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Einer der größten Kenner des modernen Weltverkehrs, Heinrich Stephan († 1897), hat darauf hingewiesen, »daß weitaus die meisten Gebiete des alten Römerreichs einen solchen Verkehr und eine solche Kultur, wie sie zu jener Zeit besaßen, in einer langen Reihe von Jahrhunderten nicht wiedererlangt haben und noch jetzt sehr fern davon sind«. Die folgende Betrachtung soll versuchen zu zeigen, wieviel die alte Welt auch auf dem Gebiete des Verkehrs der »mehr geschmähten als gekannten« römischen Kaiserzeit verdankt, und wie weit hier das Mittelalter, zum großen Teil selbst die neuere Zeit hinter ihr zurückstehen. Die Bedingungen für Leichtigkeit, Sicherheit und Schnelligkeit des Reisens waren im größten Teil des römischen Reichs in einem Grade vorhanden, wie sie es in Europa vielfach erst wieder seit dem Anfange des 19. Jahrhunderts gewesen sind, die Veranlassungen zur Ortsveränderung sogar zahlreicher und mannigfaltiger als in unserer Zeit, und Land- und Wasserstraßen (auch abgesehen vom Handelsverkehr) von Reisenden stets und überall belebt. »Die tief eingeschnittenen Fahrgeleise selbst auf den harten Basaltpflastern der Römerstraßen, auch in den von Rom weit entfernten Gegenden, legen noch heute Zeugnis von dieser Regsamkeit des Verkehrs ab.« Stand dieser im Norden und großenteils auch im Westen des Reichs hinter dem des 19. Jahrhunderts auch sehr zurück, so fällt dagegen im Süden und Osten der Vergleich um so mehr zugunsten der römischen Zeit aus.
Zunächst gab das römische Kaisertum der erschöpften Welt den Frieden, der mit geringen und auf kleine Gebiete beschränkten Unterbrechungen drittehalb Jahrhunderte dauerte: niemals weder vorher noch nachher hat unsere Hemisphäre einen Frieden von so langer Dauer auf einem so großen Gebiete genossen. Daß die Monarchie unter den übrigen Segnungen des Friedens auch Sicherheit, Ordnung und Regelmäßigkeit des Verkehrs brachte, das haben die Zeitgenossen oft und dankbar anerkannt. Eine Inschrift zu Halikarnaß preist Augustus als »Heiland des ganzen Menschengeschlechts, dessen Vorsehung die Gebete aller nicht bloß erfüllt, sondern auch überboten hat: denn in Frieden sind Land und Meer, die Städte blühen in Gesetzlichkeit, Eintracht und Wohlstand, und an allen Gütern ist Überfluß«. Im Preise des Weltfriedens vereinen sich Stimmen aus allen Provinzen, aus allen Perioden dieses Zeitraums. Seit das Haus der Cäsaren die Erde beherrschte, hatte der Dämon des Neides die Macht, ganzen Ländern und Völkern zu schaden, eingebüßt, die schädlichen Elemente waren in die äußerste Ferne vertrieben, die heilsamen dagegen von den Grenzen der Erde und des Meers in das Weltreich zusammengeführt. Wie dem Durcheinanderwogen und Zusammenprallen der Urkörper erst die Gestaltung des Erdballs ein Ziel setzte, so Rom den durch endlose Kämpfe der Staaten und Mächte herbeigeführten endlosen Wirren und Wandlungen: Völkerstämme und Fürstengewalten vereinend, hatte sich seine Macht zu einer Weltordnung des Friedens und zu einem einzigen, unauflöslichen Ringe zusammengeschlossen. In den beiden Jahrhunderten seit dem Tode des ersten Cäsar stiegen die Einkünfte des Reichs ungemein, und in einem langen und festbegründeten Frieden gelangte alles zu sicherem Wohlstand. Berg und Tal waren bebaut, alle Meere von Schiffen erfüllt, die die Erzeugnisse der Länder gegeneinander austauschten. Nirgends gab es Kriege und Schlachten, große Räuberhorden und Piratenflotten, sondern zu jeder Jahreszeit konnte man wandern und schiffen vom Anfang bis zum Niedergang. So war der Erdkreis durch die Majestät der römischen Herrschaft vereint, Rom war für die Menschheit ein heiliger Herd, ein ewiges Lebensprinzip, ein Anker in Sturm und Brandung; es war der Welt von den Göttern gleichsam als ein neues Leben geschenkt worden, und die Völker stimmten wohl in ihrer Mehrheit in das Gebet ein, daß dies Geschenk ein ewiges sein möchte.
Noch enthusiastischer als diese gelegentlichen Äußerungen des alexandrinischen Juden Philo, des alexandrinischen Griechen Appian, der Philosophen Plutarch aus Chäronea und Epictet aus Hierapolis in Phrygien, des römischen Ritters Plinius lautet, was der Smyrnäer Aristides in einer Prunkrede auf die römische Weltherrschaft schrieb. Die ganze Erde hat ihre alte Tracht, das Eisen, abgelegt und erscheint nun im Festgewande. Jetzt können Hellenen und Barbaren außerhalb ihres Landes überallhin wandern und ihr Eigentum mit sich führen, als wenn sie aus einer Heimat in die andre gingen, und weder die cilicischen Pforten sind jetzt furchtbar, noch die schmalen und sandigen Wege durch Arabien nach Ägypten, nicht ungangbare Gebirge, nicht untermeßliche Ströme, nicht unzugängliche Barbarenstämme; zur Sicherheit genügt es Römer zu sein, oder vielmehr euer Untertan. Das Homerische »die Erd' ist allen gemeinsam« habt ihr zur Wirklichkeit gemacht. Ihr habt die ganze Erde vermessen, die Ströme habt ihr überall überbrückt, Fahrwege in die Berge gehauen, die Wüsten mit Nationen gefüllt und alles durch Ordnung und Zucht veredelt. Jetzt bedarf es keiner Weltbeschreibung mehr, noch ist es nötig, die Sitten und Gesetze der einzelnen Völkerschaften aufzuzählen; ihr seid die Führer für alle in der ganzen Welt geworden, habt all' ihre Tore aufgetan und jedem die Freiheit gegeben, alles mit einen Augen zu sehen. Ihr habt allen gemeinsame Gesetze gegeben, die früheren, in der Erzählung ergötzenden, in der Wirklichkeit unerträglichen Zustände aufgehoben und durch die Vermählungen der Völker untereinander die Welt gleichsam zu einer Familie gemacht. Auch diese Rede schließt mit dem Gebet, »daß diese Stadt und dieses Reich blühe in Ewigkeit und nicht aufhöre, bis Eisen auf dem Meere schwimmen wird und die Bäume im Frühling nicht mehr blühen«. Nicht minder enthusiastisch wird in einer Rede auf einen der Kaiser der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts (Opellius Macrinus oder Philipp den Araber) die Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs im ganzen römischen Reich und die Zugänglichkeit der ganzen Welt gepriesen: können nicht alle unbesorgt gehen, wohin sie immer wollen? Sind nicht alle Häfen überall voll Geschäftigkeit, haben nicht die Gebirge dieselbe Sicherheit für die Wanderer wie die Städte für ihre Bewohner, hat nicht Anmut alle Gefilde erfüllt, ist nicht die Furcht überall gelöst? Welche Bahnen der Ströme sind für den Übergang gehemmt, welche Furten des Meeres geschlossen?
Auch die Christen verkannten die Leistungen der damaligen Kultur, der sie abhold oder feindselig gegenüberstanden, für die materielle Wohlfahrt des römischen Reichs keineswegs. Die Welt, so schrieb um die Wende des 3. Jahrhunderts der Afrikaner Tertullian, ist kultivierter und reicher ausgestattet als ehedem. Alles ist bereits zugänglich, alles bekannt, alles vom Verkehr erfüllt. An die Stelle der einst berüchtigten Einöden sind die lachendsten Kulturen getreten, Kornfelder haben die Wälder, Herden die wilden Tiere verdrängt, Sandwüsten werden bepflanzt, Felsen durchbrochen, Sümpfe getrocknet; schon gibt es so viel Städte wie einst nicht einmal Hütten. Die Inseln starren nicht mehr in Unfruchtbarkeit, die Klippen schrecken nicht mehr, überall ist Anbau, Bevölkerung, staatliche Ordnung, Leben. Ja Tertullian glaubte, daß bereits Überbevölkerung das Dasein zu erschweren beginne, und daß man Hungersnot, Seuchen und zerstörende Naturereignisse als Mittel dagegen zu betrachten habe.
So überschwenglich die angeführten Äußerungen klingen, so war doch eine hohe Bewunderung, wenn für irgendeine Schöpfung des Römertums, vor allem für seine Organisation des Verkehrs berechtigt. Die Herrlichkeit des gewaltigen Straßensystems, welches das ganze Reich umspannte, ist in der Tat über jedes Lob erhaben; und »seine großartigen Spuren verkünden noch heute oft in weit entlegenen Einöden unter Gräberresten und Dorngestrüpp, in der Sierra Morena, in der Eifel, in Schottland und Siebenbürgen, am Euphrat und an der großen Syrte Afrikas dem forschenden Wanderer in unvertilgbaren monumentalen Zügen die Größe des römischen Namens«. »Dieses planmäßig ausgeführte Netz geregelter Straßenanlagen beförderte die allgemeine Sicherheit, erleichterte den Ackerbau, garantierte den Reisenden ein sicheres und bequemes Fortkommen, gewährte dem Handelsverkehr die unberechenbarsten Vorteile, schützte den Frieden des Reichs, ermöglichte den geordneten Gang der großen Verwaltungsmaschine, rief Ansiedlungen hervor und begünstigte auf das wirksamste die Entwicklung der Kultur.« Nur dadurch, daß nicht allein diese die ganze alte Welt umfassenden Riesenbauten untergegangen, sondern auch der Begriff einer so vollkommenen und ununterbrochenen Kommunikation der neueren Zeit völlig verlorengegangen war, erklären sich manche auf völliger Verkennung der römischen Kultur beruhende, früher verbreitete Irrtümer, namentlich daß Reisen auch im späteren Altertum selten gewesen seien.
Allerdings darf man nicht glauben, daß die römischen Straßen, auch nur der großen Mehrzahl nach, der ältesten und berühmtesten, der von Appius Claudius im Jahre 312 v. Chr. bis Capua geführten Via Appia glichen. Diese »Königin der Straßen« erregte im 6. Jahrhundert n. Chr. das Staunen des byzantinischen Geschichtsschreibers Procopius, der sie höchst sehenswürdig nennt. Sie war breit genug für zwei sich begegnende Wagen und aus einem Stein erbaut, der sonst zu Mühlsteinen genommen und in der Gegend nicht gefunden wurde. Die glatt und scharf behauenen Steine waren ohne Metall oder andre Bindemittel so genau ineinandergefügt, daß sie zusammengewachsen zu sein schienen. Und trotz eines vielhundertjährigen Verkehrs von Wagen und Tieren zeigte der Fahrdamm nirgends Fugen oder schadhafte Stellen, ja hatte nicht einmal den Glanz der Politur verloren. Noch heute weist sein oft streckenweise bloßgelegtes Pflaster von Basaltpolygonen zum Teil das festeste Gefüge auf. Übrigens kostete die römische Meile Chaussee (zwischen Benevent und Aeclanum, unter Hadrian) etwa 100.000 Sesterzen (21.750 Mark).
Aus der Beschreibung des Procopius geht hervor, daß die für zwei Wagen ausreichende Breite der Appischen Straße mindestens keine gewöhnliche war. Die Breite ihres Fahrdamms schwankt zwischen 4,25 und 4,30 m; bei einem großen, wenn nicht dem größten Teil der römischen Straßen war sie also geringer. Man reiste viel zu Pferde, und die zweirädrigen Wagen, deren man sich meistens bediente, mögen eine geringe Spurweite gehabt haben. In Italien betrachtete man noch im 15. und 16. Jahrhundert die Anlegung von Straßen »von der Breite einer Kutsche« als namhaften Fortschritt, und die ersten Fürsten, die solche bauen ließen, waren Emanuel Philibert von Savoyen, Cosimo de'Medici und Gregor XIII. Immerhin kann, wie bemerkt, die Lebhaftigkeit des Verkehrs auf den schmalen Straßen der Römerzeit auch nicht annähernd die des heutigen in Mitteleuropa erreicht haben.
Noch mehr als durch ihre Breite dürfte sich die Via Appia durch ihre kunstvolle und bis zur Unzerstörbarkeit dauerhafte Pflasterung vor der großen Mehrzahl der römischen Straßen ausgezeichnet haben. Ein großer Teil von ihnen war überhaupt nicht gepflastert, sondern nur mit Kies belegt.
In dem großen Kommunikationssystem des römischen Reichs lassen sich fünf Hauptstränge erkennen, die von Rom nach verschiedenen Richtungen auslaufen. Der erste, der Rom mit dem Süden verband, lief auf der Via Appia bis Capua, von da über Forum Popili und Thurii nach ad Columnam (ad Traiectum), von wo die Überfahrt (etwa 10 km) nach dem gegenüberliegenden Messana in etwa einer Stunde erfolgte. Von hier lief eine Straße die Nordküste Siciliens entlang über Palermo nach dem sehr lebhaften Hafen von Lilybäum in der Nähe des heutigen Marsala (etwa 380 km), wo man sich nach Karthago einschiffte; die Überfahrt (rund 250 km) erforderte 24 Stunden und darüber. In der günstigen Jahreszeit zog man wohl die Seereise von Portus Augusti an der Tibermündung oder von Puteoli nach Karthago (970, bezw. 790 km) vor. Karthago war durch eine westliche Hauptstraße mit Tingi (Tanger) verbunden, von wo die Überfahrt nach Baelo (Bolonia) in Spanien (40 km) etwa 4 Stunden dauerte; durch eine östliche mit Alexandria, von wo über die Landenge von Suez die Verbindung mit Asien auf der Hauptstraße nach Antiochia stattfand. Ferner konnte man von Alexandria sowohl auf dem Nil als auf zwei zu beiden Seiten den Strom entlang laufenden Straßen bis Hiera-Sykaminos (Maharraka) an der Grenze Äthiopiens gelangen. Auf dem rechten Ufer bildete Koptos (Kuft) einen wichtigen Knotenpunkt, von dem sich Straßen nach den beiden Haupthäfen des arabisch-indischen Handels am Roten Meer, Myoshormos (Maushafen) und Berenice abzweigten.
Auch für die Verbindung Roms mit dem Osten diente zunächst bis Capua die Appische Straße, von wo man auf zwei Wegen nach Brundisium (Brindisi) gelangte. Die Überfahrt von hier nach Dyrrhachium (Durazzo) oder Aulona (Valona) – 180 km – dauerte etwa 24 Stunden. Von Dyrrhachium führte die große Egnatische Straße quer durch Macedonien und Thracien nach Byzanz-Konstantinopel (1130 km); von ihr zweigten sich zwei das nördliche Griechenland auf der Ost- und Westseite durchschneidende Straßen ab, die in Athen zusammenliefen. In Thracien führte von der Egnatischen Straße ein Seitenweg nach Calliupolis (Gallipoli) auf dem Thracischen Chersones. Die Überfahrt von hier über den Hellespont nach Lampsacus (iokm) dauerte wenig über eine Stunde. Von Lampsacus führte die Hauptstraße, »das eigentliche Industrie- und Handelsgebiet Asiens durchschneidend, seine uralten Kulturstätten berührend«, nach Antiochia (von Konstantinopel etwa 1100 km), und von hier liefen Straßen sowohl östlich zum Euphrat als südlich durch Syrien und Palästina »in einer damals höchst blühenden Gegend über volkreiche und berühmte Städte« und weiter über die Landenge von Suez nach Alexandria, wo die östliche afrikanische Hauptstraße einmündete.
Mit dem Norden hatte Rom eine dreifache Verbindung. Die Flaminische, in ihrem Anfange dem heutigen Korso entsprechende, bei Ponte Molle den Tiber überschreitende Straße ging über Narni und Spoleto bis Ariminum (Rimini), von wo die Via Aemilia über Bologna, Modena, Parma, Piacenza nach Mediolanium (Mailand) führte (433 Mill. = 650 km). In Modena zweigte sich jedoch schon die Straße nach Norden ab, welche in Verona auf die nördlich vom Po und parallel mit ihm von Mailand nach Aquileja (über Bergamo, Brescia, Verona und Vicenza) führende Straße stieß. In der Regel ging der schnelle Verkehr von Rimini nach Aquileja längs der Küste auf Ravenna, dann zu Wasser über die sogenannten sieben Meere (die Polagunen) nach Altinum, einem Hauptstapelplatz der italienischen Waren für den Verkehr mit dem Norden, von welcher einst sehr blühenden Stadt nur noch kümmerliche Reste unter dem Wasser der Lagunen in der Nähe von Venedig zu sehen sind; sodann von Altinum nach Aquileja, dem Zentralpunkt für den gesamten Verkehr Italiens mit dem Donaugebiet. Von Aquileja führten Straßen in Istrien bis Pola, durch Dalmatien bis Durazzo, ferner nordwestlich durch die Karnischen Alpen bis Vipitenum (Sterzing im Wiptal), wo diese Straße in die von Verona nach Veldidena (Wilten bei Innsbruck) und Augusta Vindelicorum (Augsburg) führende mündete; endlich nordöstlich über Emona (Laibach), Poetovio (Pettau), Savaria (Stein am Anger), Scarabantia (Ödenburg) nach der Donaustadt Carnuntum (Petronell, gegenüber dem Einflusse der March unweit Hainburg). Von hier gelangte man donauaufwärts über Vindobona (Wien) und Lauriacum (Lorch bei Enns) nach Castra Regina (Regensburg) und donauabwärts über Brigetio (O-Szöny) nach Aquincum (Alt-Ofen). Die große Straße von Aquileja nach Konstantinopel führte über Siscia (Sissek), Sirmium (Mitrowitsch), Serdica (Sofia), Philippopel und Adrianopel (1128 Millien = 1700 km). Von Konstantinopel fand die Überfahrt über den Bosporus nach Chalcedon statt, von wo eine Hauptstraße über Nicomedia, Nicäa und Ancyra mit mannigfachen Abzweigungen in das Innere Kleinasiens führte.
Die zweite nördliche Hauptstraße Italiens, die Aurelische, lief längs der Westküste über Centumvellä (Civita Vecchia), Pisa, Luna (östlich von Spezia) nach Genua und weiter (als Via Julia Augusta) über die Paßhöhe, wo der Name des 7 oder 6 v. Chr. nach Unterwerfung der Alpenstämme errichteten Siegesdenkmals ( Tropaea Augusti) sich im heutigen Turbia erhalten hat, nach Nicäa (Nizza) und über Massilia (Marseille) bis Arelate (Arles). Von hier gelangte man nach Narbo Martius (Narbonne) und weiter auf zwei Straßen nach Tarraco (Tarragona), nämlich durch den Pyrenäenpaß des Col de Pertus und über Barcino (Barcelona) oder weiter westlich durch den Paß von Puycerda und über Herda auf der von Augustus benannten und teilweise regulierten, teilweise neu angelegten durchgehenden Reichsstraße, welche südlich von Tarragona bei Dertosa (Tortosa) den Ebro überschritt und an der Ost- und Südküste Spaniens bis Gades lief.
Endlich bildete den wichtigsten Ausgangspunkt für den Verkehr mit dem Norden und Westen das mit Rom, wie bemerkt, durch die Flaminische und Ämilische Straße verbundene Mailand, von wo die meisten Alpenstraßen ausliefen, deren Bau Augustus seit dem Jahre 15 v. Chr. eifrig förderte, und die unter seinen Nachfolgern immer zahlreicher wurden. Die drei wichtigsten waren im Westen über die Alpis Cottia (Mont Genèvre), Graia und Poenina (Kleinen und Großen St. Bernhard); der Mont Cenis scheint im Altertum keine Bedeutung gehabt zu haben. Ob es eine römische Straße über den Simplon gab, ist zweifelhaft; wurde eine solche in der späteren Kaiserzeit gebaut, so hat sie nur dem lokalen Verkehr gedient. Für die Benutzung des St. Gotthard »war die Schöllenenschlucht noch ein unüberwindliches Hindernis«, als gangbar wird er zum erstenmal 1236 erwähnt. Von den Bündner Pässen benutzten die Römer den Splügen und den Julier, der Weg über den ersteren (vielleicht nur ein Saumpfad) hielt sich auf der sonnigen Höhe des linken Ufers und trat nicht in die Schlucht der Via Mala ein. In Tirol führte die älteste, 15 v. Chr. von Trient nordwärts geführte, später die Claudische genannte Staatsstraße durch die Reschenscheideck; die erste inschriftliche Erwähnung der direkten Brennerstraße stammt aus dem Jahr 195 n. Chr.
Fahrbar waren von den (im ganzen 17) römischen Alpenstraßen im Westen (außer der durch die Seealpen führenden) die von Augustus »mit monumentalen Brücken, Felsdurchsprengungen und sorgsamsten Unterbauten« über den Mont Genèvre gelegte und die über den Kleinen St. Bernhard; im Zentrum mindestens die über den Julier und Brenner, im Osten die über die Ocra (Birnbaumer Wald), den niedrigsten Alpenpaß (520 m), über welchen schon in Strabos Zeit die Waren auf Frachtwagen von Aquileja nach Nauportus (Oberlaibach) gingen, um von dort bis zur Donau verschifft zu werden, sowie die über eine ebenfalls niedrige Paßhöhe von Aquileja nach Tarsatica bei Fiume am Golf von Quarnero. Über den zu Strabos Zeit für Fuhrwerke noch unzugänglichen Großen St. Bernhard muß später eine, wie jetzt zwei, bezw. drei Stunden unter der Paßhöhe endende Fahrstraße geführt worden sein, da er 69 n. Chr. sogar zur Winterszeit von Legionen überschritten werden konnte. Ebenso wie die durch Tirol führende Claudische Straße war dieser Weg im Jahre 47 instand gesetzt und mit Meilensteinen versehen worden. »Es kann mit allem Fug bezweifelt werden, ob die Alpen in ihrer Gesamtheit zu irgendeiner Zeit bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in gleichem Maße erschlossen und zugänglich gewesen sind wie unter der Herrschaft der römischen Kaiser«. In der Anlage der Alpenstraßen haben die römischen Ingenieure große Umsicht bewiesen. Von der über den Julier führenden sind einzelne Stücke vortrefflich erhalten, welche auf beiden Seiten nach der Schnur gelegte, meist sehr große Randsteine zeigen und die Wölbung des 2,8-3,5 m breiten Fahrdamms sehr wohl erkennen lassen. Die kunstgerecht ausgeglichene Steigung erhebt sich nicht über 15 Prozent. Die sehr schönen und weiten Kehren lassen an der Fahrbarkeit der Straße keinen Zweifel.
Trotz alledem kann der Wagenverkehr in den Alpen nur ein verhältnismäßig beschränkter gewesen sein, schon wegen der Schmalheit der Straßen, deren besteinte Fahrdämme nur 2-3,5, zuweilen nur 1,5 m breit sind. Nur einem Wagen und einem Maultiergespann, sagt der Kaiser Julian, gestatten die schroffen Felswände dort den Übergang zu erzwingen. Ebenso auffallend wie die Schmalheit der römischen Alpenstraßen ist ihre Steilheit: so z. B. erstieg die antike Straße den Malojapaß (1811 m) in 3 Kurven, die spätere brauchte deren 9, die heutige 22. Außer der Zeit von Mai bis September, in welcher die meisten Pässe schneefrei waren, müssen Alpenfahrten immer mit größeren oder geringeren Schwierigkeiten und Gefahren verbunden gewesen sein. Ammian schildert, wie im Frühling auf der steil abfallenden, durch Schneewasser überschwemmten und schlüpfrig gemachten Straße des Mont Genèvre Menschen, Tiere und Fuhrwerke ausglitten und stürzten: die Wagen wurden hinten an starken Stricken von Menschen und Ochsen zurückgehalten, um ein zu schnelles Hinabgleiten zu verhindern. Im Winter, wo alles mit Schnee und Eis bedeckt war, steckte man Stangen auf, um den Weg kenntlich zu machen und vor den überschneiten Abgründen zu warnen; waren auch diese Signale unter dem Schnee begraben oder von Wildbächen umgerissen, so ließen die Reisenden Führer vorausgehen. Noch größere Gefahren boten (auch abgesehen von den Lawinen, die oft ganze Karawanen begruben) die schmalen Saumpfade, die vielfach so hart am Rande des Abgrundes hinführten, daß ein Fehltritt unfehlbar den Sturz zur Folge hatte; Fußgänger und fremde Saumtiere wurden vom Schwindel ergriffen, die einheimischen trugen ihre Lasten sicher hinüber.
Die sehr belebte Straße über Segusio (Susa) und den Mont Genèvre war der kürzeste Weg von Mailand nach Arles (rund 600 m); über Augusta Praetoria (Aosta) und den Kleinen St. Bernhard gelangte man nach Vienne (460 km); zuerst bis Darantasia (Moutiers-en-Tarantaise) auf derselben Straße, dann über Genava (Genf) und Vesontio (Besangon) nach Argentorate (Straßburg) (820 km); von Aosta über den Großen St. Bernhard, Octodurum (Martigny), Viviscus (Vevey), Augusta Rauracorum (Basel-Augst) nach Straßburg und von dort über Noviomagus (Speier) und Borbetomagus (Worms) nach Mogontiacum (Mainz), Mailand–Mainz etwa 630 km; über den Splügen nach Brigantium (Bregenz) und von dort sowohl nach Basel als nach Augsburg; endlich von Verona über den Brenner, Witten und Parthanum (Partenkirchen) nach Augsburg (410 km). Von Augsburg führten Straßen weiter nach Regensburg, östlich nach Lorch bei Enns, wo die Straße von Wien her mündete, und westlich bis zum Neckar: von Mainz nach Augusta Treverorum (Trier) und Colonia Agrippina (Köln) und weiter über Noviomagus (Nimwegen) und Traictum (Utrecht) nach Lugdunum Batavorum (Leyden); ferner westlich nach Durocortorum (Reims). Reims war mit Lugdunum (Lyon), dem Zentralpunkt der südlichen, und Cenabum (Orleans), dem der westlichen Verkehrsadern Galliens, ferner mit Lutetia (Paris) und Rotomagus (Rouen) verbunden, ebenso Lyon mit Straßburg und Burdigala (Bordeaux), wo die westlichen Pyrenäenstraßen mündeten. Die große Straße nach Britannien führte von Reims über Suessiones (Soissons) und Ambiani (Amiens) nach Gesoriacum (Boulogne), von wo die Überfahrt nach Rutupiä (Richborough) – 80 km – 8-9 Stunden erforderte. Auch Britannien erhielt als römische Provinz ein Straßennetz, das die Hauptpunkte, namentlich Camulodunum (Colchester), London und Eboracum (York) miteinander und mit den Häfen verband und über den Hadrianswall zum Wall des Antoninus Pius, der Nordgrenze des römischen Reichs, sich erstreckte.
Eine zuverlässige Schätzung der Gesamtlänge aller römischen Hauptstraßen (soweit sie mit den vorhandenen Mitteln möglich ist, existiert noch nicht. Die um das Jahr 333 n. Chr. für Pilger aus Bordeaux nach dem heiligen Lande verfaßte Reiseroute (über Arles, Mailand, Aquileja, Konstantinopel, Nicomedia, Ancyra, Tarsus, Antiochia, Tyrus, Cäsarea, Jerusalem usw.) ergibt eine Entfernung von ungefähr 5100 km. Eine Reise im größten Längendurchmesser vom Hadrianswall bis zur Grenze Äthiopiens (Hiera-Sykaminos) würde etwa 7500 km lang gewesen sein. Auf einer Rundreise von Alexandria aus über Leptis, Karthago, Cäsarea, Cadix, Cordova, Barcelona, Lyon, Reims, Boulogne, Dover, London, die schottische Grenze, zurück nach Dover, Leyden, Köln, Mainz, Straßburg, Mailand, Verona, Aquileja, Sofia, Konstantinopel, Nicomedia, Ancyra, Antiochia und Alexandria würde man etwa 13.680 km zurückgelegt haben.
