Karl Emil Franzos
Ein Kampf ums Recht
Karl Emil Franzos

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Zwölftes Kapitel

Während so die Bewohner von Zulawce erregt den Ereignissen der Nacht entgegenharrten und die Zwischenzeit durch ein Spiel der Phantasie auszufüllen suchten, indem sie sich den Mandatar abwechselnd gehenkt oder geröstet vorstellten, war Herr Hajek selbst mit Ähnlichem beschäftigt. Auch er harrte den Ereignissen der Nacht erregt entgegen und suchte sich die Qual des Harrens zu kürzen, indem er sich dieselben lebhaft ausmalte. Doch waren es wesentlich andere Bilder, die an seinem Auge vorüberzogen. Denn er saß nicht in seiner eisernen Stube zu Zulawce, was ihm schon deshalb unmöglich gewesen wäre, weil es keine solche im Kastell gab, sondern im komfortablen Rauchzimmer der kleinen Wohnung, die er sich als Absteigequartier in Kolomea eingerichtet hatte. Eben von dem großen Osterdiner bei dem Herrn Kreishauptmann heimgekehrt, malte er sich nun beim Dufte einer extrafeinen Havanna aus, wie sich das Fest gestalten würde, zu welchem der reichste Mann der Stadt, der Armenier Bogdan von Antoniewicz, für diesen Abend einen kleinen, aber gewählten Kreis geladen hatte. Da Herr Hajek dabei vergnügt vor sich hinlächelte, ja sogar zuweilen, die Zigarre im Munde, im Tanzschritt durchs Zimmer hüpfte, so mußte er wohl von dieser Soiree Angenehmes erwarten. Aber nicht bloß dieses, sondern auch Wichtiges, ja Entscheidendes; darauf deutete die nervöse Hast, mit der er immer wieder seine Uhr aus der Tasche riß und seufzend wieder zurückgleiten ließ, und noch mehr der tiefe Ernst, der zuweilen sein feingeschnittenes, jedoch stark verlebtes Gesicht überflog. Aber das war nur wie flüchtiger Wolkenschatten über sonnenheller Landschaft; der Mandatar lächelte bald wieder.

»Ach was«, murmelte er, indem er vor den Spiegel trat und die Spitzen seines Schnurrbartes aufdrehte, »jene drei Tugenden habe ich ja selbst gesehen! Und dann« – er machte seinem Bilde eine tiefe und spöttische Verbeugung – »wollen Sie, Herr Wenzel Hajek, gefälligst nicht vergessen, wer Sie selbst sind und in welcher Lage Sie sich befinden. Haha!« Er lachte laut auf; dieser Anlauf zur Selbsterkenntnis schien ihm ein köstlicher Spaß. Und in dieser übermütigen Laune blieb er nun auch und ging, die Melodie eines Pariser Gassenhauers trällernd, in seinem Zimmer auf und ab, bis die Wanduhr acht schlug. Da klingelte er dem Diener, ließ seine Toilette vollenden und fuhr zur Villa des Herrn Bogdan v. Antoniewicz.

Es war eine frühe Stunde für eine große Soiree, aber diesmal hatte er die Pflicht, als der erste Gast zu erscheinen; an diesem Abend sollte seine Verlobung mit der einzigen Tochter des Hauses, der verwitweten Gräfin Wanda Koninska, geborenen v. Antoniewicz, verlautbart werden, und die Beteiligten hatten auch bereits das ganze Programm, mit Einschluß der dabei zu äußernden Gefühle, aufs genaueste festgestellt.

Wenn es wahr ist, was viele vernünftige Leute behaupten, daß nicht das rasch emporlodernde, aber leider oft ebenso rasch erlöschende Gefühl der Liebe die sicherste Gewähr künftigen Eheglücks bietet, sondern vielmehr die gegenseitige Achtung und eine gewisse Gleichheit der Auffassung der Pflichten des Lebens, dann waren der Mandatar und die junge Witwe zu ihrem Bund zu beglückwünschen. Und wenn es ferner richtig ist, daß sich nur dann das Verhältnis des jungen Ehemanns zu seinen Schwiegereltern würdig gestaltet, wenn beide Teile nie der leiseste Zweifel an dem gegenseitigen sittlichen Werte überkommen kann, dann mochte man auch darüber beruhigt sein, daß dieser Mann und die Angehörigen seiner Braut künftig zusammenstehen würden wie eine Familie. Denn nahm man Herrn Hajek selbst aus, dann war Herr Bogdan v. Antoniewicz der geriebenste Schurke im ganzen Kreise.

An sein Vorleben ließ sich dieser Edelmann aus guten Gründen nicht gerne erinnern. Aber auch an seine Ahnen nicht, obwohl sie doch ehrliche, unbemakelte Viehtreiber in der Moldau gewesen. Mit der Ausübung dieses Handwerks hatte auch der junge Bogdan seine Laufbahn begonnen und brachte es durch die Klugheit, mit der er sein Beutelchen eng, sein Gewissen weit schnürte, schon früh zu einigem Besitze, mit dem er einen kleinen Ochsenhandel in Braila etablieren konnte. Da traf ihn, wie er zu erzählen pflegte, ein »harter Schlag«, der Tod seines Onkels, eines Großhändlers in Konstantinopel, der ihn zum Erben einsetzte. Doch täuschte ihn da sein Gedächtnis, denn allerdings war jener reiche Großhändler ein Onkel gewesen, aber nicht der seine, sondern der eines Viehtreibers in Bogdans Diensten, namens Mikita. Als dieser Arbeiter den Bescheid des Gerichts erhielt, sich zum Antritt der Erbschaft in Galata zu melden, kam er mit dem großgesiegelten Schreiben zu seinem Herrn und bat, ihm den Inhalt vorzulesen. Herr Bogdan las die Schrift – es handelte sich um zehntausend Dukaten – und benahm sich ebenso würdig als menschenfreundlich. Er gedachte der neun unversorgten Kinder des Mannes und sagte darum dem Mikita: »Du hast Glück, dein Onkel hat dir zehn Dukaten vermacht!« Natürlich wollte er nur erproben, wie Mikita das kleine Glück nützen würde, um daraus zu ersehen, ob er des großen würdig sei. Denn, sagte er sich mit Recht, wenn der Mann die zehntausend Dukaten durchbringt und sich während dieser Zeit der Arbeit entwöhnt, was wird dann aus seinen Kindern? Leider bestand der Arbeiter die Probe schlecht; er jauchzte wie ein Trunkener und bat sich dann einen Dukaten als Vorschuß aus. Und was fing er nun mit dem vielen Gelde an? Legte er es etwa zu guten Prozenten auf Zinseszins an? Behüte! Dieser Verschwender kaufte Hemden für seine Kinder und verwendete den Rest dazu, sich einmal mit ihnen satt zu essen. Und dann kam er wieder zu Bogdan. Betrübt gab ihm dieser den zweiten Dukaten. Und so ging es fort, bis Mikita in einem halben Jahre mit neun Dukaten fertig war. Da rang der Menschenfreund einen schweren Kampf mit sich selbst. »Nein!« rief es in seinem Herzen, »diese Kinder sollen nicht zugrunde gehen!« Und so gab er zwar dem Mikita auch den zehnten Dukaten, ließ sich jedoch von ihm Quittung geben, daß er ihm die ›ganze Erbschaft‹ ausgezahlt habe. Dann eilte er im Hochgefühl einer guten Tat nach Galata und sackte die zehntausend Dukaten ein. Aber in Braila schob man seiner Handlungsweise, als sie zufällig ruchbar wurde, die schmutzigsten Motive unter; Bogdan beschloß, weder die böswillige Stadt noch den undankbaren Viehtreiber wiederzusehen, sondern ging auf Umwegen mit seinem Gelde nach Österreich, wo er die Pacht eines großen Gutes übernahm. Dieses Gut lag in der Bukowina, dicht an der Stelle, wo Österreich, Rußland und die Moldau zusammengrenzen, und da damals die Zollschranken dicht gezogen waren, so mußte jeder strebsame Geist an der Grenze unwillkürlich zu volkswirtschaftlichen Studien veranlaßt werden. Herr Bogdan war sehr strebsam, begann die Theorien des Freihandels und des Schutzzolls gegeneinander abzuwägen, entschied sich aus innerster Überzeugung für den Freihandel und beschloß, durch die eigene Tat dafür zu wirken. Er erklärte sein Pachtgut in aller Stille selbst zum Freihafen und suchte namentlich das österreichische Tabakmonopol dadurch zu brechen, daß er ungeheure Massen dieses edlen Krautes aus Bessarabien und der Moldau nach Österreich schaffte. Natürlich entging diese Tätigkeit den Augen der Finanzbeamten nicht, doch wußte Herr Bogdan ihren Widerstand zu beschwören, indem er allen geduldig und immer wieder, so oft sie es heischten, seine Gründe aufzählte; in Österreich waren es Gulden, in der Moldau Piaster und in Rußland Rubel. Da wollte es das Unglück, daß nach Czernowitz ein neuer k. k. Finanzdirektor kam, der sich selbst durch Tausende von Gründen nicht bekehren lassen wollte. Herrn Bogdan wurde es bange, und da er schon aus eigener Erfahrung den schnöden Hang der Welt, das Strahlende zu schwärzen, kannte, so gab er seine Pachtung schleunigst auf und erwarb das schöne Gut Horkowka im ostgalizischen Lande.

