, legte in diesem einen Jahre nach Plinius 700 Bassins, 500 Röhrenbrunnen, 130 Reservoirs ( castella) – worunter mehrere prachtvoll geschmückte – an und verwandte zur dekorativen Ausstattung dieser Werke 400 Marmorsäulen und 300 Bronze- und Marmorstatuen. Die späteren derartigen Anlagen standen hinter denen Agrippas wohl nicht zurück: auch Claudius leitete das Wasser des von ihm gebauten Aquädukts »in sehr viele und sehr reich verzierte Bassins«. Das Bassin des Orpheus in der fünften, das des Ganymedes in der siebenten Region hatten ohne Zweifel von Bildwerken, die sie schmückten, den Namen. Domitian baute u. a. in allen Regionen Roms so viele und so große Durchgangs- und Triumphbogen mit Viergespannen und Triumphinsignien, daß darüber gespottet wurde. Die Pracht dieser Bauten veranschaulicht eine Abbildung des auch von Martial beschriebenen Triumphtors, das nach der Rückkehr Domitians aus dem Sarmatenkriege im Januar 93 errichtet wurde: Medaillonbüsten schmückten die Räume über den Bogenöffnungen, Reliefs oder runde Skulpturen Gebälk und Attika, zwei Elefantenquadrigen, beide von kolossalen Figuren des Kaisers aus vergoldeter Bronze gelenkt, krönten den Bau. Wie überreich das alle Prachtbauten Roms verdunkelnde Forum Trajans und dessen Teile (die Basilika Ulpia, der Triumphbogen und der ihm von Hadrian errichtete Tempel) auch mit plastischem Schmuck ausgestattet waren, lassen, außer großen (zum Teil durch die Ausgrabungen des ersten Napoleon zutage geförderten) Trümmern, ebenfalls Abbildungen auf Münzen ahnen.
Überhaupt entbehrten die öffentlichen Plätze Roms wie der übrigen Städte des Schmuckes der Plastik so wenig wie die Gebäude: natürlich bestand er dort vorzugsweise oder ausschließlich aus freistehenden Statuen. Der ungeheure Vorrat derselben in griechischen und asiatischen Städten war auch durch die systematischen, zwei Jahrhunderte fortgesetzten Plünderungen der Römer, die selbst die Marktplätze der kleinsten Orte wie Andros und Mykonos geleert hatten, um die Foren und Tempel Roms zu füllen, nur teilweise erschöpft worden. Eine sehr umfassende Plünderung erfolgte durch Nero, dessen Kommissar, der Freigelassene Acratus, »fast die ganze Welt zu diesem Zwecke bereiste und kein Dorf überging«. Rhodus allein war angeblich von ihm wie von allen früheren Kunsträubern verschont worden; dort befanden sich (vermutlich nach amtlichen Verzeichnissen) unter Vespasian 3000 Statuen, doch schätzte man die Summen der zu Athen, Olympia und Delphi befindlichen nicht niedriger: nach dieser Angabe muß für Griechenland und die Inseln allein die Gesamtzahl von 10.000 bis 20.000 in jener Zeit eher zu klein als zu groß erscheinen. Aber selbst noch dritthalb Jahrhunderte später wurden zur Ausstattung der neuen Reichshauptstadt Constantinopel die Reste dieses Reichtums noch nicht völlig aufgebraucht. Die Beamten der Kanzlei des Kaisers Constantius fanden in den alten Städten immer noch genug zu rauben, »und Prachtwerke, die der Zeit getrotzt hatten, wurden über das Meer geführt, um Söhnen von Walkern ihre Wohnungen glänzender zu schmücken als die Kaiserpaläste«. Wie reich an Kunstwerken die griechischen Länder aber nach allen Plünderungen und Zerstörungen des Altertums und Mittelalters immer noch blieben und welche Schätze sie bargen, das zu ermessen ist erst dem 19. Jahrhundert beschieden gewesen, in dem nach den Gestalten des Phidias die Venus von Melos, der Hermes des Praxiteles und die Trümmer des Pergamenischen Zeusaltars der Welt wiedergegeben worden sind.
Schmückte nun gleich im Altertum ein großer Teil der Skulpturen die öffentlichen Gebäude, namentlich (als Weihgeschenke) die Tempel, so blieb von einem solchen Reichtume noch immer genug übrig, um auch Straßen und Plätze mit älteren und neueren Erz- und Marmorbildern von Göttern und Heroen, von verdienten und geehrten Männern und Frauen zu bevölkern: und wie während der ersten Jahrhunderte nicht bloß die Lücken dieses Vorrats sich wieder füllten, sondern auch sein Bestand sich noch vermehrte, wird bald ausführlich nachgewiesen werden.
Die Städte Italiens (außer Rom) und der westlichen Provinzen hatten zu Anfang der Kaiserzeit allerdings einen statuarischen Schmuck, der sich mit dem seit der Alexandrinischen Zeit angesammelten der griechischen messen konnte, nicht aufzuweisen. Ganz ohne solchen Schmuck waren jedoch auch sie schon in der späteren Zeit der Republik nicht mehr. Vitruv sagt, die Güte des auf dem Gebiete von Tarquinii am See von Bolsena gebrochenen Steins werde bewiesen durch die Monumente der Stadt Ferentinum (in Etrurien): dort seien große, trefflich gearbeitete Statuen, kleine Figuren (wohl Reliefs) und zierliche Blumen- und Acanthusornamente aus diesem Stein, die, obwohl alt, so neu erschienen, als wären sie eben fertig geworden. Zu den neu aufgestellten Statuen gehörten wahrscheinlich in vielen Städten Italiens die der siegreichen Könige und Feldherren Roms, in derselben Auswahl, wie sie Augustus im Jahre 2 v. Chr. in den Säulenhallen des Marstempels auf seinem Forum aufgestellt hatte. In Arezzo sind sieben Postamente derselben gefunden worden: des M. Valerius Maximus, Appius Claudius Caecus, Q. Fabius Maximus, L. Aemilius Paullus, Tib. Sempronius Gracchus, C. Marius, L. Licinius Lucullus; in Pompeji zwei (des Aeneas und Romulus), desgleichen in Lavinium (der Lavinia und ihres Sohnes Aeneas Silvius).
Überhaupt wurde eine angemessene Ausstattung der öffentlichen Plätze mit Statuen zu den wünschenswertesten Zierden der Städte gerechnet und allgemein erstrebt; wenigstens die Foren der großen Orte werden überall von Säulenhallen umgeben und mit Bildsäulen geschmückt gewesen sein, wie beides von dem Forum zu Arles noch im 5. Jahrhundert bezeugt ist. In Cirta (Constantine) verengten einmal die Statuen das Forum so sehr, daß Raum zum Gehen geschafft werden mußte. Hier hatte der Ehrgeiz oder Bürgersinn solcher Personen Gelegenheit sich zu betätigen, deren Mittel zur Ausführung öffentlicher Bauten nicht hinreichten. Wie diese wurden auch Statuen vielfach aus den Antrittsgeldern der Priester und Beamten oder als Äquivalent derselben errichtet, oder ihre Herstellung testamentarisch angeordnet. Ein Provinzialpriester von Bätica, der zugleich die höchsten Priestertümer und städtischen Ämter in Corduba bekleidet hatte, ließ hier in Anerkennung der sämtlichen ihm von der Stadt erwiesenen Ehren Statuen im Gesamtwert von 400.000 Sesterzen (87.000 Mark) aufstellen, eine Summe, die, je nach Größe und Kosten der einzelnen Statuen, auf eine Gesamtzahl von etwa 20-130 schließen läßt. Die für öffentliche Gebäude und Plätze bestimmten Statuen waren wohl meistens Kaiser- oder Götterbilder. Unter den letzteren werden Bilder des Genius der Stadt in der Regel um so weniger gefehlt haben, als auch auf dem Forum Roms der Genius des römischen Volks (seit Aurelian eine Statue aus Gold oder vergoldeter Bronze) stand. In welcher Ausdehnung auch im Westen die überhandnehmende Verschwendung persönlicher Ehrendenkmäler dazu beitrug, die öffentlichen Plätze der Städte mit Statuen zu füllen, wird unten gezeigt werden.
Aber vielleicht noch in höherem Grade als die Ausschmückung der Plätze und öffentlichen Gebäude nahm die der Privatbauten die Tätigkeit der bildenden Künste in Anspruch: denn auch für Paläste, Landhäuser, Parks und Gärten galt eine reiche Ausstattung mit künstlerischem Schmucke jeder Art als unentbehrlich. Bilder und Statuen schmückten schon in Sullas Zeit ein reiches Haus ebenso regelmäßig wie Teppiche und Silbergerät, und nicht minder die Landhäuser der Großen. Es war eine Ausnahme, wenn sie fehlten, wie in dem des M. Sejus bei Ostia und später in den Villen des Augustus, wo statt der Kunstwerke Altertümer und naturhistorische Seltenheiten zur Dekoration dienten. Cicero stattete eine auf seinem arpinatischen Gute gelegene, als Amaltheum bezeichnete Anlage sowohl mit Wandgemälden wie mit den Statuen berühmter Männer (darunter kurze metrische Inschriften) aus, und ließ für die sogenannte Akademie in seinem Tusculanum Ankäufe von Kunstwerken durch Atticus machen. Für megarische, von diesem erworbene Statuen wies er 20.400 Sesterzen (gegen 3600 Mark) an; außerdem hatte Atticus für ihn Herculeshermen aus pentelischem Marmor mit Bronzeköpfen und eine Hermathena gekauft, und Cicero bat, ihm noch so viel wie möglich andere geeignete Kunstsachen anzuschaffen; ausdrücklich bat er um Reliefs, die man in die Stuckbekleidung eines kleinen Atriums einlassen könnte, und zwei mit erhabener Arbeit verzierte Brunneneinfassungen. Alles von Atticus Gekaufte sollte nur im Tusculanum verwandt werden, die Villa bei Gaeta wollte er ausstatten, wenn er einmal Überfluß haben werde. Dagegen mit dem Ankaufe von vier oder fünf Statuen (worunter Bacchantinnen und ein Silen, den Fadius Gallus für ihn gemacht hatte) war er unzufrieden, weil sie ihm viel zu teuer waren und nicht in die Akademie paßten. Er hatte dort in einer Kolonnade neue Ruheplätze anlegen lassen, diese wünschte er mit Gemälden zu schmücken: denn wenn ihn überhaupt etwas aus diesem ganzen Gebiet interessierte, so war es die Malerei. Je weniger aber Cicero Liebe und Verständnis für Kunst besaß, desto schlagender beweist sein Beispiel die damalige Allgemeinheit der Mode, Häuser und Landsitze künstlerisch zu dekorieren.
In der Kaiserzeit hat diese Mode mehr zu- als abgenommen. Wenn das Haus eines Reichen abbrannte, schafften die für den Neubau beisteuernden Freunde schon »nackte Marmorstatuen«, herrliche Bronzen von berühmten Künstlern, alte Ornamente aus kleinasiatischen Tempeln und Minervenbüsten für die Bibliothek herbei. Betrat man Bäder von Freigelassenen, so staunte man über die Menge der Statuen und der nichts tragenden, sondern nur zum Schmuck aufgestellten Säulen. Besonders Villen und Gärten mögen wohl oft von Kunstwerken dermaßen angefüllt gewesen sein, daß man von »marmornen Gärten« sprechen konnte. Rund um eine Quelle im Garten des Arruntius Stella z. B. stand eine Schar von Marmorfiguren schöner Knaben, in einer Grotte daneben sah man einen Hercules: die Ausstattung des übrigen wird entsprechend gewesen sein. Der reiche Domitius Tullus hatte in seinen Magazinen einen solchen Vorrat der herrlichsten Kunstwerke (um die er sich nicht kümmerte), daß er einen sehr weitläufigen Park an demselben Tage, wo er ihn gekauft hatte, mit sehr zahlreichen und alten Statuen ausstatten konnte. Silius Italicus besaß mehrere Villen, auf jeder sah man eine Menge von Statuen und Bildern. In den Gärten des Regulus in Trastevere war eine sehr große Fläche durch ungeheure Säulengänge eingenommen, das Ufer mit den Statuen des Besitzers gefüllt. Die künstlerische Dekoration der Häuser und Gärten Pompejis dürfen wir als eine in den Städten Italiens allgemeine voraussetzen. In dem 1894-1895 ausgegrabenen Hause der Vettier, dessen Wände im ganzen 192 Bilder enthalten, ist der reiche plastische Schmuck des (jetzt wiederhergestellten) Gartens fast vollständig erhalten: von 12 Statuetten, die Wasserstrahlen in Marmorbecken entsandten, sind noch 9 vorhanden, auch mitten im Garten stehen Skulpturen.
Wären aus früheren Jahrhunderten mehr und genauere Ausgrabungsberichte erhalten, so würde sich vielleicht von der künstlerischen Ausstattung mancher römischen Villen eine ebenso deutliche Vorstellung gewinnen lassen, wie sie uns alte Aufzeichnungen von der sogenannten Villa des Epikureischen Philosophen in Herculaneum geben. Dort war in einem großen Hofe ein länglicher, an beiden Enden halbkreisförmig abgeschlossener Teich, mit Gartenstücken umgeben, und der ganze Platz mit Säulen besetzt, aus denen oben Balken bis in die Gartenmauer gingen, so daß sich eine Laube um die ganze Anlage zog. Unter der Laube waren Abteilungen zum Waschen oder Baden, abwechselnd halbrund und eckig; in jedem Winkel stand ein marmorner Terminus mit einer Bronzebüste, zwischen den Säulen abwechselnd Hermen (Römerköpfe und Götterbüsten, griechische Dichter und Weise, Porträts nach dem Leben und der Idee) und weibliche Bronzefiguren. Vor jeder Herme war ein kleines Bassin, aus einer Schale am Boden erhob sich ein Säulchen mit einer zweiten, muschelartigen Schale, die den Wasserstrahl emporsandte. Um einen andern kleinen Teich waren zehn Statuetten von Putten, Satyrn und Silenen gruppiert als Wassergießer, in der Mitte ritt Silen auf einem Schlauch. Aus dem Garten führte ein langer Gang zu einer erhöhten runden Loggia, wahrscheinlich im Meere selbst angelegt, deren Boden mit einem runden Mosaik aus Africano und Giallo geschmückt war. Die zehn schönen Statuen, welche später, als Achill mit den Töchtern des Lycomedes ergänzt, in den Antikentempel zu Sanssouci kamen, sind 1792 in den Ruinen des sogenannten Landhauses des Marius zu Frascati gefunden worden. Die jetzt in Madrid befindliche Sammlung des Ritters Azára, hauptsächlich aus (mindestens 30) Büsten bestehend, stammt ganz oder größtenteils aus den von Azára 1779 in der sogenannten Villa der Pisonen zu Tivoli gemachten Ausgrabungen.
Alle derartigen Anlagen übertraf die Villa Hadrians zu Tivoli durch den ungeheuren Reichtum ihrer künstlerischen Ausstattung ebensosehr wie durch ihren kolossalen Umfang; sie schloß eine ganze Kunstwelt in sich. Aus ihren unerschöpflichen Ruinen haben sich der Vatikan, die Farnesina, die Villen der Este in Tivoli und auf dem Quirinal, das kapitolinische Museum, die Villa Albani bereichert. Schon unter Alexander VI. hatte man begonnen, diese Statuenschachte auszubeuten. Aus den Grabungen, die der Kardinal Ippolito d'Este, wie es scheint unter Leitung Pirro Ligorios (1530-86), des Erbauers der Villa d'Este in Tivoli, veranstaltete, scheint nur ein sehr kleiner Teil des Statuenvorrats derselben herzurühren. Im 18. Jahrhundert wurden die Ausgrabungen im größten Maßstabe und fast durchaus mit Rücksicht auf den Kunsthandel betrieben; auch wurden sehr bedeutende Funde gemacht, von denen Benedikt XIV. mehreres, besonders die neuägyptischen Statuen des Canopus- oder Sarapisheiligtums, dem kapitolinischen Museum einverleibte.
Allerdings sind nun sehr vielfach zur Dekoration auch ältere Werke der Malerei und Skulptur verwendet worden, wie z. B. in jenem Parke des Domitius Tullus und in dem von Vespasian erbauten prachtvollen Friedenstempel. Aber teils war dies nicht überall möglich, teils konnten selbst die umfassendsten Plünderungen der griechischen Länder dem ins Grenzenlose wachsenden Bedürfnis gewiß nur zu einem geringen Teil genügen, besonders da die häufigen und massenhaften Zerstörungen von Kunstwerken, hauptsächlich durch die wiederholten ungeheuren Brände Roms, schon im 1. Jahrhundert immer neue Lücken hervorbrachten, deren Ausfüllung immer neue Massenproduktion erforderte. Bei weitem der größte Teil der Nachfrage nach künstlerischem Schmuck ist also nicht durch den alten Bestand, sondern durch die Produktion von Kunstwerken befriedigt worden, um so mehr, als in sehr vielen Fällen Beziehungen auf die Gegenwart verlangt wurden.
Es ist aber nicht bloß die Massenhaftigkeit der künstlerischen Produktion zu dekorativen Zwecken, durch die sich der damalige Kunstbetrieb von jedem späteren unterscheidet: ein viel wesentlicherer Unterschied beruht auf der viel größeren Allgemeinheit ihrer Verwendung. Denn die Verbreitung des Kunstbedürfnisses in der damaligen Welt, das die Produktion auf allen Gebieten der bildenden Künste zu befriedigen hatte, ist beispiellos; und beispiellos wie der kolossale Umfang ihres Schaffens ist auch die Universalität, mit der sie einer Unzahl der verschiedenartigsten Wünsche, Forderungen und Liebhabereien Genüge leistete, den höchsten und den gemeinsten, den ausschweifendsten wie den bescheidensten; mit der sie den Sultanslaunen der Herren der Erde diente, während sie zugleich die arme Zelle des Sklaven freundlicher machte. Die Kunst aller neueren Zeiten ist mehr oder weniger aristokratisch gewesen, sie hat mehr oder weniger ausschließlich für eine kleine Minorität von Bevorzugten gearbeitet. Sie hat im Dienste der Kirche, der Macht, des Reichtums gestanden und nur unter besonders günstigen Umständen dazu beigetragen, auch die Existenz der mittleren, nie der untersten Schicht der Gesellschaft zu verschönern. Sie hat in großen Zentren des nationalen Lebens, in Hauptstädten und an Fürstensitzen gewohnt und diesen vereinzelten Punkten einen Glanz verliehen, den ganze Provinzen und Länder entbehrten und noch entbehren. In Wechselwirkung mit dieser Ausschließlichkeit hat stets die Beschränkung der Genießbarkeit ihrer Schöpfungen auf kleine Kreise gestanden: zur Voraussetzung des Verständnisses derselben hat in der Regel eine Bildung und Abstraktionsfähigkeit gehört, die den Massen immer gefehlt hat. So hat die moderne Kunst nur für verhältnismäßig wenige existiert. Die Kunst der römischen Kaiserzeit produzierte für alle Bildungsgrade und alle Klassen der Gesellschaft und verbreitete darum auch Verständnis und Genußfähigkeit für einen sehr viel größeren Teil ihrer Leistungen und in sehr viel weitere Kreise. Sie schuf fein gedachte und virtuos ausgeführte Kabinettstücke zum Hochgenusse der Kenner und füllte zugleich Tempel, Hallen und Plätze mit allgemein verständlichen Figuren, und lange Wände und Fußböden mit bunten Schilderungen, die auch das Gassenpublikum fesselten. Ihre Werke machten nicht bloß die Hauptstadt der Welt zu einer Stadt der Wunder, sie verliehen auch den Munizipien und Kolonien Italiens und der Provinzen einen allerdings nach der Wohlhabenheit, der Kultur und dem Geschmack ihrer Bewohner sehr verschiedenartigen, im Verhältnis zu neueren Zeiten aber jedenfalls höchst reichen Schmuck, und dieser Schmuck wurde auch dort keineswegs nur für die öffentlichen Bauten beansprucht. Die Entdeckung von Herculaneum und Pompeji hat der modernen Welt zu ihrem Erstaunen offenbart, wie allgemein und in wie hohem Grade die Dekoration der Privatwohnungen durch Plastik und Malerei auch in Mittelstädten des Kaiserreichs zu den unentbehrlichsten Annehmlichkeiten selbst bescheidener Existenzen gerechnet ward.
Eine reiche Anwendung von kostbaren Materialien in der Architektur, von Marmor- und Bronzefiguren zur Dekoration der Räume konnte natürlich nur in den Häusern und Gärten der Wohlhabendsten stattfinden: zum Luxus dieser aber gehörten besonders die letzteren ganz allgemein, und nicht bloß in Rom. Auch in den Häusern von Pompeji und Herculaneum ergoß sich das Wasser der Brunnen aus Urnen und Schläuchen von marmornen und bronzenen Satyrn, Silenen und Nymphen. Doch mit der Allgemeinheit des Kunstbedürfnisses in den mittleren und unteren Klassen stand eine umfassende Anwendung wohlfeiler Materialien notwendigerweise in Wechselwirkung, namentlich des Tons und Stucks. Stuckreliefs und -ornamente, oft bemalt, besonders an Gesimsen, Decken und Gewölben, waren, wie Plinius sagt und die Ausgrabungen der verschütteten Städte bestätigen, in den Häusern allgemein. Gipsbüsten schmückten die Räume, besonders Bibliotheken und Studierzimmer derer, denen marmorne und bronzene zu teuer waren: überall sah man in Martials und Juvenals Zeit bei den Heuchlern des Stoizismus und sonstigen Afterphilosophen die Gipsköpfe des Demokrit, Chrysipp, Zeno, Plato und andre mit struppigen Bärten. Aus Ton sind architektonische Verzierungen an Säulen, Fenstern, Gesimsen und Dachrinnen und Friese zur Dekoration der äußeren und inneren Wände, Formen, in denen sie gearbeitet wurden, zahlreich erhalten; oft sind auch solche Tonornamente und -reliefs bemalt, teils mit einer aus dekorativen Gründen gewählten Farbe, teils mit den natürlichen Farben der dargestellten Gegenstände; und gerade in diesen geringen und fabrikmäßigen Arbeiten sind die herrlichsten Erfindungen, die edelsten Gestalten reproduziert, die der Blütezeit der griechischen Kunst ihren Ursprung verdanken.
Noch allgemeiner als die Plastik in weichen Stoffen, vielfach auch mit ihr in Verbindung, wurde (wo die Marmorinkrustierung unerschwinglich war) die Malerei zum Schmucke der Wohnräume verwandt. Farbendekoration war von Stuckbekleidung unzertrennlich. Wie in Pompeji Haus für Haus, Zimmer für Zimmer in heiterem, mit keckem Pinsel flüchtig hingeworfenem und doch oft hinreißend schönem malerischen Schmucke prangt, ist allbekannt; und daß diese Wandmalerei in den Wohnungen so weit verbreitet war wie die römische Kultur überhaupt, zeigen außer Überresten in den Provinzen zahlreiche gelegentliche Erwähnungen. Wenn übrigens auch die Entdeckung von Herculaneum und Pompeji allein hingereicht hat, die Vorstellungen von der antiken Malerei je länger je mehr umzugestalten, so ist doch klar, daß diese und andre vereinzelte Funde uns nur einen verschwindend kleinen Bruchteil des mit der Zeit im ganzen römischen Reiche angesammelten Bildervorrats, folglich nur einen beschränkten Teil der Gegenstände und Stoffe kennen lehren, welche die Dekorationsmalerei behandelte. Mythologische Bilder werden allerdings zu allen Zeiten die gewöhnlichsten gewesen sein; der Kampf bei den Schiffen vor Troja wird als ein gewöhnliches Wandbild erwähnt. Doch daß historische Darstellungen nicht fehlten, beweist neben den esquilinischen Bildern von Kriegsereignissen und Szenen aus der Gründungssage Roms die Beschreibung, welche Sidonius Apollinaris von der Villa Burgus des Pontius Leontius gibt. Dort waren außer Szenen aus der jüdischen Geschichte auch Ereignisse des dritten Mithridatischen Kriegs gemalt: wie Mithridates dem Meergott Rosse opfert, die Belagerung von Cyzicus und die Entsetzung der Stadt durch Lucull; man sah einen Soldaten durch das Meer schwimmend einen Brief emporhalten. Von einem des Krieges völlig Unkundigen sagte man in Griechenland, er habe ihn nicht einmal auf einer Wand gemalt gesehen; aber ohne Zweifel waren Schlachtenbilder nicht bloß dort häufig. Daß zu den Gegenständen der Wandmalerei auch komische Szenen aus dem Tierleben gehörten, erwähnt gelegentlich der Fabeldichter Phädrus, in dessen Zeit (unter Tiberius) man in den Tabernen Roms häufig den Krieg der Mäuse und Wiesel gemalt sah.
Wie die Verwendung der übrigen Künste zur Dekoration, so blieb namentlich auch die der Wandmalerei bis in die letzten Zeiten des Altertums im römischen Reiche allgemein. In dem Maximaltarif Diocletians vom Jahre 301, der auch für alle gangbaren Arbeiten die höchsten Tagelöhne festsetzt, werden unter den zum Hausbau erforderlichen Handwerkern folgende mit aufgezählt: der Marmorarbeiter (hauptsächlich für Inkrustation von Wänden und Fußböden, auch wohl für Ornamente), der Mosaizist, der Estrichleger, der Wandanstreicher, der Bildermaler; ferner werden Preise für den Bronzeguß in Reliefs und Statuen, für das Modellieren von Figuren (in Stuck und Ton) und für die sonstige Stuckarbeit angesetzt. Dieselben Arbeiter werden auch in einem Erlaß Constantins vom Jahre 337 an den Reichsverweser der westlichen Provinzen über die Freiheit der Künstler und Handwerker von kommunalen Leistungen aufgeführt, gehörten also auch damals noch zu denen, die in der Regel in den dortigen Städten ansässig waren. Noch größere Privilegien erteilte Valentinian I. den Malern (aber nur den freigeborenen) in einem Erlaß an den Statthalter von Afrika vom Jahre 374. Unter anderm sollten sie Lokale und Werkstätten auf städtischen Grundstücken zur Ausübung ihrer Kunst ohne Miete erhalten, sich in jeder Stadt niederlassen und von den Beamten nicht gezwungen werden dürfen, ohne Bezahlung heilige, d. h. kaiserliche Porträts zu liefern oder öffentliche Bauten auszumalen. Die bis in die letzten Zeiten fortdauernde Verwendung der Steinskulptur zu dekorativen Zwecken zeigt sich aufs anschaulichste auch in dem früh aufgezeichneten Bericht vom Martyrium der fünf Steinmetzen unter Diocletian, dessen Verfasser die Arbeiten in den Steinbrüchen Pannoniens (dem Lokal der Erzählung) offenbar aus Autopsie kannte. Der Kaiser ließ nach seinem Berichte dort aus Porphyr Säulen mit Blätterkapitälen, ferner Wasserbehälter in Wannenform ( conchae) und Becken ( lacus), teils mit Früchten und Acanthusblättern, teils mit Figuren in erhabener Arbeit verziert, ausführen. Er bestellte auch Victorien und Liebesgötter, wasserspeiende Löwen, Adler und Hirsche und Bilder vieler anderer Tierarten, alles offenbar als Ornamente, vielleicht für große marmorne Brunneneinfassungen und Bassins: was auch für jene Zeit eine durchgehende Anwendung der Steinornamentik, soweit sie in der Architektur und Tektonik zulässig war, voraussetzen läßt.
Wie in der Plastik, so scheinen auch in der Wandmalerei bis in das späteste Altertum die Gegenstände und (wo diese der Gegenwart entnommen waren) die Darstellungsweisen der früheren Zeiten, wenigstens zum großen Teil, beibehalten worden zu sein. Im kaiserlichen Palast zu Mailand stellte ein Gemälde die Cäsaren thronend, scythische Fürsten zu ihren Füßen dar: Attila ließ es 452 in der Art umgestalten, daß die ersteren vor den letzteren in demütiger Haltung Tribute darbringend erschienen. Im Speisesaale des kaiserlichen Palasts zu Aquileja waren Constantin und Fausta, beide als Kinder, gemalt; das Mädchen reichte dem Knaben einen mit Gold und Edelsteinen geschmückten Helm mit einem wallenden Federbusch. Ausonius, der ein Epigramm auf ein Gemälde gedichtet hat, das den Kaiser Gratianus einen Löwen durch einen einzigen Pfeilschuß erlegend vorstellte, sagt, daß man auch damals mythologische Szenen häufig auf Wänden dargestellt sah; er beschreibt ein Wandgemälde in dem Speisesaal eines Zoilus zu Trier: Heroinen, welche die Liebe zu einem tragischen Schicksal geführt hat, peinigen und binden Cupido. Libanius erwähnt Bilder, welche die Liebschaften der Götter darstellten, und beschreibt zwei in der aus Pompeji bekannten Weise des Studius staffierte Landschaften: die eine mit ländlichen Gebäuden, verschiedenen Menschen und Tieren, einem zweirädrigen, beladenen, von Ochsen gezogenen Wagen, einem Tempel mit Bäumen; die andre mit einer bekränzten Festgesellschaft, die im Freien unter einem zwischen Bäumen ausgespannten Zeltdache schmaust, im Hintergrunde eine Stadt mit Mauern und Türmen. Sidonius Apollinaris (Bischof zu Clermont um 450), dem die ganze heidnische Kunst wegen ihrer Gegenstände, noch mehr wegen ihrer Nacktheit verhaßt war, ließ die inneren Wände des Bads auf seinem Landgut einfach weißen: »Da steht«, sagt er, »keine Darstellung zur Schau, die durch die nackte Schönheit gemalter Körper häßlich ist, und wie sie die Kunst ehrt, so den Künstler verunziert«; da sind keine Komödianten mit lächerlichen Fratzen und bemalten Harlekinstrachten, keine verschlungenen Ringerpaare. Auch die Gegenstände der von Luxorius, welcher unter dem Vandalenkönige Thrasamund (496-523) in Afrika dichtete, beschriebenen Bilder wird man für längst gebräuchliche oder in üblicher Weise behandelte zu halten haben: Fridamal, einen Eber erlegend; Romulus, wie er auf der Mauer Roms seinen Bruder Remus tötet; Diogenes, von einer Dirne am Barte gezupft, hinter seinem Rücken von einem Liebesgott verhöhnt. Daß endlich auch die christliche Kunst (auf welche hier nicht eingegangen werden soll) bis zu einem gewissen Grade sich an die überlieferten Motive und Gestalten halten mußte, ist bekannt. Die Wichtigkeit der Malerei im Dienst der Kirche wurde früh erkannt. Paulinus von Nola sagt (403), daß die Betrachtung der Bilder in einer Säulenhalle bei der dortigen Basilika des heiligen Petrus (Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament und der Geschichte der Märtyrer) den zum Feste des Heiligen massenhaft herbeiströmenden, des Lesens unkundigen Pilgern die angemessenste Unterhaltung bot und sie von fleischlichen Genüssen zurückhielt. »Die Bilder sind die Bücher der Ungelehrten«, ist ein Ausspruch Gregors des Großen.
Weit zahlreichere Reste als von den Wandmalereien haben sich von den so viel dauerhafteren Mosaiken der Fußböden in fast allen Provinzen erhalten, wie in Spanien, Frankreich, England, der Schweiz, den Rheinlanden, Bayern, Salzburg, Siebenbürgen, vor allem in Nordafrika: sie machen die Allgemeinheit auch dieser Dekoration, die sogar das Altertum überdauert hat, unzweifelhaft.