Eine Vergleichung der Straßenverbindungen in den Mittelmeerländern sowie den Ländern an der unteren Donau während der späteren römischen Kaiserzeit mit denen, die dort etwa zu Anfang des 19. Jahrhunderts bestanden, würde (vielleicht mit Ausnahme von Nord- und Mittelitalien) sehr zum Nachteile der letzteren Zeit ausfallen. Am größten ist der Rückschritt hierin wie in der Kultur überhaupt auf dem ganzen ungeheuren Gebiete, das infolge der Herrschaft des Islams völlig in die Barbarei zurückgefallen ist, und das bis auf die neueste Zeit Verbindungen durch Kunststraßen so gut wie ganz entbehrt hat.
An Afrika, dessen große Küstenstraße von Tingi (Tanger) über Karthago nach Alexandria bereits erwähnt ist, besaß das östliche Mauretanien ein dichtes Straßennetz mit dem Knotenpunkt Sitifis (Setif); desgleichen Numidien, wo Cirta (Constantine) im NW., Theveste (Tebessa) im SO. die Knotenpunkte waren, und Afrika Proconsularis, wo die Hauptlinien in Karthago, Hadrumetum (Susa) und Thaenae (Thine) zusammenliefen. In den beiden letzteren Provinzen reichten die Straßenzüge tief ins Innere. In Numidien war der Djebel Aures auf allen Seiten von Straßen umzogen, welche das an seinen nördlichen Ausläufern gelegene Lambaesis (Lambessa) über Bescera (Biscra) mit den Oasen am Rande der Wüste verbanden. Als General Saint-Arnaud 1850 dort das von den Eingebornen als ungangbar geschilderte Defilé von Kanga passierte, schmeichelte er sich, der erste zu sein, der es betrete. Doch eine in der Mitte des Engpasses in den Fels gehauene Inschrift belehrte ihn, daß 145 n. Chr. eine Abteilung der dritten Legion hier eine Straße hergestellt hatte. Auf dem Wege nach der Oase El Kantara überschreitet man noch heute den Wad Brenis, der sich durch eine Felsschlucht gewaltig schäumend Bahn bricht, auf einer Römerbrücke. Zum größten Teil waren die Straßen in diesen Provinzen von den Kaisern gebaut, z. B. die von Theveste nach Karthago von Hadrian 123; am meisten geschah seit dem Anfange des 3. Jahrhunderts. Die Bauten wurden von Soldaten ausgeführt. Aber auch Straßen, die von Stadtgemeinden angelegt waren, sind sehr zahlreich nachweisbar, und nicht bloß bei Hauptorten. Zur Sicherung des Verkehrs wurden an geeigneten Stellen Burgen errichtet und Posten ausgestellt. In der Regentschaft Tunis kannte man bis zur Zeit des französischen Protektorats außer 3 oder 4 kurzen Straßen nur Saumpfade; Marokko hat überhaupt keine Straßen.
Von den römischen Straßen in Ägypten, Vorderasien und der europäischen Türkei ist zum Teil schon die Rede gewesen. Zu den wichtigsten Straßen des römischen Reichs gehörte die von Sirmium (Mitrowitza) über Singidunum (Belgrad) und Serdica (Sofia) nach Konstantinopel führende (über 1000 km). Noch immer tritt in unbebauten Gegenden ihr festes Gefüge klar hervor, während in der Nähe größerer Städte und in dichter bevölkerten Landschaften ihre Reste als Steinbruch benutzt und so rasch zerstört werden. »Lateinerweg« heißt sie in der Gegend von Nisch (Naissus), »Trajansweg« in der von Sofia und anderen. Die Einwohner von Ichtiman erzählen, der gepflasterte Weg sei in alten Zeiten für eine Kaisertochter errichtet worden, damit sie nicht auf den bloßen Erdboden trete. Auf der Strecke von Philippopel nach Adrianopel scheinen sie die Kreuzfahrer zu Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts noch begangen zu haben. Auch von der auf der Peutingerschen Tafel verzeichneten Römerstraße von Philippopel über den mittleren Hämus nach Nova (Svistov) läßt sich das Pflaster noch gut verfolgen.
Griechenland, das im Jahre 1833 noch keine einzige Fahrstraße besaß, hatte auch im Altertum den Straßenbau (sowie den Bau der Kloaken und Wasserleitungen) um so mehr vernachlässigt, als die Küstenschiffahrt den Mangel der Verbindungen zu Lande einigermaßen ersetzen konnte. Den Römern verdankte es nicht bloß die beiden oben erwähnten großen Straßen im Norden; Hadrian verband diesen auch mit dem Peloponnes durch eine für Lastwagen fahrbare Kunststraße, die er aus dem gefährlichen Saumpfade an den skironischen Klippen mit Überwindung ungeheurer Terrainschwierigkeiten schuf. Übrigens ist allerdings in dieser sehr verödeten Provinz für Straßenbau in der Kaiserzeit so gut wie nichts geschehen.
Auch in Italien hat mindestens der Süden eine Straßenverbindung, wie er sie im Altertum besaß, erst vor nicht langer Zeit wiedererhalten. Im ehemaligen Königreich Neapel war diese noch im Laufe des 19. Jahrhunderts äußerst unvollkommen, namentlich fehlte es an Brücken; in der Basilicata verirrte sich im Jahre 1846 der König von Neapel auf einer militärischen Promenade mit vielen Tausenden seiner Getreuen in den dortigen Tälern, Wäldern und Schluchten dermaßen, daß man 14 Tage lang in der Hauptstadt nichts von ihm erfuhr. Sicilien, wo 1872 auf den Quadratkilometer 0,09 km Straßen kamen, wo das Reisen im Innern noch vor nicht so langer Zeit mit großen Schwierigkeiten verbunden war und die verheerenden (im Altertum unbekannten) Fiumaren zu langen Umwegen nötigten, hatte unter den Römern ein Straßennetz von einer Gesamtlänge von über 1000 Millien (1500 km); nicht nur alle Punkte der Küste waren miteinander, sondern außerdem auch Girgenti mit Palermo, Syrakus mit Catania und das letztere über Termini mit Palermo verbunden. Die Straßen Sardiniens, wo jetzt im Innern der Wanderer einen Viandante braucht, der ihn durch die Wildnis sicher von Ort zu Ort geleitet, hatten im ganzen eine Ausdehnung von über 1000, die Corsikas, wo sich die römische Herrschaft auf die Ostküste beschränkte, gegen 100 Millien.
In Spanien liefen von der oben erwähnten, an der Ost- und Südküste von Barcelona nach Cadix geführten Straße nach allen Richtungen Seitenstraßen aus. Im Süden waren namentlich Hispalis (Sevilla) und Cordova, im Norden Caesaraugusta (Saragossa) und Asturica (Astorga), im Westen Augusta Emerita (Merida) die Hauptpunkte des dichten Straßennetzes. Über Merida ging (wie noch heute) die Hauptverbindung mit Lusitanien bis Olisipo (Lissabon), von dort nördlich weiter nach Aeminium (Coimbra) und Bracara Augusta (Braga). Eine prächtige, bei Calzada de Oropesa anhebende römische Kunststraße (wohl sicher ein Stück der Straße von Toledo nach Merida) erregte 1806 die Bewunderung J. G. Rists: »Sie kontrastierte seltsam mit der öden Leere dieser ganzen Gegend, ihre Schönheit und Dauer deuteten auf eine glücklichere Zeit.« Wenn man dagegen Spanien um das Jahr 1830 durchreiste, so fand man nur die großen Routen von Madrid nach Bayonne, Saragossa, Barcelona, Valencia, Sevilla und Lissabon und einige wenige Provinzialstraßen, wie von Valencia über Barcelona nach Perpignan, von Burgos nach Valladolid, für vierrädrige Wagen passierbar; alles übrige lag wie völlige Wildnis da. Von Madrid nach Toledo, der einzigen größeren Stadt im Umkreise von 25 Meilen, hatte man zwar eben eine öffentliche Fahrgelegenheit eingerichtet, aber die Wagen mußten fast die ganze Strecke querfeldein passieren, ohne die Spur von einer Straße zu berühren.
Bei der großen Lebhaftigkeit des Verkehrs im römischen Reich mußten Wegekarten und Stationenverzeichnisse, auf denen Richtungen der Straßen, Entfernungen, Haltestellen und Nachtquartiere angegeben waren, zu einem allgemein empfundenen Bedürfnisse werden. Daß solche Verzeichnisse sehr verbreitet waren, darauf läßt eine zufällige, im Jahre 1852 gemachte Entdeckung schließen. Auf dem Grunde der Bäder von Vicarello am Lago die Bracciano fand man unter anderm vier Silbergefäße in Form von Meilensäulen, auf denen die vollständige Reiseroute von Gades nach Rom mit Angabe aller Stationen und Entfernungen eingraviert war. Offenbar haben diese aus verschiedenen Zeiten herrührenden Gefäße Spaniern gehört, die in den Bädern von Vicarello Heilung suchten und nach antiker Sitte die heilende Quelle durch eine fromme Gabe ehren wollten. Daß die Gefäße aus verschiedenen Zeiten herrühren, läßt eine fortgesetzte Fabrikation vermuten, und schwerlich war doch Spanien die einzige Provinz, wo man dergleichen verfertigte. Auch wäre die für den Luxus arbeitende Industrie kaum darauf verfallen, Stationsverzeichnisse an Silbergefäßen anzubringen, wenn nicht das Bedürfnis, sie bei sich zu führen, ein sehr allgemeines gewesen wäre. Vielleicht haben diese Verzeichnisse auch öfters Nachrichten über Sehenswürdigkeiten und Merkwürdigkeiten, historische und andre Notizen zum Gebrauch der Reisenden nach Art neuerer Handbücher enthalten, wenn auch nur kurze. Wenigstens enthält die oben erwähnte um 333 n. Chr. für Pilger nach dem heiligen Lande abgefaßte Reiseroute von Bordeaux nach Jerusalem nicht bloß sehr zahlreiche Angaben über Ereignisse aus der heiligen Geschichte, die sich an den einzelnen Orten zugetragen haben, und über Erinnerungen und Denkmäler aus jenen Zeiten (besonders ausführlich bei Jerusalem und der Umgegend), sondern einige historische, naturwissenschaftliche und andre Notizen: so bei Bordeaux, daß sich die Ebbe und Flut in der Garonne ungefähr 100 Leugen (222 km) weit bemerkbar machte; bei Viminacium (östlich von Belgrad), daß Diocletian dort den Carinus tötete; bei Libissa (Djebize in der Nähe von Nicomedia in Bithynien), daß dort der afrikanische König Annibalianus (gemeint ist Hannibal) begraben war; bei der Station Andavalis (bei Tyana), daß von da Rennpferde kamen; bei Tyana, daß von hier der Zauberer Apollonius gebürtig war (wie auch Pella als Geburtsort Alexanders des Großen bezeichnet ist); bei der Station des Euripides, daß hier das Grab des Dichters war; bei Cäsarea in Palästina, daß 3 Meilen entfernt der Berg Syna war und dort eine Quelle, welche die Fruchtbarkeit der Frauen beförderte. Einiges wenige der Art enthält auch das sogenannte Stationsverzeichnis des Antoninus (aus Diocletians Zeit), wo bei der Aufzählung der griechischen Inseln die in den Götter- und Heroensagen dorthin verlegten Ereignisse erwähnt werden.
Die von Augustus geschaffene Staatspost war nicht für den Personen- und Briefverkehr des Publikums und eine daraus zu ziehende Staatseinnahme eingerichtet, sondern allein für die Beförderung der Regierungsdepeschen und der Beamten. Jene erfolgte durch militärische Kuriere; für die reisenden Beamten waren die Stationen in mutationes (Umspannungen) und mansiones (Nachtquartiere) eingeteilt. Man gab die Entfernungen auch nach der Zahl der letzteren an, die durchschnittlich etwa 25 Millien (37 km) auseinander gelegen zu haben scheinen; nach einer in Asolo bei Treviso gefundenen Inschrift z. B. war eine Witwe aus Gallien 50 Mansionen weit dorthin zu dem Grabe ihres Mannes gekommen; also, da von Bordeaux bis Aquileja etwa 40 Mansionen waren, aus dem nördlichen oder nordwestlichen Gallien. Auf den Mansionen wurden mit der Zeit für den Gebrauch der Statthalter und Kaiser palatia oder praetoria errichtet. Privatpersonen wurde der Gebrauch der Staatspost in den Provinzen eine Zeitlang durch besondere Bevollmächtigung des Statthalters ( diploma), später nur vom Kaiser selbst nach genauen, darüber erlassenen Bestimmungen gestattet. Die Kosten der Posthalterei fielen anfangs überall den angrenzenden Ortschaften ohne Entschädigung zur Last, bis zuerst Nerva Italien hiervon befreite; in den Provinzen hat erst Septimius Severus die Kosten des Postwesens auf den Fiskus übernommen, obwohl bereits Hadrian dasselbe zu einem Staatsinstitut gemacht hatte. Trotzdem ist es für die Provinzialen stets eine drückende Last geblieben. Mit der Reform Hadrians war auch die Einsetzung von Rittern an der Stelle von Freigelassenen als Direktoren des Postbureaus in Rom ( praefecti vehiculorum) mit einem Gehalt von 100.000 Sesterzen (21.750 Mark) verbunden; Unterdirigenten für bestimmte Distrikte, mit einem Gehalt von 60.000 Sesterzen (13.050 Mark), welche die Leitung des Postverkehrs in mehreren aneinander grenzenden Provinzen hatten, scheinen erst von Septimus Severus eingesetzt worden zu sein. Im 4. und 5. Jahrhundert war der Postdienst ein dreifacher. Die Depeschen besorgten Kuriere, welche außer dem Pferde, das sie selbst ritten, ein Handpferd mit dem Felleisen führten. Die Beförderung der Personen geschah auf Eilwagen ( raedae), welche mit Maultieren, der Transport von Kriegsmaterial und Gütern auf Packwagen, die mit Ochsen bespannt waren. Außerdem dienten nicht bloß Flußschiffe zur Brief- und Personenbeförderung, sondern auch in den hauptsächlichsten Seehäfen müssen stets Postschiffe bereit gelegen haben. Wir kennen aus einer Inschrift einen Freigelassenen des Hadrian als Prokurator der Briefbestellung durch die in Ostia stationierten Postschiffe ( naves vagae).
Die Staatspost, bei welcher wie bei vielen andern Einrichtungen des Kaiserreichs ein altpersisches Institut das Vorbild gewesen war, diente also dem Privatverkehr so gut wie gar nicht. Doch nachdem die öffentlichen Einrichtungen für einen fortlaufenden regelmäßigen Verkehr einmal getroffen waren, konnte es nicht fehlen, daß sich Privatunternehmungen überall anschlossen, wo das Bedürfnis vorhanden war, so daß wenigstens in größeren Orten an den Hauptstraßen die Mittel zur Beförderung gewiß leicht beschafft werden konnten. Spuren von der Organisation dieses Privatfuhrwesens haben sich wenigstens in Italien erhalten. Die Vermieter von vierrädrigen ( readae) und zweirädrigen Wagen ( cisiarii) und Zugtieren ( iumentarii) bildeten in mehreren Städten Italiens Innungen, die zuweilen verbunden waren, wie z. B. in Tibur die Innung der iumentarii zu der (nach dem dort hoch verehrten Hercules benannten) Korporation der cisiarii gehörte. In Präneste scheint die Innung der cisiarii schon zur Zeit der Republik bestanden zu haben. Offenbar bedienten sich Reisende (wie bemerkt) in der Regel zweirädriger Wagen (zu denen ja auch die durch das ganze vorige Jahrhundert in Italien gebräuchlichen Sedien gehörten); mit vierrädrigen, deren Besitz als Beweis von Reichtum gegolten zu haben scheint, ereigneten sich, wie noch ein Schriftsteller des 4. Jahrhunderts bemerkt, leicht Unfälle. In einer unter Vergils Namen erhaltenen Parodie eines Catullischen Gedichts wird ein Vetturin Sabinus, »der Maultiertreiber weitgepriesenster«, scherzhaft besungen, der sich rühmt, daß »keines fliegenden Wägelchens Ungetüm« ihn überholen konnte, »sei es, daß es galt nach Mantua zu eilen oder Brixia«; dies könnte auch das bekannte Haus seines Konkurrenten Trypho nicht leugnen. Caligula veranstaltete während seines Aufenthalts in Gallien eine Auktion des kaiserlichen Hausrats und ließ, um diesen von Rom herbeizuschaffen, sämtliche Mietwagen in Beschlag nehmen. Sehr viele Prozessierende wurden dadurch außer stand gesetzt, ihre Termine wahrzunehmen, und verloren so ihre Prozesse. Da sich Innungen von iumentarii in Mediolanium, Brixia, Forum Sempronii (Fossombrone), Tuder (Todi), von cisiarii zu Präneste, Cales und Pompeji und von beiden, wie gesagt, in Tibur nachweisen lassen, darf man wohl annehmen, daß sie in Italien überall, vermutlich auch an den Hauptorten der Provinzen bestanden haben. In den Städten selbst wurde so gut wie gar nicht gefahren, ihr Haupterwerb mußte daher die Beförderung von Reisenden sein. Ihre Standorte hatten sie an und vor den Toren; in größeren Städten gab es vermutlich mehrere Innungen, die sich in die Haupttore und -straßen teilten. So bestand in Mediolanium die Innung der Vetturine des Vercelliner- und Juppitertors, in Forum Sempronii des Gallischen Tors (der Straße nach Sena Gallica), in Cales des Stellatinertors. Sie konnten entweder den Wagen- und Pferdewechsel von Station zu Station besorgen oder, wie die neueren Vetturine, die Reisenden mit demselben Fuhrwerk auf weitere Strecken befördern. Mit einem Vetturin dieser letzteren Klasse ( mulio perpetuarius) wird in dem Pasquill Senecas auf den Tod des Claudius Hercules wegen seiner Wanderung durch die ganze Welt verglichen.
Mit der Staatspost konnte man bei längeren Reisen einschließlich allen Aufenthaltes 5 Millien (7,5 km) in der Stunde, also 120 Millien (180 km) im Tage zurücklegen; man gelangte von Antiochia bis Konstantinopel (rund 740 Mill. = 1100 km) in nicht ganz sechs Tagen. Bei Reisen mit Mietfuhrwerk galt dieselbe Schnelligkeit als sehr groß, und mit Recht, da hier das Mieten neuer Pferde und Leute auf den Stationen notwendig mehr Aufenthalt verursachte. Cäsar, dessen Reisen wegen ihrer Schnelligkeit angestaunt wurden, machte den Weg von Rom bis an die Rhone in nicht vollen acht Tagen: nach dem Stationenverzeichnis betrug die Entfernung von Rom bis Arles auf dem Wege durch Toscana und die Seealpen 796 Mill. (= 1178 km); Sueton, welcher sagt, daß Cäsar die größten Strecken mit unglaublicher Schnelligkeit zurückgelegt und ohne Gepäck in einem Mietfuhrwerk 100 Mill. = 150 km in 24 Stunden gemacht habe, meint offenbar dieselbe Reise. Den Weg nach Obulco in Bätica legte Cäsar in 27 Tagen zurück, während die Nachricht von der Schlacht bei Munda (ebenfalls in Bätica) erst am 35. Tage nach Rom gelangte. Etwas schneller als Cäsar fuhr der Bote, der die Nachricht von der Ermordung des S. Roscius nach Ameria brachte, 56 Millien (84 km) auf zweirädrigen Wagen in 10 Stunden, und zwar bei Nacht; aber dies war eine kurze Strecke, die nur etwa einen zweimaligen Wagenwechsel erforderte. Auch die Reise des Hicelus, der die Nachricht von Neros Ermordung an Galba nach Spanien brachte, galt als eine außerordentlich schnelle, er reiste im Juni 68 von Rom bis Clunia in nicht vollen sieben Tagen: die Seereise von Ostia bis Tarraco erforderte im günstigsten Falle wohl nicht weniger als 5 Tage, da der ältere Plinius eine Reise vom diesseitigen Spanien – wohl Tarraco – nach Ostia in weniger als 4 Tagen zu den schnellsten jemals vorgekommenen zählt; wozu noch die Strecke von Rom bis Ostia kommt; da Hicelus am siebenten Tage noch vor Sonnenuntergang anlangte, wird er für die Landreise von Tarraco bis Clunia nicht einmal 36 Stunden gebraucht haben, es waren 332 Millien (498 km). Cervantes nannte schon eine zwölftägige Fahrt von Neapel nach Barcelona eine glückliche. Der Weg von dort nach Toledo wurde mit Postpferden in 7 Tagen zurückgelegt. Noch sehr viel schneller als Hicelus reiste allerdings der Kurier, der die Nachricht von der Ermordung des Maximin aus Aquileja nach Rom brachte; er langte »mit gewechselten Pferden« am vierten Tage an: er muß, wenn er ganz zu Lande (über Bologna) reiste, 140 Millien = 210 km den Tag gemacht haben, wohl zu Pferde. Vitellius erhielt in Köln in der Nacht vom 1. zum 2. Januar 69 die Nachricht von dem in Mainz am ersteren Tage ausgebrochenen Aufstande der 4. und 22. Legion gegen Galba; der Überbringer legte also eine Strecke von 108 Millien = 160 km in höchstens 14 Stunden zurück, machte also den Kilometer in 5¼ Minuten. Der Bericht des Prokurators von Belgica über diesen Aufstand traf schon vor dem 10. Januar in Rom ein: die Kuriere, die ihn brachten, hatten also den Weg von Mainz nach Rom (über Reims, die Residenz des Statthalters), im ganzen 1440 Millien (2160 km), in weniger als 9 Tagen zurückgelegt, d. h. mehr als 160 Millien (240 km) in 24 Stunden. Vielleicht war (abgesehen von besonders schwierigem Terrain) als Normalgeschwindigkeit des Stafettendienstes ½ Stunde für 5 Millien (= 7,5 km) angesetzt. Die schnellste bekannte Reise ist die des Tiberius zu dem erkrankten Drusus aus Ticinum (Pavia) nach Germanien »durch eben besiegtes Barbarenland« (das der Chatten), wobei er in 24 Stunden mit mehrmals gewechselten Pferden, nur von einem Führer begleitet, 200 Millien (300 km) zurücklegte. Wenn Statius sagt, daß man auf der von Domitian im Jahre 95 über Sinuessa erbauten Straße in einem Tage von Rom nach Bajä gelangen konnte, so ist auch hier an eine Kurierreise zu denken, da nur bei einer solchen die Strecke von 141 Millien (210 km) in etwa 24 Stunden zurückgelegt werden konnte. Gewöhnliche Reisende, die natürlich übernachteten, brauchten zu Wagen mehr als die vierfache Zeit. Der Überbringer eines Briefes an Cicero war von Dyrrhachium nach Rom zehn, also von Brundisium (360 Millien = 540 km) etwa acht bis neun Tage unterwegs. In gemächlicher Fahrt gelangte man von dem letzteren Ort nach Rom in weniger als zehn Tagen; von Tarraco nach Bilbilis (224 Millien = 336 km) allenfalls am fünften. Ciceros Freund Rutilius Lupus langte von Mutina in Rom am sechsten Tage an, die Entfernung beträgt 317 Millien. Die Nachricht von der am Abend des 15. April 43 v. Chr. entschiedenen Schlacht bei Forum Gallorum (zwischen Mutina und Bononia) kam am 21. nach Rom. Hiernach kann man annehmen, daß Reisende mit Vetturinen in der Regel 40-50 Millien (etwa 60-75 km) oder wenig mehr täglich zurücklegte. Fußgänger legten nach Procopius an einem Tage 210 Stadien (etwa 25 Millien = 37,5 km) zurück; so viel betrug z. B. der Weg von Athen nach Megara; hiernach sind die zahlreichen Angaben von Entfernungen nach Tagereisen von Fußgängern bei Prokop zu berechnen. So rechnet er z. B. für die Entfernung von Rom nach Capua (124 Millien) 5 Tage. Natürlich wurden auch größere Strecken in kürzerer Zeit zurückgelegt: so geht Damis bei Philostrat von Rom nach Puteoli (141 Millien = 210 km) nur 3 Tage. Cicero erhielt auf seinem Gute bei Pompeji Briefe aus Rom durchschnittlich am vierten oder fünften Tage, frühestens am dritten; offenbar machten also die Briefboten den Weg zu Fuß. Wie billig, wurden für diejenigen, die sich zur Wahrnehmung gerichtlicher Termine, zur Übernahme einer Vormundschaft usw. von auswärts einzufinden hatten, kurze Tagereisen (von 20 Millien = 30 km) angenommen. Wahrscheinlich blieben Reisen zu Fuß wie zu Pferde immer häufig. Auch im 16. Jahrhundert reiste man in Italien trotz der zahlreichen von Gregor XIII., Cosimo und Emanuel Philibert gebauten neuen Straßen »von der Breite einer Kutsche« noch wenig zu Wagen; erst ganz zu Ende dieses Jahrhunderts kam diese Art der Bewegung allenthalben auf. Einige Strecken konnten übrigens im alten Italien auch zu Wasser zurückgelegt werden. Von Placentia gelangte man zu Schiff auf dem Po bis Ravenna in 48 Stunden.
Seefahrten waren allerdings fast ganz auf das Frühjahr, den Sommer und Frühherbst beschränkt. Im Anfange des Spätherbstes kehrten die Schiffe von allen Seiten in die heimischen Häfen zurück, falls sie nicht in der Fremde überwinterten. Die Schiffahrt ruhte vom 11. November bis zum 10. März, kurz vor der Wiederaufnahme des Seeverkehrs, am 5. März, wurde das »Schiff der Isis« (der Schutzpatronin der Schiffahrt) an allen Küsten des Mittelmeeres weit und breit gefeiert, wobei Prozessionen sich ans Meer begaben, ein Schiff feierlich einweihten und mit allerhand guten Dingen beladen ins Meer hinausstießen. Nun schleppten überall die Maschinen die aufs Trockne gezogenen Fahrzeuge ins Meer. Den Gefahren einer winterlichen Seereise setzte sich zwar niemand ohne dringende Veranlassung aus; doch völlig verschloß auch das Wüten der Stürme, wie Plinius sagt, das Meer keineswegs: denn die Habsucht trieb nun zum Bestehen der Seegefahr im Winter, in die man sich früher nur aus Furcht vor Piraten gewagt hatte. Doch selbst abgesehen von den kaufmännischen Reisen, kann die Zahl der Schiffe, die Depeschen und Beamte beförderten oder Gefangene und Verbannte transportierten, auch in den Wintermonaten nicht klein gewesen sein. Ovid mußte sich z. B. Anfang Dezember nach Tomi einschiffen und hatte mit Sturm zu kämpfen. Aber auch schon im Oktober war das Mittelländische Meer oft von schweren Stürmen heimgesucht; so mußte Cicero, als er im Jahre 704 = 50 in der Zeit vom 9.-25. November, d. h. julian. 24. September bis 10. Oktober, von Actium nach Brundisium reiste, der Stürme wegen bis zum 23. November (julian. 8. Oktober) auf Corcyra bleiben, während viele, die früher ausgefahren waren, Schiffbruch litten. Und auch der im Oktober 38 n. Chr. in Alexandrien verhaftete und alsbald als Gefangener zu Schiff nach Rom überführte Präfekt von Ägypten, Avillius Flaccus, hatte eine sehr schwierige Überfahrt.