Er war vierzig Jahre alt und ein reicher Mann; er wollte eine Adelige heimführen und selbst adlig werden. Das erste ist in Galizien fast leichter, als wenn sich jemand auf eine Bürgerliche kaprizierte, aber um welcher Verdienste willen er zum Herrn von Antoniewicz erhoben werden sollte, hätte Bogdan selbst schwer angeben können, denn jener Freihafen wäre wohl nicht als genügend erachtet worden. Da führte ihm die geheimnisvolle Macht, die unsere Herzen lenkt, eine junge Dame zu, die geeignet war, seine Wünsche zu verwirklichen, und zwar erschien hier diese Macht im Kaftan des Heiratsmaklers Simon Rebenwurzel, der Herrn Bogdan die Hand des Fräuleins Antonia von Kulczicka anbot. Sie war eine arme, auch nicht mehr ganz junge Dame, aber sehr einflußreich durch die brüderliche Freundschaft, die ihr einer der vermögendsten Magnaten des Landes widmete. Natürlich war auch hier das Strahlende bis zur Unkenntlichkeit geschwärzt, und darum behielt Simon Rebenwurzel vorsichtig die Türklinke in der Hand, als er Herrn Bogdan den Antrag machte. Doch blieb dieser zu seiner freudigen Überraschung sehr ruhig und versicherte, er fühle Neigung für das ihm bisher persönlich unbekannte Fräulein, nur bedürfe es gewisser Dinge, um diesen Trieb seines Herzens zu voller Blüte zu bringen. Und dann zählte er diese Dinge auf, und Simon verzeichnete sie in sein Notizbuch. Einen Monat später brachte der Jude die Zessions-Urkunde, durch die jener Magnat seiner brüderlich geliebten Freundin das schöne Gut Rossow abtrat. Herr Bogdan machte der Dame seine Aufwartung und fand sich dann bald täglich ein. Aber echte Liebe macht befangen. Herr Bogdan faßte erst dann den Mut, die Gluten seines Herzens in Worte umzusetzen, nachdem ihm der Jude einen Brief überbracht hatte, worin sich jener Magnat auf Ehrenwort verpflichtete, Herrn Bogdan binnen einem Jahre nach seiner Vermählung mit Fräulein Antonia ein österreichisches Adelsdiplom zu verschaffen. Nun folgte die Verlobung und rasch darauf die Hochzeit. Es wurde natürlich eine Musterehe, denn die Liebe dieser beiden Gatten war gewiß nicht geringer als die Hochachtung, die sie füreinander empfinden mußten. Einige Monate später wurde Herr Bogdan durch ein blondes Töchterchen und bald auch durch ein Adelsdiplom überrascht. Dies alles hinderte nicht, daß das Paar allmählich Zutritt zur Gesellschaft gewann. Denn Frau Antonia war hübsch, Herr Bogdan reich. Zuerst fanden die Junggesellen und die Offiziere das Haus sehr angenehm und dann die übrige Nachbarschaft. Das währte so fort; Frau Antonia wurde freilich nicht hübscher, aber Herr Bogdan immer reicher. Er besaß nun drei große Güter und außerdem stattliche Kapitalien, mit denen er emsig wucherte.

Das waren die künftigen Schwiegereltern des Herrn Hajek. Wer sie kannte, mußte zugeben, daß sie alle drei einander wert waren. Und nicht minder galt dies von dem jungen Paare selbst. Bogdan hatte seiner Wanda eine Erziehung geben lassen, wie sie für die Tochter eines polnischen Edelmanns paßte. Sie erhielt ihre Ausbildung durch eine Pariserin, die ihr etwas Französisch und einiges Klaviergeklimper beibrachte, und durch einen Warschauer Emigranten, der sie freilich nur in der einzigen Wissenschaft unterrichten konnte, die er selbst kannte, im polnischen Patriotismus. Das war zwar nicht viel, aber gerade genug; Wanda sollte eine echte und rechte Polin werden. Und nun male man sich das Entsetzen ihres Vaters, als sie ihn eines Tages mit dem Beweise überraschte, daß sie gut österreichisch gesinnt sei. Der junge Offizier war längst in eine andere Garnison versetzt worden, und Herr Bogdan begab sich auf die Suche nach einem passenden Eidam. Einen Schurken wollte er nur im Notfall nehmen, ein Dummkopf war ihm lieber. In der Tat war er so glücklich, den Grafen Agenor Koninski zu finden. Das war in jeder Beziehung der richtige Mann; erstens stammte er aus einem uralten Geschlechte, zweitens saß er bereits so völlig auf dem Trockenen, daß er das Anerbieten Bogdans mit Freuden annahm, und drittens war er ein gutmütiger Bursche, der seine Frau in keiner Weise genierte. ›Koninski‹ ließe sich zu deutsch etwa mit ›Pferdemann‹ übersetzen; nie hat ein Name besser gepaßt, sogar seinen Tod fand der Graf durch Pferde. Er verunglückte bei einem Rennen. Die junge Gräfin-Witwe wußte, was sie ihrem Namen schuldig sei; sie wendete ihre Sympathien von der k. k. Armee ab und dem polnischen Adel zu. Aber die Achtung ihrer Standesgenossen gewann sie sich dadurch nicht zurück. Das Geschlecht derer von Antoniewicz hatte nachgerade selbst die weiten Schranken, die diese Gesellschaft ihren Gliedern bezüglich ihrer Lebensführung setzt, überschritten. Zur Zeit, da sich Hajek in Kolomea einlebte, empfing Herr Bogdan in seinem Hause trotz seines Reichtums nur noch eine kleine, aber gewählte Gesellschaft; anständige Leute kamen nicht mehr hin. Nun waren die beiden Eltern siebzig, Gräfin Wanda dreißig und ihr Knabe elf Jahre alt. Es war höchste Zeit, dem Skandal ein Ende zu machen und einen tüchtigen Verwalter des großen Vermögens zu gewinnen. Diese Sachlage erklärte es, warum sowohl der adelsstolze Bogdan als auch die verwitwete Gräfin Koninska längst im stillen an den bürgerlichen Mandatar gedacht und ihren Hausfreund, Herrn Thaddäus von Bazanski, in diesem Sinne beauftragt hatten; das war der Emigrant, der einst Wanda im Patriotismus unterrichtet hatte und nun den Tag der Rache an den Russen als Schmarotzer in Galizien erwartete. Nach langen Mühen konnte Herr Thaddäus endlich am Feste Mariä Verkündigung vor der Gräfin mit der Versicherung erscheinen, daß Herr Hajek sich soeben seiner Liebe zu ihr bewußt geworden sei, und schon auf den Ostersonntag wurde die Verlobung angesetzt.