Dieselbe Allgemeinheit des künstlerischen Schmucks wie die Wohnungen zeigt der Hausrat. Schon allein die Geräte und Möbel der pompejanischen Häuser, deren größter Teil doch wohl von den fliehenden Einwohnern gerettet oder aus der lockeren Aschendecke sofort wieder herausgegraben worden sein wird, Tische, Bänke, Sessel, Sofas, Kandelaber, Gefäße, Lampen, Dreifüße, Toilettenutensilien und andre Schmuckgegenstände aller Art, haben der modernen Kunstindustrie eine kaum zu erschöpfende Fülle geschmackvoller Vorbilder geliefert. Und nicht bloß um marmorne und bronzene Kandelaber rankte sich der Schmuck phantastischer Vegetationsformen, nicht bloß silberne und goldene Schalen und Kannen prangten in getriebener Arbeit und mit schön verzierten Henkeln, gläserne Prachtvasen mit figurenreichen Reliefs in verschiedenen Farben: auch das irdene Geschirr des Armen, die Siegelringe aus Glasfluß, die tönerne Lampe, die bei später Arbeit leuchtete – alles hatte seinen bildlichen Schmuck, und namentlich die Deckel der Tonlampen haben einen reichen Schatz von künstlerischen Gegenständen und Motiven bewahrt. Auch die ärmste Wohnung entbehrte oft eher den notwendigsten Hausrat als den künstlerischen Schmuck. Juvenal schildert die Einrichtung eines blutarmen Gelehrten oder Dichters: da war ein kurzes Bett und eine alte Kiste mit göttlichen griechischen Gedichten, an denen ungebildete Mäuse nagten, doch auch eine marmorne Tischplatte mit sechs Henkeltöpfchen, darunter ein hoher gehenkelter Becher, und die Figur eines liegenden Zentauren als Stütze (Trapezophor). Figuren und Figürchen ( sigilla), die als Zimmerschmuck dienen konnten, waren darum auch stets willkommene Geschenke und gehörten zu denen, die man in der Saturnalienzeit regelmäßig austauschte: man kaufte sie dann auf einem eigens eröffneten Markte, sonst auch in Läden der ebenfalls nach ihnen benannten Sigillarstraße. Unter den Saturnaliengeschenken, für die Martial Aufschriften gedichtet hat, sind Figuren aus Ton (der Lieblingsknabe des Brutus, Hercules, ein Buckliger, eine Germanenmaske), aus Marmor (ein Hermaphrodit, Leander), aus korinthischer Bronze (Hercules, Apoll als Eidechsentöter), aus Silber (Minerva), aus Gold (Victoria), außerdem drei Bilder (Hyacinthus, Danae, Europa). Überhaupt aber waren Kunstwerke gewöhnliche Geschenke; schon Horaz entschuldigte sich gleichsam, daß er nicht imstande sei, eine Arbeit von Skopas oder Parrhasius zu schenken; Seneca, der empfiehlt, zu Geschenken nicht schnell vergängliche Dinge zu wählen, sagt: er schenke lieber Silbergerät als Geld, lieber Statuen als Kleider und Teppiche; und unter den Gaben, die ein beschäftigter Rechtsanwalt in Martials Zeit an seinem Geburtstage von dankbaren Klienten erwarten durfte, waren auch Werke »des Phidiasischen Meißels«.
Am deutlichsten aber zeigt sich in den Grabdenkmälern, wie die bildende Kunst jener Zeit auch dem Geringsten und Unbeglücktesten ihre Gaben spendete. Zwar die Sarkophage mit ihrem reichen Reliefschmuck waren, wenn auch ohne Zweifel im Verhältnis zu modernen Preisen wohlfeil, doch in der Regel nur für Wohlhabende erschwinglich; aber wenigstens im 1. Jahrhundert war nicht das Begraben, sondern das Verbrennen der Toten die Regel; in der Gräberstraße von Pompeji hat sich kein Sarkophag gefunden, das Begraben ist erst im 2. Jahrhundert wieder aufgekommen und allmählich immer allgemeiner geworden. Jene kleinen, oft so überraschend schönen, reich »mit Leben verzierten« marmornen Urnen aber, in denen »die Asche noch im stillen Bezirk sich des Lebens zu freuen scheint«, sind offenbar größtenteils aus den Werkstätten untergeordneter Kunsthandwerker hervorgegangen und wohl auch für Unbemittelte nicht zu teuer gewesen. Vor allem schmückte die Malerei die inneren Räume der Grabdenkmäler ganz allgemein, wie namentlich auch die Beibehaltung dieser Dekoration in christlichen Grüften beweist, gewiß nicht selten auch die Außenwände. Selbst die Kolumbarien (große Gewölbe mit langen, übereinanderliegenden Reihen von Nischen für Aschenurnen), die Ruhestätten kleiner Leute, auch der Sklaven, also der Niedrigsten und Unseligsten, sind zuweilen freundlich wie Wohnräume mit Wandbildern dekoriert, die, manchmal recht leidlich, die unbenutzten Stellen der Pfeiler und Wände füllen. Wenn hier eine neue Urne in der für sie gekauften Nische beigesetzt wurde, mögen die Leidtragenden mit Wohlgefallen den Schmuck betrachtet haben, den sie aus ihren kleinen Ersparnissen für die Wohnungen ihrer Toten angeschafft hatten. Da waren mythologische Szenen, Bilder aus dem täglichen Leben, Landschaften, Tier-, Blumen- und Fruchtstücke; da schoß Hercules dem Prometheus den Geier von der Leber weg, Ulysses blickte gerührt auf den sterbenden Hund Argus, groteske Pygmäen ergriffen vor einem Krokodil die Flucht, Gaukler tanzten einen Kastagnettentanz, eine Giraffe mit einer Glocke um den Hals ward, wie im Amphitheater, von ihrem Wärter geführt u. dgl. mehr.
b) Monumentale Kunst
Neben dieser unermeßlichen Beschäftigung der Skulptur und Malerei für dekorative Zwecke ging eine Verwendung beider Künste für monumentale im eigentlichen Sinne des Wort, d. h. zur Verewigung von Personen und Ereignissen her, die weder vorher noch nachher jemals in so riesenhaften Dimensionen betrieben worden ist, wie in den beiden ersten Jahrhunderten, und selbst noch im dritten und vierten kolossal war.
Wie überall, war die Kunst den Römern auch hier nicht Zweck, sondern Mittel. Sie als Mittel zur Erhöhung der Schönheit, Pracht und Behaglichkeit ihrer Wohnungen und Städte zu verwenden, haben sie erst durch die Eroberung der griechischen Länder gelernt; sie als Mittel zur Fixierung des Erlebten und Geschehenen für Mit- und Nachwelt, zur Verewigung der Gesichtszüge und Gestalten geehrter und geliebter Personen zu benutzen, war ein nationales römisches Streben, das sich schon in der alten Sitte der adeligen Geschlechter offenbart, bemalte Wachsmasken der Ahnen aufzubewahren. Sehr alt war auch in Rom die Sitte der öffentlichen Aufstellung von Ehrenstatuen, sie reicht mindestens in die Zeit der Dezemvirn (450 v. Chr.) zurück, die älteste mit Sicherheit nachzuweisende ist die des griechischen Dolmetschers derselben auf dem Forum; diese, sowie alle aus den beiden nächsten Jahrhunderten bekannten, waren aus Bronze, die man zu Götterbildern seit 269 = 485 zu verwenden angefangen hatte; die erste aus vergoldeter Bronze war die Reiterstatue des Besiegers des Antiochus, Acilius Glabrio, von dessen Sohn im Tempel der Pietas 573 = 181 errichtet. Um die Mitte des 5. Jahrhunderts d. St. (etwa 300 v. Chr.) scheinen die Könige und berühmten Männer der ersten Republik Statuen erhalten zu haben. Nach dem zweiten punischen Kriege waren Kapitol und Forum bereits mit Statuen überfüllt. Von jenem wurde ein Teil derselben im Jahre 575 = 179 entfernt, und vom Forum ließen 596 = 158 die Zensoren sämtliche Ehrenstatuen von Beamten, die nicht auf Volks- oder Senatsbeschluß gesetzt waren, wegräumen. Schon Cato wollte lieber, daß die Leute fragten, warum ihm keine, als warum ihm eine Statue gesetzt sei; er hatte zu klagen, daß solche in den Provinzen schon sogar Frauen errichtet wurden, und bald geschah dies auch in Rom selbst. Die gleichzeitige Statue der Mutter der Gracchen, Cornelia, sah man noch in Plinius' Zeit in der Porticus der Octavia, wo ihre durch Feuer beschädigte, später zur Aufstellung einer Statue von Tisicrates verwendete Basis wieder aufgefunden worden ist.
Auch die Sitte, über große Taten und Ereignisse dem Volke durch Bilder zu berichten, kam früh auf. Zuerst stellt M.' Valerius Maximus Messalla das Bild seiner siegreichen Schlacht gegen die Karthager und Hiero in Sicilien 490 = 264 v. Chr. auf einer Wand der Curia Hostilia aus. Solche Bilder auf Holz und Leinwand wurden namentlich in den Triumphzügen getragen, wie in dem des M. Marcellus ein Bild der Einnahme von Syrakus (212). Ämilius Paullus ließ zur Illustration seines Triumphs im Jahre 168 einen Maler (Metrodorus) aus Athen eigens kommen. L. Hostilius Mancinus, der zuerst ein Außenwerk von Karthago im Jahre 148 eingenommen hatte, ließ Bilder der Stadt, der Belagerung und Erstürmung auf dem Forum aufstellen, die er dem Volke selbst erklärte, wodurch er sich so populär machte, daß er (141) das Konsulat erhielt. Tiberius Gracchus ließ ein Gastmahl im Tempel der Freiheit malen, das die Beneventaner seinem Heer im Jahre 214 nach dem in der Nähe erfolgten glücklichen Gefecht gegeben hatten. Man sah darauf besonders die in das Heer eingestellten Sklaven mit den Zeichen der ihnen zum Lohn für die bewiesene Tapferkeit geschenkten Freiheit. Ein Bild eines Gladiatorenkampfs stellte zuerst (im Dianentempel zu Aricia) ein C. Terentius Lucanus (im Anfange des 7. Jahrhunderts d. St.) aus.
Diese Verwendung der bildenden Künste zur Veranschaulichung und Verherrlichung von Personen und Ereignissen, sowohl bei bestimmten Veranlassungen als für die Dauer, fand auch in der Kaiserzeit im weitesten Umfange statt. In dem »Hervortreten des schildernden Prinzips, das einen entschiedenen Gegensatz bildet zu dem plastisch-idealen in der Malerei der Griechen«, »in dem breiten illustrierenden Ton der Darstellungen« (H. Semper), nähert sich die damalige Malerei in Zweck und Behandlung in hohem Grade der altägyptischen und altassyrischen, ihre Werke den Gemälden der Paläste von Theben, den Alabastertafeln derer von Ninive, den babylonischen Teppichen. Namentlich die römischen Kaiser selbst redeten durch sie zum Volke. Bilder vertraten in dieser Zeit ohne Presse die Stelle von Manifesten und Proklamationen, wie man auch im Mittelalter in Florenz und Rom durch historische und allegorische Bilder sich an das Volk wandte; durch solche entflammte z. B. Cola di Rienzi die Römer. Jeder Triumph beschäftigte eine Menge von Künstlern, welche die Natur des besiegten Landes und die Geschichte des Feldzuges den Zuschauern des Aufzugs durch bildliche Darstellungen aller Art zu veranschaulichen hatten; vermutlich konnten hierbei oft, wenn nicht in der Regel, Skizzen von Malern benutzt werden, welche zu diesem Zwecke den Heeren beigegeben waren. Bei dem Triumphe des Vespasian und Titus über Judäa wurden Schaugerüste von drei bis vier Stockwerken, mit goldgestickten Teppichen behängt, mit Ornamenten aus Gold und Elfenbein geschmückt, getragen; teils auf diesen, teils auf andern Bildern war der Krieg in seinem ganzen Verlaufe dargestellt. »Da sah man ein reiches Land verwüsten, ganze Scharen von Feinden töten, fliehen oder als Gefangene abgeführt werden, ungeheure Mauern unter den Stößen von Belagerungsmaschinen einbrechen, starke Festungen erstürmen, die Ringmauern volkreicher Städte ersteigen, das Heer sich ins Innere ergießen und alles mit Mord erfüllen, die Wehrlosen flehend die Hände erheben; man sah Feuer in Tempel schleudern, Häuser über den Bewohnern zusammenstürzen, und nach vieler Verwüstung und Trauer Wasserströme nicht über bebaute Felder, noch zum Trunk für Menschen und Tiere, sondern durch die von allen Seiten brennende Stadt sich ergießen.« So wehten auch dem Don Juan d'Austria bei seinem Einzuge in Brüssel (1. Mai 1577) Banner voraus, deren Malerei die Schlacht von Lepanto und andre große Szenen seines Lebens verherrlichte. Im Altertum fehlten bei Triumphen auch plastische Darstellungen nicht, namentlich Figuren der nach antiker Weise personifizierten Berge, Flüsse, Länder und Städte. Noch heute sehen wir auf einem Relief des Titusbogens, wie bei dem Triumph über Judäa die liegende Statue des Jordans getragen wurde, und wenn Triumphe über deutsche Völker bevorstanden, wurden ganz gewiß kolossale Figuren des Rheins bestellt. In dem Triumphzuge Octavians nach der Schlacht bei Actium sah man ein Bild der Kleopatra mit der Natter am Arm.
Auch die künstlichen Scheiterhaufen, die bei der Konsekration verstorbener Kaiser nach asiatischem Gebrauche auf dem Marsfelde errichtet wurden und aus mehreren in Pyramidenform sich allmählich verjüngenden Stockwerken bestanden, deren oberstes die Bahre mit dem Toten trug, waren äußerlich über und über mit goldgestickten Decken, Elfenbeinreliefs und Gemälden bekleidet, die ohne Zweifel das Leben des vergötterten Herrschers darstellten. Wenn diese ganze, in echt barbarischer Weise zur Vernichtung bestimmte Pracht in heller Flamme aufloderte, schwang sich vom Giebeldache des Tabernakels auf dem obersten Stockwerke ein Adler in die Luft.
Nichts aber zeigt so sehr, in welchem Grade man sich gewöhnt hatte, die Malerei zur momentanen Veranschaulichung des Geschehenen zu benutzen, als ihre Verwendung vor den Schranken der Gerichte. Schon in der letzten Zeit der Republik wurden Anklagen wenigstens in Volksversammlungen durch Schildereien unterstützt, welche die angeblichen oder wirklichen Verbrechen der Angeklagten vor Augen stellten. Der Tribun A. Gabinius zeigte und erklärte im Jahre 67 dem Volke ein Bild der tusculanischen Villa des Lucull, um es von der Üppigkeit des Konsulars zu überzeugen. Als Galba zu Cartagena im Jahre 68 seine Truppen aufforderte, gegen Rom zu ziehen, ließ er auf dem Tribunal vor sich, gleichsam als stumme Ankläger Neros, möglichst viele Porträts von Männern aufstellen, die Opfer seines Despotismus geworden waren. Quintilian hatte selbst zuweilen gesehen, wie die Richter durch Bilder auf Holz oder Leinwand, die den Angeklagten in beschämenden oder mitleiderregenden Situationen darstellten, gegen oder für diesen eingenommen werden sollten. Er mißbilligte dieses Mittel höchlich, weil damit der Ankläger sich das Armutszeugnis ausstelle, daß ein stummes Bild beredter sei als er selbst.
Wie es gemalte Anklagen gab, gab es auch gemalte Bettelbriefe. Die angeblichen oder wirklichen Schiffbrüchigen führten in der Regel Bilder bei sich, die sie auf einer dunkelblauen Meeresfläche von dem Wrack ans Land schwimmend darstellten, und solche wurden auch in den Tempeln als Votivtafeln aufgehängt, namentlich in denen der Isis, als der Schutzpatronin der Schiffahrt; man weiß, sagt Juvenal, daß die Maler von der Isis ernährt werden. Nur im Vorbeigehen mag hier der zahllosen Votivbilder und -reliefs gedacht werden, die das gefährliche Ereignis, aus dem der Darbringer entronnen war, möglichst genau mit allen Einzelheiten vor Augen stellten: Arbeiten, die zwar (wie die andern zuletzt erwähnten) in überwiegender Mehrzahl von untergeordneten Kunsthandwerkern geliefert wurden, doch sicherlich nicht ohne zahlreiche Ausnahmen; denn die Reichen und Vornehmen ließen natürlich auch solche Arbeiten von guten Künstlern ausführen. Tacitus erwähnt z. B., daß Domitian, der bei der Erstürmung des Kapitols in der Nacht des 18. Dezember 69 in großer Gefahr geschwebt hatte, auf der Stelle der Wohnung eines Tempeldieners, in der er versteckt gewesen war, dem Juppiter Erhalter eine Kapelle erbauen und darin einen Altar aufstellen ließ, der mit der Darstellung seiner Gefahren in Marmor geschmückt war.
Überhaupt aber dürfte die Darstellung persönlicher Erlebnisse in Bildern und Skulpturen keineswegs ungewöhnlich gewesen sein. Wie die Amme des großen Schauspielers Roscius einst ihren im Freien schlafenden Säugling von einer Schlange umwunden gefunden, hatte Pasiteles in einem Relief aus Silber dargestellt. Im Roman des Apulejus will die Braut, die mit Hilfe des Esels den Räubern entflohen ist, ein Bild dieses Ereignisses im Atrium ihres Hauses aufstellen lassen. In dem Hause des Trimalchio bei Petron sind verschiedene Wände einer Kolonnade mit der Ilias und Odyssee, einem Gladiatorenspiel und der ganzen Laufbahn des Hausherrn in teilweise allegorischer Darstellung bemalt. Man sieht ihn als Knaben auf einem Sklavenmarkt, als künftigen Liebling Mercurs mit dem Caduceus in der Hand, von Minerva in Rom eingeführt. Dann folgen Bilder, auf denen er rechnen lernt, Kassierer wird usw., alles mit Unterschriften; am Ende der Wand wird er von Mercur auf eine hohe Tribüne gehoben, ihm zur Seite steht eine Glücksgöttin mit dem Füllhorn und drei Parzen, die goldene Fäden spinnen. Wie überhaupt in diesem Roman, darf man auch hier Schilderungen des in gewissen Kreisen der Gesellschaft Üblichen voraussetzen, wenigstens annehmen, daß derartige Geschmacklosigkeiten nicht gerade unerhört waren. Das Grabmal, das Trimalchio sich bestellt, erinnert übrigens daran, daß auch auf solchen Monumenten Ereignisse aus dem Leben der Verstorbenen dargestellt wurden, und zwar gewiß oft in breitester Ausführlichkeit. Trimalchio will auf dem seinigen eine von ihm veranstaltete Bewirtung der ganzen Gemeinde abgebildet haben: ihn selbst soll man auf einer erhöhten Bühne sitzen sehen, in einer purpurumsäumten Toga, fünf goldene Ringe an den Fingern, wie er aus einem Beutel Geld unter das Volk streut, ringsumher Tafeln, an denen die ganze Bürgerschaft sich gütlich tut. Ein Grabstein mit Darstellungen, die den hier beschriebenen ähnlich sind, das Denkmal eines Sevirn der Augustalen in Brescia, hat sich erhalten. Namentlich die hohen, obeliskenartigen Grabmäler der Maas- und Moselgegend (wie das der Secundinier zu Igel und die zerstörten von Neumagen, deren Reliefs trotz ihrer schweren Beschädigung durch Fliegerbomben im Jahre 1918 einen besonderen Schmuck des Trierer Provinzialmuseums bilden) sind auf allen Seiten mit Szenen aus dem Leben der Verstorbenen geschmückt. Sie zeigen uns den Hausherrn zu Pferde von der Jagd heimkehrend, die Hausfrau im Ankleidezimmer, von ihren Sklavinnen bedient, Kaufleute im Kontor am Zahltisch, im Warenhause an der Schnellwaage, Küfer im Weinkeller, einen Obstverkauf, Gutsbesitzer, denen ihre Pächter Schafe, Fische, Geflügel, Eier bringen, einen mit Fässern beladenen Flußkahn usw. und beweisen, »daß in diesem schönen Lande bereits vor anderthalb Jahrtausenden friedliche Tätigkeit, heiterer Genuß und warmes Leben pulsiert hat«.
Aber nicht bloß Erlebnisse, auch bedeutende Träume wurden durch die bildenden Künste verewigt. Eine Darstellung der wichtigsten der zahlreichen Träume, die dem Septimius Severus die Herrschaft vorherverkündigten, in sehr großem Maßstabe in Bronze ausgeführt, hatte Herodian auf dem Forum zu Rom gesehen. Severus hatte geträumt, daß er Pertinax auf einem königlich geschmückten Pferde über die heilige Straße reiten sah; aber am Anfange des Forums angekommen, warf das Pferd den Reiter ab, hob Severus auf seinen Rücken und blieb mitten auf dem Forum mit ihm stehen. Cassius Dio hatte in Mallos in Cilicien das Bild eines Traumorakels gesehen, das dem S. Quintilius Condianus dort von dem Heros Amphilochus erteilt worden war, und das jener sich hatte malen lassen: ein Knabe, der zwei Schlangen erwürgt, und ein Löwe, der ein Hirschkalb verfolgt. Daß und wie dies auf den Untergang der beiden Brüder Quintilius hindeutete, erkannte man erst, als derselbe im Jahre 183 erfolgt war. In Lebena auf Kreta weihte nach einer noch vorhandenen Inschrift ein Diodorus dem Asklepios für die Herstellung seiner Augen »zwei Traumgesichte«, d. h. bildliche Darstellungen derselben.
Die denkwürdigsten Vorgänge und Begebenheiten sollten durch plastische und malerische Darstellungen nicht bloß für bestimmte Veranlassungen veranschaulicht, sondern für alle Zeiten dem Andenken der Nachwelt erhalten werden. Schlachten und Belagerungen, Friedensschlüsse und Verträge, Triumphe, Standreden, Wohltätigkeitshandlungen, Opfer, Jagden usw. der Kaiser, ferner Schauspiele, besonders Gladiatorenkämpfe und Tierhetzen, wurden während der ganzen Kaiserzeit in allen Maßstäben massenweise durch Skulptur, Malerei und Mosaik verewigt, seit dem 3. Jahrhundert hauptsächlich durch die beiden letzteren Künste, da teils die Technik der Plastik immer unbehilflicher wurde, teils große bunte Schilderungen ohne Zweifel dem Geschmack wie dem Illusionsbedürfnis der Massen mehr zusagten. Der traurige Verfall, den schon die Reliefs am Triumphbogen des Septimius Severus zeigen, läßt vermuten, daß z. B. die gewiß sehr umfangreiche Darstellung seiner sämtlichen Taten in einer wahrscheinlich von seinem Sohne erbauten Säulenhalle in Malerei oder Mosaik ausgeführt war. Wenn nach dem Tode eines verhaßten Regenten seine Statuen und Denkmäler umgestürzt und zerstört wurden, blieben auch solche Bilder natürlich nicht verschont. So ließ der Senat ein großes, vor der Kurie aufgestelltes Bild, auf dem Maximinus einen von ihm über die Germanen erfochtenen Sieg hatte malen lassen, nach seinem Falle verbrennen. Doch vieles entging auch in solchen Fällen der Zerstörung, besonders im Innern der kaiserlichen Schlösser.
Porträtbilder lieferte die Malerei natürlich vorzugsweise für innere Räume, also mehr für private als öffentliche Zwecke, doch waren neben Ehrenstatuen auch Ehrenbilder, die in Tempeln oder öffentlichen Gebäuden angebracht wurden, besonders in griechischen Städten nicht selten. Nero ließ sich auf Leinwand in einer Figur von 120 Fuß (= 35½ Meter) Höhe malen. Herodian hatte ein Bild gesehen, auf dem ein Leib einen Kopf mit zwei Gesichtern, Alexanders des Großen und Caracallas, trug. Elagabal kündigte sich durch ein nach Rom vorausgesandtes großes, selbstgemaltes Bild dort an, auf dem er in einheimischer Priestertracht, seinem Gotte opfernd, dargestellt war, mit dem Befehl, es im Senatssaal über der Statue der Victoria anzubringen. Die Einfachheit der Kleidung des Claudius Gothicus sah man noch in Julians Zeit an dessen Bildern; und die Ähnlichkeit Theodosius des Großen mit Trajan ließ sich aus den Bildern der letzteren feststellen. Als Constantin die Statuen des alten Maximianus niederreißen ließ, verschwanden auch seine Bilder von den Wänden. Die »Sitte der Könige«, sich zur Brautwahl Porträts von Prinzessinnen senden zu lassen, von welcher Honorius bei Claudian spricht, dürfte im Orient heimisch gewesen sein und von dort sich in den Westen verbreitet haben. Die jüdische Fürstin Alexandra sandte auf den Rat des Dellius an Marcus Antonius Porträts ihrer beiden Kinder, des sechzehnjährigen Aristobulus und der Gemahlin des Herodes Mariamne, um durch die wunderbare Schönheit beider ihn für ihr Anliegen (die Verleihung des Priestertums an Aristobulus) günstig zu stimmen.
Auch im Privatleben wurde die Porträtmalerei ganz allgemein in Anspruch genommen, um die Züge und Gestalten berühmter und interessanter, geliebter und verehrter Personen für einzelne wie für größere Kreise festzuhalten. Ein Porträt der durch ihr Verhältnis zu dem jugendlichen Pompejus berühmten, wunderschönen Kurtisane Flora stellte Metellus Dalmaticus in dem von ihm restaurierten und mit Gemälden und Statuen geschmückten Kastortempel am Forum auf. Die Freunde des Atticus in Athen besaßen das Porträt Epikurs auf Bildtafeln, Trinkbechern und Ringsteinen. Die Bilder der damals gesuchtesten Porträtmaler Roms, Sopolis und Dionysius, füllten noch in Plinius' Zeit die Galerien; viel höher als ihre Bilder wurden jedoch die Frauenporträts der unvermählt gebliebenen Malerin Jaja aus Cyzicus bezahlt, die auch sich selbst im Spiegel gemalt hatte. Unter den Wandbildern Pompejis sind besonders bemerkenswert die Porträts des Bäckermeisters P. Paquius Proculus mit seiner Frau und ein neuerdings aufgedecktes Miniaturporträt hinter Bergkristall. Die Angabe des Plinius, daß die Porträtmalerei durch die Mode der bronzenen und silbernen Medaillons völlig verdrängt worden sei, bezieht sich zunächst auf die Atrien vornehmer Häuser; eine große Verbreitung dieser Medaillons war durch ihre Kostbarkeit ausgeschlossen.
Bereits in der letzten Zeit der Republik entstanden infolge der Beliebtheit von Porträtbildnissen Zusammenstellungen von solchen, die durch den Buchhandel verbreitet wurden. Atticus gab eine Sammlung von Porträts berühmter Römer mit kurzen Unterschriften biographischen Inhalts heraus; Varro ein großes Werk, das 700 Bildnisse von Griechen und Römern (Staatsmännern, Feldherren, Dichtern, Schriftstellern, Gelehrten, Künstlern usw.) enthielt und diesen nach dem Ausdruck des Plinius durch seine Versendung in alle Länder eine Art Allgegenwart verlieh. Mindestens die Porträts der Autoren vor ihren Schriften blieben gewöhnlich. Seneca spricht von den Werken großer Geister, die samt deren Bildnissen vervielfältigt sind; Martials erste Sammlung von Sinngedichten war mit dem Bildnisse des Dichters geschmückt; er erwähnt eine kleine Pergamentausgabe des Vergil mit einem solchen und bezeichnet philosophische Bücher als diejenigen, welche durch Köpfe mit struppigem Haar und Bart verunziert werden. Vermutlich ist auch bei den Augenkrankheiten, welche nach Galen Maler sich durch Malen auf weißem Pergament zuzogen, an diese Titelbilder und andre Illustrationen der Bücher zu denken. Der nestorianische Christ Honein ibn Ishâq († 873) sagt, daß in den alten Rollen, aus denen er griechische Autoren ins Syrische und Arabische übersetze, am Anfange jedes Buchs eines Philosophen dessen Figur auf einem Hochsitz, vor dem die Schüler standen, abgebildet war. Die Bibliotheken wurden nicht bloß mit Büsten und Hermen, sondern auch mit gemalten Porträts der Schriftsteller geschmückt. Der jüngere Plinius bestellte bei einem Freunde in einer Stadt Oberitaliens (im Lande der Insubrer) Bilder des Cornelius Nepos und des epikureischen Philosophen T. Catius, die dort geboren waren, für die Bibliothek eines andern Freunds: er bittet, die Kopien der dort vorhandenen Porträts einem möglichst zuverlässigen Künstler zu übertragen.
Ohne Zweifel hatte man wenigstens in jeder größeren Stadt die Wahl zwischen mehreren Künstlern, und war in der Lage, sich nur für einen bewährten entscheiden zu dürfen. Martial ließ sich für den an der Donau kommandierenden Cäcilius Secundus malen; sein Porträt für die Bibliothek des Stertinius Avitus kann ebenfalls ein gemaltes gewesen sein; er erwähnt ferner Porträtgemälde des Tragödiendichters Memor, des Cäsonius Maximus, des (im Alter von 20 Jahren verstorbenen) Camonius Rufus als Kind, des M. Antonius Primus (das er mit Violen und Rosen bekränzte): sämtlich, wie es scheint, Brustbilder. Statius hatte die Mutter des Claudius Etruscus nicht persönlich gekannt; aber ihr Bild zeigte ihm, daß ihre außerordentliche Schönheit dem Rufe entsprach. Daß Familien von ihren verstorbenen Angehörigen nicht bloß plastische, sondern auch gemalte Bildnisse machen ließen, war offenbar ganz gewöhnlich. Die Züge des Antonius kannte Pausanias aus dessen Statuen und Bildern, letztere waren besonders zahlreich in seinem Tempel zu Mantinea, wo er meist als Dionysos gemalt war. Commodus ließ seine Geliebte Marcia als Amazone malen. Die Mutter des Sophisten Alexander Peloplaton war, wie ihre Gemälde bewiesen, von seltener Schönheit und der Helena des Eumelus ähnlich. Ein Bild des Sophisten Varus aus Perge sah man in dem dortigen Tempel der Artemis. Plotinus, der sich weigerte, einem Maler oder Bildhauer zu sitzen, wurde ohne sein Wissen von dem besten damaligen Maler Carterius gemalt, der seinen Vorträgen beiwohnte und dann sein Porträt nach der Erinnerung ausführte. Auch der Spott Lucians über die Torheit derer, die den Porträtmalern auftrugen, sie zu verschönern, »etwas von der Nase abzunehmen, die Augen schwärzer zu machen« usw., was besonders Frauen taten, setzt eine allgemeine Anwendung der Porträtmalerei voraus; desgleichen die Bemerkung Plutarchs, daß die Maler nur nach der Ähnlichkeit des Gesichts, in welchem sich der Charakter offenbart, strebten, um die übrigen Körperteile aber sich wenig kümmerten. Die Rede des Malers, der sich in ein von ihm porträtiertes Mädchen verliebt hat, war ein Thema der griechischen Rhetorenschule.