Gegen Schiffbrüchige übten die Uferbewohner nur zu oft das Strandrecht, trotz aller Gegenbemühungen der Kaiser, wie Hadrian, Antoninus Pius und Marc Aurel; namentlich die Bewohner der Cycladen waren in dieser Hinsicht verrufen. Sie verkauften die Unglücklichen, die in ihre Hände fielen, sogar als Sklaven; so war ein Rechnungsführer ( dispensator) des Calvisius Sabinus (Consul 26, † 38), der Schiffbruch gelitten hatte, in ein Sklavenarbeitshaus verkauft und dort gebrandmarkt worden. Manilius erwähnt Taucher, die begierig den Meeresboden durchforschten und Wertvolles aus gesunkenen Schiffen heraufholten. Auch kam es offenbar nicht selten vor, daß Fischer durch Anzünden von Lichtern das Stranden von Schiffen herbeiführten. In diesem Verdacht scheinen besonders die Anwohner gefährlicher Küsten, wie der sogenannten Höhlungen von Euböa an der Ostküste der Insel am Vorgebirge Kaphereus, gestanden zu haben. Die Schiffbrüchigen stellten zu den Bettlern, namentlich in Rom, ein stehendes großes Kontingent. Sie bildeten auch eine Klasse der von den christlichen Gemeinden regelmäßig Unterstützten.
Piraten waren im Mittelmeere seit der Wiederherstellung des Weltfriedens in den beiden ersten Jahrhunderten wohl in der Regel nicht zu fürchten, und nur ausnahmsweise und vorübergehend wurde, besonders infolge von Kriegsunruhen, die Sicherheit der Seefahrt gestört, wie im jüdischen Kriege eine große Anzahl von flüchtigen und vertriebenen Juden sich in Joppe befestigte und durch Seeraub den Schiffsverkehr zwischen Syrien, Phönizien und Ägypten eine Zeitlang unmöglich machte. Auf entfernteren Meeren vermochte die römische Weltmacht freilich nichts gegen die Piraten, wie im Indischen Ozean und selbst im nordöstlichen Teile des Schwarzen Meers. Im dritten Jahrhundert hatte sie die Herrschaft über das Meer schon ganz verloren.
Seefahrten wurden besonders in sternhellen Nächten gemacht. Der Steuermann bestimmte den Lauf des Schiffes nach dem Stande der Gestirne, denen auch die Reisenden vor der Abfahrt ihre Verehrung bezeigten. Solche Nachtfahrten werden öfters erwähnt. Philostrat sagt, daß die von Puteoli nach Ostia fahrenden Schiffe regelmäßig abends beim Anzünden der Lichter die Anker lichteten. Die Tibermündung erreichte man von Puteoli am dritten Tage; wahrscheinlich wurde am ersten Morgen in Cajeta (einem in Ciceros Zeiten von Schiffen gedrängt vollen Hafen), am zweiten in Antium angelegt. Nach Stabiä gelangte man vom Rom zur See am vierten Tage. Von Brundisium nach Corcyra oder Dyrrhachium (ebenso in umgekehrter Richtung) setzte man bei gutem Wetter und Winde in einem Tage über, bei stürmischem Wetter dauerte die Fahrt natürlich länger. Ebenso lang war die Überfahrt von Brundisium oder Hydrus (Otranto) nach Aulona (Valona) im südlichen Illyrien. Cicero wählte im November 704 = 50 die Überfahrt von dem Hafen Kassiope auf Corcyra nach Hydrus. Von Rhegium nach Puteoli schiffte der Apostel Paulus mit Südwind in wenig mehr als einem Tage, doch Apollonius und Damis gelangen bei Philostrat mit gehörigem Winde von Puteoli durch die Meerenge von Messina nach Tauromenium erst am dritten Tage. Eine regelmäßig befahrene Linie ging von Sicilien durch das offene Meer nach dem Hafen Kyllene in Elis; man konnte am sechsten Tage von Syrakus aus dahin, bei sehr günstigem Winde von Korinth nach Puteoli sogar am fünften Tage gelangen.
Bei Fahrten von Italien nach dem Ägäischen Meere, Attika und Kleinasien war es gewöhnlich, in Lechäum anzulegen, zu Wagen oder zu Fuß den Isthmus zu passieren und sich in Kenchreä von neuem einzuschiffen. Auch fand wohl vielfach mechanische Überführung von Schiffen (wahrscheinlich auf Bretterbahn) statt. Neros sorgfältig vorbereitetes Unternehmen eines Durchstichs des Isthmus (wobei die beste, seit 1893 wirklich ausgeführte Linie gewählt war) wurde vor der Vollendung abgebrochen, nachdem es bereits ziemlich weit vorgeschritten war. Später hat auch Herodes Atticus diesen Plan gehegt. Zu Lande über den Isthmus gedachte Properz zu reisen; so reiste Ovid (der in Kenchreä ein neues Schiff »Minerva« kaufte oder mietete) auf der Fahrt nach Tomi. Auf diesem Wege wurde auch Avillius Flaccus nach der ihm als Verbannungsort angewiesenen Insel Andros befördert. Galen machte eine Rückreise von Rom nach Kleinasien mit einem Freunde aus Gortyn über Korinth; dieser ließ sein Gepäck und seine meisten Sklaven zu Schiff nach Athen gehen; er selbst mietete einen Wagen, um die Reise in Begleitung einiger Sklaven zu Lande durch Megara dorthin zu machen. Aristides machte die Rückreise von Rom im September 145 zur See. Nachdem das Schiff gleich anfangs mit Sturm zu kämpfen gehabt hatte und an die Nordostspitze Siciliens Peloris getrieben und in der Meerenge von Messina hin- und hergeworfen worden war, erfolgte die Überfahrt über das Adriatische Meer in zwei Nächten und einem Tage bei ruhiger See, doch war die Landung bei Kephallenia schwierig. Dann fuhren die Schiffer gegen den dringenden Rat des Aristides von Paträ um die Zeit der Tag- und Nachtgleiche aus, und die Fahrt erwies sich wieder als sehr schwierig. Nachdem offenbar der Isthmus zu Lande passiert war, erforderte die Fahrt bis Milet noch vier Tage, so daß die ganze Seereise vierzehn gedauert hatte. Daß aber auch häufig der Peloponnes umfahren wurde, lehrt die Inschrift eines Kaufmannes oder Fabrikanten Flavius Zeuxis zu Hierapolis in Phrygien, der 72mal über das seiner Gefährlichkeit wegen sprichwörtlich gewordene Cap Malea nach Italien geschifft war. Denselben Weg in umgekehrter Richtung legte im September (wohl 111) der jüngere Plinius mit seinem Gefolge glücklich zurück, wie er aus Ephesus an Trajan meldet. Von dort wollte er teils wegen der Hitze die Küste entlang zur See, teils wegen der entgegenwehenden Passatwinde zu Wagen nach Bithynien reisen.
Wer auf der Reise von Italien nach Asien die Seefahrt soviel wie möglich vermeiden wollte, konnte zu Lande durch Macedonien und Thracien auf der von Apollonia im griechischen Illyrien bis zum Flusse Heburs in Thracien führenden Egnatischen Straße reisen, und dies scheint nicht selten geschehen zu sein. Als Galen sich zum zweiten Male nach Rom begab, machte er sowohl die Hin- als die Rückreise auf diesem Wege. Er wollte bei dieser Gelegenheit die Insel Lemnos besuchen und benutzte daher auf der Hinreise ein Schiff, das von Alexandria Troas nach Thessalonice ging; doch da er glaubte, daß auf Lemnos wie auf den übrigen Inseln des Ägäischen Meeres nur eine Stadt sei, landete er bei Myrina an der Westküste statt bei Hephästias an der Ostküste, wo er die Bereitung der Siegelerde hatte kennenlernen wollen. Da der Schiffer nicht auf ihn warten konnte, verschob er die Ausführung seines Vorhabens auf die Rückreise; auf dieser begab er sich von Philippi in Macedonien an die 120 Stadien (21,5 km) entfernte Küste, setzte nach Thasos (200 Stadien = 36 km), von dort nach Lemnos (700 Stadien = 125 km) über, endlich wieder nach Alexandria Troas (ebenfalls 700 Stadien = 125 km). Aristides trat die Hinreise nach Rom auf der Egnatischen Straße mitten im Winter an. Regengüsse, Reif, Frost und Stürme wechselten ab. Der Hebrus war ganz mit Eis bedeckt, das man eben aufgehauen hatte, um ihn für Boote passierbar zu machen; die Felder überschwemmt, soweit das Auge reichte; Mangel an Gasthäusern, und von den Decken (der Zimmer) floß mehr Wasser herab als vom Himmel. Dabei reiste Aristides so schnell, daß ihn nicht einmal die Kuriere der kaiserlichen Post überholten. Die Mehrzahl seiner Sklaven ließ er langsam nachfolgen. Führer suchte er selbst auf, wo es nötig war, und dies war nicht leicht; denn als barbarische Menschen ergriffen die Leute die Flucht, und man mußte sich ihrer mit Überredung oder Gewalt bemächtigen. In Edessa lag Aristides längere Zeit krank darnieder und gelangte erst am hundertsten Tage nach seinem Aufbruch nach Rom. Ein Teil seiner Zugtiere war auf der Reise zugrunde gegangen, die übrigen verkaufte er. Die Akten über das Märtyrertum des hl. Ignatius berichten, daß er im Spätherbst oder Winter vom Seleucia zur See über Smyrna nach Troas, dann zu Lande durch Macedonien bis Epidamnus, dann wieder zur See bis Ostia gebracht worden sei: wenn sie auch in der vorliegenden Form kaum älter als das 4. Jahrhundert sind, so rühren sie doch jedenfalls von einem des Weges völlig Kundigen her. Ovid fuhr von Korinth über Imbros nach Samothrake, von wo, wie er in einer dort gedichteten Elegie sagt, nur ein kurzer Sprung nach Tempyra (in der Nähe von Trajanopolis) war. Von hier wollte er zu Lande durch Thracien und Mösien nach Tomi reisen, während seine »Minerva« durch den Hellespont und an der Küste des Schwarzen Meeres entlang segeln sollte. Die Dauer seiner Reise ist unbekannt; wenn er in einer seiner Episteln aus dem Pontus sagt, bis ein Brief von ihm nach Rom und die Antwort darauf nach Tomi zurückgelange, vergehe ein Jahr, so gibt dies natürlich keinen Maßstab. Die Nachricht vom Tode des C. Cäsar in Limyra in Lycien am 21. Februar n. Chr. kam am 2. April nach Pisa.
Von der Möotischen See (dem Asowschen Meer) gelangten Lastschiffe mit günstigem Winde häufig am zehnten Tage nach Rhodos, von dort am vierten nach Alexandria, und dann auf dem Nil am zehnten Tage nach Äthiopien: so daß, wie Diodor bemerkt, die Fahrt aus der kalten Zone bis zu den heißesten Gegenden der Erde in 24 Tagen zurückgelegt werden konnte. Nach Alexandria war der Präfekt Galerius von der sicilischen Meerenge am siebenten Tage gelangt, der Präfekt Balbillus am sechsten, Valerius Marianus, Senator mit prätorischem Range, von Puteoli am neunten bei sehr gelindem Winde. In der Zeit der Monsune reiste man von Italien nach Syrien lieber über Alexandria, als direkt von Brundisium, welches eine lange und beschwerliche Reise war; besonders da die alexandrinischen Schiffe im Rufe standen, am schnellsten zu segeln und die besten Steuermänner zu haben: so reiste der Judenkönig Agrippa auf Caligulas Rat. Dagegen konnte, wer die Meerfahrt soviel wie möglich vermeiden wollte, Alexandria auch auf dem langen Umwege über Griechenland, Kleinasien und Syrien erreichen: so sollte Caligula selbst die Reise machen. Wenn übrigens bei einer Schiffsanleihe für die Reise von Berytus nach Brundisium und zurück eine Frist von 200 Tagen gegeben wurde, so versteht sich von selbst, daß dabei die möglichen und mutmaßlichen Aufenthalte einer solchen Geschäftsreise, und zwar in sehr liberaler Weise veranschlagt sind. Ein von Cassius nicht weit von Apamea in Syrien an Cicero nach Rom gerichteter Brief kam in wenig mehr als fünfzig Tagen an; dagegen gelangte ein Brief des Antistius Vetus an Balbus erst in mehr als hundert Tagen aus Syrien nach Rom. Ein von der tyrischen Faktorei in Puteoli am 23. Juli 174 geschriebener Brief kam in Tyrus am 8. Dezember, also nach 137 Tagen zur Vorlage. Der jüngere Cicero erhielt zu Athen einen Brief seines Vaters erst 46 Tage nach der Absendung, ein andrer wurde am 21. Tage überbracht, was als eine sehr schnelle Bestellung galt. Ein Brief Tiros an Cicero kam aus Paträ am 15. Tage nach Brundisium, Briefe aus Britannien in der Regel am 27., einmal am 34. Tage nach Rom, ein Brief aus Afrika am 20., obwohl bekanntlich schon der alte Cato eine drei Tage zuvor in Karthago gepflückte Feige im Senat hatte vorweisen können. Die Nachricht von der Schlacht bei Munda (nordwestlich von Malaga) am 17. März 45 v. Chr. traf erst am 20. April ein. Auch über die schnellsten Fahrten nach einigen westlichen Häfen des Mittelmeers macht Plinius einige Angaben. Nach ihnen hatte man von Ostia aus Gades am siebenten, das diesseitige Spanien (wohl Tarraco) am vierten, das Narbonensische Gallien (wohl Forum Julii) am dritten, Afrika am zweiten Tage, dies letztere auch bei sehr gelindem Winde, erreicht. Mit einem Kauffahrteischiff galt eine Fahrt von Alexandria nach Massilia in 30 Tagen als eine glückliche. Auch eine Reise, bei der man von Narbo am fünften Tage Afrika (wohl Utika), von da am siebenten Tage Alexandria erreichte, war eine schnelle.
Aus der Zusammenfassung der bezüglichen Nachrichten läßt sich die durchschnittliche Geschwindigkeit der damaligen Schiffe, an denen übrigens zuweilen auch Vorrichtungen zur Messung zurückgelegter Strecken angebracht waren, die Vitruv beschreibt, ziemlich genau ermitteln. Zwar bemerkt der Geograph Marcianus von Heraclea, daß die Angaben der Entfernungen zur See (in griechischen Stadien) sehr voneinander abwichen, weshalb er die höchsten und niedrigsten nebeneinander stellt. Er sagt, es sei bekannt, daß ein Schiff mit günstigem Winde an einem Tage 700 Stadien (70 Seemeilen) zurücklegen könne, ein sehr gut gebauter Schnellsegler auch wohl 900 (90 Seemeilen), während ein unzweckmäßig gebautes Schiff kaum 500 (50 Seemeilen) machen werde. In dem unter dem Namen des Scylax von Karyanda gehenden Periplus werden als durchschnittlich an einem Tage zurückzulegende Entfernungen für eine lange Reise nur 500 Stadien angenommen. Daß hier wie dort die Nächte nicht mitgerechnet sind, ergibt sich aus andern Angaben, namentlich der Herodots, daß ein Schiff (in der Zeit der längsten Tage) höchstens 70.000 Faden (700 Stadien = 70 Seemeilen) am Tage und 60.000 (600 Stadien = 60 Seemeilen) bei Nacht zurücklegen könne. Von der Mündung des Phasis bis zur Westküste des Schwarzen Meers dauerte die Fahrt in gerader Linie 9 Tage und 8 Nächte, die Entfernung betrug also 11.100 Stadien = 1110 Seemeilen. Nach Aristides konnte ein Schiff mit starkem, günstigem Winde in einem ganzen Tage (d. h. in 24 Stunden) 1200 Stadien (= 120 Seemeilen) zurücklegen; er selbst hatte dies oft bei günstigen Fahrten erlebt, wie sich aus der nachträglichen Verteilung der ganzen Entfernung auf die Tage der Reise ergab. Die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit ist also im ganzen Altertum (mindestens von der Zeit Herodots bis auf die des Marcianus, d. h. etwa 400 n. Chr.) dieselbe geblieben. Sie betrug zwischen 1000 und 1500 Stadien (rund 180 bis 270 km oder 100 bis 150 Seemeilen in 24 Stunden, d. h. 7,5-11,25 km oder 4⅙ bis 6¼ Seemeilen in der Stunde). Damit werden sich alle Angaben über die Schnelligkeit der Seereisen aus dem früheren wie aus dem späteren Altertum vereinigen lassen. Nach Diodor dauerte die Fahrt von den Pityusen bis zur Meerenge von Gibraltar 3 Tage und Nächte, bis zur Küste von Afrika 24 Stunden, bis zu der von Spanien einen Tag, ebenso war Mallorca von Spanien eine Tagereise entfernt. Strabo gibt die Entfernung von dem Vorgebirge Kretas Kriu Metopon (Widderstirn) bis zur kyrenäischen Küste nach Eratosthenes auf 2000 Stadien (200 Seemeilen) an, man brauchte dazu 2 Tage und 2 Nächte. Die Fahrt von der Nordostspitze Kretas Samonium nach Ägypten dauerte 3, nach andern 4 Tage und Nächte. Die Entfernung beträgt nach Strabo 5000 Stadien = 500 Seemeilen. Von den Kaletiern an der Seinemündung nach Britannien hält er eine knappe Tagfahrt für erforderlich. Daß man bei Fahrten an der ostafrikanischen Küste südlich vom Cap Guardafui in 24 Stunden nur 400-500 Stadien (40-50 Seemeilen) zurücklegte, lag an dem häufigen Umspringen des Windes in der Gegend des Äquators. Nach all diesem ist es keineswegs unglaublich, daß Arrian an der Südostküste des Schwarzen Meers von Tagesanbruch bis gegen Mittag mehr als 500 Stadien (50 Seemeilen), d. h. etwa 7-8 Seemeilen in der Stunde zurücklegte. Bei den von Plinius erwähnten schnellsten Fahrten kommen in einem Falle weniger als 140, zweimal 160, dann 175 bis 185 Seemeilen auf 24 Stunden. »Die geringste Schnelligkeit ist also zwischen 6 und 7 Seemeilen die Stunde, die größte etwas über 8, und das Mittel von 7 Seemeilen würde auch für Schiffer unserer Zeit eine ganz ansehnliche Schnelligkeit sein. Die ›Novara‹ legte auf ihrer Fahrt von Valparaiso nach dem atlantischen Äquator durchschnittlich 6½ Seemeilen zurück.« »Unsere schnellsten Postdampfer machen gegenwärtig durchschnittlich 14 Seemeilen in der Stunde, bei längeren Reisen 10 bis 12«, während die Personen-Schnelldampfer es bis auf 25½ Seemeilen in der Stunde bringen und der 1914 vom Stapel gelassene Turbinendampfer der Hamburg-Amerika-Linie »Vaterland« seine beste Fahrgeschwindigkeit mit 33,2 Seemeilen erreicht hat.
Die Einrichtungen bei Reisen über Land werden hie und da geschildert. Einfache Reisende zogen hochgeschürzt zu Fuß, oder mit geringem Gepäck auf bescheidenem Maultier oder zu Pferde im Regenmantel ihre Straße; aber auch weniger begüterte wohl selten ohne einen oder einige Sklaven. Wurde die Reise zu Wagen gemacht, so folgten diese dem Herrn ebenfalls, wenigstens bei einer längeren Reise, gewöhnlich in einem oder mehreren Wagen. Seneca hatte einmal den Einfall, eine Reise nach sehr bescheidenem Zuschnitt einzurichten. Auf einem Wagen fuhr er selbst mit seinem Freunde Cäsonius Maximus, ohne irgendwelches Gepäck, außer dem, was sie an und auf sich hatten, mit so geringer Dienerschaft, daß ein einziger Wagen hinreichte, dieselbe aufzunehmen. Sollte geruht werden, so legte man ihm eine Matratze auf die bloße Erde, von zwei Regenmänteln diente der eine als Unterlage, der andre als Decke. Die Mahlzeit konnte nicht einfacher sein, sie war in nicht mehr als einer Stunde zubereitet; niemals fehlten dabei trockne Feigen und die Schreibtafel zum Aufzeichnen von Bemerkungen und Gedanken. Sein Wagen war ein Bauernwagen, der Schritt der Maultiere gerade hinreichend, um für ein Lebenszeichen zu gelten, der Fuhrmann barfuß, und zwar nicht bloß weil es Sommer war. So hatte er zwei höchst glückliche Tage verlebt; diese Reise hatte ihn gelehrt, wie viel Überflüssiges wir besitzen, was wir gar nicht vermissen, wenn es uns fehlt. Doch konnte er sich eines unbehaglichen Gefühls nicht erwehren, sobald er auf einen glänzenden Reisezug stieß; er konnte die falsche Scham nicht los werden, sich nicht zu dem Wunsch entschließen, daß dieser Wagen für den seinigen gehalten werden möchte. Ein solches Gefühl war bei einer für den bejahrten, ungeheuer reichen Konsularen allerdings höchst wunderlichen Art zu reisen mindestens sehr erklärlich; denn Personen der höheren Stände reisten nicht leicht ohne zahlreiche Dienerschaft und umfangreiches Gepäck. Dies war schon zur Zeit der Republik ganz gewöhnlich, und Luxus und Üppigkeit in der Einrichtung des Reisens schon damals nicht selten gewesen. Auf einer Reise nach Lanuvium mit seiner Frau nahm Milo unter dem übrigen großen Gefolge von Sklaven und Mägden auch die ganze Hauskapelle mit; Cäsar führte auf seinen Feldzügen Mosaikfußböden mit sich; die Reisen des Marcus Antonius mit ihrem ungeheuren Troß, den löwenbespannten Wagen, der Menge von Goldgefäßen, die wie in einer Prozession getragen wurden, erinnern bereits an orientalische Gewohnheiten.
Dieser Luxus wurde in der Kaiserzeit noch überboten. Nero soll nie anders als mit tausend Karossen gereist sein, die Hufeisen der Maultiere von Silber, die Maultiertreiber in roten Röcken, Vorreiter und Läufer aufs reichste geschmückt; Poppäa ließ ihre Zugtiere mit Gold beschlagen und führte 500 Eselinnen mit sich, um täglich in ihrer Milch baden zu können; in dem Reisezuge der Braut des Kaisers Constantius Eusebia (353) befanden sich »Wagen aller Art, die aus Gold, Silber, Messing aufs allerkunstvollste gearbeitet waren«. Die höheren Stände scheinen sich bemüht zu haben, dem kaiserlichen Beispiel so viel wie möglich nachzueifern; wenigstens war der Luxus des Reisens sehr groß und nach Senecas Versicherung sehr allgemein, weil die meisten die Mode mitmachen zu müssen glaubten; wobei es denn nicht fehlen konnte, daß manche der so prächtig Einherziehenden eben nur »auf der Landstraße reich« waren und bereits überlegten, ob sie nach dem Ausbruch ihres Bankrotts sich als Tierfechter oder Gladiatoren vermieten sollten. Buntgekleidete Mohren, numidische Vorreiter und Läufer eröffneten einen solchen Zug, um jedes Hindernis zu beseitigen, das einen Aufenthalt verursachen konnte. Wohlgefütterte Maultiere, die man gern gleichfarbig wählte, oder kleine, dicke, aber schnelle gallische Pferde zogen den Wagen. Zelter wurden zum Reiten mitgeführt. Die Zugtiere waren mit purpurnen oder gestickten Decken behängt, trugen vergoldete Gehänge und Gebisse; die Reisewagen waren mit kostbaren Verzierungen, selbst goldenen und silbernen Figuren beschlagen, so daß sie den Wert eines Landguts haben konnten, mit Seide oder anderen kostbaren Stoffen gepolstert. Tafelgeschirr aus wertvollsten Materialien, wie Gold, Kristall, Murrha, befand sich unter dem Reisegepäck, selbst Gefäße, die hohen Kunstwert hatten und daher den Stößen des Wagens nicht ausgesetzt werden durften, sondern getragen werden mußten. Großes Gefolge und Dienerschaft verstehen sich bei einer derartigen Reiseeinrichtung von selbst; die Lieblingspagen trugen Teigmasken vor dem Gesicht, um ihre Haut vor Frost und Hitze zu schützen. Auch reiche Provinzialen reisten so. Dem Sophisten Polemo von Smyrna folgten auf seinen Reisen viele Lasttiere, viele Pferde, viele Sklaven, viele Koppeln von Hunden zu verschiedenen Jagden, er selbst fuhr mit einem phrygischen oder gallischen Gespann in silbernem Geschirr.
Die bequeme Einrichtung der Reisewagen und das Raffinement, durch welches man sie noch immer mit neuen Bequemlichkeiten auszustatten suchte, lassen übrigens schon allein eine sehr starke Benutzung voraussetzen. Man konnte darin lesen, und zwar dienten als Reiselektüre statt der nur auf einer Seite beschriebenen und mit beiden Händen zu haltenden Papyrusrollen die bequemeren Pergamentbücher, die auch umfassende Werke in einem mäßigen Bande enthalten konnten. Martial rät dem Leser, der seine Büchlein überall bei sich und als Begleiter auf weiten Reisen zu haben wünsche, eine solche Miniaturausgabe auf Pergament zu kaufen. Wer mit einem Pergamentexemplar des Cicero reise, sagt er, könne sich einbilden, den großen Mann selbst zum Reisegefährten zu haben. Man konnte im Wagen auch schreiben; der ältere Plinius hatte auf der Reise stets einen Stenographen mit Buch und Schreibtafel bei sich, dessen Hände im Winter durch lange Ärmel gegen die Kälte geschützt wurden. Es gab auch zum Schlafen eingerichtete Wagen. In den Pandekten wird ein Vermächtnis eines Mannes an seine Frau erwähnt, bei welchem die Frage entstanden war, ob der Schlafwagen ( carrura dormitoria) nebst dem dazu gehörigen Maultiergespann einbegriffen sei. Claudius, der das Würfelspiel sehr liebte, hatte Wagen mit befestigten Würfelbrettern, auf denen man im Fahren spielen konnte. Commodus hatte deren mit Vorrichtungen zur Drehung der Sitze, um die Sonnenstrahlen abzuwenden oder einen kühlenden Luftzug aufzufangen, und andere, an denen Apparate zur Messung des zurückgelegten Wegs und zum Zeigen der Stunden angebracht waren.
Frauen von Stande reisten wohl gewöhnlich in Sänften. Antonius führte nach einem Briefe Ciceros aus dem Jahre 49 v. Chr. seine Maitresse Cytheris in einer offenen Sänfte mit sich, und sieben Maitressen seiner Freunde folgten in andern Sänften. Als Julia, die Tochter des Augustus und Gemahlin des Agrippa, einmal bei Nacht nach Ilium unterwegs war, geriet sie in Gefahr, samt ihren Sänftenträgern in dem plötzlich angeschwollenen Scamander zu ertrinken. Agrippa, erzürnt, daß die Stadtbewohner ihr keine Hilfe geleistet hatten, legte ihnen, obwohl sie von Julias Ankunft gar nicht unterrichtet gewesen waren, eine Strafe von 100.000 Denaren (87.000 Mark) auf, deren Eintreibung jedoch auf Vermittlung des Nicolaus von Damascus durch die Fürsprache des Königs Herodes abgewendet wurde.