Schwerer war Herrn Hajek der Entschluß gefallen. Allerdings verfügte die Gräfin über drei ihm wohlbekannte, sehr ansehnliche Tugenden: die Güter Rossow, Horkowka und Drinkowce, und er war ein Mensch, den kein ›Vorurteil‹ mehr behinderte. Dennoch hatte er die Winke mit dem Zaunpfahl, die der wackere Thaddäus zuweilen an ihn ergehen ließ, nie verstehen wollen. Es war ihm bisher in seinem neuen Wirkungskreis geglückt, den Ruf eines Ehrenmanns zu erwerben, und er wollte dieses angenehme Bewußtsein, das ja zudem für ihn den Reiz völliger Neuheit hatte, nicht ohne Notwendigkeit aufgeben. Da kam die Nachricht von der Erklärung des Taras und stürzte den feigen Mann in Entsetzen und Bedrängnis. Der eigentliche Vermittler dieses Bundes zweier edler Herzen war nicht Herr Thaddäus von Bazanski, sondern Taras Barabola.

Herr Hajek war am Palmsonntag, während der ›großen Versammlung‹, nicht im Dorfe gewesen. Er war bereits in der Frühe nach Zablotow gefahren, wohin ihn der Rittmeister von Palffy-Husaren, Geysa von Mihaly, zu einem Dejeuner geladen hatte. Es gestaltete sich überaus laut und lustig; außer den Offizieren der Eskadron waren noch einige junge Adlige aus der Nachbarschaft erschienen. Der lustigste war Herr Hajek; er haßte das ›Färbeln‹, das er ein frivoles, gefährliches Spiel nannte, und so wurde auf seinen Vorschlag das ernste, würdige Macao gespielt. Er hielt die Bank und gewann fortwährend. Unaufhörlich sprudelten auch die heitersten Scherzreden von seinem Munde.

Da trat der Bursche des Rittmeisters ein und meldete, draußen stehe der Meier Boleslaw und wünsche seinen Herrn dringlich zu sprechen: der Bauer Barabola habe dem Kaiser soeben den Krieg erklärt. Stürmische Heiterkeit folgte den Worten, die Herren wälzten sich vor Lachen auf ihren Stühlen. Anders Herr Hajek, er wurde totenbleich, die Karten entsanken seiner Hand; zitternd sprang er empor. »Meine Herren!« stammelte er. »Sie kennen den Mann nicht . . . Das ist eine Sache auf Leben und . . .« Er wollte zur Tür, aber der Rittmeister vertrat ihm lachend den Weg. »Nein!« rief er, »wir bestehen darauf, daß Sie den Mann hier anhören. Eine Kriegserklärung an Se. Majestät geht ja wohl zunächst uns Offiziere an.«

Der Meier trat ein, der hünenhafte Mann war bleich, sein Antlitz finster. In kurzen Worten berichtete er den Inhalt jener Rede. »Wie der Mann ist«, schloß er, »wissen Sie, Herr. In einer Woche will er losbrechen, zuerst gegen Sie. Er hat sich nach dem Bergwald gewendet, in der Richtung gegen die ›rote Schlucht‹. Heute hat er vier Mann, in einer Woche wird er fünfzig haben.«

Die Herren lachten nicht mehr. Nicht so sehr die Worte als der Ton des Riesen hatte sie ernst gestimmt. Nun aber, nachdem er geendet, brach die Heiterkeit wieder los. »Also Krieg«, lachte der Rittmeister. »Aber heute spielen wir weiter . . . Hajek, geben Sie die Karte und . . . Mann!« unterbrach er sich erschreckt, »was ist Ihnen?« . . . In der Tat sah der Mandatar aus, als ob er im nächsten Augenblick völlig zusammenbrechen müßte. Die Gestalt war geknickt, das blutlose Antlitz von Todesangst verzerrt. So kauerte er im Fauteuil, und das Haupt neigte auf den Tisch nieder. »Ganz wie Belsazar!« lachte ein junger Leutnant. »Ja, lieber Hajek, Mene Tekel Upharsin! Sie scheinen gegen Ihre Bauern nicht das beste Gewissen zu haben! Nun weinen Sie gar!« In der Tat hatte der Mandatar zu schluchzen begonnen. »Ach«, stöhnte er, »ich muß zur Stadt . . .« Er suchte sich zu erheben, sank aber wieder in den Fauteuil zurück. »Nein . . . ich muß heim . . . Meine Papiere . . . Herr Rittmeister!« schrie er flehentlich auf, »lassen Sie sogleich Ihre Eskadron aufsitzen, führen Sie mich nach Zulawce und bleiben Sie dort! Sonst bin ich morgen früh eine Leiche und das Schloß eine Ruine!« – »Unsinn!« rief der Rittmeister unwillig. »Ich hätte Sie für – für gefaßter gehalten! Wissen Sie nicht, daß ich meine Eskadron nicht eigenmächtig detachieren darf?« – »Dann haben Sie auch die Verantwortung!« schrie Hajek verzweiflungsvoll. »Allein gehe ich nicht heim«, fügte er abermals schluchzend hinzu. Endlich faßte er sich mühsam. »Ich muß zur Stadt. Ich bitte Sie, Herr Rittmeister, uns Waffen zu leihen und außerdem einige Husaren als Eskorte beizugeben.« – »Mit Vergnügen«, erwiderte Herr von Mihaly höflich und kühl. »Das geht nicht gegen meine Pflicht.«

Eine Stunde später war Herr Hajek auf dem Wege nach Kolomea. Am Wagenschlag ritten zwei Husaren; auch der Meier, der neben ihm saß, hatte sich bis an die Zähne bewaffnet, gleichwohl wäre der Mandatar aus Angst schier auf dem Wege gestorben. Vergeblich suchte ihn der Meier zu beruhigen: »Er hat angekündigt, daß er erst in einer Woche losbrechen wird, und er ist ein Mann, der Wort hält.« Die Antwort, die der Mandatar darauf gab, war das schönste Ehrenzeugnis für Taras. »Ach«, seufzte er, »vielleicht haben es deine Späher schlecht gehört!« Daß dieser Mann sein Wort halten würde, im Kleinsten wie im Größten, daran zweifelte auch er nicht, und gerade dies war ja das Entsetzliche an der Sache! . . .

Die Nachricht war ihm unerwartet gekommen, obwohl er über die Züge des Taras im Bergwald, über seine wachsende Verstörung, endlich über die Abtretung des Hofes genau unterrichtet war. Nur hatte er die Zeichen falsch gedeutet, er war überzeugt, daß Taras Selbstmord verüben würde, wenn der abschlägige Bescheid des Kaisers käme, und in seiner Art hatte er sogar Mitleid mit dem Manne empfunden, etwa dasselbe Mitleid, das der Fleischer mit einem schönen Stier hat, von dem er sich guten Gewinn verspricht. Nun er den Entschluß des Taras erfahren hatte, schob sich ihm sofort das richtige Charakterbild des Mannes zusammen, und er, der jene Rede nur aus einigen Andeutungen kannte, verstand sie sicherlich besser als die Mehrzahl der Hörer. »Ja, ja«, stöhnte er, »aus dem Engel ist ein Teufel geworden, und das pflegen die bösesten Teufel zu sein.«

Endlich graute der Morgen. Herr Hajek wagte es, die Eskorte zu entlassen, und gegen neun Uhr erreichte er die Kreisstadt. Hier hieß er auch den Meier zurückkehren. »Glaubst du«, fragte er ihn, »daß das Schloß durch meine Abwesenheit gefährdet ist?« – »Nein«, erwiderte der Hüne lächelnd, »nur durch Ihre Anwesenheit. Ihn drängt es, Sie zu richten, aber Ihr Gut begehrt er nur insoweit, als er sich durch Sie geschädigt glaubt, und keinen Heller darüber! Damit wartet er sicherlich geduldig, bis er Sie selbst hat.« Den Mandatar überflog ein Zittern. »Das glaube ich auch«, sagte er dann. »Dennoch wirst du mir sofort das schwarze Kästchen, das in meinem Wandschrank steht, hierher überbringen. Ich bleibe natürlich hier und setze alles daran, daß der Kerl gehenkt wird, sonst . . .« – »Läßt er Sie henken«, ergänzte der Mazure, »das ist ganz richtig, Herr!«