Einen überraschenden Einblick in die von ägyptischen Griechen geübte Porträtmalerei haben uns die zahlreichen, auf Holz gemalten Bildnisse gewährt, die im Faijûm am Mörissee zum Vorschein gekommen sind; sie waren bestimmt, über dem Gesichte der Mumie in deren Umhüllung eingelassen zu werden und so die Züge der Verstorbenen zu zeigen. »Sie stammen alle aus der Kaiserzeit, die meisten aus dem 2. Jahrhundert. Teils mit Wachsfarben, teils mit Temperafarben, teils in gemischter Technik ausgeführt, bieten sie lebensvolle Darstellungen von Männern und Frauen von höchst individuellem Gepräge; man glaubt, das Völkergemenge Ägyptens vor sich zu sehen.«
Die zur Aufstellung in unbedeckten, besonders öffentlichen Räumen bestimmten Bildnisse von Personen konnten fast nur plastische sein. Ein immerhin nicht geringer Teil derselben hat sich erhalten, von einem bei weitem größeren die mit Inschriften versehenen Postamente: und diese äußerst zahlreichen Überbleibsel, verbunden mit Nachrichten der Schriftsteller, lassen uns von der wahrhaft unglaublichen Menge sowie den Gattungen und Veranlassungen dieser Monumente einen ganz andern Begriff gewinnen, als die angeführten dürftigen Nachrichten von der Verwendung der Malerei zu persönlicher Darstellung. In der Tat ist nichts so geeignet, von der Unermeßlichkeit der künstlerischen Produktion in den beiden ersten Jahrhunderten eine annähernde Vorstellung zu geben, wie eine Betrachtung der Hauptgattungen der zum öffentlichen oder Privatgedächtnis bestimmten persönlichen Bildwerke dieser Zeit.
In erster Reihe stehen hier die Büsten, Medaillons und Statuen der Kaiser und Personen der kaiserlichen Familie. Ein öffentlich aufgestelltes Bild des regierenden Kaisers konnte schon darum in keiner Stadt, in keinem Lager fehlen, weil es bald Gegenstand eines überall eingeführten und geforderten Kultus war. Schon zu Ehren Cäsars hatte der Senat beschlossen, »daß seine Statue in den Städten und in allen Tempeln Roms sein sollte«. Augustus hatte den Kult seiner Person auf die Provinzen beschränkt, Tiberius die Aufstellung seiner Statue unter den Bildern der Götter überhaupt verboten und nur unter den zum Schmucke der Tempel dienenden Kunstwerken erlaubt. Noch Caligula erließ im Anfange seiner Regierung ein ähnliches Verbot, das er aber schnell zurücknahm; und bald hatten, wie Josephus sagt, alle unterworfenen Völkerschaften Stadt für Stadt neben den andern Göttern auch seine Bildsäule aufgestellt. Vielleicht schon seit dem Anfange des Kaisertums, jedenfalls wohl seit der Mitte des 3. Jahrhunderts, bestand die Sitte, daß bei jedem Regierungsantritt lorbeerbekränzte Bilder des neuen Kaisers (die allerdings auch gemalte sein konnten und in der späteren Zeit wohl in der Regel solche waren) in die Provinzialstädte gesandt wurden; Trompetenschall kündigte sie an, ein langer Zug von Soldaten schritt dem reich geschmückten Träger des Bildnisses voraus, das Volk zog ihm zum festlichen Empfange mit Lichtern und Weihrauchfässern entgegen. Verfolgten, namentlich Sklaven, boten die Kaiserbildnisse ein Asyl; man huldigte ihnen wie den Götterbildern mit Opfern und Spenden von Weihrauch und Wein. Unter Domitian war die auf das Kapitol führende Straße nicht breit genug für die Herden von Opfertieren, die dort fortwährend hinaufgeführt wurden, um, wie Plinius sagt, die scheußlichen Bilder des Despoten mit so viel Blut zu verehren, als er selbst Menschenblut vergoß. Die Weigerung der Adoration wurde als Majestätsbeleidigung bestraft und war ein Hauptgrund der Christenverfolgungen. Doch auch in der christlichen Zeit dauerte der heidnische Kultus der Kaiserbildnisse fort, und Theodosius II. sah sich im Jahre 425 veranlaßt, ihn durch einen eigenen Erlaß einzuschränken, damit »eine Verehrung, welche die Menschenwürde übersteigt, der Gottheit gewahrt bleibe«. Noch viel strenger als die Weigerung der Adoration wurde jede Antastung oder Beleidigung der Kaiserbildnisse geahndet, am schärfsten bei Soldaten. Schon im Jahre 15 wurde Granius Marcellus, Prätor von Bithynien, der einer Statue des Augustus den Kopf abgenommen hatte, um den des Tiberius aufzusetzen, wegen Majestätsbeleidigung angeklagt und entging mit Not der Verurteilung; bald galt es als Kapitalverbrechen, bei dem Bilde des Augustus einen Sklaven geschlagen, die Kleider gewechselt zu haben. Ausdrücklich bemerken die Juristen des 3. Jahrhunderts, daß, wer verworfene Statuen des Kaisers einschmelze, sich der Majestätsverletzung nicht schuldig mache; ebensowenig, wer schadhaft gewordene ausbessere, wer eine durch einen Steinwurf zufällig treffe; auch den Verkauf von noch nicht konsekrierten Kaiserbildnissen erklärten Severus und Caracalla nicht für strafbar: um so selbstverständlicher ist, daß es die Einschmelzung oder sonstige Antastung von bereits konsekrierten war.
Je schwerer nun unter der Regierung verhaßter Kaiser der Zwang der Verehrung der Bildnisse ertragen wurde, desto leidenschaftlicher tobte sich die lange verhaltene Volkswut bei einem Regierungswechsel in ihrer Zerstörung und Beschimpfung aus. Am allgemeinsten war vielleicht der Ausbruch der Volkswut beim Tode Domitians, und darum auch die Zerstörung seiner Denkmäler die gründlichste. Ganz Rom war voll von seinen prahlenden, häufig kolossalen Monumenten, die besonders zahlreich am Aufgange von der heiligen Straße zum Palatium standen, und nicht das Kapitol allein war mit seinen goldenen und silbernen Statuten und Bildnissen angefüllt, sondern, wie Cassius Dio sagt, fast das ganze Reich. Auf die Nachricht von seiner Ermordung machte der Senat seiner Freude nicht bloß durch laute Schmähungen des Gefallenen Luft, sondern beschloß, daß sogleich Leitern gebracht, seine Medaillons und Bildnisse herabgerissen und auf den Boden geschmettert, dann, daß seine Inschriften überall ausgemeißelt und sein ganzes Gedächtnis vertilgt werden solle. Der Umsturz und die Zerstörung seiner zahllosen kostbaren Statuen, sagt der jüngere Plinius vier Jahre später, war ein der allgemeinen Freude gebrachtes Opfer. Man freute sich, das übermütige Gesicht gegen den Boden zu schlagen, mit Eisen, mit Beilen dagegen zu wüten, als wenn die Schläge verwunden und Schmerzen zufügen könnten. Niemand konnte seine Freude und den so späten Jubel so weit mäßigen, daß es ihm nicht als eine Rache erschien, den Körper und die Glieder zerrissen und verstümmelt, endlich das finstere und abschreckende Gesicht in die Flammen geworfen und geschmolzen zu sehen. Diese oder eine ähnliche Stelle hat die von Procop erzählte Sage veranlaßt: Domitian sei in Stücke zerrissen worden, seine Gemahlin habe mit Erlaubnis des Senats die Stücke des Körpers zusammengesetzt und danach eine Bronzestatue gießen lassen; diese, die am Aufgange zum Kapitol vom Forum rechter Hand stand, war nach Procop die einzige vorhandene Domitians und zeigte die große Ähnlichkeit zwischen ihm und Justinian. Ähnliche Zerstörungen wie die Bildnisse des Domitian erfuhren die des Commodus, Maximinus (die Gemälde des letzteren wurden zum Teil mit schwarzer Farbe überzogen) und andre: infolge der unaufhörlichen Empörungen, Bürgerkriege und gewaltsamen Thronwechsel in den spätern Jahrhunderten wiederholten sich solche Szenen immer von neuem bis in die letzten Zeiten des Altertums. Daß in diesen (wie natürlich nicht selten auch früher) statt der Zerstörung meist eine Umwandlung der Bildnisse stattfand, bezeugt Hieronymus: wenn ein Tyrann getötet wird, werden auch seine Statuen und Bilder umgestürzt, und nachdem nur das Gesicht verändert und der Kopf abgenommen ist, das Gesicht des Siegers aufgesetzt, um später mit neuen Köpfen vertauscht zu werden, während der Körper derselbe bleibt.
Doch in den beiden ersten Jahrhunderten ist, soviel wir wissen, Domitian der einzige Kaiser gewesen, dessen Bildnisse überall vernichtet wurden und der Zerstörung nur ausnahmsweise entgingen. Denn die Statuen und Denkmäler des Commodus müssen wenigstens zum Teil wieder aufgerichtet worden sein. Am 1. Januar 193 hatte der Senat mit leidenschaftlichen Akklamationen die Niederreißung der Bildsäulen »des Vaterlandsfeinds, des Mörders, des Gladiators« dekretiert und an Stelle einer der Kurie gegenüber stehenden, ihn (wie so viele andre) als Hercules mit drohend gespanntem Bogen darstellenden Statue die der Göttin der Freiheit errichten lassen. Im Jahre 197 wurde derselbe Senat von Septimius Severus gezwungen, Commodus als Gott anzuerkennen. Selbstverständlich sicherte die Konsekration auch die fernere Dauer der Bildnisse und veranlaßte selbst die Errichtung neuer. Wie Severus die Apotheose des Commodus und Pertinax, so ließ Macrinus die des Caracalla, durch dessen Ermordung er auf den Thron gelangt war, vom Senat beschließen, bei welcher Gelegenheit er die Errichtung von zwei Statuen des Septimius Severus in Triumphaltracht, und sechs Caracallas (zwei Reiterstatuen, zwei stehende in kriegerischer, zwei sitzende in bürgerlicher Tracht) verfügte. Außer Domitian sind die nicht unter die Götter versetzten Kaiser der beiden ersten Jahrhunderte Tiberius, Caligula, Nero, Galba, Otho, Vitellius gewesen (die von Nero, wohl nach dem Tode der Octavia, aufgehobene Konsekration des Claudius wurde von Vespasian wiederhergestellt). Die auch von all diesen, zum Teil verhältnismäßig sehr zahlreich erhaltenen Bildnisse und Denkmäler bezeugen hinlänglich, daß die Konsekration keineswegs eine unerläßliche Bedingung der Erhaltung war. Daß sie diese aber am wirksamsten sicherte, ist selbstverständlich. In Tarraco, der Hauptstadt des diesseitigen Spaniens und zugleich dem Mittelpunkte des dortigen Kaiserkults, war einer der angesehensten Männer vom Provinziallandtage »zur Instandhaltung der Statuen des vergötterten Hadrian« eigens erwählt worden. In den Besitz des jüngeren Plinius waren mit verschiedenen Grundstücken auch die auf denselben errichteten Statuen der früheren Kaiser übergegangen und dort von ihm erhalten worden. Schon unter Nerva hatte er zu Como einen Tempel erbauen wollen, um sie darin aufzustellen, doch verzögerte sich die Ausführung, und im Jahre 101 erbat und erhielt er nochmals von Trajan die Erlaubnis, jene Statuen nach Como zu versetzen und die Trajans hinzuzufügen. Die Konsekration trug aber auch zur Vermehrung der betreffenden Denkmäler bei, insofern die immer wachsende Gruppe der vergötterten Kaiser und Kaiserinnen zu monumentalen und Kultuszwecken auch als Ganzes neu hergestellt wurde. So gab es in Rom seit der Mitte des 1. Jahrhunderts einen Gesamttempel der vergötterten Kaiser auf dem Palatin, einen andern erbaute der Kaiser Tacitus, Alexander Severus errichtete auf dem Forum des Nerva ihre Kolossalstatuen. Zuweilen verband sich mit dem offiziellen Kultus eine unbefohlene allgemeine Verehrung zur Erhaltung und Erneuerung kaiserlicher Bildnisse. Mit anhänglichster Pietät hielt die römische Welt die verklärte Gestalt Marc Aurels unter den guten Geistern fest, zu denen sie sich im Gebet wandte: länger als ein Jahrhundert nach seinem Tode sah man noch in vielen Häusern seine Statue unter den Hausgöttern.
Schon weil die möglichst schnelle Aufstellung der kaiserlichen Bildnisse in allen Städten und Lagern zu den ersten Sorgen jeder neuen Regierung gehörte, müssen auch in allen Zentralpunkten Italiens und der Provinzen Bildhauer und Maler zur Verfügung gewesen sein; vielleicht gehörten sie regelmäßig zu dem amtlichen Gefolge der Statthalter, Feldherren und hohen Beamten. Daß von Galba, der erst nach der Ankunft der Nachricht von Neros Tode (9. Juni 68) aus Spanien aufbrach und Italien in langsamem Marsche erreichte, sich zur Zeit seiner Ermordung (15. Januar 69) dort »in allen Munizipien« Bildnisse befanden, ist ebensowenig überraschend, wie daß noch vor der Schlacht von Cremona (Oktober 69) im Lager der Flotte zu Ravenna Bildnisse von Vitellius umgestürzt werden konnten, der erst zu Ende des Mai in Oberitalien erschienen war. Aber schon auf dem Marsche von Köln über Lyon nach Italien waren ihm, bevor er noch Vienne erreicht hatte, an mehreren Stellen Reiterstatuen errichtet worden, deren Zusammensturz als übles Vorzeichen galt. Der Beschluß der Errichtung einer Statue der jüngeren Faustina in Olympia, deren Postament noch vorhanden ist, kann erst gefaßt worden sein, nachdem ihr Vater durch die Adoption von seiten Hadrians Thronerbe und Mitregent geworden war, d. h. nach dem 25. Februar 138; die Inschrift des Postaments muß aber eingehauen sein, bevor die Nachricht von dem am 10. Juli desselben Jahres zu Bajä erfolgten Tode Hadrians nach Griechenland gelangte. Die Herrschaft der beiden ersten Gordiane dauerte, wie es scheint, nur 20 Tage; gleich nach der Proklamierung des älteren hatten sich die Städte Afrikas mit seinen Statuen und Bildern geschmückt. Die Herrschaft des Pupienus und Balbinus dauerte drei Monate (Mai bis August 238): als Maximinus zu Anfang des Juli vor Aquileja ermordet wurde, stürzte man dort seine Statuen und Bildnisse um und nötigte seine in die Stadt zugelassenen Soldaten, die der beiden Senatskaiser zu adorieren; der Konsul Claudius Julianus beglückwünschte in einem an Pupienus und Balbinus (wohl gleich nach ihrer Ernennung) erlassenen Schreiben die Legionen und Hilfstruppen, »die bereits im ganzen Reiche eure Bildnisse anbeten«. In den Lagern machte schon die Herstellung und Erneuerung der kaiserlichen und sonstigen Medaillonbilder, mit denen auch die Feldzeichen geschmückt waren, die Anwesenheit von Künstlern wünschenswert, die dann auch zu andern Zwecken verwandt werden konnten; Caracalla ließ z. B. von Alexander dem Großen auch in den Lagern zahlreiche Statuen errichten.
Die Statuen und Bildnisse der regierenden Kaiser fehlten aber nicht bloß an keinem Orte der Monarchie, sondern waren an allen größeren auch zahlreich. Sie schmückten wohl in der Regel die öffentlichen Plätze und Gebäude, besonders die der Regierung, Verwaltung und Rechtspflege. Apulejus äußert in seiner vor dem Prokonsul Claudius Maximus in Sabrata (Tripolis) gehaltenen Verteidigungsrede seinen Unwillen, daß »vor diesen Statuen des Kaisers Pius« der Sohn der Mutter schändliche Dinge vorwerfe. Für die Aufstellung an solchen Orten mögen die Statthalter und sonstige Regierungsbeamte gesorgt haben: aber auch landschaftliche und Provinzialverbände sowie alle wohlhabenderen Kommunen mußten den Kaisern ihre Huldigung durch Errichtung von Statuen darbringen; und wenn dies in ausgezeichneter Weise geschehen sollte, mußten es mehrere oder kolossale oder ungewöhnlich kostbare sein. Eine eigene Gesandtschaft z. B. überbrachte an Caligula im ersten Jahre seiner Regierung die ihm vom Provinziallandtage der Provinz Achaja (Synode der Panhellenen) votierten Ehrenbezeigungen; zu diesen gehörte auch der Beschluß, ihm eine große Menge von Statuen zu errichten, doch Caligula nahm nur vier an, die an den Orten der heiligen Spiele (Olympia, Delphi, Nemea und auf dem Isthmus) stehen sollten. Am zahlreichsten und ansehnlichsten werden die Bildsäulen der Kaiser in denjenigen Provinzialhauptstädten gewesen sein, deren Tempel die Mittelpunkte des von den Festgemeinschaften der Landtagsabgeordneten geübten, von den Provinzialpriestern geleiteten Kaiserkults bildeten; aber auch sonst muß es bildliche Darstellungen der Kaiser überall für die Zwecke des Kultus gegeben haben, an welchem sich alle Kommunen beteiligten. In Ägypten ist sogar, um die Kosten für die in den Tempeln allerorten aufzustellenden Kaiserstatuen aufzubringen, dem Volke eine (durch Scherbenquittungen bezeugte) »Statuensteuer« auferlegt worden, welche wie eine Kopfsteuer für alle Untertanen in gleicher Höhe normiert war.
Endlich aber durften auch Privatleute sehr oft nicht unterlassen, ihre Loyalität auf diese Weise zu bezeugen, namentlich in Rom selbst. Wenn man zur Zeit der Antonine die Bildnisse der Kaiser dort überall »in Wechselkontoren, Läden und Werkstätten, unter allen Vordächern, auf allen Vorplätzen, in allen Fenstern« aufgestellt sah, freilich meist schlecht gemalt und plump bossiert: so werden auch in reichen und vornehmen Häusern gute Bilder und Statuen von ihnen nicht gefehlt haben. Überdies war auch die öffentliche Aufstellung von Kaiserstatuen durch Privatpersonen in den größeren Städten keineswegs selten.
Von sämtlichen Kaisern ist vielleicht Hadrian derjenige gewesen, der in allen Provinzen durch die zahlreichsten Denkmäler geehrt wurde, gewiß aber nirgends durch so viele wie in dem von ihm mit Wohltaten am reichsten bedachten Griechenland. Mehrere von einzelnen Gemeinden, ganzen Kantonen, größeren Volksverbänden errichtete Statuen Hadrians lassen sich dort an vielen Orten nachweisen, wie zu Delphi, Olympia, Theben, Syrus, Coronea, auf Samothrace und sonst an zahlreichen Stellen: bei weitem die meisten aber in Athen, das ihm am meisten verdankte, und wo auch die umfassendsten Nachforschungen stattgefunden haben. In jedem der dreizehn keilförmigen Abschnitte des neuerdings bloßgelegten Dionysostheaters hat eine Statue Hadrians gestanden, welche bis auf eine (die große, schon früher vom Rat und Volke errichtete des Kaisers als Archonten) von den zwölf Phylen (Stämmen) Attikas nach der von ihm veranstalteten prachtvollen Feier der Dionysien im Frühjahre 125 dargebracht waren. Zwei andere erwähnt Pausanias im Kerameikos und auf der Akropolis im Parthenon. Ein ganzer Wald von Statuen Hadrians aber befand sich in und bei dem von ihm ausgebauten (120 geweihten) Tempel des olympischen Zeus. Wahrscheinlich vor den Fronten standen zwei Statuen des Erbauers aus thasischem und zwei aus ägyptischem Marmor, vor den Säulen (wohl der ringsum laufenden Kolonnaden) bronzene von überseeischen Städten, an andern Stellen andre von griechischen Städten sowie von Privatpersonen, einzeln oder gemeinschaftlich, gestiftete Standbilder, von denen noch zahlreiche Postamente und Inschriften vorhanden sind. Alle überragte eine von den Athenern hinter dem Tempel errichtete »sehenswerte Kolossalstatue«. Doch können die uns bekannten Statuen Hadrians nur ein kleiner Teil der sämtlichen in Athen vorhandenen gewesen sein, wenn die gut bezeugte Nachricht wahr ist, daß die Athener einst dem Demetrius von Phaleron 360 Statuen errichtet hatten. Gegen Hadrian hatten sie vielleicht noch mehr Grund zur Dankbarkeit, gewiß aber mehr Veranlassung, diese in der überschwenglichsten Weise zu äußern; überdies war die Herstellung der Statuen weniger kostspielig als 450 Jahre früher.
Wie sehr nun aber auch die Provinzen und Städte wetteifern mochten, ihre Treue und Loyalität gegen den regierenden Kaiser durch zahlreiche Bildsäulen zu bekunden, so dürfte doch deren Menge und Pracht in Rom immer am größten gewesen sein. Augustus sagt in der Denkschrift über seine Taten, daß ihm zu Rom etwa 80 silberne Statuen (teils auf dem Boden, teils auf Viergespannen stehend, teils Reiterstatuen) von Staaten und einzelnen errichtet worden seien, die er sämtlich einschmelzen ließ, um in dem Tempel des Apollo auf dem Palatin von dem gewonnenen Gelde im Namen der Stifter und dem seinigen goldene Weihgeschenke (besonders Dreifüße) aufzustellen. Man kann hiernach nicht anders glauben, als daß seine bronzenen und marmornen Standbilder in Rom bereits zu seinen Lebzeiten nach Hunderten, im ganzen Reiche vielleicht nach vielen Tausenden zählten, so fabelhaft solche Zahlen gegenwärtig auch klingen mögen. Wenn übrigens in der Zeit der werdenden Monarchie die sich in so massenhaften Darbringungen äußernde Untertänigkeit noch weit von ihrer größten Verbreitung und Stärke entfernt war und überdies von Augustus geflissentlich im Zaume gehalten wurde, so ist doch keinem späteren Kaiser wie ihm als Erretter der Welt und Begründer der neuen Ordnung gehuldigt worden, auch dauerte seine Herrschaft 44 Jahre; und so mag denn allerdings die Zahl der ihm während seines Lebens wie nach seinem Tode errichteten Denkmäler größer gewesen sein als bei irgendeinem andern Regenten. Von diesem Vorrat haben sich denn auch nicht ganz unbeträchtliche Überreste erhalten.
Übrigens hat noch im Anfange des 19. Jahrhunderts die Produktion eines Herrscherbildnisses durch die Skulptur trotz ihrer so vielfach gehemmten Entwicklung und der Kostbarkeit ihrer Arbeiten verhältnismäßig große Dimensionen angenommen. Der erste Napoleon beherrschte (unmittelbar oder durch die von ihm abhängigen Fürsten) ein im Verhältnis zum römischen Kaiserreiche nur kleines Gebiet; das Bedürfnis nach Darstellungen seiner Person, schon darum ein sehr viel geringeres, weil dieselbe nie der Gegenstand eines religiösen Kultus war, wurde ganz überwiegend durch die zeichnenden und vervielfältigenden Künste befriedigt: dennoch sind in den drei Jahren von 1809-1812 von Carrara etwa 1500 Büsten von ihm nach Chaudet in die Welt gestreut worden.
Nur sehr selten und ausnahmsweise können in den ersten Jahrhunderten Kaiserbildnisse durch Umarbeitung oder neue Benennung älterer hergestellt worden sein, weil diejenigen, die durch das Denkmal geehrt werden sollten, in einem solchen Verfahren, wie Dio von Prusa mit Recht sagt, eher eine Beleidigung als eine Huldigung erblicken konnten. Vorgekommen war dergleichen in Griechenland schon in der Zeit der Republik. Von falschen Inschriften fremder Statuen spricht Cicero im Jahre 50; zwei Kolosse des Eumenes und Attalus waren zu Athen auf den Namen des Antonius umbenannt worden. Pausanias sah von dem Heratempel bei Mykenä eine Statue, nach der Inschrift des Augustus, die aber nach dortiger Angabe eine des Orest war. Doch sind außer dem bereits angeführten wenige Beispiele der Umbenennung einer fremden Statue zu einer kaiserlichen aus der früheren Kaiserzeit bekannt. Seit dem Jahre 15 wagten wohl wenige um des Gewinns oder der Ersparnis willen auch noch so heimlich eine Handlung, deren Entdeckung sie der Gefahr einer Anklage auf Majestätsverletzung aussetzen konnte. Dio hat den Rhodiern, die mit der Ehre der Statue mehr als freigebig waren, aber sehr oft, statt neue aufzustellen, nur ältere auf den Namen des zu Ehrenden umtaufen oder umarbeiten ließen, die Unwürdigkeit dieses Verfahrens in einer langen Rede vorgehalten. Es sei, sagt er u. a., um so weniger zu entschuldigen, als sie ja doch fort und fort auch wirklich neue Bildsäulen errichteten, nämlich für die Kaiser und die hohen Beamten; ja man würde ihnen keine Vorwürfe machen, wenn sie wenigstens bei allen »außer den Kaisern« in gleicher Weise verführen; eine derartige Herstellung von Kaiserbildnissen erschien ihm also als ganz undenkbar. Philo erzählt, daß die Alexandriner alle dortigen Synagogen, die sie nicht zerstören konnten, durch Aufstellung von Bildern Caligulas entweihten, in der größten stellten sie seine Bronzestatue auf einem Viergespann auf. In der Eile aber hatten sie kein neues auftreiben können, sondern ein altes, verrostetes, schadhaftes aus dem Gymnasium genommen, welches, wie manche sagten, einer älteren Kleopatra dediziert gewesen war. »Was für einer Anklage die Aufstellenden sich dadurch aussetzten, ist klar; ja schon dann, wenn es ein neues, aber eines Weibes war, oder eines Mannes, aber ein altes, ja wenn es überhaupt einem andern gewidmet war. Mußten die, welche zu Ehren des Kaisers eine solche Aufstellung gemacht hatten, sich nicht offenbar hüten, daß er, der alles auf ihn Bezügliche besonders wichtig nahm, eine Anzeige erhielt?« Aber auch bei andern als kaiserlichen Monumenten scheint das Anbringen neuer Köpfe oder Inschriften statt der Errichtung neuer Figuren in der früheren Kaiserzeit keineswegs häufig gewesen zu sein; hauptsächlich geschah es wohl in denjenigen griechischen Städten, wo der Vorrat an alten Statuen sehr groß war. Nicht bloß sind die bekannten derartigen Fälle vereinzelt, sondern Dio sagt auch in der Rede, in der er den Rhodiern diese »seit einiger Zeit« bei ihnen eingerissene Unsitte vorhält, daß andere, weniger reiche, zum Teil äußerst arme Städte, wie Athen, Sparta, Byzanz, Mytilene, sich davon völlig frei erhielten. Allem Anschein nach war es im damaligen Griechenland eben nur Rhodus, wo dies Verfahren in großem Umfange geübt wurde; man sagte, daß die dortigen Statuen wie Schauspieler die Rollen wechselten.
Was von den Kaiserbildnissen gilt, gilt zum größten Teile auch von denen der Kaiserinnen und designierten Thronfolger, zum großen Teil selbst von denen anderer Angehörigen des Kaiserhauses. Wenn in der Zeit, wo Tiberius während seines Aufenthalts auf Rhodus in tiefster Ungnade stand, die Bewohner von Nimes nach seinem Zerwürfnisse mit Gajus Cäsar seine Statuen und Bildnisse umstürzten, so wird es damals so gut wie dort deren in allen größeren, namentlich aber in denjenigen Städten gegeben haben, die wie Nimes zum Kaiserhause in Beziehung standen. Bei der Nachricht vom Tode der Cäsaren Gajus und Lucius beschloß die Stadt Pisa, deren Patron der letztere gewesen war, die Errichtung eines mit den Spolien der von ihm besiegten Völker geschmückten Bogens, auf dem seine Statue im Triumphalschmuck und zu dessen beiden Seiten vergoldete Reiterstatuen von Gajus und Lucius stehen sollten. Ähnliches wird auch in andern Städten geschehen sein. Dem zur Thronfolge bestimmten Aelius Verus ließ Hadrian nach seinem Tode in einigen Städten Tempel bauen und »im ganzen Reiche« Kolossalstatuen errichten. Die Darstellung des Antinons hat bekanntlich die Malerei und Skulptur in den verschiedensten, wenn nicht in allen Provinzen beschäftigt.
Auch die höchsten Beamten, die Leiter der Regierung, wurden im ganzen Reiche durch Monumente in ähnlicher Weise wie die Kaiser geehrt, besonders natürlich, wenn sie deren erklärte Günstlinge waren. Als Sejan im Zenit seiner Macht stand, wurden ihm von Senat und Ritterschaft, den Tribus und den vornehmsten Männern Roms so viele Bildsäulen errichtet, daß, wie Cassius Dio sagt, niemand ihre Zahl anzugeben vermocht hätte, besonders seit Tiberius auf den Beschluß des Senats sein Bronzestandbild im Theater des Pompejus hatte aufstellen lassen. Allgemein wurden Bilder und Statuen des Kaisers und seines anderen Ich nebeneinander gestellt, selbst in den Lagern, mit einziger Ausnahme der syrischen Armee, und Tiberius ließ es geschehen, daß die Bildnisse seines Günstlings dort auf den Sammelplätzen der Legionen sowie auf den Foren und in den Theatern der Städte verehrt wurden. Der jähe Fall Sejans im Jahre 31 war das Signal zum Umsturz seiner Denkmäler. Seine Statuen, sagt Juvenal, wurden an Seilen von den Postamenten herabgerissen und auf dem Boden geschleift. Beilhiebe zerschmetterten die Räder der Zweigespanne und die Beine der unschuldigen bronzenen Gäule, bald schmolz in den knatternden, von Blasebälgen angefachten Feuern der Gußöfen das vom Volk angebetete Haupt und verknisterte der ganze kolossale Sejanus, und aus dem Antlitz, das im ganzen Reiche das zweite war, wurden Töpfe, Pfannen, Becken und Nachtgeschirre verfertigt. Ganz Ähnliches wird von dem Günstlinge des Septimius Severus, Plautianus, berichtet, der von ebenso schwindelnder Höhe plötzlich herabstürzte. Cassius Dio sagt, daß ihm nicht nur viel mehr, sondern auch größere Statuen und Bilder errichtet wurden als den Kaisern, und nicht bloß in den andern Städten, sondern auch in Rom, und nicht bloß von Privatpersonen, sondern auch vom Senat. Gerade dies trug dazu bei, den Argwohn des Kaisers zu erregen; nach Plautianus' Fall wurden »im ganzen Reiche« seine Statuen umgestürzt.
Wenn aber notwendig die Zahl derer sehr klein war, denen im ganzen Reiche Statuen errichtet wurden, so war dagegen die Menge derjenigen, denen diese Ehre innerhalb bestimmter Gebiete oder an einzelnen Orten widerfuhr, unglaublich groß. Sie war vor allem die gewöhnlichste Huldigung der Provinzialen gegen alle Römer, die wirklich oder scheinbar die Macht hatten, ihnen zu schaden oder zu nützen, in erster Reihe natürlich die Statthalter. Schon in den letzten Zeiten der Republik war es allgemein üblich, daß diesen in den Provinzen Tempel erbaut wurden. Cicero hatte in Cilicien als Prokonsul »Statuen, Tempel, Viergespanne« abzulehnen: aber Verres hatte die Gemeinden Siciliens gezwungen, nicht bloß ihm selbst, sondern auch seinem Vater und seinem Sohne (einem Knaben) eine Menge von Standbildern zu errichten; in Syrakus waren deren so viele, daß es schien, er habe ihrer dort nicht weniger aufgestellt als weggenommen. Außerdem sah man von ihm in Rom vergoldete Reiterstatuen, die von den römischen Kaufleuten, den Getreideproduzenten, dem Provinzialverbande Siciliens gestiftet waren. Das entsetzliche Satrapenregiment jener Zeit hat die Monarchie nun zwar sehr eingeschränkt, doch nie ganz beseitigt; und wenn immer noch die Provinzialen direkt oder indirekt gezwungen wurden, ihre Plünderer und Tyrannen durch Denkmäler zu ehren, so konnten sie diese Ehre überhaupt keinem Statthalter vorenthalten, ohne damit eine Anklage auszusprechen. Nach Dio entschuldigten die Rhodier die Verwendung alter Statuen zu neuen Ehrenbezeigungen damit, daß es eine Notwendigkeit sei, so viele hohe Beamte zu ehren, und eingestandenermaßen geschah es sehr häufig nicht wegen ihrer wirklichen Verdienste, sondern nur wegen ihrer Macht. Jeden, der zu ihnen kam, fürchteten sie und glaubten ihre Freiheit in Gefahr, wenn sie einmal von einem kein Bronzestandbild aufstellten. Mußten sie wirklich jeden Ankommenden freundlich anwedeln wie gemeine Hunde und Haß und Zorn besorgen, wenn sie nicht dem und jenem schmeichelten, dann, meinte Dio, stand es schlimm um sie.