Der Umfang und die Üppigkeit der Reiseanstalten hatten ihren Grund teils in dem Sklavenwesen, teils in der Mangelhaftigkeit der Gasthäuser. Den Reichen, denen Hunderte von Sklaven zu Gebote standen, war es möglich, die Genüsse und Bequemlichkeiten ihrer Paläste sich auch auf der Reise zu verschaffen, während eine massenhafte Bedienung ihnen zugleich durch die Gewohnheit unentbehrlich geworden war. Die Gastwirte kamen selten in die Lage, den Bedürfnissen der verwöhnten Reisenden zu genügen, um so seltener, als das südliche Klima meist das Übernachten in mitgebrachten Zelten erlaubte, und je weniger Ansprüche an sie gestellt wurden, desto weniger vermochten sie zu befriedigen. Allerdings gab es, und zwar nicht selten, auch gute, selbst üppig eingerichtete Gasthäuser, in denen man sich wohl bewegen lassen konnte, länger als nötig zu verweilen. Epictet vergleicht diejenigen, welche, statt auf den wahren Zweck der Philosophie hin zu arbeiten, zu lange bei dem Nebenstudium der Beredsamkeit sich aufhalten, mit einem Reisenden, der auf der Rückkehr in das Vaterland in einem fein eingerichteten Gasthause, wo es ihm behaglich ist, längere Zeit bleibt. Du vergaßest, ruft er ihm zu, den Zweck deiner Reise, für die das Gasthaus nur ein Mittel ist. »Wie viele andre feine Gasthäuser gibt es noch? Aber sie sollen doch nur zum vorübergehenden Aufenthalt dienen!« An sehr besuchten Orten, namentlich an Handelsplätzen, waren solche gewiß zahlreich, wie es Strabo z. B. von Berenice in Oberägypten am Roten Meer, das für den arabisch-indischen Handel einen wichtigen Stapelplatz bildete, ausdrücklich sagt; desgleichen an Badeorten. Strabo nennt die in Canopus an dem Kanal gelegenen Gasthäuser wohl geeignet für die dortige Üppigkeit und Schwelgerei und erwähnt beiläufig die des Fleckens Carura auf der Grenze von Phrygien und Carien, der heiße Quellen hatte. Aber daß die Gasthäuser mindestens zum großen Teil dürftig waren, ist sehr wahrscheinlich; doch nicht deshalb, weil sie nur Herbergen für die gemeinste Volksklasse gewesen wären. Sie sind es noch heute im Süden überall, wo der Einfluß der nordeuropäischen Sitte und Kultur nicht hinreicht, da der Südländer in bezug auf häusliche Einrichtung sehr genügsam ist, und vielleicht waren es die Alten, die an enge, wenig möblierte Wohnungsräume gewöhnt waren, noch mehr als die Neueren. Um so leichter waren die Reisenden zufrieden gestellt, die nur ein Nachtlager, eine Mahlzeit oder Schutz vor Unwetter suchten, und darum blieben die Gasthäuser meist bescheiden oder ärmlich, wenn auch die bei weitem überwiegende Mehrzahl der Reisenden hier einkehrte; denn die Zahl derer, die Zelte und alle sonstigen Bedürfnisse mit sich führten oder bei Gastfreunden Aufnahme fanden, kann verhältnismäßig nur sehr klein gewesen sein.
Reisenden Beamten, Richtern nebst ihrem Gefolge, durchmarschierenden Soldaten usw. Quartier zu geben, war eine Reallast der Hausbesitzer, welchen die Aufzunehmenden nach Maßgabe der Zeit wie des Standes und Vermögens zugeteilt wurden. Doch waren Philosophen, Grammatiker, Rhetoren und Ärzte schon durch Vespasian und Hadrian von der Einquartierung befreit. Diese war für die Quartiergeber vermutlich oft genug durch ungebührliches Betragen der Aufzunehmenden doppelt lästig. Plinius erzählt, daß die Bewohner von Hippo Diarrhytus in Afrika einen wunderbar zahmen Delphin töteten, um von den Ungebührlichkeiten der Beamten, die, um ihn zu sehn, dorthin kamen, befreit zu werden. Als der jüngere Cato vor der Bekleidung öffentlicher Ämter in Asia reiste, schickte er immer seinen Bäcker und Koch am Morgen zu dem bestimmten Nachtquartier voraus. Diese betraten die Stadt ruhig und bescheiden, und wenn sie dort keinen väterlichen Gastfreund oder sonstigen Bekannten Catos fanden, so bereiteten sie für ihn ein Unterkommen in einem Gasthause vor, ohne jemandem zur Last zu fallen; wo es kein Gasthaus gab, wandten sie sich an die Behörden und begnügten sich mit dem Quartier, das diese ihnen anwiesen; aber gerade weil sie nicht lärmten und drohten, wurden sie oft gering geachtet und abgewiesen. Absteigequartiere in genügender Anzahl konnten auch die Großen höchstens für kleinere Reisen in Italien, etwa nach ihren Besitzungen, haben; Cicero hatte deren für die Reisen nach seinen Villen in Anagnia, Atina, Frusino, Lanuvium, Sinuessa; zu Tarracina suchte er eins.
Da nun die hier erwähnten Klassen von Reisenden, wie gesagt, ohne Zweifel nur einen sehr kleinen Bruchteil der Reisenden überhaupt bildeten, so kann es keine Frage sein, daß es an allen Straßen, wo der Reiseverkehr lebhaft war, Gasthäuser gab, in Italien wie in den Provinzen. Zu den Kosten, die ein für eine Handelsgesellschaft reisendes Mitglied derselben in Rechnung stellen durfte, gehören die Gasthausunkosten ebenso regelmäßig wie die Fuhrkosten. Der Rhetor Aristides beschreibt eine Reise von Smyrna nach Pergamum, und selbst er, dem es gewiß in jenen Gegenden an Bekannten nicht fehlte, kehrte meist in Gasthäusern ein. Er brach im Sommer nachmittags auf, nachdem er seine Gepäckwagen hatte vorausgehen lassen, und gelangte um Sonnenuntergang zu dem Gasthause vor dem Flusse Hermus, fand aber die Hitze der Zimmer unerträglich und setzte die Reise fort. Spät abends kam er nach Larissa, wo das Unterkommen nicht besser war, und nach Mitternacht nach Kyme, wo er alles verschlossen fand. So reiste er abermals weiter und langte um die Zeit des Hahnenschreis in Myrina an; dort holte er seine Leute ein, die er reisefertig vor einem der Gasthäuser antraf, weil sie ebenfalls keines mehr offen gefunden hatten; er versuchte auf einem in der Vorhalle stehenden Feldbett zu ruhen, fand dann endlich in das Haus eines Bekannten Einlaß, reiste aber bei Tagesanbruch weiter nach Gryneum, ruhte dann in Eläa, wie es scheint wieder in einem Gasthause, aus und kam am folgenden Tage nach Pergamum. Daß seine Reise durch Thracien im Winter unter andrem auch wegen Mangels an Gasthäusern beschwerlich war, ist begreiflich, da dies Land nur unvollkommen zivilisiert und nur wenig bereist war.
Aber ganz fehlte es an Gasthäusern auch in solchen Gegenden nicht. Wie hoch, sagt Seneca, schätzt man eine Herberge in einer Einöde, ein schützendes Dach im Regenguß, ein Bad oder Feuer bei der Kälte, und doch weiß man, für welchen Preis man dieses erhalten wird, wenn man in ein Gasthaus einkehrt. Julius Cäsar reiste einst in Begleitung seines Freundes C. Oppius durch einen Wald; Oppius erkrankte plötzlich, und Cäsar trat ihm die einzige kleine Herberge, die es dort gab, ab und schlief im Freien auf dem Boden. Konnte ja doch auch der barmherzige Samariter den von Räubern Verwundeten und Geplünderten, den er an der Straße von Jerusalem nach Jericho fand, in eine Herberge führen. Daß es in Städten in der Regel Gasthäuser gab, versteht sich ohnehin von selbst, auch ein Flecken wie Bethlehem war ja nicht ohne Herberge. Zuweilen, vielleicht nicht selten, sorgten die Kommunen für die Aufnahme von Fremden. Bei der vielbesuchten Quelle des Clitumnus hatte die Stadt Hispellum (Spello), der Augustus dies Stück Land geschenkt hatte, ein Bad und ein Gasthaus errichtet. In der nordafrikanischen Stadt Calama ließ im Anfang des 5. Jahrhunderts der die städtische Verwaltung leitende Beamte ( curator) einen wüsten, mit Schutt bedeckten Ort auf eigene Kosten »für den Gebrauch der Bürger und die gastliche Aufnahme von Fremden« zu einem besseren Zustande und Aussehn herstellen.
Gewiß hatte man an größeren Orten überall zwischen mehreren Gasthäusern die Wahl. Plutarch warnt davor, aus falscher Scham in einem schlechtem Gasthofe einzukehren, weil man von dem Wirte wiederholt gegrüßt worden sei; man dürfe sich dadurch nicht abhalten lassen, den bessern zu wählen. Aber auch Landbesitzer bauten sehr häufig auf ihren an Straßen grenzenden Grundstücken Schenken und Herbergen, die ihre Freigelassenen oder Sklaven für ihre Rechnung verwalteten; und dies war eine sehr vorteilhafte Verwertung des Bodens. Zuweilen wurden aber solche Häuser auch vom Fiskus an den Straßen erbaut, besonders vermutlich in schwach bevölkerten und wenig zivilisierten Provinzen. Nero ließ im Jahre 61 durch den Prokurator von Thracien an den Heerstraßen dieser Provinz Tabernen und herrschaftliche Häuser ( praetoria – für höhere Beamte) errichten, und in einem inschriftlichen Erlasse des Statthalters derselben Provinz aus der Zeit des Septimius Severus wird den Behörden eines neugegründeten Marktfleckens die Erhaltung dieser Baulichkeiten eigens zur Pflicht gemacht; Hadrian ließ im Jahre 137 die von ihm längs des Roten Meeres gebaute Straße mit reichlichen Brunnen, Stationen und Kastellen versehen. An den Stationen waren vermutlich oft (wo nicht in der Regel) Tabernen, von denen manche ihren Namen führten; bekannt ist aus der Apostelgeschichte die Station der drei Tabernen (bei Luther Tretabern) an der Appischen Straße unweit der Pontinischen Sümpfe); denselben mehrfach vorkommenden Namen führte u. a. auch eine Station an der Straße von Dyrrhachium nach Byzanz; an der Latinischen Straße hieß die dritte Station von Rom »Zu den Bunten« (Tabernen), und diese bezeichnet Strabo ausdrücklich als Gasthäuser. Noch mehrere andre Stationen waren nach solchen benannt, sei es, daß sie allein ein Unterkommen gewährten, sei es, daß sie an die auf öffentliche Kosten gebauten und unterhaltenen Mansionen sich anschlossen; vielleicht standen auch diese, wenn Raum war, gewöhnlichen Reisenden für Geld zur Benutzung offen.
Die Wirtshausschilder scheinen häufig mit Tierbildern bezeichnet gewesen zu sein. Artemidor erwähnt ein Gasthaus zum Kamel, das dieses Tier im Schilde führte; in Pompeji ist ein Gasthaus, wie es scheint eines Sittius, ausgegraben worden, auf dessen Außenwand ein Elefant von einem Pygmäen geführt gemalt ist. In Narbonne hat sich das Schild eines freigelassenen »Gastwirts zum Hahn, aus Tarragona« erhalten. »Zum Haushahn« heißt auch eine Station zwischen Utica und Karthago, und wie diese werden auch die an verschiedenen Straßen gelegenen Stationen »Zum größeren Adler«, »Zum kleineren Adler«, »Zu den Schlangen«, »Zum großen Kranich«, »Zum Schwert«, »Zum Rade«, »Zum Olivenstall« nach Wirtshäusern benannt sein. Auf den Schildern versprachen Inschriften freundliche Bedienung, Bäder und alle Bequemlichkeiten, in Italien öfters »nach hauptstädtischer Weise«; die Inschrift eines wohl besonders von Geschäftsreisenden besuchten Gasthauses in Lyon (das Mercur und Apoll im Schilde geführt zu haben scheint) lautet: Hier verspricht Mercur Gewinn, Apollo Gesundheit, Septumanus (der Wirt) Aufnahme nebst Mahlzeit. Wer einkehrt, wird nachher besser daran sein; Fremder, siehe zu wo du bleibst. Auf einem Gasthofschilde in Antibes heißt es: »Ein Wörtchen, lieber Wanderer! Komm einmal herein: Dort meldet alles eine Kupfertafel Dir« (offenbar ein Tarif). Überdies verfehlten Wirt oder Wirtin nicht, die Reisenden zu begrüßen und die Vorzüge und Annehmlichkeiten ihres Hauses anzupreisen; in der unter Vergils Namen erhaltenen Elegie »Die Schankwirtin« ( Copa) ladet eine syrische Wirtin, mit griechischem Kopfbunde, die weinselig vor ihrer räucherigen Taberne einen üppigen Kastagnettentanz aufführt, den Reisenden, dessen müder Esel von Schweiß trieft, zur Einkehr ein. Sie verheißt ihm in der Zeit, wo die Bäume vom Geschwirr der Zikaden ertönen und selbst die Eidechsen sich verstecken, einen kühlen Aufenthalt in der schattigen Laube ihres Gartens am murmelnden Bach, ein Mahl, bestehend aus Käse, gelben Pflaumen, Maulbeeren, Trauben, Gurken, Kastanien und Äpfeln, dazu heurigen Wein, Kränze aus Violen, Rosen und Lilien und eine ländliche Musik; aber der Gast soll nicht nur Ceres und Bacchus, sondern auch Amor bei ihr finden.
Zum dauernden Aufenthalt waren die gewöhnlichen Herbergen (von denen fast ausschließlich hie und da gesprochen wird), wie bemerkt, nicht einladend: voll gemeiner Gesellschaft von Pferdeknechten und Maultiertreibern; mit diesen pflegte der Kaiser Vitellius, der vor seiner Thronbesteigung den tiefsten Ton der Leutseligkeit anzuschlagen liebte, »in Ausspannungen und Herbergen« aufs vertraulichste zu verkehren. Plutarch, der in seinen Vorschriften zur Erhaltung der Gesundheit fortwährende Übungen im Lautreden empfiehlt, sagt, man dürfe sich davon auch bei einem Aufenthalt in einem Wirtshause nicht abhalten lassen, und nicht darauf achten, daß man von Schiffern, Maultiertreibern und Gastwirten verspottet werde. Die Schilderung, die Apollinaris Sidonius von dem Innern einer »feuchten Taberne« gibt, dürfte auch auf die gemeineren Herbergen der früheren Zeit passen. Sie war ganz von dem Rauche der Küche erfüllt, der den Eintretenden zwang, die Nase zuzuhalten; auf quendelbekränzten Näpfen dufteten rote Würste, Töpfe dampften, Schüsseln klapperten, und die Gäste ließen unmelodische Gesänge ertönen. Die mit Büscheln der Rohrblüte statt mit Federn gestopften Polster der Wirtshäuser wimmelten im Sommer von Flöhen und »runden Wanzen«; von den Decken der Zimmer fielen oft allerlei Tiere, wie Eidechsen und Giftspinnen, herab. Natürlich waren auch die Preise nicht hoch. Zu Polybius' Zeit waren in den gesegneten Niederungen der Lombardei die Wirtshäuser so wohlfeil gewesen, daß man gar keine Rechnung machte, sondern Wohnung und Kost für einen halben As (damals 2 bis 3 Pf.) gab. Auf einem aus der Kaiserzeit herrührenden Relief von Äsernia in Samnium (Isernia) rechnet ein Mann in Reisekleidern, den Maulesel am Zügel führend, mit der Wirtin ab; oberhalb des Bildes ist das Gespräch selbst verewigt, nach welchem außer dem Wein, der wohl umsonst gegeben wurde, für Brot 1 As (damals 6½ Pf.), für Zukost 2 As, für das Mädchen 8 As, für Heu 2 As zu bezahlen waren. Die 2 Denare (1 M. 74 Pf.), die der barmherzige Samariter dem Wirt zur Bestreitung der Kosten der Pflege für den Verwundeten zurückläßt, sind offenbar eine mehr als hinreichende Bezahlung, die ja überdies auch für ungewöhnliche Ausgaben (der Heilung und Verpflegung) verwandt werden soll. Vielleicht brachten die Reisenden auch damals wie in älteren Zeiten und wie noch jetzt in griechischen Khans öfters ihre Nahrungsmittel selbst mit und übergaben sie dem Wirt zur Bereitung.
Übrigens waren die Wirtshäuser sehr häufig Orte der Prostitution und die Wirte zugleich Kuppler. Wiederholt wird von den juristischen Schriftstellern erwähnt, daß die weibliche Bedienung der Tabernen sowohl in den Städten als an den Landstraßen aus feilen Dirnen zu bestehen pflegte und die Wirtschaft häufig nur ein Deckmantel für Kuppelei war. Nach einem Erlaß des Kaisers Alexander Severus durfte eine Sklavin, die unter der Bedingung verkauft worden war, daß sie nicht prostituiert werden sollte, auch nicht in ein Wirtshaus verkauft werden, wo die Verwendung zur Aufwartung nur ein Vorwand war, um das Gesetz zu umgehen. Von der gesetzlichen Bestimmung, daß mit dem weiblichen Personal der Tabernen ein Ehebruch nicht begangen werden könne, nahm erst Constantin im Jahre 326 die Wirtin selbst aus, aber nur in dem Falle, daß sie die Gäste nicht selbst bediente.
Die Gastwirte hafteten für Schaden, den Gäste in ihren Häusern erlitten. Teils als Kuppler, teils aus andern Gründen waren sie im allgemeinen verrufen und ihr Gewerbe bescholten. In den Verzeichnissen der Polizeisoldaten waren sie neben Dieben und Würfelspielern eingeschrieben. Sie prellten und betrogen, fälschten den Wein – nach der Ansicht des Petronischen Trimalchio waren sie unter dem Zeichen des Wassermanns geboren – und nahmen den Maultiertreibern den Hafer ab, den diese für ihre Tiere empfangen hatten. Nach dem Traumbuch Artemidors, der viel gereist war, bedeuteten eherne oder eiserne Stirnen im Traume Gastwirten und Zöllnern »und allen, die mit Unverschämtheit leben«, Gutes; Dornen im Traume zu sehen, war für Gastwirte, Zöllner, Räuber und solche, die mit Gewicht und Rechnung betrügen, besonders günstig, »weil sie andern das Ihrige auch mit Gewalt und wider deren Willen entreißen«. Galen sagt, daß Menschenfleisch sehr ähnlich schmecke wie Schweinefleisch und von schändlichen Gastwirten zuweilen statt des letzteren aufgetischt worden sei. Glaubwürdige Männer hatten ihm erzählt, daß sie in einem Wirtshause eine köstliche Brühe mit sehr wohlschmeckendem Fleisch gegessen, dann aber darin ein Fingerglied gefunden hätten. Voll Entsetzen hätten sie das Wirtshaus verlassen, das Gegessene ausgebrochen und ihre Reise fortgesetzt. Später seien die Leute im Wirtshause bei einer Menschenschlächterei ergriffen worden. Die Wirtinnen scheinen oft im Rufe gestanden zu haben, Hexen zu sein; eine solche kommt auch bei Apulejus vor. Noch Augustinus hörte in Italien, daß Wirtinnen im Käse ihren Gästen ein Zaubermittel beibrachten, durch welches diese in Lasttiere verwandelt wurden, ohne jedoch ihr menschliches Bewußtsein zu verlieren. Wenn sie die erforderlichen Dienste geleistet hatten, erhielten sie ihre frühere Gestalt zurück.
Der üble Ruf der Zöllner aller Art ist sprichwörtlich geworden, und sicherlich nicht ohne Grund. Freilich waren Zolldefraudationen ohne Zweifel ganz gewöhnlich, und die Beamten erregten den Verdruß der Reisenden schon, wenn sie vorschriftsmäßig verfuhren. Wir zürnen den Zöllnern, sagt Plutarch, nicht wenn sie offen daliegende Waren untersuchen, sondern wenn sie, nach versteckten spürend, in fremdem Gepäck herumwühlen; und doch gestattet ihnen dies das Gesetz, und wenn sie es unterlassen, leiden sie Schaden. Bestimmungen in fingierten Rechtsfällen, die in der Rhetorenschule zur Übung aufgegeben wurden, kommen schwerlich mit der Wirklichkeit überein. Bei einem dieser Themen werden folgende gesetzliche Bestimmungen vorausgesetzt: Von allen Gegenständen außer den zur Reise unentbehrlichen soll die Steuer von 2½ Prozent erhoben werden. Der Zollpächter soll das Recht haben, das Gepäck zu untersuchen; steuerbare Gegenstände, die nicht angegeben worden sind, sollen konfisziert werden; Frauen zu betasten, soll nicht erlaubt sein. Eine Frau, die auf der Reise 400 große Perlen bei sich hatte, verbarg sie in ihrem Busen. Der Zollpächter fragte nach den Perlen. Die Frau stellte ihm frei, zu untersuchen, was er ablehnte. Als sie die Zollgrenze überschritten hatte, legte er Hand an sie und erklärte, daß die Perlen ihm gehörten. Die Effekten der Soldaten waren zollfrei, und vermutlich wurde Zollfreiheit auch sonst öfters durch kaiserliche Gunst verliehen. Trajan erteilte sie dem Sophisten Polemo aus Smyrna für alle Reisen zu Wasser und zu Lande, Hadrian auch dessen Nachkommen.
Ein schlimmres Übel als die Belästigungen und Erpressungen der Zöllner und die Prellereien der Gastwirte war für Reisende die öfters eintretende Unsicherheit auch belebter Straßen. Zum Teil war die Fürsorge für die Polizei auf denselben den Kommunen überlassen. In der westlichen Reichshälfte begegnet in einzelnen Ortschaften (Nyon, bei Bingen) ein gegen die Straßenräuber eingesetztes städtisches Kommando ( praefectus arcendis latronibus) als munizipales Anfangsamt: in der östlichen, besonders in Kleinasien, ständig und allgemein mit gleicher Kompetenz, das Amt der Irenarchen, die die Lokalmiliz der Diogmiten kommandierten. Doch wurden außerdem in allen Provinzen nach Anordnung der Zentralstelle Militärposten unter Subalternen bis hinauf zum Centurio aufgestellt, und die Statthalter angewiesen, Streifzüge gegen die Störer des öffentlichen Friedens zu unternehmen; doch solange die Natur der Menschen dieselbe bleibe, meinte Cassius Dio, werde das Brigantentum nicht aufhören.
Am hartnäckigsten behauptete es sich wohl in den Grenzprovinzen, in denen wir daher im dritten Jahrhundert an allen wichtigen Straßenkreuzungen Militärposten ( stationes) unter dem Kommando eines Unteroffiziers ( beneficiarius) begegnen. Eine im untern Pannonien (im Komitat Stuhlweißenburg gefundene Inschrift meldet, daß Kaiser Commodus im Jahre 185 das ganze Donauufer durch Erbauung von Kastellen und Garnisonen an geeigneten Stellen gegen die Einfälle von Räubern gesichert habe. Unter den Grabschriften Daciens melden drei (bei Mehadia und Cernetz) den Tod zweier Männer und einer Frau durch Räuber; zwei der Ermordeten wurden von den Ihrigen gerächt. Denkmäler von Personen, die durch Räuberhände fielen, sind auch in Obermösien, in Aquileja, bei Darmstadt und bei Trier gefunden worden. Wie unsicher zuweilen die Straßen (trotz der an geeigneten Stellen zum Schutz des Verkehrs errichteten Burgen) in den afrikanischen Provinzen waren, zeigt die Äußerung des Bischofs Cyprianus von Karthago, daß, wenn eine Herberge an der Landstraße von Räubern besetzt gehalten werde, die Reisenden, zu denen ein Gerücht davon gedrungen sei, andre Wirtshäuser aufsuchen. Ein Ingenieur der in Lambaesis stehenden dritten Legion, der zu einem Tunnelbau nach Saldä (Bougie) im Jahre 152 berufen worden war, sagt, daß er auf dem Wege unter Räuber gefallen und von allem entblößt und verwundet mit den Seinen entkommen sei. Lucian erwähnt, daß zur Zeit des Propheten Alexander von Abonuteichos in Ägypten viele Räuber waren. Die Nilsümpfe in der Umgegend von Damiette bildeten die Schlupfwinkel eines ganzen Räubervolkes von entsetzlicher Wildheit, das schon Eratosthenes kannte, der sogenannten Bukolen; ihr abenteuerliches Leben auf Barken und Inselchen schildert der Roman des Heliodor (etwa unter Alexander Severus) sehr anschaulich. Unter Marc Aurel bedrohten sie sogar Alexandria, und kaum war Avidius Cassius imstande, ihrer Herr zu werden.
Nächst den Grenzprovinzen werden die gebirgigen, besonders die nur unvollkommen zivilisierten, die meisten Briganten gehabt haben. Unter den Grabschriften von Salona in Dalmatien berichtet eine die Ermordung eines zehnjährigen Mädchens wegen ihres Schmucks; andre die Fortschleppung oder Tötung von Männern durch Räuber. Unter den Grabschriften in Spanien sind zwei von solchen, die ihren Tod durch Räuber gefunden haben. Auch in Judäa waren nach den Evangelien die Reisenden offenbar nicht selten in Gefahr, unter Räuber zu fallen. Wie weit es den Herodeern und später den Römern gelungen ist, die Bevölkerung des Ost-Jordanlandes, namentlich des Haurân und der Trachonitis, welcher die dortigen Höhlen zahlreiche geräumige Schlupfwinkel boten, von dem Räuberhandwerk zu entwöhnen, darüber fehlt es an Nachrichten. Die Unausrottbarkeit des Räuberwesens in dem durchaus gebirgigen und im Innern zum Teil öden Kleinasien erklärt sich auch durch die (außer den zur Grenzhut bestimmten Mannschaften) sehr geringe militärische Besatzung des Landes. Die Pamphylier, sagt Strabo, haben die Räuberei nicht gänzlich aufgegeben und lassen ihre Nachbarn nicht in Frieden leben; der mysische Olymp hat ungeheure Eichenwälder und sehr feste Orte, in denen sich Räuberbanden sehr lange halten können, wie zu meiner Zeit der Räuberhauptmann Kleon. Galen erzählt von einem Räuber, der vor kurzem bei Korakesion in Pamphylien sein Wesen getrieben und seinen Opfern die Beine abgehauen habe. Isaurien ist schwerlich erst seit dem 3. Jahrhundert, wo seine Bewohner eine Landplage des südlichen Kleinasiens waren, ein Räuberland gewesen, was es bis in die byzantinische Zeit blieb. Eine Inschrift erwähnt die Aufhebung der Räuberbanden am Hellespont durch einen T. Valerius Proclus, Beamten des Drusus Cäsar, eines Sohnes des Germanicus. Unter Hadrian hatte auf dem Gebirge Ida bei Troja ein Räuber Tilliboras gehaust und von dort aus Streifzüge in die Umgegend gemacht. Trotz der Bemühungen Hadrians und seiner Nachfolger wurden auch die Landstraßen der Provinz Achaja und der nächsten Nachbarlande von Räubern unsicher gemacht, und der glückliche Räuberhauptmann ist nach Lucian eine in den Gesprächen des gemeinen Lebens geläufige Figur. Auch die vielen Räubergeschichten in dem gleichzeitigen, in Griechenland spielenden Roman des Apulejus dürften wenigstens zum Teil der Wirklichkeit entnommen sein. Nach Sardinien, wo ebenso wie in Lusitanien in Varros Zeit Gebiete von vorzüglicher Bodenbeschaffenheit wegen der Räubereien der Nachbarn nicht bebaut werden konnten, und wo vom Jahre 6 n. Chr. ab einige Jahre hindurch gegen die Räuber förmlich Krieg geführt werden mußte, sandte Tiberius im Jahre 19 n. Chr. 4000 Freigelassene, »die von jüdischem und ägyptischem Aberglauben angesteckt waren«, um die dortigen Räuberbanden zu bekämpfen. Die Bewohner der Gebirge Corsikas lebten nach Strabo von Räuberei und waren wilder als Tiere. Vorsichtige Reisende schlossen sich auf unsichern Straßen gern dem Gefolge eines höheren Beamten, eines Gesandten, Quästors oder Prokonsuls an; manche erwirkten sich militärische Begleitung; so erhielt Lucian bei einer Reise durch Cappadocien von dem ihm befreundeten Statthalter zwei Lanzenträger als Eskorte bis an das Meer.