Mit diesem Gruß im Ohr begab sich Hajek zum Kreishauptmann, Herrn Franz von Bauer. Natürlich stellte er die Sache als eine ungeheure Revolte dar, die schon in den nächsten Tagen Hunderten Leben und Besitz kosten müsse, wenn man nicht sofort einen Preis auf den Kopf des Taras aussetze und ganze Regimenter in den Bergwald werfe. Der alte, brummige Herr wurde noch viel brummiger. »Da haben wir's nun!« murrte er und begann nach seiner Gewohnheit im Büro auf und ab zu rennen wie ein Löwe im Käfig. »Wem in der weiten Gotteswelt passieren noch solche Geschichten? Nur mir! Was sage ich immer: ›Lieber Diurnist in Wien als Kreishauptmann in Kolomea!‹ Kaum tut uns der ›wilde Wassilj‹ den Gefallen, sich totzuschießen, flugs steht ein anderer solcher Kerl auf. Also der Taras Barabola! Sieh, sieh! Hätt's eigentlich nicht geglaubt, der Mensch sah ordentlich reputierlich aus. Freilich, Rechtsgefühl hat er nicht um ein Lot. Kam da einmal zu mir und verlangte, das Gericht sollte den Prozeß um den Acker von Amts wegen anstrengen. Von Amts wegen! Wer das verlangt, von dem kann man sich eigentlich gar nicht wundern, wenn er Hajdamak wird! Ja, an Rechtsgefühl fehlt's hierzulande . . . Nun, was ich sagen wollte . . . Ich bin Ihnen für Ihren Besuch und Ihre Erzählung sehr verbunden, Herr Mandatar, aber daraufhin amtiert man nicht. Haben Sie die Güte, die Anzeige schriftlich in der Registratur einzureichen; sie ist stempelfrei. Adieu!«

»Und wann erfolgt die Erledigung?«

»Ordnungsgemäß. Id est: nach der Nummer des Einlaufs.«

»Herr Kreishauptmann! Es ist ja die dringlichste Sache von der Welt! Ich möchte vorschlagen, vorläufig die Husaren aus Zablotow –«

»Husaren? Husaren?« Der alte Herr schlug die Hände über dem Kopf zusammen, und sein Antlitz färbte sich puterrot. »Herr, wofür halten Sie mich? Bin ich ein General, daß ich Husaren zu kommandieren habe? Ich bin der Kreishauptmann, leider Gottes, daß ich es bin!«

Der Mandatar knickte zusammen und wollte den Rückzug antreten. Dann aber faßte er doch Mut. »Herr Kreishauptmann«, sagte er mit etwas theatralischem Pathos, »es geht um mein Leben und, was mir noch höher gilt, um das Eigentum meines Herrn, des Grafen Borecki. Darf ich mir daher die Frage erlauben, in welcher Weise meine Anzeige erledigt werden wird?«

»Ordnungsgemäß! Id est: wird einem Kommissarius ad referendum zugewiesen. Hat sich nach Zulawce zu verfügen und daselbst zu erkunden, was der Kerl, der Taras, eigentlich gesagt hat. Wenn es sich wirklich so verhält, wie Sie angeben, so liegt eine wunderschöne Konkurrenz von Delikten vor: Gotteslästerung, Majestätsbeleidigung, Aufwiegelung, gefährliche Drohung und Verleumdung der Behörden. Interessanter Fall, wunderschöne Konkurrenz. Kriegt für die Rede allein zehn Jahre Zuchthaus. Und wenn er Ihnen etwas antut, so wird er gehenkt. Nun, sind Sie jetzt beruhigt?«

Der Mandatar war es seltsamerweise noch immer nicht völlig. »Es ist Gefahr im Verzuge«, stammelte er. »Geht der Herr Kommissär morgen früh ab?«

»Morgen?« rief Herr von Bauer und schlug wieder die Hände über dem Kopf zusammen. »Und das sagt ein gebildeter Mensch!« Wieder lief er ein dutzendmal in der Stube auf und ab, bis er sich auch über diese unerhörte Zumutung beruhigt hatte. »Also«, sagte er, »Delegatio Commissarii geschieht baldmöglichst, id est: nicht vor Ablauf eines Monats. Womit ich die Ehre habe, mich Ihnen zu empfehlen!«

Der Mandatar ging. An derselben Stelle, wo einst seinem unglücklichen Gegner zuerst das Weh der ohnmächtigen Empörung das Herz durchschnitten hatte, erlebte er nun dieselbe Empfindung. Mit wankenden Knien, fast sinnlos vor Entsetzen, schlich er die Treppe hinab und weiter durch die Gäßchen der Stadt. Das Schild einer Waffenhandlung fiel ihm in die Augen. Er trat ein und kaufte eine doppelläufige Pistole. »Wenn ich ihm in die Hände falle«, murmelte er vor sich hin, als er den Laden verließ, »dann will ich mir wenigstens das Schlimmste ersparen!« Aber dabei rief eine Stimme in seinem Herzen: »Du lügst, Feigling! Wozu prahlst du dich selbst an? Du wirst es niemals wagen!«

Die irdische Vergeltung für die Frevel dieses Mannes hatte begonnen, noch ehe Taras einen Finger gegen ihn geregt. Und sie wuchs von Stunde zu Stunde. Auch in ruhigeren Momenten mußte sich der Mandatar gestehen, daß seine Lage eine ernste sei. Solange Taras lebte, erschien ihm eine Rückkehr nach Zulawce gleichbedeutend mit Selbstmord, und die ›ordnungsgemäße‹ Erklärung des Kreishauptmannes verbürgte ja dem Bandenführer ein ebenso langes wie ungestörtes Leben. Das bedeutete für Hajek zugleich die Notwendigkeit, auf sein Amt zu verzichten; von Kolomea aus ließ es sich nicht zwei Wochen lang führen. Denn die Bauern von Zulawce leisteten sicherlich keinerlei Abgaben, wenn ihnen der Mandatar nicht täglich mahnend gegenüberstand, und blieb er nur mit einer Monatsrate im Rückstand, dann jagte ihn sein Graf davon, ohne jede Rücksicht auf die ›Kriegszeit‹! Da war es denn klüger, selbst zu gehen, aber was dann beginnen? Er hatte allerdings in seinem schwarzen Kästchen dreitausend Gulden in guten Papieren liegen, welches hübsche Sümmchen er sich trotz kostspieliger Lebensweise in den wenigen Jahren seiner Amtstätigkeit ›erspart‹ hatte. Aber wenn er Kolomea verließ, dann mußte er nicht bloß dies kleine Kapital angreifen, sondern ein anderes, weit wertvolleres war verloren: der geachtete Name, den er sich hier erworben hatte, und die Möglichkeit, ihn in bares Geld umzusetzen. Dieser Name und diese Möglichkeit bestanden wirklich; Herr Hajek belog sich selbst niemals. Der glatte, elegante Mann war in der Tat als Gesellschafter gesucht, als tüchtiger Landwirt geschätzt, und sein Ziel war ihm klar: er mußte durch die Heirat mit einem wohlhabenden Mädchen zu Besitz gelangen. Da war Fräulein Theodora Harasimowicz, die Tochter eines polonisierten Armeniers, und Fräulein Margarethe Zunakl, deren Vater in seiner Jugend ein biederer schwäbischer ›Schuhnagel‹ gewesen; jedem dieser beiden Ziele hatte er sich bereits genähert, nur bedurfte es noch vieler Zeit und Mühe, um es zu erreichen. Das war vorbei! Der Mandatar von Zulawce durfte an diese Türen pochen, aber nimmer der amtlose Habenichts. Und wie lange ließ sich der Rücktritt verzögern, das böse Gerede der Leute niederhalten!