Die Ehre der Statue wurde auch (namentlich in Griechenland) angesehenen Römern, die sich in außeramtlicher Stellung dort aufhielten, und desgleichen vornehmen Römerinnen erwiesen, wie besonders in Athen die Inschriften zahlreicher Postamente aus der ersten Kaiserzeit beweisen. Um so unerläßlicher war es für Städte und Provinzen, sich für wirkliche Wohltaten auf diese Weise dankbar zu bezeigen, vor allem für die Übernahme ihres Schutzes und ihrer Vertretung (des Patronats). In den Städten Siciliens sah man überall auf den Foren Reiterstatuen der Marceller als der Patrone der Insel. Der Held des Apulejanischen Romans, aus einer in Thessalien angesehenen Familie stammend, wird in Hypata zum Gegenstande eines öffentlichen Scherzes gemacht; worauf die Magistrate ihn um Entschuldigung bitten und ihm anzeigen, daß die Stadt, um ihn zu versöhnen, ihn zum Patron gewählt und die Aufstellung seines Bildnisses in Bronze beschlossen habe. Von den amtlichen und halbamtlichen Stellungen in den Provinzen gaben schon die subalternen einen Anspruch auf diese Ehre. Dem Vater des Vespasian, Flavius Sabinus, der die Erhebung des Warenzolls von 2½ Prozent in der Provinz Asia gepachtet hatte, waren dort Bildnisse und lobende Inschriften aufgestellt worden. Titus hatte, wie Sueton sagt, als Militärtribun in Germanien und Britannien sich den Ruhm der Energie und zugleich der Mäßigung erworben, »wie sich aus der Menge und den Inschriften seiner Statuen und Bildnisse in beiden Provinzen ergibt«. Unter den (mindestens fünfzehn) in Barcelona nachweisbaren Statuen des L. Licinius Secundus, welcher Amtsdiener des mächtigen L. Licinius Sura in dessen drei Konsulaten (zuletzt 107) war, sind vier von den Gemeinderäten spanischer Städte errichtet worden. Bei einer so grenzenlosen Verschwendung der monumentalen Ehren konnte eine wirkliche Auszeichnung auch von Untertanen nur durch ungewöhnlich große und kostbare Denkmäler erfolgen; und es ist wohl nicht zu sehr übertrieben, wenn Apulejus zum Ruhme des Konsularen Strabo Aemilianus (Konsul 156) sagt, daß alle Provinzen sich Glück wünschen, ihm vier- und sechsspännige Wagen (mit seinem Standbilde) zu errichten.
Die Errichtung von Statuen war auch in den Städten der ganzen Monarchie eine allgemeine Belohnung wirklicher oder angeblicher Verdienste einzelner um die Gemeinde. Der anfänglich seltene Gebrauch der Bildnisstatuen wurde später, wie Plinius sagt, von der ganzen Welt aus einem höchst menschenfreundlichen Ehrgeiz aufgenommen; Statuen fingen an, eine Zierde der Fora aller Munizipien zu sein; so wurde das Gedächtnis von Menschen auf die Nachwelt gebracht, auch ihre Ehren zur Kenntnis aller Zeiten auf den Postamenten verzeichnet, damit man sie nicht bloß auf den Gräbern läse. Tausende von erhaltenen Postamenten mit griechischen und römischen Inschriften bezeugen dies. Überall, wo der Spaten, gleichviel, ob im Osten oder im Westen des Reiches, den Mittelpunkt des öffentlichen Lebens einer antiken Stadt bloßlegt, fördert er eine geradezu überwältigende Menge von Überresten solcher Ehrendenkmäler zutage, auf der Agora von Ephesus und im Peribolos des pergamenischen Athenaheiligtums ebenso wie auf den Fora der nordafrikanischen Städte. Pompeji hat mehr Porträtstatuen gehabt als irgendeine moderne Hauptstadt. Auf dem Forum waren (außer den 5 Kolossalstatuen von Kaisern und Mitgliedern des Kaiserhauses) für Reiterstatuen in Lebensgröße wohl 70 bis 80 Plätze vorgesehen, und hinter jedem derselben einer für ein Standbild; doch sind vielleicht nicht alle diese Plätze besetzt gewesen. Die Vorhalle des Macellum enthielt 25 Statuen, 8 der offene Raum des städtischen Larentempels, 21 die Vorhalle des Gebäudes der Eumachia. Schwerlich hat aber die Zahl der dortigen Ehrenstatuen die durchschnittliche der Mittelstädte überstiegen. An einer wohl zu Anfang des 2. Jahrhunderts angelegten Doppelhalle zu Termessus in Pisidien sind 46 Basen von Standbildern verdienter Männer und Frauen gefunden worden, die meist vor oder zwischen den Säulen gestanden haben (darunter 26 von Siegern in Wettkämpfen, 15 von Beamten, Priestern und Priesterinnen). Eine Überfüllung der Fora mit Statuen, die den Verkehr behinderte, wie in Cirta, wo auch einmal eine gestohlen wurde, mag nicht selten gewesen sein. Ruhmbegier und Munizipalpatriotismus verbanden sich, wie bemerkt, mit der Rücksicht auf die öffentliche Meinung, um die Wohlhabenden und Angesehenen zu Leistungen für die Kommunen anzuspornen, und diese setzten ihrerseits einen Ruhm darein, durch zahlreiche Monumente zu bezeugen, daß viele es sich zur Ehre geschätzt hatten, ihnen Opfer zu bringen, und daß sie ihrerseits wohl imstande seien, solche zu belohnen und zugleich ihre Stadt zu schmücken. Schwerlich konnte eine reiche und ansehnliche Familie in einer größeren Stadt einige Generationen hindurch ihren Wohnsitz gehabt haben, ohne in die Notwendigkeit versetzt worden zu sein, sich die Ehre der Statue zu verdienen. Dio von Prusa rühmt, daß seine Großväter und andre Vorfahren, sein Vater (der lange Zeit der Stadt vorgestanden hatte), seine Brüder und Verwandten von der Stadt geehrt worden seien durch viele Statuen, öffentliche Begräbnisse, Kampfspiele in ihren Gräbern und viele andre Auszeichnungen: seiner Mutter war nach ihrem Tode nicht bloß ein Standbild, sondern auch ein Tempel errichtet worden.
Auch die Bekleidung mancher nur der Aristokratie der Provinzen zugänglichen hohen Würden hatte die Ehre der Statue mehr oder minder regelmäßig zur Folge, wie namentlich die des höchsten Provinzialpriestertums. In einem die Ehrenrechte desselben bestimmenden Gesetz von Narbo wird den nach Ablauf ihres Amtsjahrs abtretenden Provinzialpriestern das Recht eingeräumt, sich auf einen (wahrscheinlich durch den Provinziallandtag zum Beschluß erhobenen) Antrag ihres Nachfolgers eine Statue selbst zu setzen. Postamente solcher Statuen sind in Tarraco und Lugdunum zahlreich gefunden worden; doch hier nicht von den Priestern selbst, sondern in Lugdunum ausnahmslos, in Tarraco in weitaus überwiegender Zahl (52 unter etwa 70) von der Provinz, seltener von den Heimatsgemeinden oder den eigenen Angehörigen auf Beschluß des Landtags gesetzt, und zwar ist in Spanien auch auf die an der Würde ihrer Gatten teilnehmenden Priesterinnen diese Ehre entweder sofort oder im Laufe der Zeit erstreckt worden. Ähnliche Bestimmungen werden auch in den übrigen Provinzen bestanden haben.
Um von der Allgemeinheit der Ehre der Statue in den Städten Italiens sowie aller Provinzen eine Vorstellung zu geben, genügt es, diejenigen Verdienste anzuführen, die am häufigsten durch diese Ehre belohnt wurden. Hauptsächlich waren es große, zum Besten der Stadt gebrachte Geldopfer und persönliche Leistungen: nächst den bereits erwähnten, so häufigen Verschönerungs- oder Nützlichkeitsbauten Zuwendungen und Schenkungen zu den verschiedensten Zwecken (z. B. zum Ankauf von Getreide bei Teuerungen), ganz besonders häufig aber (einmalige oder jährlich wiederkehrende) Bewirtungen der gesamten Bürgerschaft, bei denen auch Geld verteilt zu werden pflegte; ferner Schauspiele aller Art (namentlich Tierhetzen und Gladiatorenkämpfe), endlich freiwillig übernommene und auf eigene Kosten ausgeführte Gesandtschaften an die Kaiser und Statthalter. Aber neben diesen gewöhnlichsten Veranlassungen für die Ehre der Bildsäule gab es noch viele andre. Auch eine ausgezeichnete Wirksamkeit in einem Lehramt gab Anspruch darauf; und nicht bloß die weltberühmten Professoren der Beredsamkeit, die Scharen von Schülern aus weiter Ferne herbeizogen, erhielten sie, sondern zuweilen wurden auch bescheidene Schullehrer, wenn sie Gelehrte von Ruf waren, mindestens nach ihrem Tode so geehrt. Von Horazens Lehrer Orbilius Pupillus, der als fast hundertjähriger Greis in einer Dachkammer starb, sah man zu Benevent auf dem Kapitol eine sitzende Statue im griechischen Mantel mit zwei Bücherbehältern; zu Präneste eine des M. Verrius Flaccus über seinem dort auf dem Forum in Marmortafeln eingegrabenen Kalender. Auch literarische Leistungen (von Einheimischen und Fremden) wurden wenigstens in Griechenland durch diese Anerkennung belohnt, mit der die Städte zuweilen nur zu freigebig verfuhren. Nach Dio von Prusa hatten die Athener einem höchst unbedeutenden Dichter (vielleicht dem Improvisator Q. Pompejus Capito) eine Bronzestatue, und zwar neben der des Menander, aufgestellt. In Halikarnaß wurde der Tragödiendichter C. Julius Longianus aus Aphrodisias (unter Hadrian), der bei seinem dortigen Aufenthalt durch mannigfaltige poetische Vorträge »die Älteren erfreut und die Jüngeren gefördert« hatte, durch mehrere Bronzebüsten geehrt, die an den besuchtesten Orten, im Heiligtum der Musen und im Gymnasium der Epheben »neben dem alten Herodot« aufgestellt wurden: seinen Schriften wies man einen Platz in der öffentlichen Bibliothek an; außerdem ließ der Verein der Bühnenkünstler sein Bild in ganzer Figur malen, um es in Aphrodisias an einem von ihm zu wählenden Ort aufstellen zu lassen. Der Dichter Maximus von Apamea erhielt in Cyzicus, wo er in einem poetischen Wettkampfe zweimal den Preis davongetragen hatte, auch ein Standbild. Doch wird man natürlich von den auswärtigen Berühmtheiten überall die einheimischen geehrt haben. Unter diesen erhielten namentlich auch Künstler aller Art Statuen. So in Ostia ein Athlet oder Musiker, der in allen Weltteilen Siegespreise errungen hatte, »wegen seiner hervorragenden Virtuosität und großen Ergebenheit gegen seine Vaterstadt«; in Präneste der erste Pantomime seiner Zeit, M. Aurelius Agilius Septentrio, »wegen seiner ungemeinen Liebe zu seinen Mitbürgern und seiner Vaterstadt«. Auch Frauen wurde diese Ehre sehr häufig erwiesen. Es war ferner Sitte, Verstorbenen Statuen zu errichten, um ihre Angehörigen, namentlich Eltern, zu trösten und zu ehren, selbst kleinen Kindern. In Brixia hat der Gemeinderat einmal für einen Knaben, der im Alter von 6 Jahren, 2 Monaten, 5 Tagen gestorben war, eine vergoldete Reiterstatue dekretiert, um den überlebenden Vater zu erfreuen: so gemein war also diese Art von Monumenten allmählich geworden, in denen noch Cicero einen Beweis für die Maßlosigkeit seines Zeitalters gefunden hatte. Eine noch höhere, doch ebenfalls nicht selten von städtischen Behörden beschlossene Auszeichnung war eine Statue auf einem Zweigespann. Eine solche hatte für einen dem Ritterstande angehörigen Patron der Stadt Präneste die dortige Bürgerschaft zum Dank für ein von ihm gegebenes glänzendes, zweitägiges Gladiatorenspiel verlangt; doch der Gemeinderat beschloß, ihm nur eine Reiterstatue zu setzen. Für einen vom Kaiser ernannten Verwalter des städtischen Zinsbuches in Panhormus (Palermo) war von der dortigen Einwohnerschaft eine größere Anzahl von Statuen auf Zweigespannen dringend verlangt worden, und es wurde ihm als Bescheidenheit angerechnet, daß er sich mit zwei solchen und (vermutlich) drei Reiterstatuen begnügte.
Eine andre Steigerung der Ehre war die Errichtung von mehreren Statuen derselben Person. Auf diese Weise belohnten z. B. die Athener ihren reichen (auch als epischen Dichter bekannten) Mitbürger Julius Nicanor, der (unter Augustus) die von ihnen aus Geldnot verpfändete oder verkaufte Insel Salamis für sie zurückkaufte: in rühmenden Inschriften wird er als »neuer Homer« und »neuer Themistocles« gepriesen. In der Zeit der Antonine erhielt ein P. Lucilius Gamala für seine zahlreichen Bauten und Schenkungen zu Ostia zwei Bronzestatuen, wovon eine vergoldet. Artemidor, Sohn des Theopomp, eines Freunds des Augustus, erhielt in seiner Vaterstadt Cnidus »drei marmorne, drei goldene und drei bronzene Büsten«, außerdem stand eine goldene Büste von ihm in dem dortigen Artemistempel. In Sardes wurde kurz vor Beginn unserer Zeitrechnung ein um das Wohl der Stadt in hervorragender Weise verdienter Mann außer durch Verleihung zweier goldener Kränze durch die Errichtung von drei Statuen aus vergoldeter Bronze (darunter eine von mehr als Lebensgröße, eine andre als Reiterstandbild), weiter von vier Bronzestandbildern, drei Marmorstatuen und vier Porträtgemälden ausgezeichnet. In Aphrodisias beschloß man, für einen Unbekannten »vergoldete Porträtmedaillons und Statuen aus Marmor und Bronze in Tempeln und an öffentlichen Orten, die er selbst wählen sollte«, zu errichten. Einer Priesterin in Calama in Numidien, die eine außerordentliche Freigebigkeit gegen die Stadt bewiesen hatte, beschloß der Gemeinderat fünf Statuen zu setzen. Ebensoviele Statuen der Sosia Falconilla wurden nach deren Tode ihrem Vater Q. Pompejus Sosius Priscus (Konsul 169) von der Gemeinde zu Cirta angeboten, von denen er jedoch nur eine annahm.
Die Fünfzahl erklärt sich in diesen beiden Fällen wohl daraus, daß von den zehn Kurien, in die hier wie in andern Städten Afrikas die Bürgerschaft geteilt gewesen sein wird, je zwei sich zur Errichtung einer Statue vereinigt hatten. Doch zu Hippo Regius in Numidien hatte einem Kaiserpriester und obersten Magistrat zum Dank für ein prachtvolles Gladiatorenspiel und andre Verdienste jede Kurie aus eignen Mitteln eine Statue (wohl auf seiner Villa) errichtet, und auch sonst finden sich in afrikanischen Städten Errichtungen von Standbildern durch »sämtliche Kurien«, wie in den Städten andrer Provinzen durch sämtliche Stadtbezirke ( vici); so in Alexandria Troas, wo es deren mindestens zehn gab. In Rom hatten schon zu Sullas Zeit sämtliche Bezirke dem sehr populären M. Marius Gratidianus Statuen gesetzt, die Sulla nach dessen scheußlicher Ermordung umstürzen ließ. Einem C. Valerius Camillus beschloß nach einer in Avenches gefundenen Inschrift (etwa in Claudius' Zeit) die Gemeinde der Helvetier sowohl für sich als für ihre einzelnen Gaue Statuen zu errichten. Auf dieselbe «Weise statteten, wie es scheint, die sämtlichen zwölf Phylen Attikas dem Tiberius Claudius Atticus ihren Dank für eine allgemeine Bewirtung ab: eine Ehre, die bis dahin vielleicht nur dem Kaiser Hadrian erwiesen worden war.
Sehr häufig, wenn nicht in der Regel, erfolgte übrigens die Errichtung der Statuen auf Kosten der Geehrten. Man liest auf ihren Inschriften die Formel: »mit der Ehre zufrieden, hat er die Kosten erlassen« so äußerst oft, daß man nicht zweifeln kann, die Statuen sind in sehr vielen Fällen erst dekretiert worden, nachdem eine vertrauliche Erklärung der zu ehrenden Personen erfolgt war, daß sie die Kosten selbst tragen würden. Ausnahmsweise ließ jemand auch wohl zu, daß die erforderlichen Beiträge gesammelt wurden, um sie dann zurückzuerstatten. In das Forum Sempronii (Fossombrone) ließ der Gemeinderat einmal eine im geheimen votierte Statue fertig zu dem Geehrten hinschaffen, damit er sie nicht aus zu großer Bescheidenheit, wie schon früher einmal, ablehne. In manchen Gegenden Griechenlands übernahmen öfters die Angehörigen des durch Votierung einer Statue Geehrten die Kosten der Errichtung.
Zu den ausgezeichneten Fremden, denen man diese Ehre erwies, gehörten im 2. Jahrhundert außer Dichtern besonders die bedeutendsten der von Ort zu Ort ziehenden Virtuosen der Beredsamkeit (Sophisten). So hatte Aristides an mehreren Orten Statuen erhalten; eine derselben zu Alexandria war ihm gemeinschaftlich von Alexandria, Hermopolis magna, Antinoe und den Griechen des Delta sowie des thebäischen Gaues errichtet worden. Eine Statue des Verfassers einer dem Dio von Prusa beigelegten Rede (Favorinus), welche die Stadt Korinth in ihrer öffentlichen Bibliothek hatte aufstellen lassen, damit er ihrer Jugend zum Vorbild diene, war bald nachher verschwunden. Apulejus sagt in seiner Dankrede für die ihm vom Gemeinderate zu Karthago votierte Statue, ihm sei diese Ehre bereits an andern Orten erwiesen worden; auch in mittelmäßigen Städten habe es dazu nicht an den Kosten für Bronze und an der Tätigkeit eines Künstlers gefehlt. Als der Philosoph Demonax einmal nach Olympia kam, votierten ihm die Eleer eine Bronzestatue: er lehnte sie ab, weil sie damit einen Tadel ihrer Vorfahren ausdrücken würden, die dem Sokrates und Diogenes keine gesetzt hätten. Bildnisse des Apollonius von Tyana hatte der Kaiser Aurelian in vielen Tempeln gesehen. Der unter Domitian wegen Fälschung verurteilte Philosoph Flavius Archippus in Bithynien hatte die Ehre der Statue dort öfters erhalten. Noch in der Zeit des Septimius Severus war es gewöhnlich, daß Philosophen durch Statuen geehrt wurden. Den Arzt und medizinischen Schriftsteller Heraclitus ehrte seine Vaterstadt Rhodiapolis in Lycien (im 1. Jahrhundert n. Chr.) mit einer vergoldeten Büste und »der Statue für wissenschaftliche Bildung« (d. h. einer solchen, wie sie Gelehrten und Schriftstellern gewöhnlich errichtet wurde); auf dieselbe Weise war er von den Gemeinden zu Alexandria, Rhodus, Athen, von dem dortigen Areopag, den dortigen Epikureischen Philosophen und der »heiligen« Genossenschaft der dramatischen Künstler geehrt worden.
Wie in den Munizipien diese Ehre im Namen der Stadt (wenn nicht durch die gesamte Bürgerschaft) durch den Gemeinderat dekretiert zu werden pflegte, so in Rom bis auf Diocletian durch den Senat. Für Lucilius Longus, einen der ältesten und nächsten Freunde des Tiberius, beschloß der Senat nach dessen Tode im Jahre 23 unter andern Ehren eine Statue auf dem Forum des Augustus auf öffentliche Kosten; denn damals, sagt Tacitus, wurde noch alles im Senat verhandelt. Caligulas Verbot, einem Lebenden ohne seine ausdrückliche Erlaubnis eine Statue oder ein Bildnis zu setzen, hob das selbständige Beschlußrecht des Senats auf; doch Claudius stellte es wieder her, da er sogar (im Jahre 45) die öffentliche Aufstellung der Bildsäulen durch Private von der Erlaubnis des Senats abhängig machte: nur solchen, die ein öffentliches Gebäude auf eigne Kosten aufgeführt hatten, oder deren Verwandten war es in demselben gestattet. Bis dahin hatte es jedermann frei gestanden, sein Bildnis gemalt oder in Stein und Erz öffentlich aufzustellen. Die Folge war eine Überfüllung Roms mit persönlichen Denkmälern gewesen, welcher Claudius durch eine neue Verteilung abhalf. Doch eine Errichtung von Statuen in Tempeln (wie z. B. der des Antonius Musa, des Arztes des Augustus, aus freiwilligen Beiträgen im Äsculaptempel) dürfte nach wie vor Privaten erlaubt gewesen sein.
Da übrigens der Senat diese Ehre sicherlich immer, wenn nicht auf den Befehl, so doch im Einverständnisse mit den Kaisern votierte, so wird die Errichtung von Statuen ebensogut auch diesen zugeschrieben. Von Tiberius sagt z. B. Cassius Dio, daß er viele Verstorbene durch Bildsäulen ehrte. Lebenden wurden (abgesehen von den Mitgliedern des Kaiserhauses) Statuen überhaupt in Rom nicht gar zu oft gesetzt; gegen Tote dagegen waren Senat und Kaiser mit dieser Ehre freigebig. Unter Nerva erhielt der sehr jung verstorbene Vestricius Cottius eine Statue; unter Marc Aurel die Vornehmsten der durch die Pest Hingerafften und die im Markomannenkriege gefallenen Adligen, die letzteren auf dem Trajansforum. Bei einem Regierungsantritte scheinen in der Regel die verstorbenen Verwandten des neuen Kaisers Statuen erhalten zu haben. Claudius wäre unter Caligula fast des Konsulats (37) entsetzt worden, weil er die Ausführung und Aufstellung der Statuen der verstorbenen Brüder des Kaisers, Nero († 31) und Drusus († 33), nachlässig betrieben hatte. Nero erbat noch im Jahre 54 vom Senat eine Statue für seinen Vater, Gnaeus Domitius. Antoninus Pius »nahm die (vom Senat) für seinen Vater, seine Mutter, seine Großeltern und Brüder, die sämtlich schon tot waren, dekretierten Statuen gern an«. Marc Aurel ehrte sogar die Freunde seiner Eltern nach ihrem Tode durch Statuen. Septimius Severus setzte solche seinen verstorbenen Angehörigen, seinen Eltern, seinem Großvater und seiner ersten Gemahlin.
Doch auch Lebenden erwiesen Senat und Kaiser zuweilen diese Ehre; so Trajan seinen besonders geschätzten Freunden Sosius Senecio, Cornelius Palma und Publius Celsus. Marc Aurel, der für seinen Lehrer in der Philosophie Junius Rusticus nach dessen Tode im Senat mehrere Statuen forderte, verlangte eine für seinen Lehrer in der Beredsamkeit, Fronto, offenbar noch bei dessen Lebzeiten. Auf seinen und seines Mitregenten Commodus Antrag votierte der Senat dem Präfekten des Prätoriums M. Bassäus Rufus drei Statuen: eine vergoldete auf dem Forum Trajans, eine in bürgerlicher Tracht in dem Tempel des Pius, eine im Harnisch wahrscheinlich in dem des rächenden Mars. Statuen gehörten zuweilen auch zu den militärischen Belohnungen. Constantius ließ z. B. die der Führer eines kühnen Ausfalls aus dem von den Persern (359) belagerten Amida in Armenien (Diarbekir) auf einem belebten Platze zu Edessa aufstellen, wo sie Ammian noch sah.
Mit Statuen waren in Rom vor allem die sämtlichen Fora mit ihren Kolonnaden und die bedeutendsten Tempel und deren Vorplätze gefüllt, das alte Forum und der Vorplatz des Juppitertempels auf dem Kapitol schon in der Republik. Von hier versetzte Augustus eine Anzahl von Statuen berühmter Männer wegen Mangels an Raum auf das Marsfeld. Auf dem Forum des Augustus wurden bis auf Trajan die vom Senat dekretierten Triumphalstatuen aufgestellt, nach Trajan gewöhnlich auf dessen Forum. Überhaupt wurde dieses je länger je mehr »der Mittelpunkt des Glanzes und der Auszeichnung«, schon seit der Zeit der Antonine, wovon auch zahlreiche (bis ins 6. Jahrhundert hinabreichende) dort gefundene Postamente zeugen. Eine sehr seltene Ehre war eine Statue auf dem Palatium, die der Senat dem Vater des Kaisers Otho (L. Otho) für die Entdeckung eines Mordanschlags auf Claudius votierte. Dort, »über den Triumphalstatuen auf dem Forum«, ließ Nero auch im Jahre 65 die Statuen des nachherigen Kaisers Nerva und des Tigellinus aufstellen. Sejan erhielt auf den Beschluß des Senats eine Statue im Pompejustheater, weil er die Ausbreitung eines Brandes, der darin im Jahre 22 ausgebrochen war, verhindert hatte. Passienus Crispus, der sich als Anwalt in Centumviralprozessen ausgezeichnet hatte, erhielt eine Statue in der Basilica Julia.
Die lebensgroßen Statuen der Obervestalinnen standen im Peristyl des jetzt wieder aufgedeckten Vestalinnenhauses ringsum unter der Säulenhalle; sechzehn davon sind ganz oder bruchstückweise erhalten, außerdem 30 Postamente mit Inschriften, von welchen 27 der Zeit vom Anfange des dritten bis zum achtzigsten Jahre des 4. Jahrhunderts angehören. Errichtet waren diese Statuen, deren feierlicher Ernst an dieser Stelle für den Beschauer etwas Ergreifendes hatte, teils von Priesterkollegien und einzelnen Priestern, teils von nahen Verwandten (meist Brüdern und Schwestern mit ihren Familien), teils von Untergebenen, Freigelassenen und solchen, die den Obervestalinnen zu Dank verpflichtet waren. Von Zeit zu Zeit muß hier immer durch Wegräumung älterer Statuen für neue aufzustellende Platz geschafft worden sein, zumal da die denselben Personen gesetzten sehr zahlreich sein konnten; wir kennen sieben einer Flavia Publicia aus der Mitte des 3. Jahrhunderts und ebenso viele einer Coelia Claudiana aus der nächstfolgenden Generation.
Derartige von Privatpersonen errichtete Denkmäler werden selbstverständlich weit seltener erwähnt als öffentliche; aber ob sie weniger zahlreich waren, ist die Frage. Zu ihnen gehören u. a. die von den Kollegien (Zünften, religiösen und andern Genossenschaften) ihren Patronen, Patroninnen und sonstigen Gönnern, von Soldaten ihren Befehlshabern usw. gesetzten Statuen. In Palmyra war es im 2. und 3. Jahrhundert offenbar gewöhnlich, daß die an einer Karawanenreise teilnehmenden Kaufleute dem Karawanenführer (συνοδιάρχης), der aus den angesehensten Bürgern der Stadt entnommen zu sein pflegte, eine Statue errichten ließen. Besonders häufig aber waren die beliebten und berühmten Bühnenkünstlern, Musikern, Athleten und Wagenlenkern von ihren Anhängern und Verehrern errichteten Denkmäler; die der Wagenlenker waren wohl wenigstens großenteils von den Faktionen gestiftet. Die Menge solcher Statuen in dem eigentümlichen Kostüm des Zirkus fiel in Rom um die Mitte des 2. Jahrhunderts den Fremden auf, und nicht bloß diese Statuen, sondern auch die von Pantomimen sah man mit Götterbildern zusammen (d. h. in Tempeln) aufgestellt. Daß übrigens solche Künstler auch von den Gemeinden mit Standbildern geehrt wurden, und nicht bloß in Griechenland, ist bereits erwähnt worden. So werden denn die Denkmäler der berühmten sehr zahlreich gewesen sein. Nero zwang den schon sehr alten Tragöden Pammenes zum Wettkampf, um nach erlangtem Siege seine Statuen beschimpfen zu können. Berühmte Athleten kannte man nach ihren an vielen Orten aufgestellten Bronzestatuen. Solche wurden besonders von den Genossenschaften der Athleten errichtet; in manchen Spielen Griechenlands waren sie ein Teil des dem Sieger zuerkannten Preises; in den Leonideen zu Sparta erhielten die Sieger 100 Drachmen zu einer Büste.
In den mannigfachsten Verhältnissen des Privatlebens war die Errichtung einer Statue ein gewöhnlicher Ausdruck der Freundschaft und Hochachtung, der Ehrerbietung und Dankbarkeit. Schüler erwiesen diese Ehre ihren Lehrern, geheilte Patienten ihren Ärzten, freigesprochene Angeklagte ihren Verteidigern, Klienten und Freigelassene ihren Patronen (wie der ältere Plinius berichtet, in deren Atrien), Gastfreunde vornehmen Gästen. Der Obervestalin Campia Severina (im 3. Jahrhundert) errichtete jemand eine Statue, der ihr den Ritterstand und eine militärische Beförderung verdankte; ein andrer, weil er auf ihre Empfehlung zum Leiter der Verwaltung der kaiserlichen Bibliotheken ernannt worden war. Für einen D. Junius Melinus, der in der Stadt Cartima in Bätica zuerst römischer Ritter geworden war, hatten seine Freunde dort noch während seines Lebens eine Statue bestellt; als er (wie es scheint, vor der Errichtung) starb, setzte die Mutter sie dem Toten auf eigne Kosten. Von den oben erwähnten fünfzehn Statuen des konsularischen Amtsdieners L. Licinius Secundus zu Barcelona ist eine von den Sevirn der Augustalen zu Barcelona, zu denen er gehörte, eine von einem Kollegium, zwei von einzelnen Sevirn, fünf von Freunden, eine von einem Freigelassenen errichtet worden. Doch auch Höhergestellte bezeugten Geringeren auf diese Art ihre Achtung. Der Konsulat Aemilianus Strabo hatte in einem Schreiben an den Gemeinderat zu Karthago erklärt, dort dem Apulejus eine Statue errichten zu wollen, und Apulejus äußert sich für diese Ehre überschwenglich dankbar.