Aber auch die kultiviertesten und friedlichsten Teile des römischen Reichs wurden zeitweise durch Räuberhorden beunruhigt. Im Jahre 186 sammelte ein desertierter Soldat Maternus eine Bande, mit welcher er ganz Gallien und Spanien in Schrecken setzte, indem er anfangs Dörfer und Gehöfte, zuletzt große Städte angriff, die dort in den Gefängnissen befindlichen Verbrecher in Freiheit setzte, brannte und plünderte. Als Commodus Truppen gegen ihn sandte, gelang es ihm, mit seinen Genossen nach Italien zu entkommen; sein Plan, den Kaiser zu ermorden, wurde verraten und er mit den Seinigen hingerichtet.
In Italien war die Unsicherheit am größten natürlich unmittelbar nach den Bürgerkriegen, wo bewaffnete Räuber in großer Anzahl sich überall ganz öffentlich zeigten, und bei Nacht von Rom nach Tibur zu reisen ein gefährliches Wagnis war, bis Augustus diesem Unwesen durch Aufstellung von Militärposten an geeigneten Stellen steuerte, aber nicht so völlig, daß nicht Tiberius, der sich die Befestigung der Sicherheit besonders angelegen sein ließ, von neuem ähnliche zahlreichere Posten hätte aufstellen müssen. Ergriffene büßten mit verschärften Todesstrafen, namentlich Zerreißung durch wilde Tiere, und ihre Leichen wurden zum abschreckenden Beispiel und »zum Trost für die Angehörigen der Ermordeten« an den Orten, wo sie ihr Wesen getrieben hatten, an den Galgen (wie im Kirchenstaat noch 1819) oder das Kreuz gehängt, oder blieben auch, besonders im Gebirge, den Vögeln zum Fraß am Wege liegen, wo sie dann zuweilen vorüberreisenden Ärzten eine erwünschte Gelegenheit boten, die inneren Körperteile zu sehen. So hatte Galen das Gerippe eines Räubers an der Landstraße liegen gesehen, den ein von ihm angegriffener Reisender getötet hatte; da die Bewohner der Gegend aus Haß gegen den Toten ihn nicht begraben wollten, hatten die Vögel in zwei Tagen das Fleisch so völlig aufgezehrt, daß das Skelett einen belehrenden Anblick bot. Doch war das Brigantentum selbst in Italien nicht auszurotten. Bei Nacht, wo man übrigens gewöhnlich mit Fackeln reiste (die am Morgen noch brennend fortgeworfen wurden und zuweilen Hecken anzündeten), war, wer irgend wertvolle Dinge bei sich führte, in Besorgnis vor »Schwertern und Stangen« und erschrak vor dem Schatten des im Mondlicht wankenden Rohrs. Unmittelbar vor den Toren Roms ist die Grabschrift eines 28jährigen Mannes gefunden worden, der mit 7 Pflegebefohlenen ( alumni) seinen Tod durch Räuberhand fand. Auch in Häuser brachen Räuber ein: der ältere Plinius erzählt, wie ein kranker Senator Cälius zu Placentia von Bewaffneten überfallen, von seinem Hunde verteidigt worden war. Der jüngere Plinius erhielt etwa im Jahre 106/7 die Aufforderung, Nachforschungen nach einem senatorischen Ritter anzustellen, welcher auf einer Reise hinter Otricoli spurlos verschwunden war; er fürchtete, es werde ihm ergangen sein wie einem seiner Landsleute, der mit einer Geldsumme abgereist war, um sich für den Centurionat auszurüsten; weder von ihm noch von seinen Sklaven hatte man jemals wieder gehört. Es blieb zweifelhaft, ob er mit ihnen oder durch sie umgekommen sei. Nicht bloß die Habe, sondern auch die Person der Reisenden war für den Räuber eine zu verwertende Beute und Menschenraub in Italien wie in den Provinzen gewöhnlich; gar mancher schutzlose Wanderer verschwand für immer in den scheußlichen, halbunterirdischen Bagnos, in denen die Sklaven großer Grundbesitzer in Gewahrsam gehalten wurden. Selbst bei Tage trieben berittene Banden weidende Herden fort. Marc Aurel erzählt als Prinz in einem Briefe an Fronto, wie Schafhirten, die ihn mit seinen Begleitern daherreiten sahen, sie für Räuber hielten, worauf er zum Scherz auf die Herde einsprengte und einer der Hirten einen Gabelstock nach ihm schleuderte. Am verrufensten blieben immer die Pontinischen Sümpfe und der meilenlange, sandige Gallinarische (seit dem Mittelalter Pineta genannte) Buschwald, wo auch die Schiffsführer des S. Pompejus während des Krieges mit den Triumvirn Räuberbanden organisiert hatten. Die Truppensendungen, die von Zeit zu Zeit gegen die dort hausenden Banditen erfolgten, bewirkten nur, daß sie sich für den Augenblick nach andern Orten, besondres nach Rom selbst zogen.
Außer innern Kriegen und Unruhen leisteten auch andre Ursachen dem Räuberwesen Vorschub. Als Septimius Severus aufhörte, die Leibgarde der Prätorianer, wie es bisher geschehen war, hauptsächlich in Italien auszuheben, wandte sich die waffenfähige Jugend in Masse dem Fechter- und Räuberhandwerk zu. Gegen Ende von Severus' Regierung brandschatzte ein Bandenführer, Felix Bulla, an der Spitze von 600 Räubern ganz Italien und behauptete sich zwei Jahre lang trotz aller gegen ihn ausgesandten Mannschaften. Durch List und Freigebigkeit erreichte er, daß, obwohl der Kaiser sehr großen Wert auf seine Auffindung legte, »er weder gesehen wurde, wenn man ihn sah, noch gefunden, wenn man ihn fand, noch ergriffen, wenn man ihn gefangen nahm«. Er erfuhr von allen, die von Rom abreisten und in Brundisium landeten, wer sie waren und was sie bei sich führten; die übrigen entließ er sofort, nachdem er sie eines Teils ihrer Habe beraubt hatte, nur die Handwerker hielt er einige Zeit fest und ließ sie für sich arbeiten, bezahlte sie und gab sie dann frei. Als zwei seiner Kameraden gefangen und zum Tierkampf verurteilt worden waren, begab er sich zu dem Kerkermeister, gab sich für den obersten Beamten des Bezirks aus, der für seine Schauspiele solche Leute brauche, und spielte seine Rolle so gut, daß man sie ihm mitgab. Dem gegen ihn abgesandten Centurionen bot er sich selbst als Führer an und lockte ihn in einen Hinterhalt. Hier gab er sich zu erkennen, ließ dem Centurionen den Kopf kahl scheren und beauftragte ihn, seinen Herren zu sagen, sie sollten ihre Sklaven besser halten, damit sie nicht Räuber würden. In der Tat hatte er sehr viele, teils schlecht, teils gar nicht bezahlte kaiserliche Sklaven in seiner Bande. Endlich sandte Severus, im höchsten Grade aufgebracht, einen Tribunen der kaiserlichen Leibwache mit einer großen Reiterabteilung gegen ihn aus, der ihn um jeden Preis lebendig gefangen nehmen sollte. Diesem gelang es durch den Verrat einer Geliebten, ihn in einer Höhle schlafend zu ergreifen. Dem Präfekten Papinianus, vor den er geführt wurde, antwortete er auf die Frage: Warum bist du Räuber? mit der Gegenfrage: Warum bist du Präfekt? Er wurde unter dem Ausrufe des Herolds von wilden Tieren zerrissen und seine Bande darauf mit leichter Mühe zerstreut. So sehr, sagt Cassius Dio, war die Kraft der Sechshundert in ihm allein gewesen. Proculus, der ums Jahr 280 als Thronprätendent auftrat, stammte aus einem vornehmen, reichen Räubergeschlecht im Gebiet von Albenga an der Genuesischen Riviera; er gebot über 2000 bewaffnete Sklaven. Räubergeschichten bildeten neben Gespenster- und Liebesgeschichten einen beliebten Gegenstand der Unterhaltungsliteratur, und die Räuber spielen in den antiken Romanen eine große Rolle, namentlich bei Apulejus spricht sich »Bewunderung für die Kühnheit, Standhaftigkeit, reue der Räuber größeren Stils« deutlich aus. Wie sehr die großen Banditen das allgemeine Interesse erregten, sieht man auch daraus, daß ein Schriftsteller wie Arrian eine Biographie des oben erwähnten Räubers Tilliboras schrieb.
Wenn es also zu allen Zeiten in allen Teilen des römischen Reichs und oft in großer Anzahl Räuber gab, so ist dabei nicht zu vergessen, daß die mitgeteilten Angaben aus einem Zeitraum von mehreren Jahrhunderten zusammengetragen sind. Wollte man entsprechende Angaben aus der europäischen Literatur der letzten drei Jahrhunderte sammeln, so dürfte das Ergebnis um so viel reicher ausfallen, als die Quellen hier zahlreicher und ergiebiger sind. Nicht viel mehr als ein Jahrhundert ist vergangen, seit die englischen Highwaymen, die noch 1816 die Straße von Dover nach London unsicher machten, die großen Räuberbanden im westlichen Deutschland ihr Wesen trieben und die Räuberromane auch in unserer Unterhaltungsliteratur einen bedeutenden Raum einnahmen. Es fragt sich sogar, ob die Unsicherheit der Straßen selbst im 19. Jahrhundert in den Mittelmeerländern und den Ländern an der unteren Donau nicht ebenso groß gewesen ist, und zum Teil noch ist, wie in der römischen Kaiserzeit; selbst wenn man von dem unter der Herrschaft des Islam stehenden Gebiet und von Griechenland ganz absehen will, wo noch im 20. Jahrhundert die Tätigkeit des Räubers Athanas und die Aufhebung des deutschen Ingenieurs Richter im thessalischen Olymp die öffentliche Meinung Europas in Aufregung versetzte. Im heutigen Ungarn beschäftigt vor allem der schweifende »arme Gesell« und der »raubende Betyar« die Phantasie des Volks und die Sagendichtung. Von Szolnok nach Kecskemet ließ man Bismarck 1852 nicht ohne Eskorte reisen; in dieser Gegend lagen die übelsten Raubnester, an der Theiß, wo die Sümpfe und Wüsten ihre Ausrottung fast unmöglich machen; trefflich bewaffnete und berittene Banden von 15 bis 20 Mann überfielen die Reisenden und die Höfe. In Szegedin sollen im Jahre 1873 an 800 Räuber und Mörder gefangen gesessen, an 1500 als Mitschuldige aufgezeichnet gewesen sein. Doch schwerlich war auch nur der größere Teil entdeckt und gefangen worden. In Dalmatien hört man fast in jedem Monat, die Malviventi seien von den Bergen herabgestiegen und niemand hindere sie daran. Der Kreis Zara zählte 157.000 Einwohner: hier wurden 1851-1863 2659 »Handlungen öffentlicher Gewalttätigkeit« verübt, 1919 Personen schwer an ihrem Leibe geschädigt, 507 ohne weiteres ermordet. In der Verlikka kam auf je 21 Menschen ein Mörder oder Totschläger.
Die Geschichte des Banditentums in Italien seit 1799, der Camorra und der Mafia würde allein Bände füllen. Hier kann nur an einige besonders bezeichnende Tatsachen erinnert werden. Im Kirchenstaat waren die Aufstände gegen die Franzosenherrschaft zum Teil durch Raublustige erhoben und durch sie Raublust verbreitet worden. Die daraus verstärkten Räuberbanden zehnteten das flache Land auch nach der Rückkehr von Pius VII., schleppten Familien fort und überfielen Klöster. Als das Räubernest Sonnino abgebrochen worden war, zogen sie weiter nördlich, bedrängten Frosinone und Alatri, bedrohten Subiaco, Palestrina, Tivoli, ja die römischen Villen mit Feuer und Raub. Noch schlimmer war es im Königreich Neapel nach der Rückkehr Ferdinands I., der mit den Häuptlingen der Banden bald wie Macht mit Macht unterhandelte, bald sich ihrer durch Verrat zu entledigen suchte. Mit den Räubern schlossen weitverbreitete regierungsfeindliche Verbrüderungen Bündnisse, und namentlich in der Provinz Otranto war die friedliebende Bevölkerung der Hefe des Volks tributpflichtig und wurden bis 1818 die größten Verbrechen in Masse straflos verübt. Als im Jahr 1861 die Contrerevolution in der Form des Brigantentums organisiert wurde, verübten die unter dieser Fahne kämpfenden Banden nicht geringere Greuel als die des Kardinals Ruffo, und es bedurfte eines dreijährigen blutigen Krieges, um sie völlig aufzureiben. Wieviel noch bis in die jüngste Zeit in Unteritalien sowie in einem großen Teil von Mittelitalien (namentlich überall da, wo das Brigantentum im Massenelend wurzelt) zur Herstellung einer völligen Sicherheit fehlte, ist allbekannt. Ebenso allbekannt sind die der modernen Zivilisation Hohn sprechenden Zustände Siciliens. Im Jahre 1838 betrug dort die Zahl der von der Obrigkeit als notorisch anerkannten Verbrecher, der Vogelfreien, nach der eigenen Aussage des Polizeiministers Marchese del Carreto gegen 6000. Kleinere Städte im Innern waren von ihnen mit offener Gewalt geplündert worden. Bis 1860 beruhte die ganze dortige gesellschaftliche Ordnung auf der Macht der Einzelnen, und diese wurde seit unvordenklichen Zeiten durch Gewalt zur Geltung gebracht. In dem bei weitem größern westlichen Teil der Insel ist das Brigantentum gewissermaßen eine regelmäßige und anerkannte Institution, die Briganten und Mitglieder der Mafia die einzige Autorität, die allgemeinen Gehorsam findet. Alle seit 1860 gemachten Versuche der Regierung, diese Übel auszurotten, sind fruchtlos geblieben und werden es bleiben, solange es nicht gelingt, ihre Wurzeln abzugraben. Im September 1866 wurde Palermo von Räubern eingenommen und 5 Tage besetzt gehalten. Aber auch in dem jetzt beruhigten Osten der Insel hat bis 1875 der Bandenführer Ignazio Cucinotta eine Tyrannenherrschaft geübt, »mit der verglichen die der Bourbonen in den schlimmsten Zeiten wohltätig und gerecht war«. In Sardinien war bis zu der 1899 von Pelloux unternommenen Unterdrückung des Banditentums die Sicherheit geringer als in der Türkei. Die Räuberei wurde im großen betrieben, Angriffe von Diligencen und ganzen Ortschaften, Besetzung von Bahnstationen und Kasernen der Karabinieri durch bewaffnete Banden waren nicht selten; in einigen Gegenden lud man zu solchen Raubzügen ein, und solche Einladungen galten als Ehre. In Corsica gab man 1851 die Zahl der eigentlichen Banditen auf 200 an, und ebensoviele mochten in Sardinien als Flüchtlinge leben. In Spanien herrschte ums Jahr 1830 eine unglaubliche Unsicherheit. Alle Hauptposten, mit Ausnahme der von Barcelona nach Perpignan, erkauften sich von den Banditen Schutz. Die große und belebte Straße von Sevilla nach Cadiz konnte zwischen San Lucar und Puerto de Santa Maria ohne starke bewaffnete Eskorte gar nicht bereist werden. Die Straße von Cadix nach Gibraltar stand in so bösem Rufe, daß man sich nur im Notfall darauf wagte; dennoch wurden während des Sommers 1830 in acht Wochen nicht weniger als 35 Personen ausgeplündert. Selbst in einigen der größten Städte war niemand seines Lebens und Eigentums sicher. In Sevilla verging kaum eine Nacht, ohne daß ein Mord begangen wurde. Auch in Malaga erfreuten sich die Mörder einer fast vollständigen Sicherheit. Vierzig Jahre später waren die Zustände des Landes um nichts besser. Im Winter 1869 wurde ein kleiner Badeort in den südlichen Gebirgen von einer Räuberbande überfallen und ausgeplündert und 18 Badegäste erschossen. Im Jahre 1842, also sieben Jahre nach Beendigung des Bürgerkriegs in Portugal, hielten im Königreich Algarbien kaum hundert Guerrilhas, sogenannte Miguelisten, aber in der Tat nur gewöhnliche Straßenräuber, in den Schluchten der Serra von Monchique dreitausend Mann regulärer Truppen in Schach. Bis jetzt hat sich also wenigstens bei den Völkern Südeuropas jene Prophezeiung des Cassius Dio bewährt, daß das Räuberwesen nicht aufhören werde, solange die menschliche Natur dieselbe bleibe.
a) Der durch die Natur, Größe und Verwaltung des römischen Reichs bedingte Verkehr
Bei dem Versuche, von dem Verkehrswesen im römischen Reiche eine Vorstellung zu gewinnen, kommt zunächst in Betracht, daß schon der ungeheure Umfang des in ihm vereinigten Ländergebiets einen lebhaften, fortwährenden und sehr umfassenden Verkehr mit Notwendigkeit bedingte. Die Zentralisation der Verwaltung und Rechtspflege hatte eine ununterbrochene Kommunikation aller Teile des Reichs mit Rom, sowie aller Teile der Provinzen mit den Residenzen der Statthalter zur Folge. Diese letztern unterhielten einen fortdauernden Depeschenwechsel mit den Kaisern, wie es die Korrespondenz des Plinius als Konsularlegat von Bithynien in den Jahren 111-113 mit Trajan zeigt, wenn freilich auch nicht alle Statthalter bei so geringfügigen Veranlassungen, wie er, in Rom angefragt haben werden; und ebenso standen die Prokuratoren und kaiserlichen Hausbeamten in den Provinzen mit den vorgesetzten Behörden in Rom oder dem Kaiser selbst in steter Verbindung. Beamte, die sich auf ihre Posten begaben oder in außerordentlichen Sendungen reisten, waren fortwährend unterwegs, und diese Reisen, die oft unmittelbar aus den Mooren Schottlands an den Atlas, aus den Städten Syriens in die Standlager Germaniens führten, wurden natürlich immer mit größerem oder geringerem Gefolge unternommen. Die Zahl der Provinzialen, die eigne Angelegenheiten, Rechtssachen (namentlich Appellationen an die Kaiser), Anstellungen und Beförderungen usw. persönlich in Rom betrieben, wird zu allen Zeiten groß gewesen sein. Martial erwähnt z. B. eine dorthin behufs Erlangung des Dreikinderrechts unternommene Reise, Epictet, daß jemand die Seefahrt von Kreta machte, um Vorsteher der Stadt Knossos zu werden. Die in den Provinzen eines Kapitalverbrechens angeklagten Personen, welche der Gerichtsbarkeit der Statthalter nicht unterworfen waren (Senatoren, höhere Offiziere, Decurionen der Munizipien ), wurden nach Rom gesandt: auch solchen begegnete man gewiß auf den dorthin führenden Straßen häufig genug.
Auch Gesandtschaften der Städte und Landtage der Provinzen dürften zu allen Zeiten in Rom anzutreffen gewesen sein: zugleich mit der Gesandtschaft der alexandrinischen Juden an Caligula, bei der sich Philo befand, warteten Gesandte »fast aus der ganzen Welt« auf Audienz und Bescheid. Öfters wird die freiwillige Übernahme von Gesandtschaften an den Kaiser in griechischen und römischen Inschriften als ein Verdienst erwähnt, das wohlhabende Bürger sich um ihre Stadt erwarben; und welche Verschwendung mit solchen Gesandtschaften getrieben wurde, kann man daraus entnehmen, daß nach dem Bericht des jüngern Plinius aus Byzanz alljährlich ein Gesandter zur Begrüßung Trajans mit einem Reisegeld von 12.000 Sesterzen (2610 Mark) nach Rom und ein andrer mit einem Reisegelde von 3000 Sesterzen (652,5 Mark) zur Begrüßung des Statthalters von Mösien geschickt wurde. Trajan genehmigte auf den Vorschlag des Plinius, daß an die Stelle dieser Gesandtschaften die Übersendung von Begrüßungsschreiben treten sollte; Vespasian hatte die Zahl der städtischen Gesandten auf drei beschränkt. Auch die zeitweiligen Aufenthaltsorte der Kaiser auf Reisen und Feldzügen wurden Mittelpunkte eines ähnlichen lebhaften Verkehrs. Daß Augustus während seines mehr als zweijährigen Aufenthaltes in Tarraco (728/29 = 26/25) wie 733/34 = 21/20 auf Samos Gesandte aus nahen und fernen Ländern und allen Weltgegenden in großer Zahl empfing, dürfen wir annehmen, wenn wir auch nur von einer lesbischen und einer indischen wissen. Das Erdbeben, das Antiochia im Jahre 115 betraf, während Trajan dort überwinterte, wurde, wie Cassius Dio sagt, für viele Städte unheilvoll; denn da zahlreiche Soldaten und Privatleute behufs Entscheidung von Prozessen oder als Gesandte, in Handelsgeschäften oder aus Schaulust von allen Seiten dorthin zusammengeströmt waren, blieb kein Stamm und keine Provinz unbeschädigt, und so litt in Antiochia das ganze römische Reich.
Sodann hatte die vollkommen ungehemmte Freizügigkeit bei der Vortrefflichkeit der Verkehrsanstalten und der verhältnismäßig großen Sicherheit der stets belebten Straßen ein unaufhörliches Hin- und Herziehen, Wandern und Reisen eines nicht geringen Teils der Bevölkerungen zur Folge: und je länger das ein Gebiet von mehr als 5 Millionen Quadratkilometern umfassende Weltreich bestand, desto zahlreicher wurden die Beziehungen zwischen den verschiedenen Ländern, folglich auch die Motive für die Bewohner, ihren Aufenthalt auf längere oder kürzere Zeit zu verändern. Unternehmungen, Geschäfte, Gewerbe, die in irgendeiner Provinz erfolglos geblieben waren, konnten in jeder andern aufs neue versucht oder mit lohnenderen vertauscht werden. Der Vater des Kaisers Vespasian, Flavius Sabinus, aus Reate gebürtig, hatte den Einfuhrzoll von 2½ Prozent in der Provinz Asia gepachtet, später machte er Geldgeschäfte in Helvetien, wo er auch starb. Allerdings strömte es am stärksten aus den Provinzen nach Rom, aber doch auch wieder von dort zurück, und nicht minder muß der Verkehr der Provinzen untereinander fortwährend sehr lebendig gewesen sein. Griechen und Kleinasiaten lebten als Schullehrer (wie Asclepiades von Myrlea in Turdetanien), Rhetoren (wie Lucian in Gallien), Ärzte (wie der von Eusebius unter den Märtyrern zu Lugdunum erwähnte Phrygier Alexander), Maler und Bildhauer (wie der Erzgießer Zenodorus bei den Arvernern, d. h. in Clermont, in Neros Zeit) in allen westlichen Provinzen. König Herodes von Judäa hatte Gallier und Germanen zu Leibwächtern. Juden waren in allen Teilen des Reichs ansässig und unterhielten ohne Zweifel lebhafte Beziehungen untereinander und mit dem Mutterlande. Aus ihren sämtlichen Gemeinden brachten angesehene Männer zu bestimmten Zeiten die Tempelabgaben nach Jerusalem; zum Passahfest zogen aus allen Weltgegenden Tausende von jüdischen Pilgern nach der heiligen Stadt. Wie lebendig der persönliche Austausch und Verkehr unter den Christen des römischen Reichs in den ersten Jahrhunderten gewesen ist, lehren uns nicht bloß die Reisen der christlichen Missionare, sondern auch andrer hervorragender Christen, und auch ihr brieflicher und literarischer Verkehr war ein ungemein lebhafter. Daß an allen Zentralpunkten Fremde sich zahlreich aufhielten, ist selbstverständlich; von dem Fremdenverkehr in den Handelsstädten wird unten die Rede sein. Es gab aber überhaupt keine Stadt, in der nicht zahlreiche Fremde wohnten; selbst auf einer so rauhen, kulturlosen, ja abschreckenden Felseninsel wie Corsica war nach Senecas Zeugnis ihre Zahl größer als die der Einheimischen.
Ferner führte der Kriegsdienst fortwährend Tausende aus ihren Geburtsländern an immer wechselnde Standorte und zuletzt bleibende Wohnsitze in weiten Fernen, auch nachdem Hadrians Durchführung der örtlichen Aushebung die früher sehr weitläufigen und kostspieligen Verschickungen wesentlich vermindert hatte. Denn nur ein Teil der Provinzen, wie Afrika und im ganzen auch Ägypten, war imstande, die für ihre Garnisonen erforderlichen Mannschaften so gut wie vollständig zu stellen. Daher mußten bei der für ein Heer von höchstens 300.000 Mann bei meist 25jähriger Dienstzeit jährlich höchstens rund 20.000 Rekruten erfordernden Heeresergänzung diejenigen Länder, welche selbst keines oder nur eines geringen militärischen Schutzes bedurften oder einen Überschuß an kriegerischen Kräften besaßen, andern Provinzen mit Rekruten aushelfen. So erwähnt Tacitus, daß im Jahre 65 im Narbonensischen Gallien, in Afrika und Asia Aushebungen zur Ergänzung der Legionen in Pannonien, Mösien und Dalmatien stattfanden. Doch bestand eine im ganzen festgehaltene Scheidung zwischen Orient und Okzident. Die in den westlichen Provinzen stehenden Legionen wurden nur hier, die in den östlichen stehenden nur dort ausgehoben, wenngleich es an Ausnahmen nicht fehlte; und zwischen den Korps des Orients und denen des Okzidents hat der sonst so häufige Lagerwechsel so gut wie gar nicht stattgefunden. Für die Offiziere gilt dies jedoch nicht; sie wurden überhaupt viel umhergeworfen. Nicht bloß die höheren Offiziere aus dem Senatoren- und Ritterstande, sondern auch die Centurionen, die noch im 2. Jahrhundert fast durchweg Italiker waren oder aus römischen Militärkolonien stammten, wurden sehr häufig von einer Legion zur andern, also auch aus einer Provinz in die andre versetzt, um den Legionen ein gleichartiges Offizierskorps römischen Blutes zu erhalten. Es finden sich Centurionen, die in 5, 6, 7, ja sogar in 10 Legionen nacheinander, oder dazwischen in andern Truppengattungen dienten. Bei der Ernennung des Vettius Crispinus zum Legionstribunen fragt Statius, ob er an den Rhein oder nach Afrika, nach Pannonien oder an die Donaumündung, nach Judäa oder Armenien werde gesandt werden. Im ganzen erfolgte die Aushebung der Legionen in den Provinzen mit städtischer Zivilisation (den Senatsprovinzen). Die Mehrzahl der Heimatangaben der Soldaten in den rheinischen, dalmatinischen, afrikanischen Legionen führt auf die Narbonensis, Afrika und Macedonien: seit Hadrian dienten die Leute dieser keiner Garnisonen bedürfenden Länder in der Garde. Dagegen die Hilfskorps (Auxiliarkohorten) wurden in den kaiserlichen Provinzen gebildet; sie waren gewissermaßen eine Hausmacht der Kaiser. Ebenso wurde die Aushebung für die Mannschaften der Flotten wesentlich auf dieselben Provinzen gelegt; namentlich auf Ägypten, Syrien, Cilicien, Cappadocien, Bithynien, Pontus und Thracien in der östlichen, Dalmatien, Sardinien und Corsica in der westlichen Reichshälfte.