So hatte durch eine seltsame Verkettung der Verhältnisse die bloße Rede des Taras genügt, um seinen Todfeind fast zugrunde zu richten. Als der Meier am Dienstag abend mit der Kassette eintraf, fand er seinen Herrn in der Stimmung, die dieser Erkenntnis entsprach. Was er ihm mitzuteilen hatte, war auch nicht geeignet, sie zu verbessern. »Herr«, sagte der Hüne düster, »es will mir im Dorfe gar nicht mehr gefallen. Die Robot ist eingestellt; den Taras hört man überall preisen, und offen gesagt, jeder gönnt Ihnen den Strick, den er Ihnen zugedacht hat. Ich habe wirklich noch keinen Bauer gefunden, der anderer Ansicht gewesen wäre.«

»Schon gut«, murmelte der Mandatar und winkte ihm zu gehen. Als er allein war, mußte er sich unwillkürlich an den Hals greifen. »So geht es nicht weiter!« schrie er dann laut vor sich hin. »Ich muß die Geschichte abschütteln. Ich will nichts mehr von diesen Hunden hören.« Er ging zum Schreibtisch und warf einige flüchtige Zeilen aufs Papier. Es war sein Entlassungsgesuch an den Grafen. Er faltete den Bogen, steckte ihn in ein Kuvert und schloß es. So weit kam er, aber nicht weiter. Wie oft er auch die Feder ansetzte, die Adresse zu schreiben, er legte sie wieder hin. »Es wäre voreilig«, murmelte er endlich, erhob sich und griff nach dem Hute. »Ich will doch mindestens vorher hören, was die Leute reden.«

Wenn jemand in Kolomea hören wollte, was die Leute redeten, so brauchte er bloß in die Weinstube der Frau Chane Berggrün zu gehen. Denn dort erschien bereits am frühen Morgen das Lokalblatt von Kolomea, und geringe Unterbrechungen abgerechnet, war dieses alte, schwatzhafte Ding bis Mitternacht an derselben Stelle zu treffen. Nämlich Se. Hochwohlgeboren Herr Thaddäus von Bazanski. Sein Vorleben pflegte er rastlos zu enthüllen, nur daß er leider in diesen Erzählungen gar zu sehr die Abwechslung liebte. Am Sonntag lagen seine Güter in Wolynien, er war der letzte seines Geschlechts und hatte sich todesmutig den Russen entgegengeworfen, war aber schwer verwundet worden und mit Mühe nach Österreich entronnen. Am Montag war er der Sohn eines polnischen Offiziers im Dienste Napoleons, hatte seine Ausbildung in der Ingenieurschule von Vincennes empfangen, war dann in die polnische Armee getreten, das übrige wie am Sonntag. Am Dienstag war Bazanski bloß ein Pseudonym, er war in Wahrheit der Sprößling eines reichen litauischen Fürstengeschlechts, hatte sich mit seinen russisch gesinnten Brüdern überworfen und – Rest wie am Montag. Am Mittwoch lagen die Güter in der Ukraine, die ganze Revolution von 1831 war eigentlich auf seine Kosten geführt worden, dann war er Carbonaro in Piemont gewesen und lebte jetzt in Galizien, um am Tage der Rache bei der Hand zu sein. Am Donnerstag, wo des Gerichtstermins wegen die Weinstube sehr besucht war, hatte er ein besonders romantisches Vorleben: er war der natürliche Sohn Alexanders I. und einer vornehmen Polin und lebte am Petersburger Hofe in tausend Freuden, bis sich das Blut der Mutter in ihm regte. Da forderte er von seinem Halbbruder Nikolaus eine freiere Verfassung für Polen, und als sie dieser nicht gewähren wollte – Rest wie am Mittwoch. Am Freitag, wo die wenigsten Gäste kamen, war er nur eben ein armer, tapferer Edelmann, der dem Vaterlande seinen Degen zur Verfügung gestellt hatte und der Gelegenheit harrte, es wieder zu tun, wogegen am Sonnabend die Erzählung einen konfessionellen Beigeschmack bekam. Sein Vater, der reichste Grundbesitzer Masoviens, war leider so leichtsinnig gewesen, den jüdischen Pächtern den Pachtschilling zu kreditieren, weshalb das Geschlecht in schwere Bedrängnis kam, aus der es Thaddäus mit starker Hand befreite. Er trieb ›diese verdammten Juden‹ zu Paaren, tat ein Gleiches mit den Russen und führte jetzt von Kolomea aus Prozeß mit einigen dieser Schuldner seines Vaters. Leider richtete er nichts aus, was aber vielleicht daran lag, daß er den Advokaten zu rasch wechselte, denn der führte von Sonnabend zu Sonnabend einen anderen Namen. Eifrige Besucher der Weinstube brauchten bloß, wenn sie etwa im Zweifel waren, welcher Tag der Woche es gerade sei, einen Moment der Erzählung des Herrn Thaddäus zu horchen, um sofort darüber orientiert zu sein.

Diese vielfachen Enthüllungen breiteten leider einen dichten Schleier über sein Vorleben, durch den die Augen boshafter Menschen deutlich die Gestalt eines Warschauer Barbiergesellen erkennen wollten. Wie ein alter aristokratischer Offizier sah Herr von Bazanski jedenfalls nicht aus. Ein Adonis mochte das hastige Männchen mit den schlauen Zügen nie gewesen sein; nun hatte zudem das Alter sein Bäuchlein dick und seine Züge kupferig gemacht. Natürlich erschien er stets im Nationalkleide. Daß der Kontusch immer zu lang und zu schmal war, erklärte sich nicht etwa durch eine geniale Laune, sondern der liebe Gott hatte nun einmal leider die Figur des Herrn Bogdan von Antoniewicz anders gestaltet als die seine. Hingegen war die Confederatka sein Eigentum, eine der merkwürdigsten Kopfbedeckungen, die je das Haupt eines Sterblichen geziert hatten. Sie mochte ursprünglich hoch, steif, viereckig und von grüner Farbe gewesen sein; nun präsentierte sie sich als ein weiches, niedriges Ding, das in seiner Form an gar keinen andern irdischen Gegenstand erinnerte und ein höchst merkwürdiges Farbenspiel aufwies. Herr Thaddäus versicherte, er trage diese Confederatka nur an besonderen patriotischen Gedenktagen und aus Pietät; es sei dieselbe, die schon in der Schlacht bei Ostrolenka sein Haupt bedeckt habe. Ihr Äußeres stritt nicht gegen diese Angabe, die meisten waren nur verwundert, daß sie nicht schon die napoleonischen Kriege mitgemacht hatte. Auch die vielen Löcher erklärten sich mühelos auf diese Weise, das waren eben die Spuren der Kugeln, die hindurchgepfiffen waren. Und was die Gedenktage betrifft, so prangte die Confederatka allerdings täglich auf dem Haupte des Herrn Thaddäus, aber die Geschichte Polens ist ja so ereignisreich, daß man täglich einen Gedenktag feiern kann.

Die Beschäftigung dieses nationalen Märtyrers war eine doppelte; erstens harrte er der Wiedererrichtung Polens entgegen, und zweitens verdiente er sich inzwischen sein Brot in der Weinstube der Frau Chane Berggrün und in den adligen Häusern von Kolomea, indem er Klatschgeschichten erzählte oder sich als Vermittler in schmutzigen Geschäften benützen ließ.

Als Hajek an jenem Dienstagnachmittag in die Weinstube trat, saß Herr Thaddäus allein in seiner gewohnten Ecke. »Ha!« rief er freudig dem Eintretenden entgegen und streckte ihm die Rechte hin, was dieser nicht zu bemerken schien, »welcher merkwürdige Zufall! Da sitze ich eben und denke an Sie! Es ist doch, denke ich, eine gewisse Ähnlichkeit in meinem Geschick und dem dieses trefflichen Mannes!«

»So?« fragte Hajek kühl und ließ sich an einem anderen Tische nieder. »Zwischen Ihnen und mir?«

»Ja!« rief Herr Thaddäus, und setzte sich dem Mandatar gegenüber. »Eine große Ähnlichkeit! Denn haben Sie die Gnade, mich gefälligst anzusehen, wer bin ich nun? Allerdings, oh! Ein alter Offizier, der noch einmal beweisen wird, daß Mark in diesen Knochen steckt, aber wenn ich so an meine Jugend denke! Da stand ich auf der Zinne des Fürstenschlosses in Litauen und blickte mit einem Teleskop in die Ferne – vierundneunzig Dörfer konnte ich zählen . . .«

»Lassen Sie das«, fiel ihm der Mandatar ins Wort. »Ich weiß auch so, daß heute Dienstag ist.«

Herr Thaddäus war nicht der Mann, der sich verblüffen ließ. »Freilich ist heute Dienstag«, bestätigte er freundlich. »Also, was ich sagen wollte – wer hat mich um meinen Namen gebracht? Böse Menschen, nämlich meine entarteten Brüder. Und wer macht jetzt Ihnen Verdruß? Gleichfalls böse Menschen, nämlich diese Bauern. Ist das nicht eine merkwürdige Ähnlichkeit?«

»Sie springt in die Augen«, versicherte Herr Hajek. »Also von den Bauern wissen Sie schon?«

»Wer wüßte es nicht!« rief Herr Thaddäus, »die ganze Stadt spricht von nichts anderem!« Herr von Bazanski begann sich zu ereifern. »Und sollte man es für möglich halten, daß es Menschen, daß es Polen gibt, welche die Partei dieses Räubers nehmen und Sie, Sie, Herr Wohltäter, verdammen? Und solche Menschen –«

»Wer zum Beispiel?« fragte der Mandatar anscheinend gleichgültig.