Endlich war es offenbar zu allen Zeiten häufig, daß Privatpersonen sich selbst bei Lebzeiten durch Statuen verewigten, was ja, wie bemerkt, zu Rom vor dem Jahre 45 sogar an öffentlichen Orten hatte geschehen können. Wie seitdem dort der Senat, so mußte in den übrigen Städten der Gemeinderat zur öffentlichen Aufstellung von Privatdenkmälern die Erlaubnis geben, beziehentlich den Platz anweisen. In einer Stadt in Südspanien wurde einem lebenslänglichen Augustalen außer öffentlicher Bewirtung ( cenae publicae) vom Gemeinderat ein Platz angewiesen, um Statuen für sich, seine Frau und Kinder zu errichten, was auch geschah. Auf eignem Grund und Boden stand selbstverständlich die Errichtung beliebiger Denkmäler jedermann frei. Der Redner M. Aquilius Regulus hatte in seinem Garten jenseits des Tiber eine sehr weite Strecke mit unermeßlichen Kolonnaden bebaut, das Ufer mit seinen Statuen besetzt; wie er denn (nach der Ansicht seines erbitterten Gegners Plinius) bei großem Geize verschwenderisch, bei all seiner Verrufenheit prahlerisch war. Seinem im Jahre 104 im Knabenalter verstorbenen Sohne ließ er eine Menge Statuen und Bildnisse errichten, betrieb die Herstellung in allen Werkstätten, ließ ihn in enkaustischen und andern Gemälden, in Bronze, Silber, Gold, Elfenbein, Marmor abbilden. Ebenso will Claudius Etruscus bei Statius die Züge seines in hohem Alter gestorbenen Vaters in »leuchtendem Stein«, in Elfenbein und Gold, und auf Tafeln mit farbigem Wachs verewigen lassen.
Wie unter den öffentlichen, so werden auch unter den Privatdenkmälern die Bildnisse der Toten, gemalte wie gemeißelte, zahlreicher gewesen sein als die der Lebenden. Herodes Atticus ehrte nicht bloß seine verstorbene Gemahlin Annia Regula durch eine Menge von Monumenten, sondern errichtete auch von seinen Pflegesöhnen Achilles und Polydeukes († nach 130) nach ihrem Tode »auf Feldern, in Gebüschen, an Quellen und unter schattigen Platanen« Marmorstatuen, die sie jagend, sich zur Jagd rüstend oder davon ausruhend darstellten; Inschriften (die zum Teil noch erhalten sind) sprachen Verwünschungen gegen jeden aus, der diese Figuren verstümmeln oder von der Stelle rücken würde. Ein Teil der Monumente von Verstorbenen schmückte natürlich ihre Gräber. Auch unter diesen waren öffentliche, deren Errichtung nicht selten mit einem Begräbnis auf öffentliche Kosten verbunden wurde. Sehr häufig wurden in Testamenten über die am Grabe zu errichtenden Statuen Bestimmungen getroffen; so z. B. von einem Duumvirn in Brixia über sieben Statuen nebst Postamenten, die ihm, seinem Sohne und fünf andern Personen gesetzt werden sollten. In einer nordafrikanischen Stadt vermachte jemand der Gemeinde ein Kapital, von dessen Zinsen eine jährliche Geldverteilung an seinem Geburtstage, außerdem aber die Errichtung seiner Statue für 3200 Sesterzen in jedem siebenten Jahre bestritten werden sollte. In einer Stadt Südspaniens verordnete eine Frau, daß ihr eine Statue für 8000 Sesterzen (1740 Mark) errichtet und verschiedene Geschmeide daran angebracht werden sollten, mit genauer Angabe der Zahlen der (goldenen) Glieder und Perlen, aus denen die einzelnen Schnüre bestehen mußten; ihr Sohn fügte noch silberne, mit Edelsteinen besetzte Armbänder und einen Jaspisring für 7000 Sesterzen hinzu. In dem Testament eines begüterten Manns in der Gegend von Langres wird die Errichtung eines zweistöckigen Grabmals angeordnet, dessen Oberstock einen nach vorn offenen, durch Säulen abgeschlossenen Raum ( exedra) bilden sollte: hier sollten zwei Statuen des Verstorbenen stehen, eine, sitzend, »aus dem besten überseeischen (wohl griechischen) Marmor,« die andre aus der besten Bronze zweiter Sorte (die zu öffentlichen Publikationen verwandt wurde – aes tubulare), mindestens fünf Fuß hoch. Der Trimalchio Petrons (dessen testamentarische Bestimmungen in manchen Beziehungen an die dieser Urkunde erinnern) bestellt für sein Grabmal seine Statue mit einem Hündchen, nebst Kränzen und Salben am Boden; zu seiner Rechten soll die seiner Frau stehen, eine Taube in der Hand und ebenfalls ein Hündchen an einem Bande haltend. Der freigelassene Abascantus, Sekretär Domitians, errichtete seiner Gemahlin Priscilla ein palastartiges Grabmal, in welchem ihr Bild mehrmals wiederholt in den Gestalten verschiedener Göttinnen stand, als Ceres und Ariadne in Bronze, als Maja und keusche Venus in Marmor. Verstorbene in der Gestalt von Gottheiten darstellen zu lassen, war überhaupt nicht selten, doch die Darstellung nach dem Leben die Regel. Ein großer Teil der erhaltenen Porträtstatuen und -büsten stammt von Grabdenkmälern. Die Wanderer, welche zwischen diesen rechts und links an den Landstraßen sich hinziehenden Monumenten den Toren großer Städte zuschritten, sahen sich gleichsam von langen Reihen von Erz- und Marmorbildern der Männer und Frauen früherer Geschlechter begrüßt, ehe sie in das Gewühl des Lebens der Gegenwart eintraten.
Übrigens dürfte auch die Errichtung von Denkmälern hervorragender Männer aus älterer Zeit durch ihre Verehrer und Bewunderer immer häufig gewesen sein. So ließ Caracalla nicht bloß »in allen Städten« Bildnisse und Statuen von Alexander dem Großen, teils allein, teils zusammen mit dem seinigen, aufstellen (das letztere namentlich zu Rom auf dem Kapitol und sonst in Tempeln), sondern auch von Sulla und Hannibal.
Die Herstellung persönlicher Denkmäler ist bis in das späteste Altertum nicht bloß durch die Malerei, sondern auch durch die Plastik in verhältnismäßig großem Umfang betrieben worden. Die Sucht, sich durch prunkende Bildwerke, namentlich vergoldete Bronzestatuen zu verewigen, wurde noch zu Ende des 4. Jahrhunderts von Ammian zu den charakteristischen Neigungen des römischen Adels gezählt. Von den hervorragendsten Schriftstellern und Dichtern dieser Zeit wurde die Ehre der Statue dem Rhetor Marius Victorinus und dem Dichter Claudianus (beiden auf dem Trajansforum) zuteil; und Ausonius sagt, wenn er die Zuschrift des Kaisers, die seine Ernennung zum Konsul enthielt, überall anschlagen ließe, würde er mit so vielen Statuen geehrt werden, wie die Bücher Seiten haben. Noch unter Zeno wurden zu Rom Standbilder errichtet, und es gab deren dort auch von Theoderich (die Rusticiana umstürzen ließ). Unter den gewiß zahlreichen Statuen Justinians zu Constantinopel wird seine kolossale Reiterstatue aus Bronze auf dem Augusteum die hervorragendste gewesen sein: in der Linken hielt der Kaiser die Weltkugel mit dem Kreuz, und die Rechte war wie gebietend nach dem Osten ausgestreckt.
c) Religiöse Kunst
Das dritte große Kunstgebiet außer dem dekorativen und dem monumentalen, auf dem eine unaufhörliche Massenproduktion einem in der ganzen römischen Welt verbreiteten Bedürfnisse zu entsprechen hatte, war das religiöse. Hier konnte freilich für die eigentlichen Kultuszwecke fast allein die Plastik tätig sein, Malerei und Mosaik nur für die Dekoration der heiligen Räume in Anspruch genommen werden. Die Natur, die Stärke und allgemeine Verbreitung des Götterglaubens in jener Zeit, von dem der Bilderdienst unzertrennlich war, wird später ausführlich behandelt werden. Mindestens von der großen Zahl der bedeutenderen Gestalten der römisch-griechischen Götterwelt hatte damals noch keine ihre Verehrung eingebüßt, dagegen hatten zahlreiche, früher auf enge Gebiete beschränkte Fremdgötter, namentlich des Orients, sich über das ganze Weltreich verbreitet: die Zahl der göttlichen Personen war also gewachsen. Doch das Ansehen und die Verbreitung der einzelnen Götterdienste nahm infolge verschiedener Einflüsse nicht selten erheblich ab oder zu. Namentlich der zur Schau getragene Eifer einzelner Kaiser für bestimmte Kulte (wie des Augustus für den des Apollo, des Domitian für den der Minerva, des Commodus für Hercules und verschiedene Fremdkulte, des Septimius Severus für Hercules und Bacchus) konnte nicht ohne Wirkungen bleiben: jede dieser Regierungen machte den von ihr ausgezeichneten Dienst in weiten Kreisen zum herrschenden und trug im entsprechenden Maße zur Vervielfältigung seiner Idole bei. Die Massen von Götterbildern, die infolge der zunehmenden Theokrasie sich in allen größeren, an Tempeln reichen Städten gesammelt haben müssen, sind wir völlig außerstande uns vorzustellen. Die Angabe einer Legende, daß auf dem Kapitol zu Trier hundert Götzenbilder gestanden haben, ist an sich nichts weniger als glaublich oder erstaunlich.
Der Eifer, die Götter zu verehren und ihre Gnade durch fromme Werke aller Art zu gewinnen, betätigte sich mit Vorliebe durch Schenkungen und Stiftungen zu Kultuszwecken, vor allem von Götterbildern, und zwar nicht bloß für die Tempel; sie galten, wie bemerkt, auch als der würdigste Schmuck für öffentliche Plätze und Bauten. Die zufällig bei dem altern Plinius erhaltene Nachricht, daß die Hauptstadt der Arverner (Clermont) einen kolossalen Merkur ausführen ließ, dessen Herstellung zehn Jahre dauerte und wofür der Künstler an Honorar allein 400.000 Sesterzen (87.000 Mark) erhielt, gibt einen sehr hohen Begriff von dem auch in den Provinzen für Götterbilder gemachten Aufwande und nötigt zu der Annahme, daß deren Herstellung in allen Größen und Materialien sowie in allen Abstufungen des künstlerischen Werts Tausende von Werkstätten im römischen Reiche beschäftigte.
Sodann ist zu glauben, daß bei jedem größeren Tempel eine Ansiedlung von Künstlern und Kunsthandwerkern bestand, die den zuströmenden Gläubigen die Möglichkeit gewährte, sowohl durch fromme Darbietungen und Stiftungen (von Götterbildern, Weihgeschenken, Votivtafeln) der Gottheit ihre Verehrung zu erweisen, als auch Andenken aller Art von dem Heiligtum in die Heimat mitzunehmen: diese Künstler konnten dann auch zu den fort und fort erforderlichen Reparaturen und Dekorationsarbeiten herangezogen werden. Von dem neuen Gotte in Schlangengestalt mit Menschenantlitz, den Alexander von Abonuteichos seinen Gläubigen vorwies und Glycon nannte, waren sogleich in Paphlagonien und den angrenzenden Landschaften Gemälde und plastische Darstellungen in Bronze und Silber zu haben. Allbekannt ist der Silberschmied Demetrius, der zu Ephesus Nachbildungen des Tempels der großen Artemis verfertigte, was dort vielen Arbeitern einen großen Verdienst gab; selbstverständlich müssen andre Künstler Nachbildungen des berühmten Bilds der Göttin zu allen Preisen geliefert haben. Derartige Andenken für Wallfahrer mag auch ein Händler mit Elfenbeinsachen verkauft haben, dessen Inschrift in der Nähe des Tempels der Feronia am Soracte gefunden worden ist. Dasselbe läßt sich für alle großen und vielbesuchten Tempel voraussetzen, wenn es auch sonst nur für den der Aphrodite auf Cypern nachweisbar ist, deren tönerne Idole sich in Seegefahr wundertätig erweisen sollten: schon aus dem Anfange des 7. Jahrhunderts v. Chr. wird berichtet, daß ein Schiff des Naukratis aus einem furchtbaren Sturme aufs wunderbarste durch ein spannenlanges Aphroditebild von altertümlicher Arbeit gerettet wurde, das ein mitreisender Kaufmann in Paphus gekauft hatte und bei sich trug.
Erwägt man nun noch, daß nach Tertullian Kunstarbeiter, die Christen geworden waren, erklärten, nicht zu wissen, wovon sie leben sollten, wenn ihnen die Anfertigung von Götterbildern verboten wäre, so wird man glauben, daß das religiöse Gebiet dasjenige war, auf dem die Kunstfertigkeit im ganzen römischen Reiche am meisten in Anspruch genommen wurde.
Dreifach war also die Aufgabe, welche die römische Kultur den bildenden Künsten stellte: dem Glauben Bilder der Gottheit zu schaffen und die ihr geweihten Räume würdig zu schmücken, das Gedächtnis von Personen und Ereignissen der Nachwelt zu überliefern, die Wohnungen der Lebenden wie der Toten mit heiterer Pracht zu füllen. Jedes dieser Bedürfnisse war im Wesen der römischen Kultur, wie sie sich seit dem Beginne des römischen Weltreichs gestaltete, tief begründet: alle drei verbreitete sie über die Welt, die sie sich je länger, desto völliger unterwarf; und darum folgte ihr die Kunst, die jene Forderungen allein zu erfüllen vermochte, überall bis an die Grenzen ihres ganzen ungeheuren Gebiets.
Die bisher mitgeteilten Tatsachen beweisen dieses schon hinlänglich. Aber freilich, wollte man deren (was sehr leicht wäre) noch weit mehr häufen: niemals würde es doch gelingen, ein deutliches Bild dieser Massenproduktion der Künste, die (auf einem Gebiet von über 5 Millionen Quadratkilometer) jahrhundertelang unablässig fortdauerte, zu entwerfen. Wir Modernen kennen das Kunstbedürfnis und die ihm entsprechende künstlerische Tätigkeit nur als verhältnismäßig seltene, isolierte und engumgrenzte Erscheinungen. Jenes eine ganze Welt erfüllende Kunstbedürfnis, das mit der römischen Kultur untergegangen ist, bleibt uns bis auf einen gewissen Grad unfaßlich; die Tatsache, daß es wirklich nach allen Richtungen hin völlige Befriedigung fand, behält für uns etwas Fabelhaftes, wie viele Zeugnisse sie auch unzweifelhaft machen. Bei dem Versuch, die Überfülle der in Tausenden von Städten jahraus, jahrein neu entstehenden und trotz aller Zerstörung sich immer mehr häufenden Werke sämtlicher bildenden Künste sich vorzustellen, erlahmt die Phantasie.
Einen Blick freilich in diese versunkene Kunstpracht der römischen Welt hat uns die Entdeckung der verschütteten Städte gewährt: und wenn sie uns auch nur ein winziges Teilchen des ungeheuren Ganzen und noch dazu in sehr entstellter Gestalt zeigt, immer bleibt diese Anschauung unschätzbar. Denn hier erhält man den Eindruck, daß ein so verschwenderisch ausgestreuter Reichtum in der Tat unerschöpflich sein mußte. Daß sich Herculaneum und Pompeji durch künstlerischen Schmuck vor anderen Städten Italiens irgendwie ausgezeichnet hätten, läßt sich durchaus nicht annehmen, im Gegenteil führt alles darauf, daß sie uns höchstens das durchschnittliche Maß desselben kennen lehren. Ostia war schon im 15. Jahrhundert eine unerschöpfliche Fundgrube von Antiken; die Menge der Statuen, Sarkophage, Mosaiken und Trümmer erregte dort damals Verwunderung. Ausgrabungen in Aricia, die nur neun Jahre dauerten (1787-96), haben den größten Teil der stattlichen Skulpturensammlung des Kardinals Despuig zu Palma auf Majorca geliefert. Auch Werke wie der Zeus von Otricoli, die Athena von Velletri usw. lassen eine hohe Meinung von dem Schmuck der Mittelstädte gerechtfertigt erscheinen. Wie sie aber durch die Pracht und den Reichtum der großen Städte (wie Capua, Bononia, Ravenna) und der besonders glänzend ausgestatteten Orte (z. B. Antium) weit überboten wurden, ebenso weit müssen diese wieder hinter Rom zurückgestanden haben.
Von den Kunstwerken Roms haben wir einige Zahlenangaben. Sie sind teils in statistischen Notizen am Schluß einer Stadtbeschreibung aus dem 4. Jahrhundert (Curiosum) erhalten, denen aber eine nachlässig bearbeitete Urkunde aus dem 1. zugrunde liegt, teils stammen sie wohl aus einer vollständigeren Redaktion dieser Notizen, die der Rhetor und Bischof von Meletine, Zacharias, bei Abfassung seiner Kirchengeschichte im Jahre 546 benutzte. Wieviel von diesen Angaben aus dem 1. Jahrhundert (etwa der Zeit der Stadtvermessung Vespasians) herrührt, wieviel aus späteren Verzeichnissen – z. B. denen des schon unter Constantin begegnenden curator statuarum – hinzugetan ist, läßt sich nicht ermitteln; auf jeden Fall sind sie sehr unvollständig. Verzeichnet sind darin: 2 Kolosse (vielleicht der Bronzekoloß des Augustus in der Gestalt Apollos, in der Bibliothek beim Tempel des letzteren auf dem Palatin, und der von Vespasian in einen Sonnengott verwandelte Neros, 22 kolossale Reiterstatuen, 80 vergoldete und 74 oder 77 elfenbeinerne Götterbilder (nur außerhalb der Tempel aufgestellte sind hier gezählt) und 3785 Bronzestatuen »von Kaisern und andern Feldherrn«. Nicht gezählt sind also die übrigen Porträtstatuen aus Bronze, die gewiß auch sehr zahlreichen profanen Marmorstatuen, die marmornen und unvergoldeten bronzenen Götterbilder, die natürlich um sehr vieles zahlreicher waren als jene kostbaren, und die überaus große Zahl der in den Tempeln, öffentlichen Gebäuden (Thermen, Portiken, Theatern usw.), Palästen und Privathäusern befindlichen Statuen. Dieses »Volk von Statuen«, das nach einem Ausdrucke Cassiodors als eine zweite Einwohnerschaft neben der lebenden Bevölkerung in den Mauern Roms wohnte, war noch gegen den Ausgang der Antike sehr groß und ist auch unter den christlichen Kaisern nicht stark vermindert worden, da die aus Tempeln und andern öffentlichen Gebäuden entnommenen heidnischen Kunstwerke zum Schmuck der Städte verwandt wurden. »Eine große Menge dieser Zierden erhielt sich bis ins 7. Jahrhundert, wo Constans II. (seit 641) bei seiner Anwesenheit in Rom eine Plünderung vornahm, nach welcher nicht viel Bedeutendes übriggeblieben sein kann.« Und dennoch haben die auf dem Boden der Stadt ausgegrabenen Überbleibsel der Marmorwerke allein hingereicht, so viele Paläste und Museen zu füllen.
Die bisherige Betrachtung hat die Verbreitung eines für die heutige Welt fast unglaublichen Kunstbedürfnisses über das ganze Gebiet der römischen Kultur, die Unentbehrlichkeit der sämtlichen bildenden Künste für Staat, Religion und Privatleben gezeigt. Selbstverständlich stand die Ausbreitung sowie die Höhe und der Umfang ihrer Leistungen im ganzen überall im Verhältnis zu der Herrschaft der Kultur, in deren Dienst sie tätig waren. Wo diese fest, dauernd und tiefgreifend war, entfaltete sich ihr Leben reich, großartig und glänzend. So z. B. allem Anschein nach auch an der äußersten Ostgrenze des Reichs in den Städten der ostjordanischen Landschaft Batanäa und in Palmyra, dessen reiche Ruinenwelt uns trotz mancher nationalen Eigenart doch im wesentlichen das Bild einer griechisch-römischen Stadt bietet; in Samosata fand Moltke »einen Marmorfries von so schöner Arbeit, wie ich nie gesehen, Laubwerk, Vögel, Stiere, alles so wohlerhalten, als ob es erst fertig geworden wäre«. Wo dagegen die römische Kultur nur für kurze Zeit und an der Oberfläche haftete, kam die Kunstübung nicht über kümmerliche Anfänge hinaus; ganz aber hat es daran selbst in den am unvollkommensten romanisierten Grenzlandschaften nicht gefehlt. Dies bezeugen teils inschriftliche Angaben über Errichtung von Statuen, z. B. in Mösien und Dacien, teils Überreste von Bildwerken, die nur an Ort und Stelle gearbeitet sein könnten. An den am weitesten südlich von Tripolis vorgeschobenen Posten der dritten Legion, am Rande der Hamâda, konnten Grabdenkmäler von Offizieren (wie erwähnt) mit Skulpturen ausgestattet werden. Von den Mithräen der Rheinlandschaften, die zu den allerbedeutendsten dieser Gattung von Denkmälern gehören, ist keines aus Marmor, die besten aus feinem Jurakalk. Sämtliche dortige Arbeiten aus diesem Material sowie aus Sandstein rühren von provinziellen Bildhauern und Steinmetzen her, deren große Mehrzahl allerdings nur eine handwerksmäßige Geschicklichkeit besaß, die jedoch zum Teil römische Muster nachahmten. Aus Jurakalk ist auch das in Köln gefundene Fragment einer Gruppe des mit Anchises aus Troja fliehenden Aeneas, eine tüchtige Arbeit, spätestens aus trajanischer Zeit. Recht gute Arbeiten einheimischer Künstler sind auch die beiden Minervenstatuen von Öhringen in Württemberg (vicus Aurelii im Zehntlande), aus einem feinkörnigen gelben Sandstein, wie er in der Umgegend sich findet und auch zu den römischen Denkmälern in Heidelberg, Ladenburg, Osterburken usw. besonders gern benutzt wurde. Das treffliche Orpheusmosaik zu Rottweil ist aus Steinen der Gegend gearbeitet, und der auf dem berühmten Neptunsmosaik von Vilbel an der Nidda genannte Künstler verrät sich durch seinen Namen Pervincus (der auch in Mainz und südlich davon mehrmals vorkommt) als ein Nichtrömer; die von den Bewohnern des Mainzer Lagerdorfes dem Kaiser Nero zu Ehren errichtete große Juppitersäule ist das Werk zweier einheimischer Künstler. Auch in England sind Inschriften eines Erzgießers und eines Bildhauers gefunden worden. In der Malerei dürfte übrigens wie in der Mosaikkunst der Abstand der provinziellen Leistungen von den italischen geringer gewesen sein als in der Skulptur. Die besseren Wandmalereien der römischen Villen im belgischen Gallien stehen den pompejanischen nicht nach.
Abgesehen nun von der sehr verschiedenen Höhe der Entwicklung in den mehr oder weniger kultivierten Ländern zeigen die Kunstreste in allen Teilen des römischen Reichs im großen und ganzen eine durchgehende Übereinstimmung, nicht bloß in der Komposition und Behandlung, sondern auch in den Motiven und Gegenständen. Nur auf einem Gebiet, dem keltischen, darf vielleicht von einer eigenartigen Kunstentwicklung gesprochen werden. Gegenüber dem »malerischen Gestaltengewimmel« der Reliefs am Grabmal der Julier zu St. Remy machen die übrigen Reliefs der Kaiserzeit fast den Eindruck »einer Rückkehr zu der schlichteren Art der früheren Zeit«. Besonders aber tritt in jenen zahlreichen und bedeutenden, aus dem 2. und 3. Jahrhundert stammenden Grabmonumenten der Maas- und Moselgegend, die zu den interessantesten Leistungen provinzieller Künstler gehören, eine selbständige und entschieden realistische Richtung hervor und zugleich eine Frische und Gewandtheit der Formgebung, wie sie italische Monumente nach Hadrian nicht aufzuweisen haben. Die Reliefs, die diese Denkmäler schmücken, sind vorwiegend Darstellungen von Szenen aus dem täglichen Leben der Verstorbenen, die sich durch größte Lebenswahrheit auszeichnen, und in denen eine ungemeine Sorgfalt auf genaue Wiedergabe aller Einzelheiten verwandt ist. Von italischen Arbeiten weichen sie so sehr ab, daß selbst Kenner dieser letzteren anfänglich an ihrer Entstehung im römischen Altertum zu zweifeln pflegen. Auch im Aufbau und der Ornamentik haben sie manches Eigentümliche. Die Entwicklung dieser in ihrer Art einzigen Kunstrichtung im belgischen Gallien ist um so merkwürdiger, als in dem benachbarten lugdunensischen sowie in den beiden Germanien die Art der Kunst durchaus durch italischen Einfluß bestimmt ist. Man glaubt hier einen von Massilia ausgegangenen hellenisierenden Kultur- und Kunststrom längs Rhone und Saone bis zur Mosel verfolgen zu können.
Noch zwei Provinzen nehmen in bezug auf die Kunst in ganz andrer Weise eine Sonderstellung ein: Ägypten, das einzige Land, in dem eine uralte einheimische, von der universal gewordenen griechisch-römischen grundverschiedene Kunstübung fortbestand, und Palästina, wo die Religion die Bevölkerung mit Abneigung gegen die bildenden Künste erfüllte.
Die beispiellose Stabilität, die Ägypten vor allen Ländern des Altertums auszeichnet, zeigt sich namentlich auch darin, daß dort Baukunst, Malerei und Skulptur unter den römischen Kaisern im wesentlichen in derselben Weise geübt wurden, wie in der ganzen seit dem Verlust der nationalen Selbständigkeit vergangenen Zeit. Wie manche Wandlungen die Kunst auch in so vielen Jahrhunderten erfahren hatte, namentlich durch fremde Einflüsse und eine schon unter den Ptolemäern eingetretene Verrohung, der flüchtigen Betrachtung waren sie im Altertum ebensowenig wahrnehmbar wie in der Gegenwart. Von Skulpturen aus dem 2. Jahrhundert n. Chr., deren Entstehungszeit sich aus datierten Inschriften ergibt, haben Kenner des ägyptischen Altertums geglaubt, daß sie 3000 Jahre v. Chr. gearbeitet sein könnten. Nicht bloß die Tempelbauten der ägyptischen Götter wurden in der römischen Kaiserzeit nach den uralten Traditionen ausgeführt, auch die Technik aller übrigen Künste hatte sich völlig unverändert erhalten. Die Wände der Tempel füllten sich noch immer mit denselben Skulpturen, denselben Hieroglyphen, die Vergoldung der skulptierten und architektonischen Ornamente erfolgte in derselben Weise, die Farben der Gemälde waren noch immer so lebhaft und dauerhaft wie zur Zeit der Errichtung der Paläste von Theben und der nubischen Grotten. Daß aber neben der einheimischen Kunst in Ägypten auch eine griechisch-römische bestanden hat, ist zweifellos. Schon eine völlige Abschließung Ägyptens gegen die angrenzende Provinz Cyrenaica wäre kaum denkbar: und hier bezeugen bedeutende Überreste, daß Architektur, Skulptur und Malerei auch in römischer Zeit eine hohe Blüte gehabt haben. Doch die Verwendung der Kunst dieses Nachbarlands in dem römischen Ägypten hätte allein dem Bedürfnis nicht entsprechen können. In einer Provinz, in der ein römischer Statthalter mit seinem Hof residierte, die eine stehende Besatzung von zwei Legionen hatte, in der Römer und Griechen zahlreich wohnten und noch mehr reisten, mußten auch römische Künstler und Kunsthandwerker zu Kunstunternehmungen aller Art stets zur Verfügung sein. Schon von Antonius und Cleopatra waren dort zahlreiche Statuen errichtet worden, von denen die ersteren nach der Schlacht von Actium umgestürzt wurden, die letzteren stehen blieben; Statuen des Augustus wurden 7 oder 8 Jahre später aus den Grenzdistrikten Philä, Elephantine, Syene von den dort (24/23 v. Chr.) eingefallenen Äthiopiern als Siegeszeichen fortgeschleppt; später ist in Ägypten, wie erwähnt, zur Errichtung und Erhaltung von Kaiserstatuen eine allgemeine Steuer eingeführt worden; und der erste dortige römische Präfekt, Cornelius Gallus, ließ die seinigen im ganzen Lande aufstellen. Eine Steintafel in Philä mit einer von ihm herrührenden Urkunde (über die Unterdrückung eines Aufstands in der Thebaide) enthält ein Bild des Kaisers (in Gestalt eines gegen einen in die Knie gesunkenen Gegner ansprengenden Reiters) in vertieftem Relief, »das der ägyptischen Kunst fremd ist«. Andre von den Schriftstellern der Kaiserzeit erwähnte Bildwerke wird man eher ägyptischen, in nationaler Weise arbeitenden Künstlern zuschreiben. Vitrasius Pollio, Prokurator in Ägypten unter Claudius, machte einen Versuch, den Porphyr der großen, damals eröffneten Brüche am Roten Meer (mons Claudianus) zu Statuen zu verwenden, und sandte Proben davon nach Rom; einige Überbleibsel dieser ohne Zweifel an Ort und Stelle ausgeführten Skulpturen scheinen noch vorhanden zu sein; doch die Neuerung fand keinen Beifall, erst im 3. Jahrhundert ist der Geschmack an Bildwerken aus Porphyr aufgekommen. Auch aus dem Stein von Memphis wurden Statuen (vielleicht vorzugsweise ägyptischer Gottheiten) gearbeitet.
Der auf religiösen Satzungen beruhende Widerwille der Juden gegen die bildenden Künste ist bekannt; sie lassen, sagt Tacitus, keine Bildnisse in ihren Städten, geschweige denn in ihren Tempeln zu; weder wird in dieser Weise den Königen geschmeichelt, noch den Kaisern Ehre erwiesen. Selbst das Betreten von Orten, an denen sich heidnische Bilder befanden, erschien den Strengsten unzulässig. Rabbi Gamaliel der Zweite (unter Hadrian) rechtfertigte seinen Besuch des Bads der Aphrodite zu Acco (Ptolemais) damit, daß das Bild der Aphrodite um des Bads willen, nicht das Bad um des Bilds willen da sei. Die Essener gingen so weit, daß sie die Städte nicht betraten, um nicht durch Tore gehen zu müssen, auf denen Statuen waren, weil sie es für unerlaubt hielten, unter Bildern zu gehen. Schon diese Nachricht erinnert daran, daß in Palästina (in den Städten mit teilweise oder überwiegend heidnischer Bevölkerung) die Tore und so gewiß auch andre öffentliche Bauten den Schmuck der Skulptur keineswegs entbehrten, daß also an solchen Orten der jüdische Bilderhaß höchstens die Ausübung der Künste durch Juden, aber nicht durch Fremde, noch die Einführung fremder Kunstwerke zu hindern vermochte. Schon Herodes der Große hatte seine Prachtbauten mit Skulpturen geschmückt, ohne sich an das Ärgernis zu stoßen, das er den Orthodoxen gab. An der Einfahrt des von ihm angelegten Hafens von Cäsarea standen drei Kolosse, und in dem dortigen Tempel des Augustus Kolossalstatuen des Kaisers und der Roma. Bei dem Ausbruche des jüdischen Kriegs wurde der Palast des Tetrarchen Herodes Antipas in Tiberias wegen der wider das Gesetz verstoßenden Bildwerke zerstört, mit denen er ausgestattet war. Bei Cäsarea Philippi sind mehrere Nischen in eine Felswand eingehauen, in denen einst Götterbilder gestanden haben mögen.