Obwohl nun ökonomische wie sanitäre Gründe die Verwendung der Soldaten in ihrer Heimat empfahlen, mußte von derselben aus entgegenstehenden Erwägungen vielfach Abstand genommen werden. Nicht bloß gaben die Provinzen mit geringer oder gar keiner Besatzung ihre Hilfskorps anderswohin ab, und wurden mehrere orientalische Korps dadurch, daß der Osten die Bogenschützen für das ganze Heer stellte, nach dem Westen geführt: sondern ganz besonders waren hier die politischen Rücksichten maßgebend. Gebiete, die erst kürzlich mit den Waffen unterworfen oder aus andern Gründen schwierig waren, belegte man nicht mit ihren eignen Nationaltruppen. In Britannien ist nur eine der dort zahlreich gebildeten Reiterabteilungen und Infanteriekohorten stationiert worden; in Rätien haben von den 8 dort ausgehobenen Kohorten nur zwei gestanden; in Pannonien nennt ein Soldatenabschied vom Jahre 60 allerdings nur 7 Kohorten (also keineswegs alle dortigen Hilfskorps), aber unter diesen keine einzige aus den Donauländern, sondern 5 spanische und 2 der Alpiner. In Dacien waren im Jahre 110 unter einem Oberbefehl vereint Nationaltruppen aus Ituräa (im Nordosten von Palästina), Spanien, Thracien, Gallien, Rätien und Britannien; in Rätien im Jahre 107 Spanier und Lusitaner, Italiener, Thracier, Slavonier, Gallier, Bataver, Briten. So lagen denn auf den Begräbnisplätzen großer Garnisonorte Männer aus den verschiedensten und fernsten Teilen des Reichs nebeneinander: z. B. in Mainz nach den Inschriften der dort zahlreich erhaltenen Grabsteine Soldaten und Offiziere aus dem Rheinlande, aus Holland und Brabant, aus Ungarn, Kärnten, Steiermark, Tirol, Dalmatien, Rumelien, Syrien, Spanien, Frankreich und aus allen Gegenden Italiens, von Friaul und Piemont bis Neapel.
Die Soldaten, welche bei der Garde mindestens 16, in den Legionen 20, den Hilfskorps 25, auf den Flotten 26 Jahre dienten, kehrten allerdings nach ihrer Entlassung zuweilen in ihre Heimat zurück, besonders wenn diese ihrem letzten Garnisonort nahe lag; in der Regel aber ließen die aus den Provinzen stammenden Veteranen sich in der Provinz nieder, in welcher sie zuletzt gestanden, und wo sie gewöhnlich auch Ehen geschlossen hatten. Die Versorgung der Veteranen durch Landanweisungen war in großem Umfange bereits durch Augustus erfolgt, der nach der Schlacht bei Actium 28 Militärkolonien in Italien und 14 v. Chr. eine große Anzahl anderer in den Provinzen anlegte, namentlich in Spanien und im Narbonensischen Gallien, den afrikanischen Provinzen, wo in den beiden Mauretanien elf bekannt sind, in Cilicien, Macedonien, Achaja, Asia, Galatien und Syrien. Die späteren Kaiser fuhren fort, die ausgedienten Soldaten in derselben Weise zu belohnen, zugleich in der Absicht, durch die militärischen Ansiedlungen den Provinzen Sicherung und Schutz gegen innere und äußere Feinde zu gewähren. So siedelte Claudius Veteranen in Köln, Aequum in Dalmatien, Camulodunum in Britannien, in Noricum und in beiden Mauretanien u. a., Nero in Capua, Tarent, Nucceria, Antium, Puteoli, Pompeji, Vespasian u. a. in Aventicum, in Deultus in Thracien, in Sirmium und Siscia in Pannonien und in Cäsarea in Palästina an. Die Garden erhielten gewöhnlich in Italien, die Mannschaften der übrigen Teile des Heers in den Provinzen Land: so wurden Veteranen der fünften und zehnten Legion in Corduba und Augusta Emerita in Spanien, der zweiten in Cartenna (Mauretanien), der zweiundzwanzigsten in Paträ (Achaja), der fünften und achten in Berytus und Heliopolis (Syrien) angesiedelt, und zahlreiche Orte, wie Arausio Secundanorum, Arelate Sextanorum, Forum Julii Octavanorum, Bovianum Undecumanorum, trugen die Legionsnummer ihrer Kolonisten im Namen.
Der erste Kaiser, der zur Versorgung der notleidenden bürgerlichen Bevölkerung Kolonien anlegte, war Nerva, der zu diesem Zweck in Italien für 60 Mill. Sesterzen (über 13 Mill. Mark) Land ankaufen und verteilen ließ. Einzig in ihrer Art war die Kolonisation der 106 eroberten Provinz Dacien, in welche Trajan »unermeßliche Menschenmassen aus dem ganzen römischen Reich führen ließ«, um das durch den Krieg völlig verwüstete und von Menschen entblößte Land neu zu bebauen und zu bevölkern. Unter diesen nicht militärischen Kolonisten Daciens kennen wir namentlich die zur Ausbeutung der Goldbergwerke um das heutige Abrudbanya aus Dalmatien herbeigezogenen, des Bergbaus kundigen Piruster und sonstige Dalmatiner; die große Mehrzahl der gewöhnlichen Bergarbeiter lieferte natürlich das benachbarte Pannonien; doch die Hauptmasse der Einwanderer war syrischer und kleinasiatischer Abkunft (aus Asia, Bithynien, Carien, Galatien): so daß also damals wie heute in Siebenbürgen die verschiedensten Nationalitäten zusammentrafen und sich vermischten. Übrigens ist trotz dieser bürgerlichen Kolonistenbevölkerung Dacien »stets eine wesentlich von aktiven und ausgedienten Soldaten bevölkerte Militärgrenze geblieben, und die städtischen Gemeinden, die allmählich auf diesem Boden bei zunehmendem Gefühl der Sicherheit entstanden, verleugnen nicht ihren Ursprung aus Ansiedlungen von Veteranen, Marketendern und anderm Troß, der sich naturgemäß an die großen Lagerstätten anschloß«.
In wie hohem Grade nun die in allen Teilen des Reichs angelegten Veteranenkolonien die Assimilation der unterworfenen einheimischen Bevölkerung und die Romanisierung der Provinzen befördern mußten, ist klar; ebenso aber auch, daß die fortwährenden Verpflanzungen zahlreicher Kolonisten aus ihren Geburtsländern in andre Gegenden zur Steigerung und Vervielfältigung des Verkehrs nicht wenig beitrugen.
Daß auch der briefliche Verkehr im römischen Reiche lebendiger war, als man bei dem Fehlen einer Briefpost erwarten sollte, läßt die Tatsache erschließen, daß ein berühmter Arzt wie Galen mit Personen in den verschiedensten Provinzen in Briefwechsel stehen konnte und in weitem Umfange von seinen Patienten, namentlich Augenleidenden, aus entfernten Provinzen brieflich konsultiert wurde. Ebenso empfing er regelmäßige jährliche Sendungen von Medizinalstoffen aus allen Teilen des Reiches. In der Zeit des Augustus sandten römische Buchhändler Bücher in überseeische Provinzen, wie nach Spanien und Afrika, aber auch schwierigere Versendungen und Transporte erfolgten fortwährend in allen Richtungen. Die in einem Falle (von einer Heilquelle bei Santander) bezeugte Versendung von Mineralwasser hat ohne Zweifel häufig stattgefunden. Auf einen lebhaften Austausch der landwirtschaftlichen Produkte der verschiedenen Provinzen läßt die Nachricht des Plinius schließen, daß Herden lebender Gänse von Boulogne bis über die Alpen getrieben wurden. Die Verbreitung der Fruchtbäume aus Italien in die Provinzen geschah zum Teil mit überraschender Schnelligkeit: schon vier Jahre nach der Eroberung Britanniens war die Kirsche dorthin verpflanzt. Von den massenhaften Transporten von Tieren, darunter den größten und wildesten, aus den fernsten Ländern behufs der Tierhetzen nach Rom und den Hauptorten der Provinzen wird später die Rede sein. Wenn gegen Ende des 4. Jahrhunderts zu den Zirkusspielen in Antiochia in Syrien Pferde aus Spanien bezogen wurden, so darf man annehmen, daß die Versendung der gesuchtesten und edelsten Pferde, namentlich auch der cappadocischen und afrikanischen, zur Zucht und zu Wettrennen in der umfassendsten Weise betrieben worden ist.
b) Der Handelsverkehr
α) Handelsreisen
Wenn nun aber das gesamte Verkehrswesen im römischen Reich seit der Begründung der Monarchie an Umfang ebensowohl wie an Lebendigkeit ungemein gewonnen hatte, so war am größten ohne Zweifel der Aufschwung des Handelsverkehrs, auf dessen Hebung außer der allgemeinen Sicherheit und der Großartigkeit des Straßensystems noch andre wesentliche Bedingungen mächtig einwirkten, die damals in einer Weise vereinigt waren, wie niemals weder zuvor, noch nachher. Das römische Reich umschloß einen Teil der reichsten und gesegnetsten Länder der Erde, von denen mehrere in jenen Jahrhunderten sich einer Kultur und Wohlhabenheit erfreuten, die sie, wie gesagt, seitdem nicht wieder erreicht haben. Der freie Handel war durch die bestehenden Binnenzölle nur wenig belastet, während ihm zugleich alle Vorteile der Einheit des Rechts, der Münze, der Maße und Gewichte zugute kamen. »Der römische Denar ist höchstwahrscheinlich schon in der republikanischen Zeit die einzige, allgemein gültige Reichswährung gewesen, so daß man mit diesem Gelde überall, in Italien so gut wie in Spanien und Syrien, Zahlung leisten konnte. Die Neuerung des Augustus bestand offenbar darin, daß er alle öffentlichen Ansetzungen und Berechnungen lediglich auf den Denar zu stellen vorschrieb.« Nur Ägypten, wo auch in der Kaiserzeit nach Drachmen gerechnet wurde, behielt auch hierin seine Ausnahmestellung. Der Denar war in der dem späteren okzidentalischen Kaisertum entsprechenden westlichen Reichshälfte das einzige Silbergeld, in der östlichen bestand neben ihm die alte Silberwährung als Provinzialmünze fort. Das Reichskupfergeld galt ohne Zweifel ebenfalls im ganzen Reiche; doch scheint es im Orient neben der Lokalscheidemünze wenig gangbar gewesen zu sein. Im Golde stand die Reichswährung allein.
Die römische Münze hatte aber auch weit über die Reichsgrenzen hinaus Ansehen und Geltung. Unter Kaiser Claudius kam eine Gesandtschaft von der Insel Ceylon nach Rom, geführt von einem Freigelassenen des Annius Plocamus, Pächter der Warenzölle im Roten Meer. Dieser war auf einer Seefahrt um Arabien nach Ceylon verschlagen worden und hatte einen dortigen Fürsten bewogen, sich um die Freundschaft des Kaisers zu bemühen, da namentlich das gleiche Gewicht der römischen Denare, deren verschiedene Bilder doch zeigten, daß sie von mehreren geprägt waren, ihm Bewunderung für die Römer eingeflößt hatte. »Von Nero ab (unter dem eine erhebliche Verschlechterung der Silberwährung eintrat) war für die Barbaren zu solcher Bewunderung keine Ursache mehr vorhanden.«
Für Handelsunternehmungen im Auslande gewährte die Macht und das Ansehen des Weltreichs seinen Angehörigen einen trefflichen Schutz. Schon Cicero konnte sagen, daß der edle und bei allen berühmte Name eines römischen Bürgers selbst dem Unbekannten bei Barbaren, bei den äußersten und fernsten Völkern, bei Indern und Persern, von Nutzen war, und daher die Welt von jeher den Römern am meisten offenstand. In noch weit höherem Grade gilt dies für die Zeit der Monarchie. Die damalige kaufmännische Welt, welche die Hauptwege des Handels in den drei Weltteilen bereits gebahnt fand, sah sich durch die beispiellose Gunst aller Verhältnisse in den Stand gesetzt, diese Wege mit neuen glänzenden Aussichten zu verfolgen, zu erweitern und vervielfachen. In einem Grade und einem Umfange wie nie zuvor fielen ihr die enormen Vorteile des Welthandels zu, dessen Rentabilität für europäische Nationen darauf beruht, daß er mit tiefer in der Kultur stehenden Völkern getrieben wird, und die im Verhältnis zu der Größe des Kulturunterschiedes zunimmt. Die Gewinne des damaligen römischen Welthandels müssen ebenso groß oder größer gewesen sein als in neuerer Zeit die des großbritannischen, französischen, belgischen und niederländischen, die man schon vor mehr als einem Menschenalter im eignen Kreise zusammen auf durchschnittlich 10 Prozent, dagegen im außereuropäischen Verkehr auf 29 Prozent berechnete. Die Ausdehnung des Welthandels ist wohl (neben der langen Dauer des Weltfriedens, der Ausbeutung so vieler neuen Provinzen und dem wahrscheinlich schnelleren Geldumlauf) eine Hauptursache, weshalb in der Kaiserzeit der Reichtum bei weitem größer war als selbst in der letzten Zeit der Republik, die schon dem ältern Plinius mit der Gegenwart verglichen als eine Zeit der Armut erschien. Haben wir über den Land- und Seehandel des römischen Reichs in jener Zeit auch nur dürftige und zerstreute Nachrichten, so reichen diese doch hin, um uns von seiner Ausdehnung, Lebendigkeit und Vielfältigkeit einen sehr hohen Begriff zu geben.
Weit mehr als gegenwärtig war der Kaufmann damals genötigt, einen großen Teil seiner Zeit auf Reisen zuzubringen. Gerade im Handel mußte in vielen, wo nicht den meisten Fällen, in denen gegenwärtig brieflicher Verkehr ausreicht, persönlicher stattfinden. Man mußte sich persönlich kennenlernen, ehe man in direkte Handelsbeziehungen trat, persönlich sich über die Konjunkturen fremder Märkte unterrichten, »ganz wie im Mittelalter vor Herstellung der ersten regelmäßigen Posten die deutschen Kaufleute wegen desselben Zweckes in Person nach Antwerpen, Brüssel, Amsterdam, Augsburg usw. reisten«.
Eile, ruft Horaz dem Kaufmann zu, daß dir in den Häfen keiner zuvorkomme, damit du nicht die cibyratischen und bithynischen Geschäfte (mit Eisenfabrikaten und Räucherwaren) verlierst. »Tummle dich«, ermahnt ihn bei Persius die Habsucht; »hole gesalzene Fische, Werg, Bibergeil, Ebenholz, Weihrauch, koische Seidenflore vom Schwarzen Meere, hebe vor allen andern die Pfeffersäcke von den durstenden Kamelen«. Juvenal spricht von Seereisen nach Cilicien und Kreta zum Einkauf von Safran und Rosinenwein. So zog denn nach Horaz der »unstäte Kaufmann« vom Aufgang bis zum Niedergang, von den kältesten bis zu den heißesten Zonen, und setzte sich selbst den Gefahren winterlicher Seefahrten aus. Er trug (nach einem wenig späteren Dichter) sein in ausländische Waren verwandeltes Vermögen durch die Städte, kundschaftete große, durch Brand eingetretene Verluste an Korn aus und vertraute dann seine Schätze den Winden an. Er verkaufte der ganzen Welt die Güter der ganzen Welt, knüpfte seine Handelsbeziehungen durch unbekannte Länder und erwarb unter einer neuen Sonne neue Reichtümer. Eine unermeßliche Menge, sagt Plinius, schiffte des Gewinns halber auf jedem irgend eröffneten Meere. Die zufällig erhaltene, bereits erwähnte Grabschrift eines Geschäftsmannes aus Hierapolis in Phrygien, Flavius Zeuxis, welcher in dieser sich rühmt, daß er 72mal über Malea nach Italien geschifft sei, läßt annehmen, daß von vielen Kaufleuten und Geschäftsreisenden große und gefährliche Seefahrten jahraus, jahrein unternommen wurden. Talmudische Traktate erwähnen Handelsreisen palästinischer Juden nach Rom und Spanien. Horaz sagt, daß der Kaufmann drei- und viermal im Jahr das Atlantische Meer besuche, wahrscheinlich im Hinblick auf Gades, dessen Handelsbeziehungen zu den Häfen Italiens die lebhaftesten waren. Ein C. Octavius Agathopus erklärt in seiner zu Puteoli gefundenen Grabschrift, daß er nach ermüdenden Reisen vom Orient zum Okzident hier ausruhe.
Nicht bloß das Mittelländische und das Schwarze, sondern auch das Atlantische Meer war von römischen Schiffen belebt. Sieh, heißt es bei Juvenal, die Häfen und die von großen Kielen erfüllte See, fast sind schon mehr Menschen dort als auf dem Lande; wohin auch immer die Hoffnung auf Gewinn ruft, kommen ganze Geschwader; sie durchziehen nicht nur den Archipel und die afrikanischen Gewässer, sondern lassen auch Kalpe (Gibraltar) weit hinter sich und hören die in der Flut versinkende Sonne zischen. Tag für Tag ohne Unterbrechung, sagt Aristides, fahren Lastschiffe und Kaufleute durch beide Meere (das Mittelländische und das Atlantische), und nach Britannien setzen fortwährend nicht bloß Beamte und Truppen, sondern auch unzählige Privatleute (ohne Zweifel in Handelsgeschäften) über. Schon unter Augustus, dem mehrere Häuptlinge der Insel gehuldigt hatten, verkehrten die Römer dort wie in einem eigenen Lande, und bereits unter Domitian waren auch die Häfen und Landungsplätze von Irland durch den Handelsverkehr bekannt.
Eine neue Ära war für den römischen Handel mit der Eroberung Ägyptens angebrochen, die ihm den Weg nach Ostindien öffnete. Die Kaufleute, sagt Plinius, haben die kürzeste Fahrt ausfindig gemacht, und so ist uns Indien durch die Gewinnsucht näher gebracht. Hippalos hieß der (ägyptische) Seemann, der (etwa unter Nero) zuerst den fortan nach ihm benannten Südwestmonsun zur Fahrt über das offene Meer nach Indien benutzte. Die Fahrt begann von Alexandria aus im Hochsommer und ging zuerst auf dem Nil stromaufwärts bis Koptos, das man bei günstigem Winde in zwölf Tagen erreichte. Hier wurden die Warenballen auf Kamele geladen, und die Karawanen gingen teils nordöstlich nach dem Maushafen (Myos Hormos), den sie etwa in sechs, oder südöstlich nach Berenice, einer sehr belebten Seestadt mit großen Magazinen und Karawansereien, die sie in zwölf Tagen erreichten. Der Verkehr ging von der in Strabos Zeit vorzugsweise benutzten ersten Straße allmählich auf die zweite über, die in Plinius' Zeit der so gut wie einzige Weg für den Handel nach Arabien, Indien und Äthiopien war und daher auch durch römische Besatzungen geschützt wurde. Die Reisen der Karawanen durch die oberägyptische Wüste geschahen wegen der Hitze des Hochsommers bei Nacht; »nach den Sternen schauend«, wie Strabo sagt, zogen sie von Wasserplatz zu Wasserplatz und rasteten am Tage. Schon unter Augustus waren Brunnen oder Zisternen durch die römischen Soldaten an geeigneten Stellen der Straßen nach dem Maushafen und Berenice angelegt worden. Von dem ersteren segelten schon in Strabos Zeit wohl 120 Kauffahrteischiffe durch den arabischen Meerbusen nach Indien; wie Plinius angibt, mit Bogenschützen bemannt, zur Abwehr von Piraten, unter welchen die auf verbundenen Ochsenschläuchen fahrenden Asciten Südarabiens sich vergifteter Pfeile bedienten. In Plinius' Zeit gelangte man von Berenice am 30. Tage nach Ocelis in Arabien am Südende des Roten Meeres oder nach Cane an der Südküste Arabiens, von dort in 40 Tagen nach dem Hafen Muziris an der Malabarküste (wahrscheinlich Mangalur), in dem aber wegen der Nähe von Piraten und aus andern Gründen nicht angelegt wurde; man zog den etwas nördlicher gelegenen Hafen Becare (Barygaza, heute Barôč am Golf von Khambay) vor. Man beeilte sich zu löschen und zu laden, trat noch im Dezember mit dem nun wehenden Nordostmonsun die Rückfahrt nach dem Roten Meere an, und benutzte dort die Südwinde, die bis zur Höhe von Berenice hinauf herrschten. Den Weg von Alexandria nach Indien, der jetzt 18 Tage erfordert, legte man also in 94 zurück, die gesamte Hin- und Rückreise mochte sechs bis sieben Monate (von der Sommersonnenwende bis zum nächsten Februar) dauern.
Es ist verständlich, daß die Kaufleute Italiens und der westlichen Provinzen in einem Handel, der einen so kolossalen Gewinn abwarf, die Konkurrenz mit den Griechen und Ägyptern aufnahmen, wenn sie auch nicht imstande gewesen sind, diese ganz zu verdrängen. Ohne Zweifel ist der Ausspruch des Horaz, daß der Kaufmann rüstig zu den äußersten Indern reise, buchstäblich zu fassen und auf römische Kaufleute zu beziehen; auch Seneca, der bei seiner Betrachtung über die Winzigkeit der Erde sagt, daß zwischen der äußersten Küste Spaniens und Indien bei günstigem Winde ein Zwischenraum »von sehr wenigen Tagen« sei, hätte doch diese Hyperbel kaum gebraucht, wenn die Fahrt nicht damals wirklich gemacht worden wäre. Wie dieser selbst eine Monographie über Indien verfaßt hatte, so beweist auch die Vertrautheit des älteren Plinius mit den Naturerzeugnissen Vorderindiens, daß es zu seiner Zeit bereits von zahlreichen griechischen und römischen Handelsleuten besucht worden war, aus deren teils mündlichen, teils schriftlichen Mitteilungen er seine Nachrichten zusammenstellte. Der uns erhaltene Periplus des Erythräischen Meeres, ein Lotsenbuch für alexandrinische Kauffahrer, welche die Ostküste Afrikas bis zu dem Vorgebirge Rhapta (Pangani) nördlich der Insel Sansibar und die Malabarküste besuchten, ist in der ersten Hälfte der Regierung Vespasians verfaßt. Dionysius, der Verfasser einer poetischen Weltbeschreibung unter Hadrian, sagt er sei kein Kaufmann und Seefahrer und gehe nicht durch das indische Meer an den Ganges, »wie so viele, die das Leben aufs Spiel setzen, um unermeßlichen Reichtum zu gewinnen«.
Eine bedeutende Entwicklung und Erweiterung der Handelsbeziehungen zwischen dem römischen Reiche und Indien ergibt sich aus der gegen die Mitte des 2. Jahrhunderts abgefaßten Geographie des Ptolemäus, dem bereits »Reiseberichte zu Gebote standen, in welchen die Entfernungen der Orte nicht nur von dem Vorgebirge Kory, dem heutigen Kalymeer, bis zu den Mündungen des Ganges, sondern auch von da nach der goldenen Halbinsel oder Malaka und von hier aus nach Kattigara (Hanoi in Tonking?) nach Stadien angegeben waren«. Auch die zahlreichen griechischen Übersetzungen indischer Städtenamen in dem Werk des Ptolemäus (die meisten auf Taprobane-Ceylon) beweisen den lebhaften Verkehr griechischer und ägyptischer Kaufleute mit diesen Orten, die sich vermutlich auch dort wie in Südarabien oder auf der Insel Sokotra auf längere Zeit niedergelassen haben werden. Ptolemäus hatte Berichte über die Lage des indischen Hafens Simylla in der Gegend des heutigen Bombay »von denen, die dorthin geschifft waren und jene Gegenden sehr lange Zeit hindurch besucht hatten, sowie von denen, die von dort aus zu uns gekommen waren«. Im Pendschab und besonders im Süden Vorderindiens (namentlich in dem Distrikte Madura sowie auf Ceylon) kommen nicht selten römische Münzen zum Vorschein, namentlich goldene Kaisermünzen und Denare aus der letzten republikanischen und der ersten Kaiserzeit. »Merkwürdigerweise ist hier ganz besonders gemein ein Denar des Augustus mit den Bildern seiner beiden Adoptivsöhne Gajus und Lucius, welcher überwiegend oft, ja vielleicht durchaus plattiert ist; es ist wohl möglich, daß diese Sorte eigens für den Verkehr mit Indien bestimmt war, wo man wohl nicht so gut wie in der Heimat die guten und schlechten Denare unterschied.« Aus den Münzfunden im Vereine mit den sonstigen Nachrichten geht hervor, daß der römische Handel mit Indien, namentlich in Gewürzen, feinen Musselinen, Parfumerien, Edelsteinen (Beryll) und Perlen, in der früheren Kaiserzeit bis auf Nero am stärksten war, dann sich mehr auf Baumwolle und Industrieprodukte verlegte und nach Caracalla verfiel. Über Ceylon und das Kap Komorin gehen die Münzfunde nur ausnahmsweise hinaus.
Das Sererland lag für Plinius und Strabo da, wo die Seidenkarawanen den Boden der bekannten Welt betraten, nämlich in Tocharistan, welches noch zum griechisch-baktrischen Reiche gehörte. Die Gesandten aus Ceylon an den Kaiser Claudius berichteten, sagt Plinius, »ebenso wie unsere Kaufleute«, daß die den Serern zum Tausch angebotenen Waren an einem Flußufer neben die von ihnen dargebotene Seide niedergelegt und von ihnen, falls sie mit dem Tausch zufrieden seien, fortgenommen würden. Doch der Geograph Marinus von Tyrus (spätestens in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts) hatte bereits eine Beschreibung eines Karawanenpfades nach China von einem macedonischen Kaufmann Maës, genannt Titianus, erhalten, der eine Expedition nach der serischen Stadt Issedon veranstaltet hatte. Seine Karawane war aus Balch (Bactra) in Afghanistan in nordöstlicher Richtung etwa bis Hissar, von hier durch das im Osten beginnende Gebirgsland zum Surkhab gezogen, wo die Schlucht der Komeder (Karategin) anfing. Unmittelbar jenseits der Engen, wo die Berge zurücktreten, lag der vielgesuchte »Steinerne Turm« im Pamir, die äußerste Westgrenze des chinesischen Reiches; in derselben Breite (43°) genau östlich der Ort, von dem die nach dem Sererlande ziehenden Karawanen ausgingen, Kaschgar. Von dort führte die Seidenstraße weiter nach der in weiter Ferne liegenden »Serischen Hauptstadt«, wahrscheinlich Ssi-ngan-fu oder auch Liang-tschu. In der Provinz Schansi sind 16 römische Münzen aus der Zeit von Tiberius bis Aurelian gefunden worden. Nach chinesischen Berichten waren die Einfuhrartikel aus dem römischen Reich Teppiche, Glasarbeiten, Metalle, Farbstoffe, Juwelen, Gemmen, Bernstein, Korallen, Drogen u. a. Übrigens muß nach einem im Jahre 300 verfaßten chinesischen Werke über die auf dem Seewege eingeführten Pflanzen (zu denen z. B. Jasmin und Lawsonia inermis, letztere aus Ta-Tsin, gehören) Kanton damals schon dem Fremdenverkehr eröffnet gewesen sein.