»Nun, vor allem dieser alte Demagog, dieser Rechtsverdreher, Dr. Eugen Starkowski! Da saßen wir heute vormittags hier zusammen, etwa zwanzig Herren, und die Rede kam auf den Räuber. Und wie legte da der alte Demagog los! ›Meine Herren‹, sagte er feierlich, als hielte er eine Predigt, ›ich kenne diesen Taras, er ist vielleicht der selbstloseste Mensch, dem ich je begegnet bin, und war von einem Rechtsgefühl erfüllt, wie es einen Fürsten geziert hätte. Daß diesem Menschen schließlich nach seinen Anschauungen nichts übrig blieb, als Hajdamak zu werden, muß jedem rechtlichen Manne in unserem Lande die Schamröte ins Gesicht treiben. Es ist meine Überzeugung, daß an ihm ein moralischer Mord verübt wurde, und sein Mörder ist der Mandatar von Zulawce!‹ Und die anderen? Widersprachen sie etwa? ›Erzählen Sie doch Näheres darüber, Herr Doktor!‹ Nun, und da brachte er eine lange Geschichte vor, von einem Acker, von einem Meineid – was weiß ich? Dummes Geschwätz, und als er fertig war: ›Hm‹, sagten sie, ›dann ist ja dieser Herr Hajek ein Schurke!‹ ›Ja, das ist er‹, bestätigte der alte Wühler, ›und mein einziger Trost bei dieser unglückseligen Geschichte ist, daß er nun wohl den Laufpaß bekommt.‹ Und wissen Sie, wer am eifrigsten horchte? Dieser eingebildete Schwabe, dieser Zunakl. ›Ei‹, sagte er, ›das erfahre ich ja noch zu rechter Zeit.‹ Ja, Herr Wohltäter, so sind die Menschen!«

»So – sind – die – Menschen!« wiederholte Herr Hajek mit bleichen Lippen und völlig gedankenlos. Nun gab es nur noch eine vernünftige Tat für ihn: seinen Koffer zu packen und abzureisen. Das mühsame Werk der letzten Jahre lag in Scherben . . .

»So sind die Menschen!« wiederholte Herr Thaddäus eifrig. »Dieser Zunakl! ›Ei, das erfahre ich noch zu rechter Zeit!‹ Dieser Esel hat sich nämlich wirklich eingebildet, daß Sie um seine blonde Hopfenstange, die Margarethe, werben wollten! Sie, ein Mann, der eine Gräfin schmachten läßt –«

Jählings wendete sich Herr Hajek zu ihm, und sein Antlitz überflog eine glühende Röte. An alles Entlegenste hatte er gedacht und nur gerade an diesen Ausweg nicht, der so nahe lag. Drei Güter im Flachland, wohin der Arm des Taras nicht reichte – die glänzendste Versorgung für Lebenszeit! Wenn er die Gräfin heiratete, dann brauchte er sich weder um seinen Herrn noch um den ›Rächer‹, noch um die ganze Gesellschaft von Kolomea zu bekümmern. Und dies, dies hatte er vergessen!

»Nun«, rief Herr Thaddäus, »tun Sie doch nicht so erstaunt. Daß die schöne Wanda Sie liebt, wissen Sie ja längst!« Und er begann die geheimen Gluten der Gräfin mit Farben auszumalen, um welche ihn jeder Almanach-Poet hätte beneiden können. »Und dann der große Reichtum«, schloß er. »Aber das ist Nebensache. Zuerst die Liebe, dann das Geschäft.«

Herr Hajek hatte sich gefaßt. »Schwatzen Sie nicht«, sagte er scharf. »Die Gräfin liebt mich nicht; sie hat mich kaum einmal auf der Straße gesehen. Sie will mich heiraten, weil sie einen Mann braucht, und ich nehme sie vielleicht, wenn es mir paßt. Also, zuerst das Geschäft und dann meinetwegen auch die Liebe! Kennen Sie den Vermögensstand? Aber präzis, wenn ich bitten darf . . .«

Herr Thaddäus war eine elastische Natur, er wußte sich in jeden Ton zu finden. »Ganz präzis«, sagte er. »Vermögensstand: Horkowka, Drinkowce, Rossow. Völlig schuldenfreier Besitz. Gegenwärtiger Wert: etwa eine halbe Million Gulden. Sonstiges Vermögen in besten Wechseln und Papieren einmalhunderttausend Gulden.«

»Und die Bedingungen?«

»Das Gut Rossow sofort. Eigentum der Gräfin; Nutznießungsrecht beiden Gatten gemeinsam. Nach dem Tode des Alten: Horkowka, Nutznießungsrecht der Gräfin. Das Gut Drinkowce und das bewegliche Vermögen dienen zur Versorgung . . .« Herr Thaddäus stockte:

»Zur Versorgung des Kindes erster Ehe«, ergänzte Herr Hajek ruhigen Tones. »Nun meine Bedingungen! Bezüglich Rossow und Horkowka völlig einverstanden. Dagegen wird der junge Graf einzig aus dem beweglichen Vermögen versorgt, und Drinkowce wird mir allein verschrieben. Es verbleibt mir, gleichviel ob die Ehe kinderlos bleibt oder nicht, auch im Falle der Scheidung.«

»Hm, der alte Bogdan ist ein schlauer Fuchs!«

»Bezweifle ich nicht im geringsten! Aber ich bin auch nicht von gestern. Wann kann ich Antwort haben?«

»Morgen Mittag . . . Aber wollen wir nicht jetzt noch einen Schluck Tokaier trinken?«

»Nein, jetzt nicht. Adieu!«

Herr Thaddäus blickte ihm mit ehrfurchtsvollem Staunen nach. »Uff«, sagte er endlich, tief aufatmend und im Tone tiefster Bewunderung. »Der Advokat hat nicht zu viel gesagt; welch ein Schurke, welch ein beispielloser Schurke!« Und dann eilte er in die Villa des Herrn Bogdan von Antoniewicz . . .

Am nächsten Tage, mittags zwölf Uhr, fand er sich bei Herrn Hajek ein. »Ich gratuliere!« rief er schon in der Türe. – »Nimmt Herr von Antoniewicz meine Bedingungen an?« – »Völlig, bis auf Drinkowce. Es tut ihm sehr leid, aber sein Enkelchen . . .« – »Dann tut es auch mir leid! Leben Sie wohl, Herr von Bazanski! Ich reise heute abend ab.« – »Wohin?« – »Ist mir ziemlich gleichgültig.« – »Aber so warten Sie doch bis morgen! Ich will noch einmal mit Herrn von Antoniewicz sprechen.« – »Gut, bis morgen zwölf Uhr.«

Herr Thaddäus ging voll Wehmut, ein Vermittlerlohn war da nicht in Aussicht. Er war überzeugt, daß Bogdan nicht nachgeben würde. Aber es kam anders. Zunächst sprach sich Gräfin Wanda für den Bewerber aus: »Er ist hübsch, hat feine Manieren und ist gescheit genug, um mich durch kein Vorurteil zu belästigen!« Ähnlich äußerte sich Herr Bogdan: »Dieser Mensch hat die feste Hand, welche die Güter brauchen. Ob er nun Drinkowce hat oder nicht, es liegt in seinem Vorteil, sich mit uns zu vertragen. Ich bin ein alter Mann, ich kann nicht warten, bis sich ein gleich großer Esel findet, wie der Graf war. Ich zöge vielleicht noch immer einen ehrlichen Esel vor, aber deshalb darf ich den gescheiten Schurken nicht abweisen. Uns wird er nicht betrügen, dafür werde ich sorgen!«

Am nächsten Morgen stürzte Herr Thaddäus freudestrahlend in das Zimmer des Mandatars. »Nun kann ich wirklich und von Herzen gratulieren«, rief er, »Sie bekommen Drinkowce!« – »Schön«, erwiderte Herr Hajek ruhig. »Ich kleide mich sofort an, um meinen künftigen Schwiegereltern meine respektvolle Aufwartung zu machen. Noch eins, Herr Thaddäus, Sie werden vorläufig reinen Mund halten! Es ist mir nämlich angenehmer, wenn ich noch einige Tage hindurch von dem und jenem für einen Ehrenmann gehalten werde!« – »Ach, wie Sie scherzen!« rief Herr von Bazanski und ging, die merkwürdige Confederatka schwingend, unter herzlichem Lachen ab. Vor der Tür nahm sein Gesicht wieder jenen Ausdruck ehrfurchtsvollen Staunens an.