Selbst zur Darstellung lebender Personen war die Verwendung der bildenden Künste in Palästina keineswegs unerhört, und es ist neuerdings sogar die Vermutung ausgesprochen worden, daß die Juden auf hellenistischer Grundlage namentlich auf dem Gebiet der Miniaturenmalerei eine eigene, stark orientalische figürliche Kunst herausgebildet haben. Die von der Fürstin Alexandra an Antonius gesandten Porträts ihrer Kinder wurden bereits erwähnt. Über den Tod des Königs Herodes Agrippa I. († 42) erhob sich in Cäsarea und Sebaste ein roher Jubel; die Soldaten schleppten die Statuen seiner drei Töchter (von 16, 10 und 6 Jahren) auf die Dächer der Bordelle und übten an ihnen den scheußlichsten Frevel. Als Caligula den Prokonsul von Syrien P. Petronius mit der Aufstellung seiner Kolossalstatue im Tempel zu Jerusalem beauftragte, ließ dieser die erfahrensten Künstler aus Phönizien kommen und übertrug ihnen die Ausführung, die in Sidon erfolgte; das Material lieferte er ihnen. Nachdem Agrippa schon den Kaiser bewogen hatte, von seinem Vorhaben abzustehen, kam dieser nochmals darauf zurück und ließ nun einen Koloß aus vergoldeter Bronze in Rom selbst arbeiten, um den Aufruhr zu vermeiden, den der Transport der in Sidon ausgeführten Statue durch das Land erregt haben würde.
Überhaupt dürfte ein nicht geringer Teil der für die Provinzen bestimmten Kunstwerke in Rom bestellt und gearbeitet worden sein, vielleicht selbst für Provinzialen, gewiß in der Regel für die Kaiser bei ihren auswärtigen Bauten und Kunstunternehmungen. Arrian fand bei Trapezunt an der Stelle, wo Xenophon und Kaiser Hadrian das Schwarze Meer erblickt hatten, eine Statue des letzteren, die zum Andenken an seinen dortigen Besuch errichtet war: sie wies auf das Meer. Da sie aber weder ähnlich noch gut gearbeitet war, bat Arrian den Kaiser, eine seiner würdige Statue in derselben Stellung zu senden. Auch für einen dortigen schönen Hermestempel aus Quadersteinen, in dem aber die Statue des Gottes schlecht war, erbat Arrian eine neue von fünf Fuß Höhe und eine des Philesios (eines dort verehrten, von Hermes abstammenden Heros) von vier Fuß. Ebenso wird die Statue der Victoria, die sich im Jahre 61 im Tempel des Claudius zu Camulodunum angeblich umgedreht hatte, sowie die selbstverständlich dort befindliche Statue des Kaisers aus Rom nach Britannien gesandt worden sein. Nicht wenige außerhalb Roms gefundene Sarkophage tragen den deutlichen Stempel stadtrömischer Arbeit, nicht bloß in Italien, sondern z. B. auch ein in Kreta gefundener des Cambridger Museums. Die Ausführung von Bildwerken in größtem Umfange war in Rom um so leichter, als dorthin die Erträge der (wie die meisten Bergwerke zur Domäne gehörigen) Gold- und Silberbergwerke, Kupfergruben und Marmorbrüche zur See und auf dem Tiber gelangen konnten, an dessen Hafen unter dem Aventin das kolossale Marmorlager des kaiserlichen Rom aufgedeckt worden ist. Vermutlich war in Rom ein zahlreiches, zum Ineinandergreifen wohlorganisiertes Heer von Künstlern und Kunsthandwerkern, wie Hadrian es auf seinen Reisen mit sich führte, im kaiserlichen Dienste fortwährend beschäftigt, und es mußten schon ungewöhnlich große oder sehr eilig betriebene Kunstunternehmungen sein, bei denen man genötigt war, Künstler von außen herbeizuziehen, wie Alexander Severus bei der Errichtung einer Menge von Kolossalstatuen, besonders der vergötterten Kaiser. Zahlreiche Bildhauerwerkstätten, in denen Statuen, vollendete und skizzierte Köpfe, verschiedene Marmorsorten, Bildhauergeräte aller Art gefunden worden sind, waren in der neunten Region in der Gegend der Piazza Navona, aber gewiß auch an andern Orten, wie in der Nähe des Abladeplatzes für Marmor am Hafen.
Daß sich aber auch in sämtlichen Marmor- und sonstigen Steinbrüchen, die Statuenmaterial lieferten, fortwährend zahlreiche Bildhauer und Steinmetzen befanden, die Skulpturwerke teils anlegten und aus dem gröbsten arbeiteten, teils ganz ausführten, davon sind noch an verschiedenen Orten Spuren vorhanden. Ein abbozzierter, dann verworfener 10,6 m langer Koloß des Apollo in Naxos liegt noch unvollendet, wie er ist, in den Marmorbrüchen, aus denen er gemeißelt wurde. Aus dem bei Megara gebrochenen Muschelkalk arbeitete man dort die geschätzten und verbreiteten »megarischen Skulpturen«. Die Stadt Luna (Carrara) war aus ihren Brüchen reichlich mit Skulpturen aller Art versehen, und in der sogenannten Cava dei Fanti scritti daselbst hat man ein Relief entdeckt. In dem alten Luna wird übrigens ohne Zweifel die Produktion von Marmorarbeiten aller Art eine noch sehr viel umfassendere gewesen sein als in dem heutigen Carrara, wo es 1871 nicht weniger als 115 Bildhauerwerkstätten jeder Art gab, und von 10.000 Einwohnern (außer vielen Fremden) 3000 durch die Bildhauerei und Marmorindustrie Beschäftigung fanden.
Bin sehr interessantes Zeugnis für die Ausführung der Skulpturen in den Brüchen selbst liefert auch der Bericht von dem Märtyrertode des Claudius und seiner vier Gefährten unter Diocletian. Dem Verfasser dieses allem Anscheine nach auf mündlichen Überlieferungen oder schriftlichen Aufzeichnungen von Zeitgenossen oder doch den Ereignissen nahestehenden Personen beruhenden Berichts ist die ganze in Diocletians Zeit noch im weitesten Umfang geübte römische Kunsttätigkeit bekannt, die Gegenstände und technischen Ausdrücke geläufig. Er kannte (wie bemerkt) jedenfalls das Lokal seiner Erzählung, die Steinbrüche Pannoniens (wahrscheinlich in der Nähe von Mitrovitza an den Ausläufern der Fruschka-Gora) und die dortigen Arbeiten aus eigener Anschauung, hatte vielleicht selbst an den letzteren teilgenommen. Seine genauen Angaben, namentlich von Zahlen, machen durchaus den Eindruck der Zuverlässigkeit. Nach ihm wurden dort drei Gesteinsarten gewonnen, zwei Statuenmarmore, die dem thasischen (weißen) und prokonnesischen (schwarz und weiß gefleckten) glichen und auch so benannt wurden, und ein Grünsteinporphyr; alle drei finden sich dort noch jetzt, nebst zahlreichen Trümmern römischer Bauten. Dort arbeiteten unter der Leitung von fünf Theoretikern ( philosophi) 622 Steinhauer ( quadratarii), in Distrikte oder Gruben ( officinae, deren Unterabteilungen loca hießen) verteilt, die imstande waren, künstliche und umfangreiche Skulpturen zu liefern. Aus thasischem Marmor wurde auf Diocletians Befehl u. a. eine 25 Fuß (7,4 m) hohe Figur des Sonnengottes mit seinem (bildlich verzierten) Viergespann hergestellt; aus Grünsteinporphyr Säulen und Säulenkapitelle, künstlich verzierte Becken und Wannen, alles vielleicht für Diocletians Thermen in Rom. Die Arbeit an einer »mit wunderbarer Kunst ausgeführten« Säule mit Blätterkapitell dauerte 3 Monate, eine zweite erforderte nur 26 Tage. Die Zufriedenheit des Kaisers mit den Arbeiten der fünf christlichen Künstler (des Claudius und seiner vier Gefährten) erweckte den Neid der Direktoren. Da Diocletian außer mehreren ornamentalen Arbeiten auch eine Statue des Äsculap bei den Christen bestellt, liefern sie das übrige zur Zufriedenheit, verweigern aber die Anfertigung eines Götzenbildes, worauf die Philosophen die Statue durch andre Arbeiter aus prokonnesischem Stein innerhalb 30 Tagen vollenden lassen.
An vielen Orten wurden gewiß Bildwerke im Vorrat zum Verkauf gearbeitet, am meisten wohl immer noch in Griechenland und Kleinasien, welche Länder ja auch in der Kaiserzeit die meisten Künstler nach Rom sandten, außerdem aber vermutlich noch eine nicht unbedeutende Ausfuhr von Skulpturwerken hatten. Die alexandrinischen Indienfahrer, die in Cana im glücklichen Arabien anlegten, hatten für den dortigen König Statuen als Geschenke an Bord. Apollonius von Tyana trifft in dem Romane des Philostrat im Piräus ein nach Ionien bestimmtes Schiff, das von seinem Eigentümer, einem Kaufmann, mit kostbaren Götterbildern, teils von Gold und Marmor, teils von Gold und Elfenbein, befrachtet ist. Aus solchen Transporten von Kunstwerken, die Schiffbruch erlitten, stammen die mehrfach vom Meeresgrunde heraufgeholten bedeutenden Statuenfunde, wie in neuerer Zeit die von Antikythera (Cerigotto) und dem an der tunesischen Küste gelegenen Mehadia. Überhaupt waren es gewiß vorzugsweise Götterbilder und sonstige Kultusgegenstände, die nicht bloß auf Bestellung, sondern auch für den Vertrieb durch den Handel, also gewiß auch im Auftrage von Kaufleuten und Händlern, gearbeitet wurden, außerdem ein großer Teil der zur Dekoration bestimmten Kunstwerke. In den Läden der »Händler mit Ton- und Bronzefiguren« in den römischen Kolonien der Rhein- und Donaulandschaften konnten die dortigen Ansiedler ohne Zweifel alle Arten der kleinen, in diesen Gegenden so häufig gefundenen Götterbilder, namentlich die vorzugsweise beliebten des Merkur und der Fortuna, kaufen. Daß die Anfertigung von Götterbildern die Haupterwerbsquelle der bildenden Künstler und Kunsthandwerker war und blieb, ergibt sich aus der bereits erwähnten Äußerung Tertullians, daß solche, die Christen geworden waren, erklärten, die ihnen nun zum Vorwurf gemachte Tätigkeit nicht aufgeben zu können, da sie sonst nicht wüßten, wovon sie leben sollten. Außerdem beriefen sie sich darauf, daß Moses eine eherne Schlange verfertigt habe.
Sodann ist bei den Sarkophagen die fabrikmäßige Anfertigung schon durch ihre Masse, noch mehr dadurch unzweifelhaft, daß manche so gefunden sind, wie sie in den Lagern der Fabrikanten zum Verkauf standen, fertig bis auf die letzten Meißelschläge, die erst nach erfolgter Bestellung getan werden konnten. Die öfters in der Mitte angebrachten Porträtmedaillons haben nämlich häufig nur die ungefähren Formen eines Gesichts, so daß ihnen die Züge des zu Bestattenden noch zu geben waren; ebenso ist unter der Überschrift aller Epitaphe D. M. ( dis manibus) die Stelle für den Namen leergelassen. Endlich wird ein großer Teil der schablonenmäßig gearbeiteten Ehrenstatuen zu dem Vorrate der Bildhauerwerkstätten gehört haben, natürlich ebenfalls mit unausgeführten Köpfen, die dann nach der Bestellung die gewünschte Porträtähnlichkeit erhielten, oder mit ausgehöhltem Halse behufs Einlassung der besonders gearbeiteten Köpfe, wie sie noch zahlreich vorhanden sind. Namentlich bei den Statuen im Harnisch sind die Köpfe (auch die Beine) vielfach von andrer Hand hinzugefügt.
Aber nur ein Teil der Kunstwerke konnte anderswo als am Orte der Aufstellung oder Verwendung gearbeitet werden. Bei allen besseren persönlichen Denkmälern mußte die ganze, auch bei den schlechteren doch in der Regel wenigstens die letzte Ausführung an Ort und Stelle erfolgen. Ebenso ist sicherlich der überwiegend größte Teil der künstlerischen Dekorationsarbeit, besonders Malereien, Mosaiken und Stukkaturen, in den Räumen selbst, die sie schmücken sollten, ausgeführt worden. Auch die schnelle und massenhafte Verbreitung der Kaiserbildnisse läßt sich nur durch Versendung allein, wenn auch von zahlreichen Punkten, nicht erklären. Ein Teil der Künstler sowie der Unternehmer größerer künstlerischer Arbeiten, welche die erforderlichen Arbeiter auf allen Kunstgebieten im Dienst hatten oder für Lohn beschäftigten, wird von Ort zu Ort gewandert sein; dergestalt, »daß ganze Kolonien, Züge, Schwärme, Wolken, wie man es nennen will, von Künstlern und Handwerkern da heranzuziehen waren, wo man ihrer bedurfte. Denke man an die Scharen von Maurern und Steinmetzen, welche sich in dem mittleren Europa zu jener Zeit hin und her bewegten, als eine ernst religiöse Denkweise sich über die christliche Kirche verbreitet hatte«. Einer dieser wandernden Künstler, Zenos aus Aphrodisias, der von sich in einer Inschrift rühmt, daß er im Vertrauen auf seine Kunst viele Städte durchzogen habe, wurde früher gedacht. Ein Novius Blesamus hatte laut seiner Grabschrift Rom und das ganze Reich mit seinen Statuen geschmückt; ein Mosaikarbeiter zu Perinth laut der seinigen seine Kunst in vielen Städten vor allen andern geübt. Große Leistungen verbreiteten den Ruhm der Künstler weit und schnell. Zenodorus, der für Clermont die erwähnte kolossale Merkurstatue ausgeführt hatte, wurde von Nero nach Rom berufen, um dessen Kolossalstatue dort zu verfertigen. Der Architekt Pontius, durch welchen der Vizekönig von Ägypten P. Rubrius Barbarus im 18. Jahre des Augustus (13/12 v. Chr.) zu Alexandria einen Obelisken im Augusteum errichten ließ, ist wahrscheinlich derselbe, welcher die in neuerer Zeit in den Gärten des Mäcenas entdeckte schöne Brunnenmündung (in Form eines Rhyton) entworfen hat, »die in so hohem Grade den Einfluß der alexandrinischen Kunst zeigt«.
Doch nach Lucians »Traum« war das Leben der Bildhauer (wenigstens im Vergleich zum Wanderleben der Sophisten) in der Regel ein seßhaftes, und gewiß gab es an allen größeren Orten auch ansässige Künstler, denen es an fortwährender Beschäftigung nicht fehlte. Dies ergibt sich noch für das 4. Jahrhundert aus dem Schreiben Constantins an den Statthalter der Provinzen Spanien, Gallien und Britannien vom Jahre 337, wonach die in den Städten sich aufhaltenden Künstler und Handwerker von kommunalen Leistungen frei sein sollten, damit sie ihre freie Zeit auf Erlernung ihrer Kunst verwenden und sowohl selbst um so kundiger werden, als ihre Söhne unterrichten könnten: zu den namentlich aufgeführten gehören, außer den Architekten und Bauhandwerkern, Maler, Bildhauer und Mosaizisten. Bildhauerwerkstätten werden an keinem auch nur mittelmäßigen Orte gefehlt haben; gefunden sind solche außer in Athen und Rom auch in Thysdrus und in Pompeji; in der letzteren befanden sich Geräte zur Steinskulptur, Marmorstatuen, Hermen, Büsten, Tische mit verschiedenen Füßen und ein unfertiger marmorner Mörser. Die in andern Städten Italiens sowie in den Provinzen zum Vorschein gekommenen Inschriften von Künstlern sind mit Ausnahme Griechenlands und Kleinasiens nicht zahlreich.
Obwohl nun ohne Zweifel an den verschiedensten Orten der römischen Monarchie Kunst und Kunsthandwerk auch von zahlreichen seßhaften Leuten betrieben wurden und sich sogar nicht selten wie in älterer Zeit in denselben Familien forterbten, wie es auch der Erlaß Constantins voraussetzt, so haben sich doch lokale und provinzielle Stile und Eigentümlichkeiten offenbar nur ganz ausnahmsweise entwickelt. Als das hauptsächlich Charakteristische der Kunst des Kaiserreichs erscheint vor allem ihre bei der Ausbreitung über ein so weites Gebiet doppelt auffallende Gleichförmigkeit in Gegenständen, Auffassung, Behandlung und selbst Technik. Mit Ausnahme Galliens, besonders des belgischen, wo jene eigenartige neue Kunstrichtung entstand, und Ägyptens, wo die uralte nationale fortdauerte, ist bei den Überresten der Kunst im ganzen Reich der Eindruck der Gleichartigkeit der weitaus überwiegende, und selten sind Differenzen wahrnehmbar, die nicht aus der Verschiedenheit der nachgeahmten Vorbilder, aus der höheren oder geringeren Blüte der Epoche und aus der größeren oder geringeren Kunstfertigkeit der Künstler herzuleiten wären. Man kann es keinem Mosaikbilde ansehen, ob es in Tunis oder England, in Andalusien oder Salzburg ausgegraben ist. Bei der Analyse von bemaltem Stuck von der Wandbekleidung römischer Häuser zu Bignor in Sussex fand Sir Humphry Davy dieselben Farbenbestandteile wie in dem bemalten Stuck der Titusbäder und der Häuser von Pompeji und Herculaneum; und ebenso stimmt die Wandmalerei der römischen Villen im belgischen Gallien und der pompejanischen nicht bloß in Dekoration und Technik überein, sondern auch die Zubereitung des Wandbewurfs sowie die Art des Farbenauftrags sind im wesentlichen dieselben hier wie dort. Überall arbeiteten Steinmetzen und Bildhauer nach italienischen Vorbildern. Im Echerntal bei Hallstatt ist ein römisches Grabdenkmal in Giebelform gefunden worden, das ein Medaillonporträt zwischen einer liegenden weiblichen Figur und einem Genius darstellt: ähnliche Monumente gibt es in Huesca in Aragonien, in Frankreich, Italien und Dalmatien.
Diese Gleichförmigkeit erklärt sich nur zum Teil durch die Wanderungen der Künstler und den Vertrieb der Kunstwerke im Wege des Handels. Ihr Hauptgrund ist erstens, daß die Entwicklung der griechischen Kunst bereits abgeschlossen war, als sie in den Dienst der römischen Kultur trat. Diese Entwicklung war eine beispiellos reiche gewesen. Ein unermeßlicher Schatz von Ideen und Formen war durch sie geschaffen, Darstellungs- und Behandlungsweise nach allen Seiten hin aufs vollkommenste durchgebildet worden. Mit dieser Erbschaft konnte auch eine epigonische Zeit, der es an eigener schöpferischer Kraft gebrach, noch jahrhundertelang haushalten, ohne arm zu erscheinen. Dieser Zeit nun gereichte das treue Festhalten an der Tradition – einer der Hauptunterschiede aller antiken Kunst von der modernen – doppelt zum Segen. Weit entfernt davon, nach einer unmöglich gewordenen Originalität zu streben und den kostbaren Erwerb der früheren glücklichen Perioden durch fruchtloses Experimentieren preiszugeben, hat sie ihn vielmehr lange Zeit mit lobenswerter Einsicht erhalten und verwertet. Fort und fort bewegte sich die Kunst in gewohnten Kreisen und löste auch die neuen Aufgaben nach altbewährten Gesetzen. So ist das auf den ersten Blick Unbegreifliche möglich geworden, daß sie sich noch Jahrhunderte nach dem Abschluß ihrer Entwicklung auf einer bewunderungswürdigen Höhe behauptete, daß namentlich die Skulptur in der Zeit eines, wenn auch langsamen Sinkens noch Werke schaffen konnte, denen die moderne Plastik wenige an die Seite zu stellen vermag; daß auch trotz der ungeheuren Massenproduktion ein Rest des Formenadels sich selbst bis in die spätesten Zeiten erhielt.
Die Bronzen, welche die Villa des Besitzers der Bibliothek in Herculaneum schmückten, geben auch von dieser Seite der damaligen Kunst eine Vorstellung. »Was der Gegenwart angehört, sind nur Porträts, und auch hier nur der Realismus der Köpfe, nicht die Haltung, nicht die Gewandung. Alles sonst sind Wiederholungen der Werke früherer schöpferischer Kunstalter. Aber an der Stelle der erloschenen Erfindungskraft hat sich geschichtliche Kennerschaft verbreitet und feinsinniges Geschick der Imitation; mit unwandelbarer Treue und Bescheidenheit ordnet man sich den Alten unter. Der strenge männliche Formenadel des einen Meisters, der weiche Linienfluß und die seelenvolle Anmut des andern, die Kraft und Fülle der Charakteristik eines dritten, die Härte und Zierlichkeit eines Kultusbilds, oder dessen geheiligte Grundformen durch den Naturalismus der vollendeten Kunst im einzelnen flüssig gemacht: das alles ist hier vertreten; und gewiß ist eine solche Produktion nicht ohne Liebhaber denkbar, die dergleichen zu unterscheiden, zu schätzen, zu genießen wußten.«
War nun das mit dem Mangel an Originalität in Wechselwirkung stehende Festhalten an der Tradition der eine Hauptgrund für die Gleichförmigkeit der damaligen Kunst, so lag der andere in dem nivellierenden Einfluß der römischen Kultur. Auf allen Gebieten war Rom das Vorbild für die übrigen Städte des Reichs, aber auf diesem mit dem größten Recht. Hier war »durch die aus Griechenland, Asien und Ägypten entführten, in Tempeln und öffentlichen Gebäuden, in Palästen und Villen aufgehäuften Kunstwerke aller Zeiten und Schulen, jeder Technik und Art ein unerschöpfliches Material für Kunstbildung vorhanden«; hier waren die bedeutendsten Künstler der Welt versammelt, hier wurden die größten und fortwährend neue Werke geschaffen, hier war eine hohe Schule für Kunst, wie es nie wieder eine ähnliche gegeben hat. Dem Verlangen der Provinzialen, von allem, was in der Hauptstadt: in Gunst und Ansehen stand, Nachbildungen zu besitzen, dem Ansprüche der in den Provinzen für kürzere oder längere Zeit ansässigen Römer, den gewohnten Kunstluxus nicht ganz zu entbehren, kam die Tätigkeit: einer weit verbreiteten, aus den Provinzen nach Rom und von dort in die Provinzen zurückströmenden Masse von Künstlern und Handwerkern entgegen: und so vereinigte sich alles, um einen und denselben Kunstgeschmack für das ganze Reich zum herrschenden zu machen.
Die dekorative und religiöse Kunst konnte ihre Aufgaben größtenteils durch unveränderte Reproduktion aus dem vorhandenen Vorrate lösen, die monumentale fand hier wenigstens für fast alle Gegenstände Vorbilder und Muster; und wo einfache Wiederholung unzulässig war, konnten meist »durch Umbildung und Ausbildung der ursprünglichen Motive neue Wendungen des Gedankens ausgedrückt«, durch Variationen, Modifikationen, Trennungen und Verbindungen das Vorhandene in ein scheinbar Neues umgestaltet werden. Namentlich geschah dieses dadurch, daß man Figuren aus ihrem natürlichen Zusammenhang loslöste und selbständig machte, oder sie mit andern in Verbindung brachte, oder auch ursprünglich selbständige Figuren mit andern gruppierte, und es ist nicht zu leugnen, daß durch dieses Verfahren, das in der römischen Poesie seine leicht erkennbaren Analogien hat, manche durch Form und Gedanken ausgezeichnete Leistung hervorgerufen worden ist. So ist z. B. die sich im Schilde des Mars spiegelnde Venus in eine Siegesgöttin umgewandelt worden, die den Sieg auf dem Schilde verzeichnet: und diese findet sich nicht bloß als Statue, sondern auch auf Sarkophagreliefs, wo überhaupt besonders häufig Figuren, Motive und Gruppen aus älteren Werken entlehnt und in verschiedener Weise zu neuen Kompositionen verwandt sind. Sodann ist sie mit Mars zusammengestellt, den die Arme, mit welchen sie den Schild gehalten, dann umfaßten: auch diese in der Kaiserzeit sehr beliebte Zusammenstellung wiederholt sich auf Sarkophagen und in vier noch vorhandenen Statuengruppen. In derselben Weise ist eine bekannte treffliche Gruppe »Orest und Elektra« mit Festhalten der Komposition wie des poetischen Motivs in eine neue »Orest und Pylades« umgeschaffen worden. An der sogenannten Thusnelda in der Loggia de' Lanzi in Florenz gehört dem Künstler nur die höchst gelungene Charakteristik der dargestellten nationalen Eigentümlichkeit, die großartige Anlage entlehnte er trauernden Frauengestalten der älteren Kunst. Auch für die durch neu eingeführte Kulte erforderlichen Darstellungen wurden alte Formen zum Teil sehr glücklich verwandt. Erst seit der Kaiserzeit gewann der Mithrasdienst im Westen Verbreitung: auch in den Reliefs der Mithrashöhlen begegnen wir nur bekannten, aus dem Vorrat griechischer Kunst entlehnten Gestalten; namentlich der auf dem Stier kniende Gott ist nichts als eine Umbildung einer Figur der stieropfernden Siegesgöttin, und ebenso sind auch die übrigen Gestalten dieser Komposition entlehnt, und nur ihre Zusammenstellung und die Zutat einiger Symbole neu. Ein andres Beispiel dieses allgemeinen angewandten Verfahrens berichtet Josephus: in dem von Herodes erbauten Augustustempel zu Cäsarea war die kolossale Statue des Kaisers eine Nachbildung des Phidiasischen Zeus zu Olympia, »die hinter ihrem Vorbilde nicht zurückstand«, die der Roma eine Nachbildung der Hera des Polyclet zu Argos. Eine mehr oder minder freie Nachbildung des Motivs der Phidiasischen Statue zeigt eine ganze Reihe von Kaiserstatuen mit nacktem Oberkörper und um die Schenkel geschlagenem Mantel. Überhaupt sind bei Porträtstatuen die Gestalten, wie gesagt, in der Regel nach älteren Typen gebildet. Die sogenannte Pudicitia im Vatikan sowie die »Herculanerinnen« gehören zu dem großen Vorrat weiblicher Gewandstatuen, deren Motive teils auf die attische Kunst des 4. Jahrhunderts, teils auf die hellenistische Zeit zurückgehen und bei der Gleichartigkeit griechischer und römischer weiblicher Tracht sich in Rom unmittelbar verwerten ließen; sie kehren namentlich in einer Anzahl von Sepulkralstatuen wieder.
Namentlich aber zu dekorativen Zwecken genügte nicht bloß die unveränderte Wiederholung der älteren Werke vollständig, sondern es war offenbar auch der Wunsch der meisten Besteller, die allbekannten und allbeliebten Gestalten in möglichst treuen Kopien zu besitzen. Lucian nennt folgende im Hof eines athenischen Privathauses aufgestellte Statuen: den Diskoswerfer des Myron, den Diadumenos des Polyclet, die Tyrannenmörder des Kritias und Nesiotes – selbstverständlich sämtlich Kopien dieser berühmten Werke. Die Nachbildung erfolgte vielfach auf mechanischem Wege, durch Abformung und vermittels des Punktierverfahrens, woraus sich die Übereinstimmung der Maße zwischen an ganz verschiedenen Orten gefundenen Kopien desselben Originals erklärt. Natürlich wurden die berühmtesten auch am meisten vervielfältigt. So sind die noch jetzt so zahlreichen Wiederholungen der Aphrodite, des Satyrs und des Apollo des Praxiteles und eine Menge andre (z. B. der sogenannten Mediceischen Venus) von zum großen Teil unbekannten Urbildern entstanden. Wären nicht die Inschriften der Statuen größtenteils verloren, so würden wir von diesen letzteren vermutlich manche kennen: eine Venus im Palast Chigi zu Rom ist laut der Inschrift von einem Menophantos nach einem Original in Alexandria Troas kopiert. Diese Kopien sind in allen Provinzen verbreitet gewesen. In Soissons hat sich eine Gruppe aus dem Kreise der Niobiden (der jüngste Sohn mit seinem Pädagogen), in Trier eine Kopie der Venus von Melos und der Matteischen Amazone gefunden. Ein Relief aus der Nähe von Trier zeigt deutlich die Einwirkung des praxitelischen Hermes. Der am Hofe des Augustus aufgewachsene König Juba II. von Mauretanien, der ebenso wie seine Gemahlin Cleopatra Selene, eine Tochter von Antonius und Cleopatra, ein lebhaftes Interesse für griechische Kunst und Literatur hatte, schmückte seine fortan Cäsarea genannte Hauptstadt Jol (Scherschell) mit Kopien von Werken aus der besten Zeit der griechischen Skulptur, von denen mehrere dort gefunden sind: eine Athena nach Alkamenes, zwei Kopien einer Frauenstatue aus der Zeit des Phidias, ein Dornauszieher, ein flöteblasender Satyr, eine Venus als Meergöttin. König Herodes Agrippa I. schmückte nach Josephus die ganze Stadt Berytus in Phönizien »durch Aufstellung von Statuen und Kopien alter Werke«; unter alten Werken sind hier wohl gewiß die der griechischen Blütezeit zu verstehen, obwohl die schon in Quintilians Zeit verbreitete, seit Hadrian sehr gesteigerte Richtung auf das Altertümliche, selbst die Inkunabeln der Kunst, zahlreiche Nachbildungen auch der vorphidiasischen Plastik veranlaßte.
Die Bildhauer, »die alte Meisterwerke unterschiedslos aus allen Stilepochen kopierten«, dienten gewiß nicht selten geradezu einem kunstgeschichtlichen Interesse. Die völlige Abhängigkeit der Kunst von früheren Zeitaltern zeigt sich auch auf allen andern Gebieten. Quintilian spricht von Malern, die sich darauf beschränkten, fremde Bilder aufs genaueste zu kopieren, Lucian von freien Nachbildungen und Umbildungen älterer Gemälde. Nicht bloß die Mittelbilder der pompejanischen Wände sind im großen und ganzen freie Nachbildungen von kunstmäßigen Tafelbildern, besonders Kabinettbildern der Diadochenzeit: auch in der gesamten dortigen Wanddekoration des sogenannten dritten und vierten Stils hat man wohl mit Recht Nachwirkungen der phantastischen Pracht erkannt, die sich bei den Festen der Ptolemäer entfaltete. Die Erhaltung von Mosaikfußböden in den verschiedenen Provinzen zeigt, daß auch hier dieselben Gegenstände überall wiederholt wurden: Nereiden und Meerungeheuer besonders in Bädern, Nachbildungen von Speiseresten in Eßzimmern (diese Gattung war so allgemein, daß ihr Name – asarotum – geradezu für Mosaik gebraucht wird), Köpfe von Dichtern und Weisen etwa in Bibliotheken und Studierzimmern usw.