Die amtlichen Geschichten der chinesischen Dynastien enthalten einige Nachrichten über die Beziehungen Chinas zu An-si (Parthien) und Ta-Tsin (Groß-Tsin), worunter der östliche Teil des römischen Reichs (besonders Syrien) zu verstehen ist. Im Jahre 120 n. Chr. sandte der König von Parthien syrische Gaukler und Musiker an den Hof von China, wo sie am Neujahrstage 121 eine Vorstellung vor dem Kaiser An-ti gaben. Im Oktober 166 kam eine Gesandtschaft von An-Tum (M. Antonius), dem Könige von Ta-Tsin, zur See über Tongking zu dem Kaiser Houan-ti. Von jeher hatten nach dem chinesischen Bericht die Könige von Ta-Tsin den Wunsch gehabt, Gesandtschaften nach China zu senden, aber die An-hsi, welche den Zwischenhandel mit chinesischer Seide in der Hand behalten wollten, hatten einen direkten Verkehr zwischen beiden Reichen verhindert. Doch dürften diese »Gesandten« Kaufleute gewesen sein, die sich selbst einen offiziellen Charakter beilegten; dafür sprechen auch die von ihnen überreichten, keineswegs kaiserlichen Geschenke (Elefantenzähne, Rhinozeroshörner, Schildkrötenschalen). Auch eine angebliche Gesandtschaft aus Ta-Tsin, die 284 als Geschenk für den Kaiser von China 30.000 Rollen Papier überbrachte, wird für eine Gesellschaft syrischer oder alexandrinischer Kaufleute zu halten sein. Andrerseits berichten die chinesischen Historiographen von zwei Sendungen aus China nach Ta-Tsin, die jedoch beide ihr Ziel nicht erreichten. Der im Jahre 97 dorthin gesendete Kan-Ying gelangte nur bis an die Küste des persischen Meerbusens. Im Jahre 226 wurde ein syrischer Kaufmann dem Kaiser von China vorgeführt, welchen ein chinesischer Beamter nach Ta-Tsin zurückbegleiten mußte. Dieser sollte dem Könige dieses Landes (auf den Rat des Syrers) zehn Zwerge und zehn Zwerginnen als Geschenk überbringen, doch starb er auf der Reise. Immerhin war man in China imstande gewesen, einige Nachrichten über Ta-Tsin zu sammeln: von der dortigen Anwendung des Kristalls (Glases) zur architektonischen Dekoration, von den Heerstraßen und den (den chinesischen ähnlichen) Postanstalten, von den Löwen und Tigern, welche (in Mesopotamien) die Wege unsicher machten; auch von den Amazonen und den (im Süden von Ta-Tsin lebenden) Pygmäen. Von der Hauptstadt von Ta-Tsin, An-tu (Antiochia), wußte man, daß sie aus vier ummauerten Städten bestand und außerdem von hohen Steinmauern umgeben war; auch daß es dort eine künstliche Vorrichtung zum Melden der zwölf Tagesstunden durch das Herabfallen je einer goldenen Kugel gab.
Die Kenntnis des Nordens von Europa wurde den Römern wohl nur zu einem geringen Teil durch den Bernsteinhandel erschlossen. Allem Anschein nach war zwar die Ostseeküste lange vor der römischen Periode bekannt gewesen und aufgesucht worden, und wir wissen auch durch Plinius von einer im ersten Jahrhundert nach derselben unternommenen Reise. Unter Vespasian lebte noch ein römischer Ritter, der dorthin gesandt worden war, um für ein Gladiatorenspiel des Kaisers Nero Bernstein in Massen einzukaufen. Er hatte von Carnuntum (Petronell bei Wien) aus die Handelsplätze und die baltischen Ufer bereist, über welche man durch ihn in Rom zum ersten Male Näheres erfuhr, namentlich daß ihre Entfernung von Carnuntum 600 römische Meilen (900 km) betrage. Doch dürfte dieser Besuch des Bernsteinlands durch einen Römer vereinzelt geblieben sein; größtenteils ist der Bernstein dem Süden offenbar durch Zwischenhandel zugeführt worden. Auch kann er nur einen (nicht großen) Teil der aus dem Norden bezogenen Artikel gebildet haben. Denn römische Münzen und römische Fabrikate (besonders Bronzearbeiten) sind über den ganzen Norden von Deutschland (von Westpreußen bis Hannover) sowie über Dänemark, das südliche Schweden und Norwegen verbreitet. Die Münzfunde in diesen Ländern zeugen von langdauernden, lebhaften Verbindungen mit der römischen Welt, und ihre örtliche Verteilung zeigt die Richtung der Handelswege längs den großen Flüssen und über dieselben hinweg an den natürlichen Überfahrtsorten in die zwischen den Flüssen höher und trocken gelegenen Landstriche. Von Schlesien (in dessen südlichem Teil die ältesten römischen Münzen – aus der Zeit der Republik – gefunden sind) scheinen die Wege gen Süden über Mähren und Böhmen geführt zu haben und von dort ins römische Reich und an das Adriatische Meer. Die römischen Münzen, die in Ostpreußen teils einzeln, teils in größeren Mengen gefunden worden sind (woraus man früher auf einen direkten Bernsteinhandel der Römer geschlossen hat), können frühestens seit dem Ende des 2. Jahrhunderts dorthin gelangt sein, wahrscheinlich infolge der Völkerschiebungen, die sich zuerst im Markomannenkriege kundgeben. Denn in diese Zeit sind die Gräber, in welchen die Münzen ausschließlich vorkommen und in denen zugleich ganz neue Formen sämtlicher Schmucksachen auftreten, frühestens zu setzen.
Während nun der nordische Handel der Römer durch unzählige Funde von Fabrikaten und Münzen auf einem so weiten Gebiet in einer Weise bezeugt ist, daß wir nicht nur vom Beginn des ersten Jahrhunderts ab häufige, weit über die Reichsgrenzen hinausführende Reisen römischer Kaufleute und Agenten annehmen, sondern auch zeitweilige Niederlassungen derselben in den Barbarenländern für wahrscheinlich halten müssen, findet sich in der Literatur nur eine einzige Erwähnung solcher Unternehmungen, bei Tacitus. Bereits im Jahre 19 n. Chr. fanden nach seinem Bericht die in die Burg des Markomannenfürsten Marbod (Boihemum oder Bojohemum in Böhmen) eindringenden Römer dort Marketender und Kaufleute aus den römischen Provinzen, die »erst die (infolge eines Vertrags bestehende) Handelsfreiheit, dann die Begierde nach Geldgewinn, endlich das Vergessen des Vaterlands aus den heimatlichen Wohnsitzen auf feindlichen Boden hinübergeführt hatte«.
Wenn so große Handelsreisen schon in den beiden ersten Jahrhunderten, und zum Teil regelmäßig, gemacht wurden, darf man annehmen, daß römische, griechische und ägyptische Kaufleute um so häufiger zu minder fernen Punkten jenseits der Grenzen des römischen Reichs gelangten. Schon in Strabos Zeit gingen ganze Flotten von Alexandria nach dem äußersten Äthiopien und nach dem Troglodytenlande. Koptos in Oberägypten war voll von Kaufleuten, die nach Äthiopien und Indien reisten. Diodor gibt Schilderungen der Ichthyophagen Südarabiens nach Berichten von ägyptischen Kaufleuten, die an deren Küsten gelandet waren. Von Ptolemaïs Therôn (an der äthiopischen Küste des Roten Meeres) bis Adule, dem Haupthafen der Troglodyten und Äthiopen (in einer Bucht südlich von Massaua), dauerte die Fahrt nach Plinius zwei Tage; nach Adule kam aus dem Innern sehr viel Elfenbein, Rhinozeroszähne, Felle von Nilpferden, Schildkrot, Affen und Sklaven. Doch die Fahrten der Kaufleute erstreckten sich viel weiter südlich: nach dem zehn Tagereisen von Adule entfernten Isishafen (südlich von der Straße Babelmandeb), wohin von den Troglodyten Myrrhe gebracht wurde, und nach dem Hafen der Mossyler (gegenüber der Südküste von Arabien), einem Hauptplatz für den Zimt- und Cassiahandel. Nach der südlichsten den ägyptischen Kaufleuten bekannten Station an der ostafrikanischen Küste, Rhapta in der Gegend von Sansibar, segelten in Vespasians Zeit mindestens die Handelsschiffe von Muza im südwestlichen Arabien. Über die Entfernung der Stadt Charax Spasinu (nahe an der Tigrismündung) von der Küste des Persischen Meerbusens verdankte man römischen, von dort zurückgekehrten Kaufleuten die ersten zuverlässigen Nachrichten; vielleicht waren diese bereits mit Karawanen (συνοδίαι) von Palmyra gereist, deren Reisen an den Persischen Meerbusen im 2. und 3. Jahrhundert mehrfach bezeugt sind. In Petra in Arabien fand der mit Strabo befreundete Philosoph Athenodorus unter andern Fremden, die sich dort des Handels wegen aufhielten, auch viele Römer, ebenso Trajan in Ktesiphon. Die Bewohner der Dioscorides-Insel (Sokotra bei Kap Guardafui) waren nach dem Lotsenbuch des Erythräischen Meeres ein Gemisch von Arabern, Indern und (ägyptischen) Griechen, die Handelsunternehmungen in jene Meere veranstalteten.
Schon vor der Eroberung des »langhaarigen« Galliens durch Cäsar waren offenbar Reisen römischer Kaufleute dorthin, teils aus der römischen Provinz (Narbonensis), teils aus Italien über den Großen St. Bernhard, wo der Übergang mit großer Gefahr und hohen Abgaben an die anwohnenden Stämme erkauft werden mußte, sehr häufig und erstreckten sich zuweilen bis zu den wilden Belgen. Namentlich mit Wein, den sie auf den Flüssen in Schiffen, zu Lande auf Wagen fortschafften, machten die italischen Kaufleute in Gallien gewinnreiche Geschäfte; für ein Faß Wein gaben die Kelten einen Sklaven. Bereits während der Feldzüge Cäsars wird es in allen größeren Orten des Landes, wie in Cenabum (Orléans), Cabillonum (Chalon-sur-Saône), Noviodunum (Nevers), Niederlassungen römischer Kaufleute gegeben haben; wahrscheinlich aber schon früher, wie es deren in der letzten Zeit der Republik auch ziemlich an allen wichtigen auswärtigen Handelsplätzen gab: z. B. in Delos, Alexandria, Cirta in Numidien. Der Feldzug des M. Vinicius im Jahre 729 = 25 v. Chr. gegen keltische Völkerschaften war dadurch veranlaßt, daß römische Kaufleute von jenen Barbaren ermordet worden waren. An der Ostküste des Schwarzen Meeres hatte Trajan eine militärische Postenkette aufstellen lassen: ein dort am Ausflusse des Phasis für die Sicherung der Schiffahrt sehr günstig gelegenes Kastell fand Arrian von 400 Elitesoldaten bewacht; zum Schutze der außerhalb desselben wohnenden Veteranen und Kaufleute sowie des Hafens ließ er einen Graben von den Festungsgräben an den Fluß ziehen. In dem bereits in Plinius' Zeit verödeten Dioskurias (Sebastopolis), das einst der Hauptmarkt der kaukasischen Völker gewesen war, wo 70, nach andern 300 Sprachen geredet worden waren und die römischen Kaufleute zur Führung ihrer Geschäfte 130 Dolmetscher bedurft hatten, stand damals (unter Hadrian) ebenfalls eine römische Garnison. Auch in den Häfen des Asowschen Meeres blieb der Austausch der Fabrikate der Kulturländer gegen die Rohprodukte der Steppen Südrußlands ein lebhafter.
So waren denn auch Kaufleute und Händler aller Art, aus Italien wie aus den Provinzen, die ersten Einwanderer, die den römischen Heeren in jedes neu eroberte Land nachströmten: sie waren neben den Soldaten überall Pioniere der römischen Kultur. Aus den Gassen ihrer Buden und Baracken ( canabae), die sich rasch neben den Lagern erhoben, sind so manche Städte entstanden. In der Lagerstadt Mainz errichteten »die mit Geldbeuteln handelnden römischen Bürger« im Jahre 43 dem Kaiser Claudius ein Denkmal: wurde dies Geschäft damals dort von einer Anzahl von Italikern betrieben (in den Provinzen war das Bürgerrecht noch selten), so doch wohl auch alle übrigen, die den Bedürfnissen der Soldaten und des Trosses entsprachen. So hat auch der Genius des Handels die Romanisierung der Provinzen mächtig gefördert. Von allen Teilen Galliens leistete, wie Ammianus Marcellinus bemerkt, Aquitanien dem Eindringen der römischen Kultur den geringsten Widerstand, weil es dem Handel am ersten zugänglich war. Zahlreiche Nachrichten zeigen, wie schnell und energisch die Kaufleute sich des Handels in den Provinzen bemächtigten, wie sie vielfach ihn monopolisierten. Das Narbonensische Gallien war 50 Jahre nach der Eroberung voll von Kaufleuten und römischen Bürgern; kein Bewohner der Provinz machte ohne einen von ihnen ein Geschäft; jeder Denar, der dort gezahlt wurde, ging durch ihre Bücher. Mit der Ermordung der römischen Kaufleute, mit welcher der Aufstand in Pannonien im Jahre 6 n. Chr. (15 Jahre nach der Eroberung) begonnen hatte, sollte auch der Aufstand der Treverer im Jahre 27 n. Chr. beginnen. Als im Jahre 88 v. Chr. auf Befehl des Königs Mithridates in der (seit etwa 40 Jahren römischen) Provinz Asia alle Italiker ermordet wurden, sollen 80.000, nach andern Berichten 150.000 Menschen jedes Geschlechts und Alters umgekommen sein. Ohne Zweifel war auch dorthin ein großer, wenn nicht der größte Teil dieser Bevölkerung durch den Handel gezogen worden: zweiundzwanzig Jahre später sagt Cicero, daß tätige und betriebsame Geschäftsmänner aus allen Ständen in derselben Provinz Handel trieben oder ihr Geld angelegt hatten. In Utica waren im Jahre 46 v. Chr. 300 römische Bankiers und Großhändler, und auch in den benachbarten Städten Thapsus und Hadrumetum gab es römische Handelsgesellschaften. Londinium (London) war bereits im Jahre 61, 19 Jahre nach der Eroberung Britanniens, durch die Menge der Kaufleute und den Handelsverkehr ungemein volkreich, ohne Zweifel gehörte ein sehr großer Teil der 70.000 Bürger und Bundesgenossen, die damals in dieser Provinz ermordet wurden, dem Handelsstande an. Die hauptsächlich oder ausschließlich aus Kaufleuten bestehenden Genossenschaften ( conventus) römischer Bürger blieben während der beiden ersten Jahrhunderte in der östlichen Reichshälfte eine dauernde Institution und nahmen, gestützt auf ihre Privilegien und ihr Ansehen, in den dortigen Stadtgemeinden eine bevorzugte Stellung ein.
Neben den Italikern fehlte es natürlich auch nirgendwo an Provinzialen, welche die Betreibung ihrer Geschäfte veranlaßt hatte, ihre Heimat mit einem neuen Wohnsitz zu vertauschen. Eine Inschrift in Celeja (Cilli) ist (unter Antoninus Pius) »von den in Rätien ansässigen römischen Bürgern aus Italien und andern Provinzen« gesetzt. Unter den romanisierten Provinzen des Westens stellte namentlich Gallien (samt dem römischen Germanien) zahlreiche Vertreter des Außenhandels. Inschriften in Augsburg nennen Kaufleute aus Lyon, Trier und Bourges. Zu Aquileja ist der Grabstein eines Kölners gefunden worden, der von dort nach Dacien und umgekehrt handelte; zu Gythion in Laconien der eines Schiffsreeders aus Nicomedia, der in Cyzicus ansässig war; in Pola der eines Kleiderhändlers aus Gallien, in Celeja (Cilli) der eines afrikanischen Handelsmannes. An Orten wie Aquileja, dem großen Stapelplatze des Transithandels aus den nordöstlichen Provinzen nach Italien, dem Orient, Afrika und umgekehrt, wird die fremde kaufmännische Bevölkerung aus allen Nationen gemischt gewesen sein, und das gleiche gilt in der andern Reichshälfte z. B. von dem großen Mittelpunkte des Karawanenverkehrs, Palmyra, wo sich der gesamte Import- und Exporthandel des Ostens konzentrierte.
Doch am zahlreichsten waren allem Anschein nach überall die Orientalen. Berytus, vermutlich auch Damascus und gewiß noch viele andere phönicische und syrische Städte, hatten Faktoreien in Puteoli. Tyrus, noch im 4. Jahrhundert der größte Handelsplatz des Orients, hatte eine in Puteoli und eine in Rom; die letztere wurde im Jahre 174 von dem tyrischen Senat angewiesen, der ersteren jährlich 10.000 Denare zur Bestreitung ihrer Mieten (von Speichern, Verkaufslokalen u. dgl.) zu zahlen. Eine Statue in Perinthus wurde von den daselbst Handel treibenden Alexandrinern errichtet. Wie dort und in Tomi am Schwarzen Meer (wo sie dem Sarapis und den Kaisern Marc Aurel und L. Verus einen Altar errichteten), werden Genossenschaften alexandrinischer Kaufleute an allen größeren Handelsplätzen, ihre Schiffe in allen Häfen zu finden gewesen sein. Der den Apostel Paulus nach Italien begleitende Centurio fand ein dorthin segelndes alexandrinisches Schiff auf der Reede von Myra in Lycien. Bei weitem am häufigsten werden die Syrer genannt. Dagegen fehlt es so gut wie ganz an Anhaltspunkten dafür, daß von den sehr zahlreichen auswärtigen Niederlassungen der Juden irgendeine des Handels wegen erfolgt sei, was schwerlich zufällig sein kann. Syrische Kaufleute aber und syrische Faktoreien finden wir überall: so in den Häfen Italiens, wie Portus, Neapel, Ravenna und am zahlreichsten wohl in Puteoli. Eine spanische Inschrift nennt einen Vorsteher des Vereins der Syrer in Malaga; ein syrischer Handelsmann Aurelius Flavus war nach der Inschrift seines zu Salona von seinem Vater errichteten Grabmals in Sirmium gestorben; ein andrer, Bürger und Ratsherr zu Canatha in Syrien, der Geschäfte von Aquitanien nach Lugdunum (Lyon) machte, am letzteren Orte; in Apulum in Dacien ist ein von zwei syrischen Kaufleuten dem Juppiter gesetzter Votivstein gefunden worden. Als Kaufleute wird man mindestens zum größten Teil auch die nicht als solche bezeichneten Syrer in den Inschriften des Okzidents anzusehen haben. Die auf dem Begräbnisplatz der kleinen norditalischen Landstadt Concordia im 5. Jahrhundert bestatteten Ausländer sind alle Syrer, meist Apamener; ebenso rühren alle in Trier gefundenen griechischen Grabschriften von Syrern her. Bis auf den heutigen Tag, schreibt Hieronymus gegen Ende des 4. Jahrhunderts, dauert bei den Syrern die angeborene Leidenschaft für den Handel fort. Aus Gewinnsucht durchstreifen sie die ganze Welt, und eine wahre Geschäftswut beherrscht sie so sehr, daß sie jetzt, wo das römische Reich (von Barbaren) eingenommen ist, zwischen Schwertergeklirr und Mord, unter steten Gefahren nach Reichtümern trachten. In der Sprache des 5. Jahrhunderts scheint (wenigstens in Gallien) »Syrer« für Bankier gesagt worden zu sein, wie im Mittelalter »Lombarde«. Salvianus spricht von den Massen der Kaufleute und Syrer, welche den größeren Teil fast aller Städte in Besitz genommen haben, und Apollinaris Sidonius sagt in einer Schilderung des Treibens zu Ravenna, welches er als eine verkehrte Welt darstellt, daß dort die Geistlichen wuchern, die Syrer Psalmen singen. Im Leben der hl. Genoveva (etwa um die Mitte des 5. Jahrhunderts) ist von Kaufleuten die Rede, die zwischen Gallien und Antiochia hin- und herreisten. Noch im 6. Jahrhundert waren syrische Kaufleute in Gallien zahlreich ansässig. Gregor von Tours spricht von solchen in Bordeaux und Paris und unterscheidet sie von den nach seinen wiederholten Erwähnungen in Gallien offenbar ebenfalls sehr zahlreichen Juden. Als König Guntram am 4. Juli 585 in Orléans einzog, vernahm man in den Lobgesängen der ihn empfangenden Menge die Sprache der Lateiner, der Syrer und der Juden. Im Jahre 589 beschloß das Konzil von Narbonne, daß Gote, Römer, Syrer, Grieche und Jude am Sonntag keine Arbeit verrichten sollten. Syrische Weine, namentlich die von Gaza, Sarepta und Ascalon, waren im 5. und 6. Jahrhundert in Gallien beliebt. Noch Karl der Große konnte die Evangelien mit Hilfe von Griechen und Syrern berichtigen.
β) Vertrieb und Verbreitung der Waren
Über die Verbreitung der Handelsartikel im römischen Reich haben wir zwar nur sehr spärliche und vereinzelte Nachrichten; doch auch nach diesen kann nicht bezweifelt werden, daß alle Waren und Produkte durch den Handel allen Orten zugeführt wurden, wo sie Absatz fanden. Am reichsten waren die Magazine und Läden Roms gefüllt; hier konnte man die Güter der ganzen Welt in der Nähe prüfen; hierher kam aus allen Ländern und allen Meeren, was die Jahreszeiten hervorbrachten und alle Zonen trugen, was Flüsse und Seen und was die Arbeit der Hellenen und Barbaren erzeugte. Die Produkte und Waren aller Völker waren hier zu allen Zeiten im Überfluß vorhanden. In ähnlicher Weise rühmt Aristides den Reichtum Korinths an Gütern aus allen Ländern und Meeren. In Alexandria war, wie er sagt, außer Schnee alles zu haben. Nach Antiochia brachten Lastschiffe von allen Himmelsgegenden die Güter und Erzeugnisse der drei Weltteile, des Festlands wie der Inseln; vom Besten aller Länder kam das Beste hierher, da die Schnelligkeit des Absatzes den Sinn der Kaufleute diesem Ort zuwandte; so zog man auch hier von allem Vorteil, was die ganze Erde bot. Auch die übrigen großen See- und Handelsstädte waren sicherlich stets ihrem eigenen Bedürfnis und dem des von ihnen versorgten Hinterlandes entsprechend reichlich versehen. Von Arelate heißt es in einer Urkunde aus dem Jahre 418, daß dort die Produkte und Waren des Orients, Spaniens, Galliens und Afrikas in Fülle vorhanden seien, da sie zu Schiff und zu Wagen, auf dem Meere, dem Flusse und zu Lande dahin gelangen können.
Auch Gegenstände, die nur an einzelnen Orten, zum Teil außerhalb des Reichs erzeugt wurden, waren überall vorhanden, wo man ihrer bedurfte. In einer im 4. Jahrhundert im Orient abgefaßten Weltbeschreibung, welche besonders den handelsgeographischen Gesichtspunkt ins Auge faßt, wird von Alexandria gerühmt, daß diese Stadt allein in die ganze Welt das Papier versende, welche zwar wohlfeile, aber überaus nützliche und notwendige Ware in keiner andern Provinz vorhanden sei; noch im 6. Jahrhundert brachten alexandrinische Schiffe neben den übrigen alexandrinischen Waren wie Wurzeln und Kräutern auch Papier nach Massilia, wie ohne Zweifel nach allen übrigen Häfen des Mittelmeers. Unter den kostbaren Waren, die von Alexandria in alle Länder gingen, hebt die Weltbeschreibung die Spezereien hervor, wobei sicherlich auch an den dort fabrizierten Weihrauch zu denken ist, dessen Verbrauch im ganzen Reiche ein ungeheurer gewesen sein muß. Zu den am allgemeinsten verbreiteten Handelsartikeln gehörte ferner das für den Bronzeguß unentbehrliche, aber nur an wenigen Orten (damals im spanischen Galizien, westlichen Gallien, den Scilly-Inseln und Cornwallis) gefundene Zinn. Noch im Anfange des 7. Jahrhunderts segelten alexandrinische Schiffe direkt nach Britannien, um das Korn, mit dem sie befrachtet waren, gegen das begehrte Metall einzutauschen, von dem auch die alexandrinischen Indienfahrer Vorräte zu führen pflegten, da es in indischen Häfen mit Vorteil abgesetzt wurde. Die Wohlfeilheit des Bernsteins ergibt sich daraus, daß in Plinius' Zeit die lombardischen Bäuerinnen Bernsteinhalsbänder, zugleich als angebliches Mittel gegen Anschwellung des Halses, trugen. Die aus dem Eisen von Elba in den Werkstätten von Puteoli gefertigten sehr mannigfaltigen Werkzeuge und sonstigen Fabrikate wurden schon in Diodors Zeit so weithin vertrieben, daß, wie er sagt, viele Teile der bewohnten Erde von dieser Industrie Nutzen zogen. Und so mögen auch unter den römischen eisernen Waffen und Geräten, die so zahlreich aus den Gräbern der nordischen Länder, von Schlesien bis Jütland und Skandinavien, zum Vorschein gekommen sind, manche in Puteolanischen Werkstätten geschmiedet sein; bei weitem die meisten stammen freilich aus den römischen Grenzprovinzen, wo sich durch Assimilation barbarischer Elemente eine Abart der römischen Kultur bildete, und von wo sich seit dem Anfange des 1. Jahrhunderts die Fabrikate der dem Geschmack und den Gewohnheiten derselben entsprechenden provinziellen Industrie über die nordischen Länder ergossen, in welchen sie vielfach als Muster dienten. Unter den im Norden gefundenen Bronzearbeiten tragen einige den Stempel italischer Fabriken. Kasserollen mit dem Namen eines P. Cipius Polybius und L. Ansius Epaphroditus sind in denselben Formen wie in Pompeji und Herculaneum auch in Pommern, Dänemark, Schweden, in der Schweiz, in England und Schottland gefunden worden; andere aus der Werkstatt eines Nigellus auf Fünen und in Savoyen. Zu den Töpfereien, die ihre Waren weit und breit versendeten, wie die der griechischen Inseln (Knidos, Rhodos und Thasos), kamen in römischer Zeit noch andere hinzu, wie die von Pergamum, Saguntum (in Spanien), Arretium (Arezzo) und Mutina (Modena) in Italien, deren Tonwaren mit den bekannten Stempeln der berühmten Werkstätten durch Länder und Meere gingen. Auch das Tongeschirr der südgallischen Fabriken war der Gegenstand eines lebhaften Exports, der nicht nur die nördlich der Alpen gelegenen Provinzen umfaßt, sondern auch in Italien selber der dortigen alteinheimischen Tonindustrie Konkurrenz macht. In den Glashütten von Alexandria wurden Gläser in allen Formen des Tongeschirrs angefertigt, das aus allen Ländern dorthin eingeführt war. Auch von der Leinwand der berühmten Fabriken von Skythopolis, Laodicea, Byblus, Tyrus, Berytus heißt es in der Weltbeschreibung aus dem 4. Jahrhundert, daß sie in die ganze Welt exportiert werde; und dasselbe sagt Procopius von den Seidenwaren von Berytus und Tyrus. Der im Jahre 301 für den Orient erlassene Maximaltarif Diocletians nennt zwar hauptsächlich orientalische Waren und Fabrikate, aber doch auch manche aus den westlichen Ländern, die also ebenfalls in der östlichen Reichshälfte gangbar waren, als: italische Weine (7 Sorten), Schinken und Würste, afrikanische Teppiche und Mäntel, nervische Mäntel aus den noch jetzt berühmten Webereien von Tournai in Flandern und norische aus Sirmium (Mitrovitza) und andern Fabrikorten an der Donau; in den verlorengegangenen Teilen des Tarifs können noch manche andre aufgeführt gewesen sein. In Laodicea wurden Mäntel nach Art der nervischen verfertigt. Angeblich echter Falerner wurde nach Galen in das ganze römische Reich versandt; d. h. da er, wie der Champagner, nur auf einem sehr beschränkten Gebiet (Campaniens) wuchs, entsprachen die Händler der Nachfrage durch andre Weine, denen sie durch Zubereitung einen ähnlichen Geschmack zu geben wußten. Schließlich mag des Vertriebs zubereiteter Luxusnahrungsmittel gedacht werden, den man sich ebenfalls als einen sehr ausgedehnten und umfassenden vorstellen muß. Von den Fischsaucen kam z. B. das berühmte garum sociorum aus Cartagena, Thunfischsauce ( muria) unter anderm sowohl aus Antibes als aus Byzanz; aus Spanien gingen auch Schüsseln frischer Quittenmarmelade nach Rom; ein Wein- und Delikatessenhändler in Reate nennt sich »Verkäufer aller Arten von überseeischen Waren«.
c) Der sonstige Verkehr
Auch abgesehen von dem durch Umzüge und Wohnungswechsel herbeigeführten, von dem amtlichen und offiziellen, dem militärischen und kaufmännischen Verkehr im römischen Reich war die Zahl der Berufsarten und Beschäftigungen nicht gering, durch die man zu regelmäßigen oder doch häufigen Reisen genötigt war.