»Welch ein Schurke«, murmelte er, »welch ein beispielloser Schurke!«

Der Besuch, den Herr Hajek unmittelbar nach dieser Unterredung in der Villa Antoniewicz machte, verlief sehr rührend. Besonders ergreifend war es, als der Liebende zuerst einen Kuß auf die Stirn seiner Braut drückte, während Herr Bogdan und Frau Antonia daneben standen, mit den Taschentüchern eifrig über ihre trockenen Augen fuhren und gerührt dazu lispelten: »Seid glücklich, Kinder, so glücklich, wie wir miteinander waren!«

Als der Mandatar heimkam, fand er eine Karte des Kreishauptmanns auf dem Tische liegen. »Besuchen Sie mich gütigst sofort in meiner Wohnung, ich habe Ihnen Wichtiges mitzuteilen.« Er las die Worte mit Staunen und nicht ohne Erregung. Die Würfel waren gefallen, er war versorgt und hatte, wenn er sich vorsichtig in Kolomea hielt, von Taras nichts zu befürchten. Dennoch zitterte die Hand, mit der er die Karte hielt. Wie, wenn Taras bereits gefangen wäre! Wenn er vergeblich das Opfer gebracht hätte, eine Dame wie Frau Wanda seine ›geliebte Braut‹ zu nennen! Gleichviel, ein Rücktritt war unmöglich, schon die Verhandlungen hatten ihn völlig in die Hände dieser Menschen gegeben! . . .

Erwartungsvoll trat er den Gang an. Herr von Bauer empfing ihn mit vieler Freundlichkeit. Er gehörte zu der namentlich im Vormärz häufigen Gattung von Beamten, die die Grobheit als eine Art Amtstracht betrachteten, die sie beim Eintritt ins Büro umhingen, beim Austritt ablegten. Diesmal, in seiner Wohnung, war der Kreishauptmann ganz menschlich, ja zuvorkommend, weil ihm noch dunkel in Erinnerung war, daß er am Montag von jener Amtstracht besonders imponierenden Gebrauch gemacht hatte. »Sehr angenehm«, versicherte er Herrn Hajek und schüttelte ihm die Hand. »Habe Wichtiges mitzuteilen!« Er hob bedeutungsvoll den Finger. »Höchst Erfreuliches.«

»Ist Taras gefangen?« fragte der Mandatar.

»Gefangen? Wer sollte ihn denn gefangen haben? . . . Aber, hören Sie, heute war Gerichtstag, da kamen viele Gutsbesitzer und Mandatare, und jeder wußte etwas Neues von dem Taras zu berichten. Darin stimmten alle überein, daß er höchst gefährlich ist, weil er vielen Zulauf hat und die Bauern überall ganz begeistert für ihn sind. ›Es ist zweifellos‹, versicherten mir alle, ›daß er das Kastell von Zulawce Sonntag nachts überfallen wird, und wenn ihm der Mandatar Hajek in die Hände fällt, so setzen wir auf das Leben dieses Mannes keinen Pfifferling.‹« Er hob abermals den Finger. »Keinen Pfifferling! Nun, was sagen Sie dazu?«

Der Mandatar war gefaßt. »Wichtig ist es, aber erfreulich doch eigentlich nicht?«

»Nein, das Erfreuliche kommt ja erst, nämlich für Sie, aber nicht für mich! Ich halte gerne Ordnung im Amte, id est: die Sache wird nach der Nummer des Einlaufs erledigt.« Er seufzte tief auf. »Diesmal ist es nicht durchführbar. Ich berief das Ratskollegium, und wir faßten den Beschluß: Ihre Anzeige wird als res extraordinaria behandelt! Also pro primo: Delegatio Commissarii erfolgt bereits am nächsten Dienstag. Er wird in Zulawce den Wortlaut jener Rede festzustellen suchen. Pro secundo: bereits heute ist eine Estafette an den Herrn Brigadier in Stanislau abgegangen, worin er ersucht wird, baldigst eine Kompanie Infanterie nach Zulawce zu kommandieren . . .«

»Das ist in der Tat erfreulich«, bemerkte der Mandatar. »Nur möchte ich mir erlauben, aufmerksam zu machen –«

»Nun, meinetwegen, erlauben Sie sich.« Der alte Herr wurde ungeduldig, vielleicht weil aus dem Nebenzimmer deutlich das Klirren von Kaffeetassen herüberklang.

»Nach der allgemeinen Überzeugung ist ein Überfall des Kastells am Ostersonntag abends zu befürchten. Das Militär müßte also spätestens am Sonntagnachmittag in Zulawce eintreffen. Das ist, wenn es Infanterie sein soll, unmöglich. Wir haben heute Donnerstag. Die Estafette trifft morgen früh in Stanislau ein. Nehmen wir an, daß der Herr Brigadier die Sache bereits bis zehn Uhr vormittags erledigt hat –«

»Oder bis viertel elf!« unterbrach ihn der alte Herr. Er steckte bereits wieder mit beiden Armen in der unsichtbaren Amtstracht. »Herr, was wollen Sie damit?«

»Werden Sie sofort erkennen«, erwiderte der Mandatar, gleichfalls etwas gereizt. »Freitag zehn Uhr fertigt also der Herr Brigadier den Befehl an das nächste Infanterie-Kommando aus. Es liegt in Czortkow, erhält die Nachricht bestenfalls Sonnabend morgens und braucht zwei Eilmärsche, trifft also erst Montag ein. Daraus geht die Notwendigkeit hervor, das Dorf vorläufig durch die nur zwei Meilen entfernten Palffy-Husaren in Zablotow –«

»Herr!« brach der alte Brummbär endlich los. »Was schwatzen Sie da? Was geht das alles mich an? Bin ich ein General? Ich bin Kreishauptmann; ich habe meine Pflicht zu tun, pro primo: Militär zu requirieren; pro secundo: für einen solchen Ort, wo keine großen Ställe sind, weder Kavallerie noch Artillerie zu verlangen. In Zulawce sind keine großen Ställe, ergo: Infanterie. Wenn sie kommt, wird sie eben da sein! Ihretwegen kann nicht die Ordnung zerstört werden, auf welcher Österreich aufgebaut ist. Was rechnen Sie mir vor, wo der oder jener steht? Trage ich einen hechtgrauen Rock? Einen Federhut?«

»Nein«, erwiderte der Mandatar ruhig, »einen Schlafrock und ein Schlafkäppchen.«

Diese Worte wirkten wie eine Beschwörung. Sie erinnerten den alten Herrn, daß er nicht im Büro sei, also auch gar nicht die Pflicht habe, grob zu werden. Mit einem gewaltsamen Ruck suchte er die Amtstracht wieder abzustreifen. »Hm – also – res extraordinaria!« Aber die Reue lastete wie ein Alp auf seiner Brust, und er suchte nach einem Mittel, sie zu betätigen. »Unangenehme Geschichten – dieser Taras – also, was ich sagen wollte: am Sonntag sehe ich einige Freunde bei mir, zu einem Löffel Suppe. Bitte, schenken Sie mir auch die Ehre!« Er hielt Herrn Hajek die Hand hin, in die dieser eifrigst einschlug. Eine Einladung zu dem großen Osterdiner des Kreishauptmanns, bei dem sich die Elite des Kreises versammelte, wäre ihm immer sehr angenehm gewesen; dem Manne, der sich soeben mit einer Dame von dem Rufe der Gräfin Wanda verlobt hatte, mußte sie fast wie ein Glück erscheinen . . .