Auch bei der Verzierung von Geräten und Gebrauchsgegenständen wurden fort und fort dieselben Muster reproduziert, sowohl in Nachbildungen von Künstlerhand als in der fabrikmäßigen Massenproduktion. Der bereits erwähnte Bildgießer Zenodorus kopierte zwei von Kalamis ziselierte Becher so genau, »daß in der Kunst der Arbeit kaum ein Unterschied war«. Die Darstellungen auf den in Hildesheim, Boscoreale und anderwärts gefundenen Silbergefäßen sind Reproduktionen älterer Muster, besonders alexandrinischer. Auch Gemmen, Glasflüsse und andere Erzeugnisse der Glasfabrikation zeigen bald mehr, bald minder gelungene Kopien derselben Vorbilder, die zahlreichsten aber die im ganzen römischen Reich in größter Masse vorhandenen Tonwaren, die Erzeugnisse eines ungemein reich und mannigfach ausgebildeten Kunsthandwerks (Friesplatten, Stirnziegel, Gefäße mit erhabenen Ornamenten und Figuren, besonders Lampen), das, wie gesagt, die edelsten und anmutigsten Erfindungen griechischer Kunst bis an die äußersten Grenzen römischer Kultur verbreitet hat. »Alle diese Tonware ist in Formen gepreßt, und die mechanische Vervielfältigung erklärt es, daß überall im römischen Reich, in Afrika, Spanien, Gallien, an der Themse, am Rhein, an der Donau, in Cilicien dieselben Formen, dieselben Figuren, dieselben Reliefs, dieselben Ornamente, dieselben eingepreßten Namen der Töpfer sich gleichmäßig wiederholt finden. – Indessen ist die römische Ware nur zum allergeringsten Teil direkt eingeführt; man fand es bequemer, die Formen und Stempel den Töpfereien zu liefern. Daher zeigen sich in dem, was an Ort und Stelle zu beschaffen war, in der Mischung und Bearbeitung des Tons, in Färbung und Firnis, überall Verschiedenheiten; was durch Form und Stempel hervorgebracht wurde, bleibt sich dagegen überall gleich. Es würde nicht schwerfallen, aus dem an verschiedenen Orten gefundenen Tongeschirr den Vorrat einer wohlassortierten römischen Tonwarenfabrik an Formen und Stempeln in ziemlicher Vollständigkeit wiederherzustellen. Darin aber verrät sich ein Mangel an Verständnis bei den Provinzialtöpfern, daß nicht selten die einzelnen Stücke der Formen verkehrt zusammengesetzt sind. Bei einer Anzahl dieser Verzierungen kann man auch noch den Weg verfolgen, auf dem sie dahin gekommen sind. Zum Teil kennen wir die Originale, einzelne Figuren oder Gruppen, als Kunstwerke von selbständiger Bedeutung, welche in Rom beliebt waren, und deshalb auch zur Verzierung angewandt wurden. Dieselben finden wir nun auf größeren architektonischen Gliedern, Metopen oder Friesplatten, dann auf Sarkophagreliefs, und endlich auf Tongefäßen wieder. So wurde von Rom aus, indem man den Kunstgeschmack der Mode über das ganze Reich diktierte, auch den Unbemittelten in der Provinz noch eine gewisse Teilnahme an den Kunstschätzen der Hauptstadt ermöglicht.«
Unter den früheren Zeitaltern, von denen die (wie gesagt, nur auf dem Gebiete der Porträtbildnerei originelle) Kunst der Kaiserzeit abhängig war, hat die hellenistische Periode einen weit größeren Einfluß ausgeübt als die klassische des 5. und 4. Jahrhunderts, und zwar ist dieser Einfluß allem Anscheine nach weit mehr von der alexandrinischen Kunst ausgegangen, als von der attisch-pergamenischen: wie auch die alexandrinische Poesie für die römische in deren bester Zeit maßgebend gewesen ist, und die alexandrinische Musik auf die römische bestimmend eingewirkt hat. Noch mehr aber als der eigentlichen Kunst kam die unermeßlich reiche Tradition der noch in hohem Grade schöpferischen hellenistischen Epoche dem Kunsthandwerk zugute; ihre Verwertung erstreckte sich bis in die bescheidenen Werkstätten der Töpfer, Steinmetzen, Zimmermaler, Gold- und Silberschmiede. Wenn es überhaupt im Altertum keine feste Grenze zwischen Kunst und Handwerk gab (wie denn auch die alten Sprachen keine scharf unterscheidenden Bezeichnungen für beides haben), so waren beide vollends in einer Zeit durch tausendfache Übergänge verbunden, wo die Produktion in so überwiegendem Maße nur Reproduktion war, wo von dem Künstler in der Regel nur Ausführung oder Verwendung fremder Erfindung gefordert ward. Da auch der Handwerker Auge und Hand an den herrlichsten Mustern bildete, reichte für ihn technische Fertigkeit hin, um gute Nachahmungen zu liefern, und so eroberte gleichsam das Handwerk einen großen Teil des Gebiets, das in andern Zeiten der eigentlichen Kunst gehört hat; und es entwickelte sich auf diesem Boden in einem Umfange, wie es eben nur bei einem bis in die untersten Schichten der Gesellschaft verbreiteten Bedürfnisse möglich war. Die Entdeckung der Zimmerdekorationen einer Mittelstadt wie Herculaneum im 18. Jahrhundert hat hingereicht, um auf dem Gebiete der damaligen hochentwickelten Pariser Kunstindustrie eine wahre Umwälzung zu bewirken. Der Geschmack für die neue, à la grecque genannte Manier steigerte sich (nach den Berichten Galianis aus den Jahren 1763 und 1767) zum Übermaß. Nicht bloß Bronzen, Schnitzereien, Gemälde wurden nach Herculaneum kopiert: Tabaksdosen, Fächer, Ohrringe, Budenschilder aller Art gab es à la grecque. Alle Goldschmiede, Juweliere, die Maler der Wagen- und Türstücke, Tapezierer, Ornamentenmacher konnten ohne die Pitture di Ercolano nicht mehr auskommen. Auf den Kaminen erschienen statt chinesischer Fratzen und sächsischer Porzellangruppen Dreifüße, wohl oder übel den herculaneischen Bronzen nachgebildet. Auch das (1767) in die Münze gewanderte Tafelsilber wollte man in neuem Geschmack gießen lassen, und endlich eroberte dieser sich sogar die Stickerei.
Der Kunstbetrieb war aber in der römischen Kaiserzeit vielfach nicht bloß ein handwerksmäßiger, sondern (auch außerhalb der Gebiete, für welche dies bereits bemerkt ist) ein geradezu fabrikmäßiger. Wie die Ausführung von Bauten, so wurde auch die von künstlerischen Arbeiten, besonders solchen, die größere Kräfte erforderten, sehr häufig, wenn nicht in der Regel, Unternehmern überlassen, die zum Teil selbst Künstler waren, zum Teil aber nur Künstler beschäftigten. Nach einer schon erwähnten Angabe Plutarchs wurden auch zur Errichtung von Kolossen Konkurrenzen ausgeschrieben, und die Arbeit dem Künstler übertragen, der bei den geringsten Kosten die beste Ausführung in Aussicht stellte. In dem Antrage Ciceros, dem S. Sulpicius Rufus eine Statue zu errichten, heißt es, die Konsuln sollen den Quästoren befehlen, die Anfertigung von Postament und Statue in Akkord zu geben, und dem Unternehmer ( redemptor) die ausbedungene Summe zahlen; überhaupt ist »verdingen« ( locare) der gewöhnliche Ausdruck für die Bestellung von Kunstwerken. Ein Durchschnittsmaß künstlerischer Leistungsfähigkeit durfte bei jedem Unternehmer vorausgesetzt werden, während ein ungewöhnlich hoher Grad derselben um so seltener war, je weniger er erfordert und geschätzt wurde. So konnte bei der Wahl unter den Anerbietungen der Preis und die Zeitdauer der Ausführung in erster Linie maßgebend sein.
Sowohl die hohe und reiche Entwicklung des Kunsthandwerks als der fabrikmäßige Kunstbetrieb bedingte eine weitgetriebene Arbeitsteilung, von der sich manche Spuren nachweisen lassen. Es gab z. B. Arbeiter, die nur den Statuen die Augen (aus einem farbigen Material) einsetzten. Alle größeren Kunstunternehmungen setzten ein Zusammenwirken einer größeren Anzahl verschiedener Künstler und Handwerker unter einer einheitlichen Leitung voraus. So ist die in der letzten Periode Pompejis (nach dem Erdbeben von 62) ausgeführte Dekoration der Wände in den dortigen Häusern, wo »die Verzierungen wie aus einem Geiste entsprungen und aus demselben Topfe gemalt sind«, wohl, wenn nicht durchweg, so doch zum größten Teil durch eine und dieselbe Malergesellschaft erfolgt, in der Anstreicher, Arabesken-, Blumen-, Tier-, Landschafts- und Figurenmaler an denselben Wänden nach- und nebeneinander arbeiteten; nur so konnte die Ausmalung eines großen Teils der Häuser, wie jede andre künstlerische Massenproduktion, mit der erforderten Schnelligkeit geleistet werden. Die Festigkeit allgemein anerkannter Normen und Traditionen, denen gegenüber die künstlerische Individualität in den Hintergrund trat oder doch darauf verzichtete, sich in vollem Maße geltend zu machen, hatte im Altertum von jeher das Zusammenarbeiten zweier oder mehrerer Künstler an einem Werke ebenso häufig gemacht, wie es in der modernen Kunst gegenwärtig selten ist, und hierin hat sich allem Anschein nach in der Kaiserzeit nichts geändert.
Einige Analogien für diesen Gebrauch der antiken Plastik bietet die Malerei der früheren Jahrhunderte der neueren Zeit mit ihren ebenfalls festeren Schultraditionen.
Ein großer Teil der zur Ausführung umfassenderer Kunstunternehmungen verwandten Arbeiter waren Sklaven, und in der Tat gehört die Sklaverei ganz wesentlich zu den Faktoren, auf deren Zusammenwirken die künstlerische Massenproduktion beruhte. Die Kunsthandwerke, deren Leistungen vielleicht den größten Teil des Kunstbedürfnisses befriedigten, konnten so gut wie jedes andre Handwerk bei einiger Geschicklichkeit und Anstelligkeit von jedermann erlernt werden, und Sklavenbesitzer, die von ihren Leuten einen möglichst hohen Gewinn ziehen wollten, ließen sie natürlich in den Arbeiten unterrichten, nach denen die Nachfrage am größten war; dazu gehörten Kunstarbeiten je länger je mehr. Ebensogut wie die Gladiatorenbanden, Schauspielertruppen, Chöre von Sängern und Spielleuten, konnten aus großen Sklavenfamilien Gesellschaften von Malern und sonstigen Kunstarbeitern gebildet werden, die teils die Wohnungen ihrer Herren schmückten, teils Aufträge für deren Rechnung ausführten. Verres hatte unter seinen Leuten eine Anzahl von Ziseleuren und Arbeitern von Metallgefäßen. Zu den Annehmlichkeiten einer bescheidenen, aber gesicherten Existenz, die sich der Nävolus Juvenals für sein Alter wünscht, gehören auch »ein krumm gebückter Ziseleur und einer, der schnell viele Gesichter malen kann«, d. h. Sklaven, die sein Einkommen durch besonders einträgliche Arbeiten vermehren sollen: die des Malers war dies wohl besonders durch Verwendung zu den so massenhaft angefertigten figurenreichen Darstellungen historischer Ereignisse, vielleicht auch zu Illustrationen von Büchern. Maler sind übrigens diejenigen Künstler, die am häufigsten als dem Sklavenstande angehörig bezeichnet werden. Der Jurist Julianus (unter Hadrian) führte in den Erörterungen über Schadenersatz für einen getöteten Sklaven aus, wenn einem »wertvollen Maler« ( pretioso pictori) der Daumen abgehauen, und er dann innerhalb eines Jahres getötet worden, so sei er zu dem Werte zu schätzen, den er vor der Verstümmelung gehabt habe. Zu den Bedingungen der Freilassung künstlerisch gebildeter Sklaven gehörte in vielen Fällen die Fortdauer von Leistungen in der erlernten Kunst für den Patron: auch unter diesen werden Malerarbeiten ausdrücklich genannt.
Daß die Herstellung von Kunstwerken zum großen Teile durch Sklavenarbeit erfolgte, bedingte ihre Wohlfeilheit, die mit ihrer allgemeinen Verbreitung in Wechselwirkung stand. Aber auch die Leistungen der freien Kunsthandwerker wurden nicht hoch bezahlt. In dem Edikt Diocletians sind die Tagelöhne der Arbeiter, welche die künstlerische Dekoration der Häuser besorgten, in der Voraussetzung normiert, daß auch sie wie alle übrigen die Kost von dem Bauherrn erhielten. Der Lohn des Stukkateurs ist hier derselbe wie der des Maurers, Zimmermanns und Kalkbrenners, des Wagenbauers, Bäckers und Schmieds; der des Mosaizisten nur um ein Fünftel, der des Ton- und Stuckmodelleurs um die Hälfte höher, der des Bildmalers aber dreifach so hoch. Namentlich bei Statuen hatte die fabrikmäßige Herstellung eine große Ermäßigung der Preise zur Folge. Während in der Zeit Alexanders des Großen 3000 Drachmen (2358 Mark) der Durchschnittspreis einer Statue gewesen zu sein scheint, sagt Dio von Prusa in seiner rhodischen Rede, man könne ein (bronzenes) Standbild für 1000 Drachmen (870 Mark) oder selbst 500 Drachmen (435 Mark) errichten. Daß diese freilich absichtlich sehr niedrige Schätzung sich doch (wenn überhaupt) nicht weit von der Wahrheit entfernte, wird durch zahlreiche inschriftliche Preisangaben bestätigt. Von mehreren Götter- und Kaiserstatuen in Gallien, der Schweiz, Spanien und Afrika sind auf den noch erhaltenen Postamenten die Preise angegeben, welche (nach Größe, Arbeit und Material) sich in der mittleren Lage von etwa 3000-20.000 Sesterzen (652-4350 Mark) bewegen. Vermutlich waren in Fabriken und Handlungen die verschiedenen Gattungen für Käufer und Besteller zu festen Preisen tarifiert. Wenn also ein Provinzialpriester von Bätica, der zugleich das Amt eines Duumvirn in seiner Vaterstadt Corduba bekleidet hatte wie oben erwähnt), in Anerkennung der sämtlichen ihm erwiesenen Ehren dort Statuen im Gesamtbetrage von 400.000 Sesterzen (87.000 Mark) errichten ließ, so liegt die Gesamtzahl ungefähr zwischen 20 und 130; wenn ein freigelassener Arzt zu Assisi, der zugleich Sevir der Augustalen war, zur Aufstellung von Statuen im dortigen Tempel des Hercules 30.000 Sesterzen (6525 Mark) hergab, so konnten dafür (höchstens) 10 geliefert werden; und das Vermächtnis eines Reiteroffiziers in Grenoble von 50.000 Sesterzen (10.875 Mark) »zu Statuen« reichte zur Anschaffung von höchstens 16 hin.
Von eigentlichen Künstlerhonoraren wissen wir wenig. Lucullus bestellte bei dem ihm befreundeten Bildhauer Arcesilaus ein Bild der Göttin Felicitas für 60.000 Sesterzen (damals 10.530 Mark), das wegen des Tods beider unvollendet blieb; derselbe Künstler verkaufte an den römischen Ritter Octavius das Gipsmodell eines Kraters für ein Talent (4715 Mark). Das hohe Honorar, das die Restauratoren der Venus des Apelles und des Nerokolosses von Vespasian erhielten, gibt Sueton leider nicht an. Zenodorus erhielt von der Stadt der Arverner (Clermont) für die Ausführung des Merkurkolosses, die 10 Jahre dauerte, an Honorar ( manipretium) allein 400.000 Sesterzen, erwarb also mit dieser Arbeit jährlich 40.000 Sesterzen (8700 Mark).
Diese Honorare erscheinen auch dann keineswegs niedrig, wenn man den damaligen Sachwert des Gelds nicht höher annimmt als den heutigen; sie sind ebenso hoch oder höher als die mancher der hervorragendsten Künstler des 18. und 19. Jahrhunderts. Die beiden Gruppen der Jagd und des Fischfangs, die Ludwig XV. bei dem älteren Adam für die Gärten von Choisy bestellte und später Friedrich dem Großen schenkte, kosteten (1756) 52.000 Livres, deren Wert dem heutigen von 160.000 Franken gleichkommen soll; eine Figur der Abundantia desselben Künstlers für das Schloß von Choisy (1758) 10.000 Livres. Der überaus bewunderte »Amor, der die Keule des Hercules zerbricht, um Pfeile daraus zu machen«, von Bouchardon, wurde mit 20.000 Livres bezahlt. Pigalle, der 1750 für einen Amor 24.000 Livres erhalten hatte, übernahm die Ausführung des Grabdenkmals des Marschalls von Sachsen (in der Thomaskirche in Straßburg) für 85.000 Livres (angeblich so viel wie jetzt 300.000 Franken) und erhielt sie in vier Zahlungen, obwohl er die 1753-1756 auszuführende Arbeit unvollendet ließ, die dann erst unter Ludwig XVI. vollendet wurde. Rietschel erhielt für die Gruppe von Goethe und Schiller in Weimar, an der er 3 Jahre (1854-1856, davon 2½ ununterbrochen) arbeitete, ein Honorar von 16.500 Mark, seine Auslagen betrugen 4800: er erwarb also damals, wo er auf der Höhe seines Ruhms stand, jährlich im Durchschnitt nicht viel über 3900 Mark, also (selbst bei Annahme des gleichen Sachwerts des Gelds im 1. und 19. Jahrhundert) noch nicht halb so viel wie Zenodorus in einer Provinzialstadt. Rauch erhielt für das (zum zweitenmal ausgeführte) Modell der (über 2½ Meter hohen) Statue Kants in Königsberg (deren Erzguß über 10.000 Mark kostete) 6000 Mark: also nicht sehr viel mehr als Arcesilaus für das Gipsmodell eines Kraters.
Der unverhältnismäßig große Raum, den in der Kunst der römischen Kaiserzeit das Handwerk einnahm, und die niedrige Lebensstellung der überwiegenden Mehrzahl derer, welche beide ausübten, konnte auf die Schätzung der Kunst bei den Gebildeten nicht ohne Einfluß bleiben. Beides mußte namentlich alle, denen das Verständnis für ihr wahres Wesen fehlte, verleiten, Handwerk und Technik mit Kunst mehr oder weniger als gleichbedeutend anzusehen, und auch in dem wahren Künstler nur den höheren Handwerker zu erblicken. Wenn freilich Philosophen, die sittliche Veredlung allein als erstrebenswertes Ziel anerkennen, von der künstlerischen Tätigkeit mit Geringschätzung sprechen, so setzen sie darum die bildenden Künste nicht als solche herab. Wenn Plutarch sagt, kein Jüngling von edler Natur werde beim Anblick des Zeus zu Olympia ein Phidias oder bei dem der Hera zu Argos ein Polyclet zu werden wünschen, so fügt er auch hinzu: »Ebensowenig wie ein Anakreon, Philemon oder Archilochos, wenn er sich an ihren Gedichten ergötzt hat. Denn wenn uns auch ein Werk durch seine Anmut erfreut, so ist deshalb noch nicht notwendig sein Vollbringer schätzenswert.« Plutarchs Äußerung beweist also keineswegs eine Geringschätzung der bildenden Künstler als banausischer Handwerker, die man aus ihr gefolgert hat, sondern im Gegenteil ihre Gleichstellung mit den größten Dichtern. Dagegen Seneca, der in den Künsten nur Werke des Luxus sah und ihnen keinen Platz unter den Studien einräumen wollte, die den jugendlichen Geist zur Sittlichkeit vorbereiten, wie Grammatik, Musik, Geometrie, Astronomie, sah auch in dem Künstler nur den Handwerker: »Während man«, sagt er, »die Götterbilder anbetet, verachtet man ihre Verfertiger.« Namentlich die ausschließliche und übermäßige Schätzung literarischer und rhetorischer Bildung war mit Geringschätzung der bildenden Künste und ihrer Vertreter verbunden. Auf diesem Standpunkte steht Plutarch allerdings, wenn er Alkamenes, Nesiotes und Iktinos mit allen Banausen und Handwerkern, die von der Redekunst nichts wissen wollen, in eine Reihe stellt; desgleichen der wirklich kunstsinnige Lucian, wenn er in seinem »Traum« die Bildhauerei als ein ungebildetes, rohes, schmutziges Weib mit schwieligen Fäusten einführt, die Redekunst als eine glänzende Erscheinung, und die letztere sagen läßt, daß auch Polyclet und Phidias selbst den Bewunderern ihrer Werke als banausische Handwerker erscheinen müßten. Philostrat, der zu den Weisen Dichter, Musiker, Astronomen und die besten Rhetoren zählt, will Maler und Bildhauer wenigstens neben Seefahrern und Landleuten zu den Halbweisen rechnen, »wenn sie den Hören folgen; denn auch diese Künste bleiben nicht weit hinter der Weisheit zurück«. Galen zählt als die Wissenschaften und Künste, die sich für die Wahl eines Berufs am meisten empfehlen, folgende auf: Medizin, Rhetorik, Musik, Geometrie, Arithmetik, Dialektik, Astronomie, Grammatik, Jurisprudenz; wenn man wolle, könne man noch Malerei und Plastik hinzufügen. Im allgemeinen darf man annehmen, daß die Künstler wie die Künste in der griechischen Welt auch damals in höherer Achtung standen als in der römischen.
Von den beiden bildenden Künsten im engeren Wortsinne ist die Plastik auch in der Zeit der römischen Weltherrschaft offenbar so gut wie ganz in den Händen der Griechen und Halbgriechen geblieben. Vergil hat es mit echt römischem Bewußtsein ausgesprochen, daß die zur Welteroberung und Weltherrschaft berufene Nation in der Kunst, das Erz zu beseelen und lebende Züge aus dem Marmor zu ziehen, andern den Vorrang nicht streitig machte. Unter allen auch aus römischer Zeit zahlreich bekannten plastischen Künstlern sind äußerst wenige, die (wie Coponius, Decius und einige andere) als Römer von Geburt gelten können. Namentlich in Rom waren es in der letzten Zeit der Republik wie in der Kaiserzeit Griechen (besonders Athener) und Kleinasiaten, welche die bewundertsten Werke schufen, bei den bedeutendsten Kunstunternehmungen beschäftigt und am höchsten bezahlt wurden. Die Statue in dem von Cäsar 46 v. Chr. geweihten Tempel der Ahnfrau Venus war ein Werk des Arcesilaus; das Pantheon Agrippas schmückte der Athener Diogenes mit Karyatiden und Giebelstatuen; auch die meist paarweis arbeitenden Künstler, welche nach Plinius »die Kaiserpaläste mit den anerkanntesten Statuen füllten«, waren sämtlich Griechen.
Ganz anders war es in der Malerei. Bei ihrer Anhänglichkeit an die uralte Überlieferung des Stukkierens der Mauern brachten: es die Italer früh zu einiger Kunst in der Wandmalerei, die sie vielleicht früher als die Griechen zu mythologischen und historischen Bildern und sonstigen Darstellungen, welche die Grenzen der reinen Dekoration überschritten, in Anwendung brachten. Daß die Malerei in Rom vor der Plastik in Gunst stand, ist auch deshalb begreiflich, weil sie zur treuen und anschaulichen Darstellung des Geschehenen so viel geeigneter war. Ihre Ausübung gereichte in der älteren Zeit auch Männern des hohen Adels nicht zur Unehre. Ein Fabius malte im Jahre 304 v. Chr. den Tempel der Salus mit Bildern aus, die noch Dionys von Halikarnaß sehr lobt, und die erst unter Claudius durch den Brand des Tempels untergingen; der Beiname Pictor vererbte sich in der Familie dieses Fabius. Seit Pacuvius, dessen Leben bis zur Gracchenzeit herabreicht, war allerdings die Malerei nach Plinius nicht »in anständigen Händen« gesehen worden. Vermutlich räumten die römischen Künstler, die Rom nun mehr und mehr überfluteten, höher ausgebildeten griechischen allmählich das Feld, und je länger und allgemeiner die Malerei von Fremden, Unfreien und Freigelassenen geübt wurde, desto weniger galt ihre Ausübung für Römer als ehrenvoll: schon Valerius Maximus fand es kaum begreiflich, daß ein Fabius einer so niedrigen Beschäftigung ergeben gewesen sei und sich ihrer nicht geschämt habe.
Immer aber blieb die Malerei mehr in Ansehen als die Plastik, und auch in der Kaiserzeit haben die Römer ihre Ausübung keineswegs den Griechen ganz überlassen. Daß unter Augustus ein Knabe aus sehr vornehmer Familie Q. Pedius zum Maler ausgebildet wurde, war allerdings nur in dessen Stummheit begründet, welche ihm jeden seinem Stande angemessenen Lebensberuf verschloß. Doch von einem römischen Ritter Turpilius sah Plinius schöne Bilder zu Verona. Fabullus (oder wie sein Name sonst gelautet haben mag), ein ernster, strenger und zugleich glänzender Maler, der nur wenige Stunden am Tage und immer mit großer Würde in der Toga auf dem Gerüst stehend malte, war hauptsächlich im Goldenen Hause Neros beschäftigt. Cornelius Pius und Attius Priscus malten den von Vespasian restaurierten Tempel des Honos und der Virtus aus. Unter Augustus hatte der römische Maler Studius (auch dieser Name ist unsicher) durch Einführung eines anmutigen und wohlfeilen Dekorationsstils (einer erweiterten Anwendung der Skenographie) für Zimmer einen sehr großen Erfolg: er erscheint mit seiner Virtuosität, welche den Bedürfnissen des Luxus seiner Epoche Genüge leistete, mit seiner scharfen Beobachtung, mit seinem Humor und seinen vortrefflichen Kenntnissen der Darstellungsmittel als eine echt römische Künstlernatur.
Die Malerei scheint auch von Frauen viel geübt worden zu sein, wenigstens sieht man auf antiken Bildern Malerinnen verhältnismäßig oft. Das Grab einer Malerin wurde im Jahre 1847 in der Vendee in St. Médard-des-Prés neben den Resten einer Villa entdeckt, in welcher sich Bruchstücke von zierlicher Wandmalerei fanden. Das Grab enthielt außer dem Skelett eine reiche Ausstattung von Malergerät. Nach dem Christen Justinus wäre auch Bildhauerei von Frauen getrieben worden. Wie ausschweifend die Verfertiger von Götterbildern seien, sagt er, ergebe sich daraus, daß sie die Sklavinnen verführen, die ihnen bei der Arbeit helfen; in der Tat dürften es jedoch weibliche Modelle gewesen sein, die Justinus in Bildhauerwerkstätten gesehen hatte, und deren Verhältnisse zu den Künstlern ihm zum Ärgernis gereichten. Die Technik der bildenden Künste wie der Malerei hat sich übrigens auch im Occident bis in die letzten Zeiten des Altertums erhalten.
Die Architektur ist die einzige Kunst, welche die Römer als eine ihrer nationalen Anlage verwandte schöpferisch behandelt haben, die einzige, die nicht bloß den großen Zwecken des Staats, dann der Weltherrschaft wirksam dienen, sondern auch allein den Weltherrschaftsgedanken zum Ausdruck bringen konnte. Auf allen andern Kunstgebieten von griechischem Einfluß abhängig, haben sie hier, völlig original, jene Werke geschaffen, die den Jahrtausenden trotzend noch heute eine so mächtige, fast schauerliche Wirkung üben, und denen die griechische Kunst nichts an die Seite zu stellen hat. Die stolze Frage eines Frontinus, ob man mit den römischen Aquädukten wohl die müßigen Massen der ägyptischen Pyramiden oder die nutzlose Herrlichkeit der berühmten griechischen Bauwerke vergleichen könne – sie ist der Ausdruck einer, wenn auch einseitigen, doch nicht unberechtigten Anschauung.
Die Unentbehrlichkeit und hohe Bedeutung der Architektur für das öffentliche wie für das Privatleben war der Grund, daß sie für die anständigste Kunst angesehen und von Cicero der Heilkunde gleichgestellt wurde, wie sie denn auch nicht bloß in Rom, sondern in allen großen Städten die lohnendste gewesen sein dürfte. Daher war nicht nur der Zudrang zu diesem Berufe sehr groß, sondern es waren auch unter den Architekten, wie es scheint, neben Sklaven, Freigelassenen und Fremden römische Bürger während der Republik sowie während der ganzen Kaiserzeit zahlreich. Das Werk des Vitruvius über die Baukunst war nicht das erste römische über diesen Gegenstand. Von den namhaften kaiserlichen Architekten, die wir kennen, ist Apollodorus von Damascus, der Trajans Bauten leitete und (im Jahre 101) die Donaubrücke baute, der einzige, der mit Gewißheit als Nichtrömer bezeichnet werden kann. Als Architekten Neros nennt Tacitus Severus und Celer (letzterer vielleicht kaiserlicher Freigelassener), »die Geist und Kühnheit genug besaßen, um zu versuchen, was die Natur zu verweigern schien«. Domitians Palast baute Rabirius, der dabei (nach Martial) das gestirnte Firmament als würdiges Vorbild erfaßt hatte: auch der Architekt Hadrians Decrianus war wohl ein Römer. Der jüngere Plinius trug den Bau eines Cerestempels einem Mustius auf, der die Schwierigkeiten des Terrains durch seine Kunst zu überwinden wußte. Den Erbauer der Brücke von Alcantara und eines damit verbundenen Kaisertempels auf einem Felsen am Tajo kennen wir aus einem dort in Stein gehauenen Gedichte, in welchem es heißt: »Die Brücke, die stehen wird, solange die Jahrhunderte des ewigen Weltalls dauern, hat Lacer, berühmt durch seine göttliche Kunst, gebaut.« Der Erbauer des Pont du Gard hieß nach einer dort entdeckten Inschrift Veranius; auf einem Bogen in Antipolis (Antibes) war ein Sextus Julius (der dritte Name verstümmelt) als Erbauer ( architector) genannt. Selbst in den östlichen Provinzen wurden Bauten von römischen Architekten ausgeführt.
Von den vielen Tausenden von Künstlern, die während der ersten Jahrhunderte im ganzen römischen Reiche tätig waren, sind verhältnismäßig nur äußerst wenige namentlich bekannt, und diese fast nur aus ihren eigenen Inschriften auf ihren Arbeiten. In der Literatur wird trotz der häufigen Erwähnungen von künstlerischen Unternehmungen aller Art der ausführenden Künstler fast nie gedacht. Dies erklärt sich zum Teil aus der untergeordneten Stellung der Künstler in der damaligen Gesellschaft, sodann daraus, daß die künstlerische Produktion weit weniger durch einzelne als durch Verbände erfolgte, in welchen der einzelne als dienendes Glied eines Ganzen keine Beachtung fand. Andrerseits hatten auch, wie oben gezeigt ist, die Künste für die römische Kultur ihre Bedeutung und ihren Wert nicht an sich, sondern nur insofern sie als Mittel zur Erreichung wichtiger und allgemein festgehaltener Zwecke unentbehrlich waren. Endlich erschien die damalige künstlerische Produktion den Zeitgenossen geringer als uns, weil sie von ihnen mit dem Maß der Schöpfungen der griechischen Blütezeit gemessen wurde. Der Mangel der späteren Kunst an eigentlicher Originalität, das Zurücktreten der Innerlichkeit gegen das formale Element, selbst in ihren glänzendsten, imposantesten und anmutigsten Leistungen – dies mußte in einer Zeit, wo die Werke des Jahrhunderts von Phidias bis auf Lysippus noch in solcher Fülle vorhanden waren, von allen, die diese neben jenen sahen, auch bei sehr unvollkommenem Verständnis empfunden werden. Daß das Kunstinteresse in jener Zeit ganz vorzugsweise der Vergangenheit zugewandt war, ist vollkommen begreiflich. Seine Natur und Intensität war aber auch damals in der römischen und griechischen Welt keineswegs dieselbe: vielmehr ist dieses gerade eines der Gebiete, auf welchen die Verschiedenartigkeit der beiden Kulturen als eine noch unausgeglichene, auch für uns wahrnehmbar, hervortritt.