Die Zahl derer, die Forschungstrieb und der Wunsch, ihre Kenntnisse zu erweitern, in fremde Länder führte, war im Altertum zu allen Zeiten groß. Das Bedürfnis, sich durch Anschauung zu belehren, war viel verbreiteter als in neueren Zeiten: nicht bloß weil die antike Wissenschaft viel mehr auf Anschauung gerichtet war als die moderne, sondern auch weil die aus Bücherstudien zu gewinnende Belehrung so viel unzusammenhängender und spärlicher, auch unzuverlässiger, endlich schwerer zugänglich war. Aber nicht nur die eigentlichen Fachgelehrten, die vorzugsweise der Anschauung bedurften, wie Geschichtschreiber und Geographen, Kunst- und Altertumsforscher, Naturforscher und Ärzte, machten große Reisen – es genügt, an Posidonius, Diodor, Strabo, Apio, Pausanias, Dioscorides, Apulejus, Galen zu erinnern, welcher letztere die Notwendigkeit des Reisens für Ärzte besonders hervorhebt –, auch ohne solche unmittelbaren Zwecke führt das Streben nach umfassender und vielseitiger Bildung und Belehrung Männer der Wissenschaft offenbar äußerst häufig zu weiten und gefahrvollen Wanderungen. Die berühmtesten Philosophen, sagt Cicero, haben ihr ganzes Leben auf fortwährenden Reisen zugebracht; »unzählige« derselben sind, seit sie ihre Heimat verlassen haben, nie wieder dahin zurückgekehrt. Plutarchs Freund Kleombrotos aus Sparta, ein vermögender und im Gebrauche seiner Zeit unbeschränkter Mann, reiste nicht des Handels halber, sondern aus Schaulust und Wißbegierde und um seinen Geist zu bilden, bis zu den Troglodyten, besuchte auch das Orakel des Ammon und schiffte weit ins Rote Meer hinauf. Die unverschämten Lügen, die dieser »heilige« und ganz auf höhere Zwecke gerichtete Mann von einem dorisch redenden Propheten am Roten Meer erzählte, der sich nur einmal im Jahr vor Menschen hören ließ, geben eine Probe von der Zuverlässigkeit der Reiseberichte über wenig besuchte Gegenden. Auch um persönliche Mitteilungen zu erhalten, wurden gewiß nicht selten Reisen gemacht; Galen sagt, er habe auch die weitesten, zur See und zu Lande, nicht gescheut, um sämtliche Schüler des Arztes Quintus kennenzulernen. Der Traumdeuter Artemidor von Daldis, ein Mann, dem es allerdings um die Vervollkommnung seiner »Wissenschaft« heiliger Ernst war, war in Griechenland, Italien, Kleinasien und auf den Inseln gereist, um möglichst viele Fachgenossen kennenzulernen und seine Kenntnisse durch ihre Erfahrungen zu bereichern.
Doch am meisten geziemte es der Jugend, zu reisen und »sich über die Grenzen der Heimat zu erheben«. Daß Jünglinge auf längere Zeit das elterliche Haus verließen, um an einem andern Orte bessern Unterricht zu genießen, war durchaus gewöhnlich. »Sollen junge Leute deswegen ihre Heimat, Eltern, Freunde, Verwandte, Hab und Gut verlassen«, fragt Epictet einen Afterphilosophen, »um dich Wörtchen auslegen zu hören und bei deinen Redeschlüssen oh! zu rufen?« Jede Provinz, jede Landschaft in den höher kultivierten Teilen des Reichs hatte ihren Studiensitz, der zunächst von der Jugend der näheren und ferneren Umgegend, doch auch von weiter ab Wohnenden besucht wurde. Der berühmte Sophist Scopelianus ward sehr gebeten, in seiner Vaterstadt Clazomenä eine Schule zu errichten, da die Clazomenier überzeugt waren, daß die Stadt sich dadurch sehr heben würde. Schulstädte, die zum mindesten aus ihrer örtlichen Nachbarschaft eine größere Anzahl auswärtiger Schüler heranzogen, waren z. B. Pergamum, Cyzicus, Lampsacus, ferner Mediolanium im cisalpinischen Gallien, Augustodunum (Autun) im Gebiet der Äduer; Orte wie Karthago in Afrika, Apollonia in Epirus und Massilia hatten schon mehr als provinzielle Bedeutung; in der letzten Stadt studierten auch Römer. Tiberius besuchte während seines Aufenthalts auf Rhodos (6 v. bis 2 n. Chr.) fleißig die Schulen und Hörsäle der dortigen Lehrer, die vermutlich auch in der späteren Zeit zahlreiche Fremde anzogen. In den asiatischen Provinzen gehörte Tarsus in Cilicien zu den Orten, deren Unterrichtsanstalten die meisten (obwohl in Strabos Zeit fast nur einheimische) Studierenden hatten – Philostrat läßt den Apollonius von Tyana hier seine Bildung suchen –; vermutlich auch Antiochia in Syrien, das schon in Ciceros Zeit von den gelehrtesten Männern und den edelsten Studien erfüllt war, und vor vielen andern Smyrna, dessen berühmteste Lehrer die Jugend nicht nur Kleinasiens, sondern auch des griechischen Festlandes, Assyriens, Phöniciens und Ägyptens herbeizogen. Von allen Musen, sagt Aristides, welche die Städte der Menschen besuchen, hält sich keine hier fern; groß ist die Zahl der Einheimischen, groß auch die der aus der Fremde Zugewanderten; man möchte die Stadt einen Bildungsherd für das ganze Festland nennen. Alle übrigen Studiensitze aber verdunkelten Rom, Alexandria und Athen, zu deren Schulen Bildungsbeflissene aus der ganzen Welt strömten. Athen verdankte seine Fremdenfrequenz nicht bloß der Anziehungskraft seiner Rhetoren- und Philosophenschulen, sondern auch seiner Erziehungsanstalt für die männliche Jugend (dem Ephebeninstitut), das besonders stark aus den halbgriechischen Ländern des Nordens und Ostens besucht wurde, wo man offenbar Wert darauf legte, die anerkannteste Schule der Hellenisierung durchgemacht zu haben. Im 3. Jahrhundert fand man, daß die Sprachreinheit der Athener durch fortwährenden Verkehr mit jungen Leuten aus Thracien, Pontus und andern Barbarenländern gelitten habe. Die Zahl der fremden Epheben war zuweilen größer als die der einheimischen; unter Marc Aurel gab es deren aus dem ganzen Orient, aus Arabien und Mesopotamien, wie aus Libyen und Ägypten. Athen und Rom (wie später Konstantinopel) erhielten auch durch ihre vom Staate begründeten und besoldeten Lehrstühle am meisten Ähnlichkeit mit den Universitäten des modernen Europa.
Auf der andern Seite führten auch die Gelehrten und Lehrer aller Fächer ein Wanderleben im eigentlichsten Sinne des Worts. Besonders Rhetoren und Sophisten reisten unaufhörlich von einer Stadt zur andern, um Unterricht zu erteilen und Vorträge zu halten, und ernteten so am sichersten Beifall, Ruhm und große Reichtümer. Lucian war für die Bildhauerei bestimmt, er wählte die Beredsamkeit; in seinem »Traum« läßt er beide um ihn werben; die Bildhauerei stellt ihm vor, wenn er sich ihr widme, brauche er nicht in die Fremde zu gehen und seine Angehörigen zu verlassen; während in einer andern Schrift die Beredsamkeit erklärt, sie habe sich mit ihm vermählt und sei ihm auf all seinen Reisen gefolgt, um ihm Ehre und Wohlstand zu verschaffen, in Griechenland und Ionien, über das Meer nach Italien und zuletzt selbst nach Gallien. Oft hielten Wanderlehrer, Spezialisten in ihrem Fach, freiwillig oder auf eine Berufung durch die Schulbehörden, Kurse in einzelnen Städten ab, und die berühmten Lehrer jener Zeit führten, wie namentlich ihre Biographien von Philostrat zeigen, ein höchst unstätes Leben; wie ja auch die Dozenten der Renaissancezeit, die in so vielen Stücken an das Altertum erinnert, von Ort zu Ort zogen. Von Aristides hebt Philostrat ausdrücklich hervor, daß er nicht viele Reisen gemacht habe; denn er sei nur in Griechenland, Italien und Ägypten gewesen. Mit einer Lobrede auf die Stadt, in der sie auftraten, pflegten jene Redekünstler ihre Vorträge zu eröffnen; es war ganz gewöhnlich, daß den berühmteren an Orten, die sie mit ihrer Gegenwart beehrten, von den Behörden oder dankbaren Zuhörern Statuen errichtet wurden; Apulejus rühmt sich, daß ihm diese Auszeichnung auch von unbedeutenden Städten erwiesen worden sei.
Aber nicht nur unter den Rhetoren und Sophisten, auch unter den Grammatikern und Ärzten unterschied man die Herumziehenden (πεφιοδευταί circulatores) von den Ansässigen. Ein freigelassener Arzt L. Sabinus Primigenius sagt in seiner Grabschrift, daß er, in Iguvium geboren, viele Orte besucht habe und überall durch seine Kunst, noch mehr durch seine Zuverlässigkeit bekannt sei. Daß außer den Ärzten auch Quacksalber von Ort zu Ort zogen, ist selbstverständlich. Da in einer Zeit, der Briefpost und Presse fehlten, Reisen das sicherste Mittel waren, um schnell bekannt zu werden, wurde es natürlich auch von Gauklern und Scharlatanen angewendet, wie von Apollonius von Tyana und Alexander von Abonuteichos, welcher letztere überdies nach allen Seiten Emissäre aussendete, um den Ruf seines Orakels überall im römischen Reiche zu verbreiten.
Auch die meisten Künstler und Kunsthandwerker waren fortwährend auf der Wanderung begriffen. Wie in der ganzen römischen Welt das Bedürfnis verbreitet war, die Existenz durch künstlerischen Schmuck zu veredeln, ist aus den unermeßlichen Kunsttrümmern in fast allen Provinzen ersichtlich; ein so ungeheures Kunstbedürfnis konnte nur befriedigt werden, wenn »ganze Kolonien, Züge, Schwärme, Wolken, wie man es nennen will, von Künstlern und Handwerkern da heranzuziehen waren, wo man ihrer bedurfte«. Noch existiert eine Inschrift eines solchen wandernden Künstlers, eines Bildhauers Zenon aus Aphrodisias, welche besagt, daß er im Vertrauen auf seine Kunst viele Städte durchzogen habe; Statuen mit seinem Namen sind in Rom und Syrakus gefunden worden.
Aber noch viel unstäter mußte das Leben aller Bühnenkünstler, musikalischen Virtuosen und Athleten sein, die teils einzeln, teils truppenweise umherzogen; besonders in Griechenland und Kleinasien, wo selbst kleinere Orte ihre periodisch wiederkehrenden Schauspiele und Agone hatten; was aber auch in den westlichen Provinzen mehr und mehr Nachahmung fand. Die Theaterlust der Griechen hatte früh zur Bildung wandernder Schauspielertruppen geführt, deren Zahl schon zu Demosthenes Zeit sehr groß gewesen zu sein scheint. Die dionysischen, d. h. dramatischen Künstler bildeten mit der Zeit ständige, dem Kult des Dionysos geweihte Verbände (Synoden), die teils in bestimmten Gegenden auftraten, teils von Ort zu Ort zogen; ein athenischer wird bereits in einem im Jahre 278 v. Chr. abgefaßten Amphiktyonendekret erwähnt, und nicht viel jünger ist der isthmische Technitenverein, während unter den Ioniern Kleinasiens eine bedeutende Künstlergesellschaft mit dem Sitze in Teos, der ›Stadt des Dionysos‹, bestand, die in römischer Zeit nach dem benachbarten Lebedos übersiedelte und dort noch in Strabos Zeit ihre Feste in jährlichen Zusammenkünften zu feiern pflegte, bei denen die in Griechenland und Kleinasien umherziehenden Abteilungen zu Opfern und Wettkämpfen sich vereinigten. Ein Zusammenschluß der einzelnen Vereine zu einem großen Reichsverbande der Bühnenkünstler erfolgte unter Hadrian, dessen Name daher auch im Titel dieses neuen Verbandes neben dem des Dionysos oder an seiner Stelle erscheint. Seitdem heißt dieser Verband der heilige hadrianische Bühnenkünstlerverband der aus dem ganzen Reiche vereinigten Verehrer des Dionysos und des neuen Dionysos Hadrian, eine Bezeichnung, in welcher später unter Antoninus Pius der Name dieses Kaisers an die Stelle Hadrians tritt. Der Verband mag zahlreiche Abteilungen gehabt haben, die vielleicht auch für kürzere oder längere Zeit an ein und demselben Orte (namentlich in Rom) ihren ständigen Aufenthalt hatten und unter denen die römische eine Art Vorortstellung genoß. Teils als Mitglieder dieser Vereine, teils selbständig machten die berühmteren Schauspieler und Musiker und ebenso die hervorragenden Athleten, die zum Teil ebenfalls in Synoden inkorporiert waren, regelmäßig Rundreisen, wenigstens durch Griechenland, Kleinasien und Italien, wie ihre sehr zahlreichen Denkmäler bezeugen. Ein M. Sempronius Nicocrates sagt in einer selbstverfaßten Grabschrift, er sei Musiker, Dichter und Kitharaspieler gewesen, vor allem aber Mitglied einer Synode; er habe zur See und auf Wanderungen zu Lande viele Mühsale ausgestanden. Bühnenkünstler und Athleten wurden oft von den Städten, in denen sie enthusiastische Bewunderung erregt hatten, mit dem Ehrenbürgerrecht beschenkt. Ein Aurelius Charmus, berühmter Sänger, Bürger von Philadelphia, Nicomedia und Athen, hatte in allen heiligen Wettkämpfen, vom kapitolinischen bis zu denen in Antiochia in Syrien, Kränze gewonnen. Ein Athlet, M. Aurelius Asclepiades, Bürger von Alexandrien, Hermopolis, Puteoli, Neapel und Elis, Senator von Athen und von vielen andern Städten Bürger und Senator, rühmt sich, in drei Ländern aufgetreten zu sein, Italien, Griechenland und Kleinasien; dasselbe sagt ein Dichter der ersten Kaiserzeit von dem pergamenischen Pankratiasten Glykon. In einem Verzeichnis der Bauten, die ein Poseidonpriester zu Korinth, P. Licinius Priscus Juventianus (vielleicht zu Ende des 2. Jahrhunderts), aufgeführt hatte, werden auch Herbergen für die Athleten genannt, die aus der ganzen Welt zu den isthmischen Spielen reisen. Festgeber ließen wohl oft zu jeder Gattung ihrer Schauspiele Künstler aus den Orten kommen, die im Rufe standen, die besten zu besitzen: so im 4. Jahrhundert (mindestens in der östlichen Reichshälfte) Wagenlenker aus Laodicea, Mimen aus Tyrus und Berytus, Pantomimen aus Cäsarea, Choraulen aus Heliopolis, verschiedene Gattungen von Athleten aus Gaza, Ascalon und Castabala. Daß Unternehmer von Gladiatorenspielen mit ihren Banden ebenfalls umherzogen, darf auch ohne besondere Zeugnisse angenommen werden. Das »fahrende Volk« der Gaukler und Taschenspieler, Seiltänzer und Akrobaten, Sänger und Musikanten trieb wie im Mittelalter sein Gewerbe im Herumziehen, von Ort zu Ort. Von den Transporten wilder Tiere zu den Venationen, die zum Teil ungeheure Entfernungen zurückzulegen hatten, wird später die Rede sein.
Jene Feste und Schauspiele aber, die damals so häufig in allen Provinzen stattfanden, zogen auch immer eine große Menge von Zuschauern und Teilnehmern an. Zu den großen Schauspielen Roms strömten Fremde aus der ganzen Welt herbei. Bei den olympischen und den pythischen Spielen kam nicht bloß gegen Ende des 2. Jahrhunderts fast ganz Griechenland zusammen, sondern auch noch in der Zeit Julians des Abtrünnigen; und wenn am Schluß des Festes alles aufbrach, war es nicht leicht, ein Fuhrwerk zu erhalten. Peregrinus Proteus vollzog seine Selbstverbrennung bei der Feier der olympischen Spiele im Jahre 167, dem besuchtesten Feste Griechenlands, wie Lucian sagt (der demselben viermal beigewohnt hatte), um mit diesem Akt einen möglichst großen Effekt zu machen.
Daß bei solchen Versammlungen Händler und Gewerbetreibende und überhaupt alle, die dort auf gewinnreiche Geschäfte hoffen konnten, sich zahlreich einfanden, ist selbstverständlich. Dio von Prusa sagt, daß Kuppler mit ihren Dirnen zu der Herbstversammlung der Amphiktyonen in Pylä und anderen Festversammlungen reisten. Überhaupt scheinen Kuppler viel umhergezogen zu sein; die Unseligen, sagt Clemens von Alexandria, gehen zur See mit einer Fracht von Dirnen, wie von Weizen oder Wein. Strabo erzählt, daß in dem wegen seiner Bäder viel besuchten Karura (auf der Grenze von Phrygien und Karien) in einem Gasthause ein Kuppler mit einer großen Menge von Dirnen bei einem Erdbeben von der Erde verschlungen worden sei. Der erwähnte Sempronius Nicocrates, der seine künstlerische Laufbahn aufgab, um, wie er selbst sagt, ein Händler mit schönen Frauen zu werden, dürfte also auch in diesem neuen Gewerbe das alte Wanderleben fortgesetzt haben.
Übrigens wurde es selbst den Verbannten auf den Inseln des Archipels gestattet, an großen Festen sowie an religiösen Feierlichkeiten teilzunehmen. »Sie konnten sich also während der Mysterien in Eleusis aufhalten, das Dionysosfest in Argos mitfeiern, zur Zeit der Pythien sich nach Delphi, zur Zeit der Isthmien nach Korinth begeben.« Unter den religiösen Festen übten die eleusinischen Mysterien noch immer die größte Anziehungkraft auch auf Römer; zur Zeit ihrer Feier war Athen von Fremden überfüllt. Daneben standen die Mysterien von Samothrake im größten Ansehen, besonders bei den Römern, seit der Glaube an die von dort aus erfolgte Gründung Trojas verbreitet war, daher viele römische Feldherren und Beamte sich auf Samothrake einweihen ließen und die Heiligtümer mit reichen Geschenken bedachten; so zog diese abgelegene, für Seefahrer schwer zugängliche Insel fort und fort, namentlich aber an dem im Hochsommer jährlich stattfindenden Hauptfeste, wie jetzt der Athos, ganze Züge von Wallfahrern von nah und fern herbei. Die neuerdings bekanntgewordenen Inschriften von Samothrake nennen solche, die teils als Gesandte, teils aus eigenem Antriebe dorthin pilgerten, aus den Städten Macedoniens, Kleinasiens und Thraciens, aus Kreta, Elis und Rom, welche letztere sich als mystae pii bezeichnen. »Mit derselben Andacht, mit der der griechische Schiffer oder Wanderer heute nach dem Athosgipfel hinüberblickt, mochte das Auge der Alten den ragenden Berg von Samothrake suchen, während eine vielleicht ebenso ungebildete Priesterschaft damals auf Samothrake wie heute am Athos althergebrachte, immer gedankenloser überlieferte, dem Volke gegenüber aber mit dem Glanze alter Heiligkeit umgebene Gebräuche ausübte und dabei Sitte, Sprache und Kunst in unbeweglicher Starrheit fesselte.« Heute stört nur der Ruf der Hirten die schweigende Einsamkeit des Strandes, den damals Scharen von Wallfahrern belebten.
Neben diesen Hauptzielen frommer Wanderungen gab es aber noch eine große Menge besuchter Wallfahrtsorte. Ein solcher war z. B. Comana in Pontus, wo bei dem sogenannten Auszuge der dort verehrten Göttin Männer und Frauen von allen Seiten zusammenströmten und fortwährend solche anzutreffen waren, die wegen eines Gelübdes sich dorthin begeben hatten und der Göttin Opfer brachten. Der Ort, zugleich ein Hauptmarkt für den armenischen Handel, war überdies voll von Hetären, die größtenteils dem Tempel gehörten, und also in jeder Beziehung ein Kleinkorinth. Gewiß war die Zahl der Gläubigen nicht gering, die, wie Apulejus, von einem Heiligtum zum andern zogen und sich in jeden Geheimdienst einweihen ließen, um keines göttlichen Segens verlustig zu gehen. Auch die Orakel Griechenlands, Kleinasiens, Ägyptens, Italiens waren vielleicht zu keiner Zeit des Altertums besuchter als in den beiden ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung.
Endlich waren auch Reisen zur Wiedererlangung der Gesundheit ungemein häufig. Mit Recht, sagt Epictet, schicken die Ärzte die an langwierigen Krankheiten Leidenden in ein andres Land und ein andres Klima. Bei einer großen Anzahl von Übeln, als anhaltendem Kopfschmerz, Geisteskrankheit, Lähmung, Wassersucht, Blasenleiden, ganz besonders aber bei beginnenden Brustkrankheiten und bei Blutauswurf empfahlen die Ärzte Seereisen und Veränderung des Klimas; aus Italien wurden die Schwindsüchtigen, für welche auch eine lange Fahrt auf dem Meere an sich als zuträglich galt, gewöhnlich nach Ägypten oder nach Afrika geschickt. Galen sagt, daß manche, die wegen eines Lungengeschwürs von Rom nach Afrika gereist waren, scheinbar ganz hergestellt zurückkehrten und wirklich einige Jahre gesund blieben, doch bei unzweckmäßiger Lebensweise erfolgten Rückfälle des Übels. Zuweilen wurde ihnen auch der Aufenthalt in Nadelholzwäldern oder eine Milchkur im Gebirge oder an einem hochgelegenen Orte in der Nähe der See angeraten; Galen empfiehlt hierzu besonders wegen seiner Lage, seiner Luft, seiner Vegetation und Viehzucht Stabiä (Castellamare, das also damals schon sein Quisisana hatte). Noch im 6. Jahrhundert war der »Milchberg« (Mons Lactarius) bei Stabiä ein Kurort hauptsächlich für Schwindsüchtige, wo, wie Cassiodor rühmt, »die gesunde Luft zusammen mit der Fruchtbarkeit des fetten Bodens Kräuter von süßester Beschaffenheit hervorbringt; die auf dieser Weide gemästeten Kühe geben eine Milch von solcher Heilkraft, daß denen, welchen alle Ratschläge der Ärzte nichts nützen, jener Trank allein zu helfen scheint.« Unter den Orten, wo besonders heilkräftige Mittel erzeugt oder bereitet wurden, ist Anticyra am Busen von Krisa der berühmteste, wohin mehr Kranke reisten als nach der gleichnamigen Stadt am Fuße des Öta, obwohl hier die beste Nieswurz wuchs; doch wurde sie dort besser zubereitet. Wie groß der Zudrang zu den oft mit Heilanstalten oder Traumorakeln verbundenen Tempeln der Heilgötter Äskulap, Isis und Sarapis war, ist allbekannt; eine eigene Art von Weihgeschenken in Gestalt von Fußspuren oder Sandalen wird für die glückliche Hin- und Rückreise bei solchen Fahrten zum Heilgotte dargebracht.
Der Gebrauch der Badeorte war im Altertum kaum minder allgemein als gegenwärtig, und ein sehr großer Teil der jetzt benutzten Heilquellen damals schon entdeckt; so war Baden bei Zürich schon in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts ein durch den Gebrauch seiner Quellen lebhafter Ort; auch die Thermen von Ems, Pyrmont, Aachen, Wiesbaden, Baden-Baden u. a. sind durch römische Gebrauchsgegenstände und Weihinschriften, die man darin gefunden hat, als von Römern benutzt erwiesen. Die heißen Quellen von Bath (Aquae Sulis) »scheinen vom Beginn der römischen Okkupation an mit Vorliebe der Heilung wegen besucht worden zu sein« und wurden also gewiß sehr bald »mit reicher Ausstattung zum Gebrauche der Sterblichen versehen«, wie ein alter Schriftsteller sagt. Schöne Ruinen des Tempels der dort verehrten (von den Römern Minerva genannten) Göttin Sul sowie andrer Gottheiten und bedeutende Überreste der Thermen, auch einige Kunstwerke von besserer Arbeit (darunter eine Frauenbüste aus Domitians Zeit) sind noch vorhanden. Fast alle dort gefundenen Inschriften (besonders Widmungen) gehören dem Ende des 1. oder Anfange des 2. Jahrhunderts an, woraus man nicht auf eine Abnahme der Frequenz des Bades in späterer Zeit schließen darf, da vermutlich die Monumente der älteren Zeit bei der Aufführung späterer Gebäude verwendet wurden. Die Überbleibsel römischer Bäderanlagen, die oft von großer Pracht zeugen, finden sich in allen Ländern am Mittelmeer und weiter auf afrikanischem Boden, z. B. in Hamman-Righa (Algerien), wie in den Pyrenäen (Bagnères-de-Bigorre), in den südlichen Karpathen (Herculesbad bei Mehadia), in den Westalpen (Aix-les-Bains) oder in der Auvergne (Vichy). Von den Badeorten, die zugleich oder vorzugsweise Vergnügungsorte waren, wie Bajä, Ädepsus und Canopus, wird unten die Rede sein. Auch zur Zerstreuung und Erholung scheinen Reisen sehr häufig unternommen worden zu sein.
Schon aus dieser Übersicht der Hauptveranlassungen zum Reisen in der römischen Kaiserzeit wird man den Eindruck gewinnen, daß damals zu Lande mindestens nicht weniger, vielleicht mehr gereist wurde als im neueren Europa vor dem Anfange des 19. Jahrhunderts. Dieser Eindruck verstärkt sich aber noch sehr, wenn man die bisher nicht berührten Reisen in Betracht zieht, die nur zum Vergnügen und zur Belehrung unternommen wurden und deren ausführliche Erörterung für das Verständnis der damaligen Kultur unentbehrlich ist.