Es ist bekannt, wie die siegreichen Feldzüge der Römer in griechischen Ländern seit der Eroberung von Syrakus (212), später die während eines Zeitraums von dritthalb Jahrhunderten fortdauernden Plünderungen der Feldherren, Statthalter und Kaiser bis auf Nero herab Rom mit einer unglaublichen Menge der vollendetsten griechischen Kunstwerke aller Art füllten, ja überfüllten. Die Eindrücke dieser Kunstwelt ohnegleichen, denen sich auch der Gleichgültige, ja der Widerstrebende nicht gänzlich zu entziehen vermochte, ergänzten dann die seit der Eroberung Korinths immer allgemeiner werdenden Vergnügungs- und Bildungsreisen der Römer in Griechenland. Endlich sahen sich die Römer auch durch die griechische Literatur, die je länger je mehr als Basis aller höheren Bildung anerkannt wurde, vielfach auf die bildende Kunst hingewiesen. Zwar daß die griechischen Originalwerke über diese, die Plinius zum Teil in seiner Weltbeschreibung benutzt hat, von Römern viel gelesen worden sind, dafür spricht nichts. Dagegen trug die epigrammatische und rhetorische Literatur der Griechen zur Verbreitung von Kunstkenntnissen und Kunsturteilen bei. Die griechischen Fachschriftsteller über die Theorie der Beredsamkeit, welche die fort und fort benutzten und zu Rate gezogenen Quellen und Führer der Römer für diese ihre ganze Bildung beherrschende Wissenschaft blieben, liebten es, die Entwicklung und die Stilarten der Beredsamkeit mit denen der bildenden Künste zu vergleichen und Ausdrücke aus deren Technik für ihre Terminologie zu entlehnen. Alles dieses haben die römischen Schriftsteller über die Redekunst mit übertragen und durch ihre Schriften weiterverbreitet. Sodann hat die besonders seit Alexander dem Großen in Griechenland viel kultivierte Epigrammdichtung sich mit Vorliebe mit der bildenden Kunst beschäftigt und den Eindruck bedeutender Werke durch mehr oder minder geistreiche Pointen, Tändeleien und Witzesspiele wiederzugeben versucht. Eine Menge dieser Dichter hat sich in der späteren Zeit der Republik wie in der früheren Kaiserzeit wenigstens vorübergehend in Rom aufgehalten, wo sie für diese Art der Kleinpoesie einen unerschöpflichen Stoff und immer neue Anregung fanden; und es ist begreiflich, daß die Römer, die für Kunststudien wenig Zeit und noch weniger Sinn hatten, gern die Gelegenheit benutzten, sich ohne Mühe durch solche kurze, scheinbar oder wirklich treffende Urteile und Charakteristiken, die von Munde zu Munde gingen, über viel besprochene Werke zu orientieren. Daß dies sehr vielfach geschehen ist, darf man aus den von Plinius mitgeteilten Kunsturteilen schließen, die großenteils aus keiner andern Quelle stammen als eben aus griechischen Epigrammen; vielleicht fand übrigens Plinius solche Epigramme über die berühmtesten Kunstwerke bereits zu einer Sammlung vereinigt vor.
Die Anerkennung der bildenden Künste als eines für die Gesamtkultur wichtigen Elements von römischer Seite zeigt bereits ein Hauptwerk Varros. In seiner, die neun Hauptwissenschaften und Künste behandelnden Enzyklopädie hatte er zwar nur der Architektur einen Platz eingeräumt, doch in seiner Sammlung von 700 Porträts berühmter Männer mit Unterschriften neben Königen, Feldherren, Staatsmännern, Dichtern, Schriftstellern, Gelehrten, Baumeistern auch Maler und Bildhauer aufgenommen: und wie Varros Werke überhaupt, so hat namentlich auch dies auf die allgemeine Bildung seiner eigenen sowie der späteren Zeit großen Einfluß geübt. Auch Lukrez rechnet Malerei und Plastik neben der Poesie zu den Erwerbungen einer fortgeschrittenen Kultur, die dem Leben Reiz verleihen. Die eingehende Berücksichtigung der Kunst- und Künstlergeschichte in der über ein Jahrhundert später verfaßten Weltbeschreibung des Plinius läßt eine Zunahme des Interesses für jene Gebiete in der gebildeten römischen Welt um so mehr voraussetzen, als Plinius selbst der Kunst ganz fern stand.
Inwiefern Varros' Forderung, daß die Mädchen Unterricht in der Malerei erhalten sollten, verwirklicht worden ist, wissen wir nicht: doch mögen unter den auf Bildern öfters vorkommenden Malerinnen auch Dilettantinnen sein. Das Beispiel des Ämilius Paullus, der seinen Söhnen auch griechische Maler und Bildhauer zu Lehrern gab, dürfte in den Kreisen, in denen man sich besonders um griechische Bildung bemühte, auch in der Kaiserzeit nicht selten befolgt worden sein. Nero hatte sich schon in seinen Knabenjahren viel mit Pinsel und Modellierstab beschäftigt. Ebenso war Hadrian eifrig bemüht gewesen, sich in beiden Künsten auszubilden, in der Malerei dilettierte er noch als Kaiser. Marc Aurel hatte zum Lehrer in derselben Kunst den Griechen Diognetus, der zugleich Philosoph gewesen zu sein scheint und auf seine Erziehung auch sonst Einfluß übte. Der ganz griechisch gebildete Alexander Severus »malte vortrefflich«; auch Elagabal übte diese Kunst, und noch Valentinian I. dilettierte in der Malerei wie in der Plastik. Wenn auch das Beispiel der beiden in Syrien aufgewachsenen Kaiser für römische Erziehung nichts beweist, so bleiben die übrigen noch zahlreich genug, um annehmen zu lassen, daß Unterricht der Jugend in den bildenden Künsten sowie ein dadurch veranlaßter Dilettantismus im späteren Leben in den höheren Ständen Roms zu allen Zeiten nicht allzu selten war. Ebenso ist klar, daß dieser Dilettantismus keineswegs an sich unzulässig gefunden wurde. Wenn dem Titedius Labeo, der Prokonsul von Narbonensis gewesen war, das Prahlen mit der Kunst, die er in kleinen Bilderchen zeigte, »zum Gespött, selbst zur Schmach gereichte«, so war es hier eben nicht der Dilettantismus selbst, sondern die damit getriebene Ostentation, die den Anstoß gab. Vergleicht man aber mit diesen immer doch vereinzelten Zeugnissen des Dilettantismus der Römer in den bildenden Künsten die sehr zahlreichen für ihren Dilettantismus in der Musik, so gewinnt man den Eindruck, daß die Verbreitung des ersteren der des letzteren auch nicht annähernd gleichgekommen sein kann.
Daß die Römer auf ihren Vergnügungs- und Bildungsreisen, namentlich in Griechenland und Kleinasien, auch die dortigen Kunstwerke in Augenschein zu nehmen nicht versäumten, ist selbstverständlich; besonders solche mußte man natürlich gesehen haben, die viel genannt und jedem einigermaßen Belesenen dem Namen nach bekannt waren, um ihretwillen wurden Reisen auch eigens unternommen. Doch daß dieses Kunstinteresse mehr ein äußerliches und oberflächliches war und das historische Interesse weitaus überwog, haben wir früher gesehen.
Am wenigsten beweist die Anhäufung von Kunstwerken im Privatbesitz zu Rom, daß dort Kunstsinn verbreitet war. Schon die bloße Kunde von ihrer Kostbarkeit reichte hin, sie selbst solchen als begehrenswerte Beute erscheinen zu lassen, die für ihren Wert so wenig Verständnis besaßen, wie der rohe Eroberer von Korinth: und so unerschöpflich war der Reichtum der griechischen Länder an Kunstwerken, daß er der Gier der Römer Jahrhunderte hindurch die vollste Sättigung bot. Neben Marmorsäulen, Teppichen, Citrustischen, Silbergerät, Prachtgefäßen gehörten, wie bemerkt, Statuen und Gemälde je länger desto allgemeiner zur Ausstattung reicher Häuser und Villen. Bei dem ungeheuren Vorrat von Kunstwerken und der Leichtigkeit ihres Erwerbs oder Raubs bedurfte es zur Bildung von Sammlungen nicht einmal (besonderer Liebhaberei. Gemäldegalerien waren schon in Augustus' Zeit so allgemein, daß in Vitruvs Plan für ein vornehmes Haus ein großer, nach Norden gelegener Saal für diesen Zweck nicht fehlen durfte; und sie blieben es auch später, ebenso die Sammlungen von Skulpturen.
Mögen diese Sammlungen auch Werke lebender Künstler enthalten haben, so werden solche doch niemals erwähnt, und wenn sie nicht vorwiegend aus alten Bildern und Statuen bestanden, so wurden doch diese wenigstens für das Wertvollste oder einzig Wertvolle darin angesehen. Daß Liebhaber und Sammler solche besonders suchten, wird auch öfters ausdrücklich gesagt; so von Julius Cäsar, von Damasippus, der alte Statuen »wie unsinnig« kaufte. Die Bildergalerien, sagt Plinius, stoppelt man aus alten Gemälden zusammen. Ganz besonders aber wurde bei Silberarbeiten auf das Alter gesehen, nach welchem die Werke dieser in Abnahme gekommenen Kunst so gut wie allein geschätzt wurden; Ziselierungen, die bis zur Unkenntlichkeit abgegriffen waren, hielt man am höchsten. Es fehlte auch nicht an Altertümlern, welche die eigentlichen Inkunabeln der Kunst allem übrigen vorzogen, die »fast rohen« Gemälde eines Aglaophon und Polygnot denen der späteren, wie Quintilian sagt, der hierin wohl nicht mit Unrecht ein Prahlen mit Kennerschaft fand. Augustus hatte eine Vorliebe für die altertümlich zierlichen Werke des Bupalos und Athenis von Chios (im 6. Jahrhundert); Statuen von beiden ließ er im Giebel des Apollotempels auf dem Palatin und fast in allen andern von ihm in Rom erbauten Tempeln aufstellen. Die größte Verbreitung wird diese Geschmacksrichtung in der Zeit Hadrians erreicht haben. Doch im allgemeinen verstand man unter »alten Kunstwerken« die der griechischen Blütezeit oder selbst der Diadochenperiode. Von den »Arbeiten der Alten«, die Statius in der Villa des Manilius Vopiscus zu Tibur sah, werden die Meister nicht namentlich genannt; dagegen unter den »alten« Gemälden und Bildwerken in der Villa des Pollius Felix zu Sorrent Arbeiten von Apelles, von Phidias (aus seiner früheren Zeit), Polyclet und Myron; in der Sammlung »alter Werke« des Novius Vindex Bronzen von Myron und Polyclet, Marmorskulpturen von Praxiteles, Elfenbeinarbeiten von Phidias und Bilder, die schon von weitem den »alten Apelles« erkennen ließen. Bei solchen flüchtigen Erwägungen werden fast immer nur Namen von Künstlern ersten Ranges genannt, am häufigsten Polyclet. Bei Juvenal brennt ein reicher Mann ab: unter denen, die zur Ausstattung des neu zu bauenden Hauses beisteuern, bringt auch einer etwas ganz Vortreffliches von Euphranor und Polyclet. In der Tat galt der letztere vielen als der erste unter den bildenden Künstlern, der Meister in der Darstellung jugendlicher Schönheit, der »sich nicht über glatte Wangen hinauswagte«, dessen Werke mehr durch Vollendung der Form als durch Tiefe des Gehalts bedeutend waren. Nächst ihm wird vielleicht am häufigsten Myron genannt, dessen Menschen- und Tierfiguren vor allem durch überwältigende Naturwahrheit wirkten; von beiden sah man auch in Rom mehr als von Phidias, dessen bedeutendste Werke in Griechenland geblieben waren. Beide nennt Vitruv geradezu als Repräsentanten der bildenden Kunst, wie Apelles der Malerei. Künstler aus der Zeit nach Alexander dem Großen oder aus der letzten Zeit der römischen Republik, unter denen Pasiteles und Arcesilaus hervorragten, werden unter den »Alten« so gut wie nie genannt.
Bedenkt man die Massenhaftigkeit der im Privatbesitz angehäuften, angeblich alten Kunstwerke (mit denen ja Domitius Tullus z. B. einen sehr großen Park auf der Stelle füllen konnte) und das Umherwerfen mit den berühmtesten Namen einerseits, andrerseits die technische Virtuosität der damaligen Kunst und ihre so umfassende Beschäftigung mit Reproduktion klassischer und altertümlicher Werke, so muß man auch ohne Zeugnisse glauben, daß die Sammler oft genug von Künstlern und Kunsthändlern betrogen wurden und Kopien statt der Originale kauften. Von jemandem, der mit seinen Originalgemälden und echten (Silber-) Pokalen prunkt, sagt Martial, seine Freunde seien gerade so echt wie die Stücke seiner Sammlung. Auch gibt es ein ausdrückliches Zeugnis schon aus der ersten Kaiserzeit, daß solche Fälschungen häufig und offenkundig waren. Der Fabeldichter Phädrus sagt: wenn er sich des Namens Äsop bediene, so geschehe dies, um das Ansehen seiner Sachen zu erhöhen, »wie manche Künstler es in unserer Zeit machen, wenn sie auf ihren neuen Marmor Praxiteles schreiben, oder Myron auf poliertes Silber, Pausias auf ein Gemälde. So sehr begünstigt der bissige Neid mehr das Alter als das Gute der Gegenwart«. Auch ein griechischer Autor unter Hadrian, welcher berichtet, daß Phidias seinem Lieblinge Agorakritos gestattet habe, sich auf einem seiner eigenen Werke, der Rhamnusischen Nemesis, als Urheber zu nennen, fügt hinzu: »So haben auch viele andre auf ihre eignen Werke einen fremden Namen geschrieben.«
Begegnet man nun in der damaligen Literatur Angaben über Arbeiten großer Künstler, die sonst völlig unbekannt sind, so kann man sie nur mit Mißtrauen aufnehmen. Daß es von Phidias ein mit erhabenen Fischen ziseliertes Gefäß und eine Zikade, Biene und Fliege gab, ist allerdings nicht unmöglich, aber auf die bloße Angabe des Martial (die übrigens noch eine andere Erklärung zuläßt) und des Kaisers Julian ist es nicht zu glauben. Die Arbeit in edlen Metallen (Toreutik, Zälatur) war ein »Haupttummelplatz des Kunstbetrugs«, da die Ausstattung der Schenktische mit »altem« Silbergerät, der Sammlungen mit »Originalpokalen« zum beliebtesten Kunstluxus gehörte. Die Blütezeit der Toreutik war aber kurz, die Zahl der namhaften Künstler klein gewesen. Von Mentor, dem größten derselben, dem Benvenuto Cellini des Altertums, wollten Kunstkenner nur vier Becherpaare als echt anerkennen; im Kunsthandel und in den Sammlungen dagegen scheinen sie keineswegs selten gewesen zu sein. Martial beschreibt einen Laden für kostbare Luxusgegenstände: dort findet man außer Statuen von Polyclet auch »Becher, von Mentors Hand geadelt«; und dieser Name kehrt regelmäßig wieder, wo er von alten Originalarbeiten in Silber spricht. Und wenn Kenner nur mit guten Kopien (wie jene des Zenodorus nach Kalamis) betrogen werden konnten, so gab es ohne Zweifel auch häufig genug Liebhaber und Sammler von dem Bildungsgrade des Trimalchio bei Petron, der als besonderer Freund von Silberarbeiten Becher besaß, auf denen vorgestellt war, »wie Kassandra ihre Söhne tötet, und die toten Kinder so daliegen, daß man es für wirklich hält; dann wie Dädalus die Niobe in das trojanische Pferd einschließt« (gemeint ist der Kindermord der Medea und die Kuh der Pasiphae). Er beschließt die Aufzählung seiner Geräte mit der Bemerkung, daß alle schwerwichtig seien. Nächst den Silberarbeiten waren auch Bronzearbeiten ein Gegenstand der Leidenschaft der Sammler, vor allem aus korinthischer Bronze, deren Mischung ein verlorenes Geheimnis war. Nichtsdestoweniger gab es Künstler, die Arbeiten in diesem Material lieferten und wahrscheinlich oft genug die Kenner betrogen, obwohl diese die echten unter anderm am Geruch erkennen wollten.
Ohne Zweifel ist es kein Zufall, daß bei Erwähnungen damaliger Kunstsammlungen Äußerlichkeiten, wie Altertum, Seltenheit, kostbares Material, so oft betont werden, sondern gewiß legte ein großer Teil der Sammler auf diese ihnen verständlichen Eigenschaften der Kunstwerke den Hauptwert. Auch das historische Interesse dürfte bei den Kunstsammlungen vielfach mit im Spiel gewesen sein. Wurden doch, wie früher bemerkt worden ist, überhaupt Gegenstände, die im Besitz berühmter Personen gewesen waren, sehr gesucht und hoch bezahlt: die irdene Lampe des Epictet mit 3000 Drachmen, der Stock des Peregrinus Proteus mit einem Talent. Der Wert des Diamanten, den die schöne jüdische Fürstin Berenice von ihrem Bruder Agrippa II. zum Geschenk erhalten hatte, war dadurch gestiegen, daß sie ihn am Finger getragen. Den gezwungenen Käufern bei einer von Caligula veranstalteten Auktion kaiserlicher Kleinodien wurde es bei den Kaufpreisen angerechnet, daß die Stücke Germanicus oder Agrippina, Antonius oder Augustus gehört hatten. An den Tafeln reicher Häuser mußten die Gäste sich nicht bloß von der Schwere des Silbergeschirrs durch Aufheben überzeugen, sondern auch die ausführliche Geschichte jedes Stückes anhören. Juvenal schildert einen Schiffbruch, bei dem unter anderm ziselierte Silbergefäße über Bord geworfen werden, die Philipp von Macedonien im Gebrauch gehabt haben sollte. Caracalla besaß Waffen und Trinkgeschirre, deren sich der von ihm leidenschaftlich verehrte Alexander der Große bedient hatte. Martial, der erforderlichenfalls selbst solche Reliquien, wie ein Brett des Argonautenschiffs, mit achtungsvollem Staunen zu betrachten verstand, fand es doch unerträglich, bei Tisch die »verräucherten Stammbäume« der vorgesetzten Silberbecher sich vortragen lassen zu müssen, die bis auf Nestor, Achill und Dido als erste Besitzer zurückgeführt wurden. Aber auch bei Gemälden und Skulpturen mußten sich die Beschauer vermutlich nicht selten deren frühere Schicksale erzählen lassen: der kleine Hercules des Lysipp in der Sammlung des Novius Vindex sollte Alexander dem Großen, Hannibal und Sulla gehört haben.
Die Sammler werden auch am meisten auf Kennerschaft Anspruch gemacht haben, selbst Trimalchio erklärt, daß er die seinige für kein Geld verkaufe. Doch wie zu allen Zeiten war die Prätention der Kennerschaft häufiger als diese selbst. Dionys von Halikarnaß, der mehr von Kunst verstand als die meisten Römer, scheint es nur Künstlern, und auch diesen nur nach langer Übung, zugetraut zu haben, die Urheber namenloser Werke zu bestimmen und Kopien von Originalen zu unterscheiden: doch nach Statius verstand sich auch Novius Vindex wie niemand sonst auf das erste. Damasippus hatte sich, wie Horaz ihn sagen läßt, darauf gelegt, die echte korinthische Bronze zu erkennen, zu beurteilen, ob etwas plump gemeißelt oder hart gegossen sei, den Preis einer Statue zu bestimmen: er charakterisiert sich auch durch das letztere als Kenner, denn sicherlich liebten es diese auch damals wie gegenwärtig, ihr Sachverständnis durch Taxieren von Kunstwerken zu bekunden. Selbstverständlich unterließen die Kenner auch nicht, von »Mischung des Erzes«, »Konturen«, »Farbenauftrag«, »Schattengebung«, »Proportionen« und ähnlichen Dingen zu reden, von welchen die Laien gestanden, nichts zu verstehen; denn daß zur Betrachtung von Kunstwerken eine besondere Schulung erforderlich sei, war wohl allgemein anerkannt.
Zahlreicher als die Kenner waren natürlich die Liebhaber und Enthusiasten, die öfters erwähnt und vom stoischen wie vom streng römischen Standpunkt für Narren erklärt werden. Schon dem Marcellus war es von den Gegnern griechischer Bildung zum Vorwurf gemacht worden, daß er durch die Beute des syrakusischen Triumphs seine Landsleute verführt habe, die Zeit mit geistreichem Kunstgeschwätz zu verderben. Bei Sklaven (besonders vermutlich griechischen) scheint es nicht selten vorgekommen zu sein, daß sie über der Betrachtung der so überreichen, allgemein zugänglichen Kunstwerke Roms ihre Pflicht versäumten: denn bei Erörterung der Fehler von Sklaven, welche der Verkäufer anzugeben verpflichtet ist, führt der Jurist Venulejus als geistige Fehler neben der Sucht des Schauspielbesuchs und der Lügenhaftigkeit auch die eifrige Betrachtung von Gemälden auf.
Eine Verbreitung wahren Kunstsinns beweisen also die massenhaften Kunstsammlungen der Römer ebensowenig wie die kolossale Verwendung der Kunst zu dekorativen und monumentalen Zwecken. Auch das Anhäufen alter Kunstwerke war eben nur eine Äußerung der römischen Prachtliebe, die bei aller Großartigkeit immer etwas Barbarisches behielt; die Herren der Welt wollten womöglich alles Köstliche, was es auf der Welt gab, besitzen und genießen, von allem umgeben sein, was dem Leben Pracht und Glanz verleihen konnte. Deshalb schleppten sie auch die gepriesenen Werke aller bildenden Künste nach Rom, aber mehr als äußerlich vermochten sie sich diese Schätze nicht anzueignen. Gerade die Häufung der Eindrücke war, wie Plinius richtig erkannte, zugleich eine Abstumpfung, zumal da in dem rastlosen Drängen und Treiben Roms die zur Kunstbetrachtung unerläßliche Ruhe und Stille fehlte. Zur Vertiefung in Kunstwerke fanden dort die wenigsten auch nur die Zeit, den meisten genügte eine flüchtige und oberflächliche Kenntnisnahme.
Daß in der Tat trotz aller alten und neuen Kunstpracht Roms und des römischen Reichs die bildende Kunst einen Einfluß auf die römische Gesamtbildung niemals gewonnen hat, dafür liefert die römische Literatur, als Ganzes betrachtet, einen vollgültigen und unwiderleglichen Beweis. Von einer so großen Zahl von Dichtern und Schriftstellern verschiedener Perioden, die großenteils auf der Höhe der Bildung ihrer Zeit standen und uns als vollberechtigte Repräsentanten derselben gelten dürfen, verrät kaum einer Interesse und Verständnis für die bildende Kunst. In dieser so vielartigen, über einen Zeitraum von Jahrhunderten sich erstreckenden Literatur, die alle bedeutenden Richtungen und Interessen berührt, die in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten ganz besonders der Betrachtung der Gegenwart zugewandt ist und auch deren geistige Zustände lobend und tadelnd vielfach erörtert, findet sich keine Spur von Verständnis für das wahre Wesen der Kunst und keine Äußerung einer wahren Ergriffenheit durch die Herrlichkeit ihrer Werke. Wo immer von ihr gesprochen wird, da geschieht es entweder geradezu mit Unverstand und Geringschätzung oder doch ohne Anteil und Wärme. Wie vielen einzelnen Römern es auch gelungen sein mag, in das Wesen der griechischen Kunst einzudringen, der römischen Kultur im großen und ganzen ist sie immer fern und fremd geblieben.
Wenn noch ein Zweifel darüber bestehen könnte, ob der Gesamteindruck der römischen Literatur einen gültigen Schluß auf den Mangel des Kunstsinns bei den Römern gestattet, so würde er durch eine Vergleichung mit der gleichzeitigen griechischen (obwohl viel weniger umfangreichen) Literatur gehoben werden: denn das Interesse und Verständnis, das wir dort vermissen, tritt eben hier vielfach und unzweideutig hervor, und es zeigt sich, wie gesagt, daß auf diesem Gebiete der Gegenstand griechischer und römischer Bildung unausgeglichen fortbestand. Schon allein das immer noch so rege Nationalgefühl der Griechen läßt erwarten, daß sie auch diesen Schöpfungen ihrer großen Vorzeit mit einem andern Anteil gegenüberstanden als die Römer.
Plutarch beklagt es, daß »die meisten« Vertiefung in Kunstbetrachtungen für wichtiger hielten als seine Einkehr in ihr eigenes Innere. »Die meisten glauben, wie Arcesilaus sagte, man müsse Gedichte, Gemälde und Statuen genau betrachten und alle ihre Einzelheiten im Geist und mit den Augen durchgehen; ihr eigenes Leben aber, das viele keineswegs unerfreuliche Betrachtungen bietet, lassen sie unbeachtet.« Während alle Bemerkungen des Dionys von Halikarnaß über Malerei und Skulptur ein selbständiges Urteil verraten, sprechen die römischen Schriftsteller über Beredsamkeit in ihren Vergleichungen der redenden und bildenden Künste offenbar nur fremde, aus Büchern geschöpfte Urteile nach, und selbst der geschmackvolle und feingebildete Quintilian verrät gelegentlich seine Unsicherheit auf diesem Gebiet. Seine Bemerkung, Naturanlage vermöge viel ohne Ausbildung, diese dagegen nichts ohne jene, verdeutlicht er durch folgende Vergleichung: wenn Praxiteles versucht hätte, eine Statue aus einem Mühlstein auszuhauen, würde ich einen rohen parischen Marmorblock vorziehen; hätte aber der Künstler ein Werk aus diesem vollendet, so würde dessen Wert mehr in seiner Arbeit als in dem Marmor liegen. Ihm erschien also ein gutes Material wertvoller als ein von einem großen Künstler in einem schlechten abbozziertes Werk. Ein späterer griechischer Geschichtsschreiber Memnon beschreibt in der Geschichte seiner Vaterstadt Heraclea am Pontus ausführlich die Attribute einer durch Aurelius Cotta von dort fortgeschleppten Herakles-Statue (Keule, Löwenfell, Bogen und Köcher), »deren Darstellung in bezug auf schöne Verhältnisse, Anmut und technische Ausführung hinter keiner der gepriesenen Arbeiten zurückstand«. Mit so viel Liebe würde schwerlich ein römischer Geschichtsschreiber einen solchen Gegenstand selbst in der eingehendsten Erzählung geschildert haben. Bei der Erzählung des Neronischen Brands erwähnt Tacitus den Untergang zahlloser griechischer Meisterwerke mit zwei Worten; Sueton gar nicht. Und wenn Herodian den jungen Elagabal nach seiner Schönheit, Jugendblüte und Formenweichheit mit den schönen Statuen des jugendlichen Dionysos vergleicht, so fühlt man wohl, daß es kein Zufall ist, wenn wir eine solche Vergleichung bei keinem römischen Historiker lesen. In einer Plutarchischen Schrift über die berühmten Männer Athens werden auch die dortigen Maler ausführlich besprochen; der von den Bildhauern handelnde Abschnitt ist uns nicht erhalten. Auch in den geographischen Werken der Griechen fehlen bei der Aufzählung der Merkwürdigkeiten der einzelnen Orte Erwähnungen ihrer Kunstwerke und dorther stammenden Künstler (selbst solcher, die minder bekannt waren) nicht. Die trockenen, mageren und äußerlichen Notizen des Pausanias über Kunstwerke lassen allerdings Liebe und Verständnis für Kunst nicht erkennen, und auch die erkünstelte Begeisterung in den Kunstbeschreibungen der Philostrate beweist nichts für den Kunstsinn der Verfasser. Kunstwerke wie Naturszenen gehörten eben zu den Gegenständen, in deren Darstellung die Stilkünstler ihre Virtuosität gern zur Schau stellten; nicht an sich, sondern nur insofern sie ein Substrat zur Entfaltung dieser Virtuosität bot, erregte die Kunst wie die Natur das Interesse der Sophisten, der römischen wie der griechischen; von den Kunst- und Naturbeschreibungen des Apulejus gilt ganz dasselbe wie von denen seiner griechischen Vorbilder.
Wie verschieden von dieser mühsam erkünstelten Überschwenglichkeit klingt die Sprache warmer Empfindung, die der überwältigende Eindruck der olympischen Zeusstatue dem Dio von Prusa eingab. Selbst vernunftlose Kreaturen, sagt er, müßte dieser Anblick erschüttern, und ein Mensch, der noch so mühselig und beladen wäre, müßte, wenn er diesem Bilde gegenüberstände, alles vergessen, was im Menschenleben Schweres und Schreckliches zu leiden ist: so viel Licht und so viel Lieblichkeit hat ihm die Kunst geliehen. In der Rechenschaft über dieses Zeusideal, die er dem Plinius in den Mund legt – »dem weisen und wunderbaren (dämonischen) Künstler des ehrwürdigen und ganz herrlichen Werks«, dem Freunde und Genossen des Perikles –, spricht sich ein hoher Begriff von der Bedeutung und dem Darstellungsvermögen der bildenden Kunst aus, mit dem sich eine vielfach treffende und geistvolle Beurteilung des Unterschieds zwischen ihr und der Poesie verbindet. Lucian endlich zeigt von allen antiken Schriftstellern die umfassendste Kenntnis und das eindringendste Verständnis der Kunst; sein Urteil ist überall ein selbständiges, sein Geschmack an den besten Mustern gebildet, sein Talent, Kunstwerke mit wenigen Zügen zu charakterisieren oder ihren Eindruck in schwungvoller Schilderung wiederzugeben, ein (wie namentlich seine Beschreibung der knidischen Aphrodite des Praxiteles zeigt) nicht gewöhnliches. Übrigens war auch Lucians Interesse so gut wie ausschließlich der Blütezeit der griechischen Kunst zugewandt: je feiner gebildet sein Auge war, desto weniger konnte ihm neben ihren Werken alles, was die späteren Jahrhunderte hervorgebracht hatten, der Beachtung wert erscheinen. In demselben Sinne sagt Galen, die gegenwärtige schlechte Erziehung und der Umstand, daß Reichtum höher geschätzt werde als Tugend, mache es erklärlich, daß es jetzt keine Meister mehr gebe wie Phidias unter den Bildhauern, Apelles unter den Malern, Hippokrates unter den Ärzten. So nennt auch Aristides als die größten Meister, die das Höchste dadurch erreichten, daß sie über die frühere Kunst hinausgingen und ihre Vorgänger neben sich als Kinder erscheinen ließen, Phidias, Zeuxis, Hippokrates und Demosthenes.
Wenn also in der griechischen Literatur der Kaiserzeit die gleichzeitige Kunst ebenso geringe Berücksichtigung findet wie in der römischen, so beruht dieselbe Erscheinung hier und dort auf entgegengesetzten Ursachen. Mit dem großen Maße gemessen, das der wahre Kunstsinn der Griechen anlegte, konnte ihr Wert leicht unterschätzt werden: den Römern, welche die innere selbständige Bedeutung der Kunst überhaupt nicht verstanden, war sie nur ein Mittel zur Verfeinerung des Lebensgenusses und zur Verewigung des Gedächtnisses von Personen und Taten, neben anderen Mitteln, welche ihnen diesen wie jenen Zweck in ebenso vollkommener Weise erfüllten. Wäre nur die Literatur beider Sprachen aus jener Zeit erhalten, wie wir sie jetzt besitzen: wir würden weder ahnen, was die bildende Kunst damals noch zu leisten vermochte, noch in welch erstaunlichem Grade das Bedürfnis künstlerischen Schmucks und monumentaler Darstellung alle Schichten der Gesellschaft erfüllte, wie riesenhaft die dadurch ins Leben gerufene Tätigkeit der Malerei und Skulptur in der ganzen römischen Welt war. Wie reich war doch die Kultur, die sich gewöhnt hatte, über die Leistungen der Künste in einem Umfange zu verfügen, den die heutige Welt kaum zu fassen vermag, ihnen Aufgaben als alltägliche zu stellen, deren Lösung gegenwärtig überhaupt unmöglich sein würde; die Kultur, welche Schätze, deren Unermeßlichkeit uns beschämt und mit Staunen erfüllt, zu den geringsten ihrer Besitztümer zählte und sorglos mit vollen Händen ausstreute.