»Er kann es natürlich noch nicht wissen«, dachte er vergnügt, indem er die Treppe hinabstieg. »Bis Sonntag freilich wird die Sache ruchbar, und dann wirkt es günstig, wenn man mich dennoch bei dem Diner des Kreishauptmanns sieht! Übrigens, das Geschwätz der Leute kümmert mich jetzt ebensowenig wie Taras selbst. Es war töricht, mich vorhin so zu ereifern. Ob der Mordbrenner das Kastell meines edlen Herrn anzündet oder nicht, kann mir, wenn ich und meine Kassette nicht darin sind, ziemlich gleichgültig sein.« In diese ebenso edlen als angenehmen Gedanken versenkte er sich so tief, daß er an der nächsten Straßenecke mit einem Entgegenkommenden karambolierte. Doch brauchte er sich nicht zu entschuldigen, es war nur Herr Thaddäus von Bazanski.

»Oh!« rief dieser, indem er sich die Schulter rieb, mit der er an die Wand geflogen war, »diese Liebe! Romeo geht zu Julia! Ich aber, in einsamen Sinnen gehe ich vor mich hin und muß jener Unterredung mit meinem erlauchten Halbbruder gedenken, die meinem Leben die Wendung gegeben hat –«

»Mit Nikolaus I.? Ja, heute ist Donnerstag. Nun, lieber Bazanski, Sie gehen jetzt in die Weinstube, und wenn sich dort niemand findet, der für Ihre Unterredung mit Nikolaus I. ein Glas Moldauer zahlt, so werden Sie versuchen, ob man splendider ist, wenn Sie meine Verlobung zum besten geben. Da mir dies aber, wie Sie wissen, unangenehm ist, so erlaube ich mir, Ihnen mitzuteilen, daß ich Sie für eine solche Schwatzhaftigkeit mit einem Abzug von fünfzig Gulden an dem Ihnen zugedachten Vermittler-Honorar strafen würde. Adieu!«

Der Halbbruder des Zaren blieb in großem Widerstreit der Gefühle noch eine Weile an derselben Stelle stehen. Denn Herr Bogdan hatte ihm eben gesagt: »Wenn morgen noch ein Mensch in Kolomea lebt, der nichts davon weiß, so lasse ich dich bei deinem nächsten Kommen durch meinen Lakaien hinauswerfen.« Das war nun freilich auf den ersten Blick kein hartes Dilemma für diesen Edelmann. Ein Hinauswurf oder fünfzig Gulden, er hätte ohne Besinnen den Hinauswurf gewählt! Aber es war fraglich, ob er dann überhaupt noch wiederkommen durfte . . .

Noch immer mit sich kämpfend, betrat Thaddäus die Weinstube. Aber da saßen lauter gute Bekannte, und als erster Gruß schallte es ihm entgegen: »Rettet euch, heute wird die Petersburger Hofgeschichte erzählt!« Das konnte und durfte sich dieser Mann nicht bieten lassen und erzählte darum die ganze Wahrheit und einige große Lügen dazu, die stark bezweifelt wurden. Nur sein enthusiastischer Ausruf: »Dieser Mandatar ist ein beispielloser Schurke!« weckte allgemeine Zustimmung.

Als Herr Hajek am nächsten Morgen den Weg zu seiner Braut antrat, sagte er sich lächelnd: »In zehn Minuten werde ich wissen, ob Thaddäus geschwatzt hat oder nicht.« In der Tat war er binnen dieser kurzen Frist vollständig darüber im klaren. Denn als er dem Herrn Kreissekretär Wroblewski begegnete, mußte dieser plötzlich oben am Stadtturm etwas besonders Merkwürdiges entdeckt haben, wogegen der Herr Postmeister Nossek so angelegentlich das Stadtpflaster studierte, daß er den Gruß des Mandatars übersah. Es war ein schwerer Gang, aber nur in den ersten Minuten; dann warf der Mandatar stolz das Haupt in den Nacken und schritt siegesfroh dahin. Von Drinkowce aus, dachte er, werden sich auch diese Dinge anders ansehen lassen.

Bereits im Vorzimmer kam ihm seine Braut entgegen, allerdings nur langsam. Doch erklärte sich dies nicht aus seelischen, sondern aus körperlichen Gründen; Frau Wanda war etwas wohlbeleibt. Aber die braunen Augen konnten noch lebhaft genug blicken, und das goldrote Haar war von seltenem Glanze. Die üppige Blondine glich einer Centifolie im September: noch umhaucht Rosenduft die Blüte, aber der Kelch ist unförmlich geworden, und den blassen, breiten Blättern ist deutlich anzusehen, daß viel Sonnenschein und Regen über sie hinweggegangen . . . Er küßte ihr die Hand; sie bot ihm die Stirne. »Kommen Sie«, flüsterte sie, »die Eltern erwarten Sie, um das Programm für Sonntag festzustellen.«

Über die Hauptsache wurde man ohne Schwierigkeit einig. Da alle überzeugt waren, daß bereits die ganze Stadt um die Sache wisse, so wurde beschlossen, die Eingeladenen damit zu überraschen. Dann kam die Frage an die Reihe, wer einzuladen sei. »Ein kleiner aber gewählter Kreis«, schlug Frau Antonia vor, und Herr Hajek stimmte begeistert bei, da er wußte, daß kaum zehn Menschen in der Stadt dieses Haus noch zu betreten wagten. Hierauf besprach man den dritten Punkt, das Arrangement. »Man unterhält sich«, schlug Frau Antonia vor, »einige spielen Karten, es wird musiziert, aber nicht getanzt. Um zehn Uhr singt Wanda am Flügel, vom Lehrer begleitet, eine Arie von Cherubini. Dann nähern Sie sich ihr, reichen ihr den Arm und führen sie in das anstoßende Zimmer, das etwas matter beleuchtet ist. In der Mitte steht eine Palme, darunter ein Fauteuil, daneben ein Tabouret. Wanda sinkt auf den Fauteuil, Sie auf das Tabouret, die Gesellschaft schielt neugierig hinein. Da sinken Sie plötzlich vor Wanda auf die Knie, sie sucht Ihnen zu entfliehen. Ich blicke zufällig hin und stoße einen Schrei aus. Sie ziehen Wandas Arm in den Ihrigen, treten vor mich hin und sagen: ›Teure Mutter, segnen Sie Ihre glücklichen Kinder‹. Ich werde dann gleich etwas Passendes sagen, ebenso Bogdan. Dann das Souper. Der Registrator bringt den Toast auf das Brautpaar aus, Sie lassen darauf uns leben und Bogdan Sie!« – »Und dann?« fragte Hajek. »Folgt nicht noch ein Akt?« Frau Antonia hob schelmisch drohend den Finger. »Lieber Herr Mandatar«, sagte sie dann, »das ganze Leben ist eine Komödie. Wer etwas anderes darin erblickt, ist betrogen. Und darum sehe ich nicht ein, warum ich mir nicht diese kleine Episode in der Komödie meines Lebens so spaßhaft einrichten soll wie mir beliebt. Bitte, tun Sie mir den Gefallen.« – »Gern«, sagte er. »Aber unter einer Bedingung: das Tabouret muß bequem sein!« Man lachte und ging zu Tische.

. . . Nach den Erfahrungen, die der Mandatar in den letzten Tagen gemacht hatte, war er bei jeder Heimkunft überzeugt, eine Absage des Kreishauptmanns auf seinem Tische zu finden. Sie traf nicht ein, aus einem einfachen Grunde: der Kreishauptmann hatte die Einladung vergessen, auch seiner Gattin nicht mitgeteilt. So war denn der alte Herr sehr unangenehm überrascht, als er Herrn Hajek am Sonntag zur Dinerstunde in sein Empfangszimmer treten sah, und das Kreishauptweib, wie seine Gemahlin ihres robusten Wesens wegen genannt wurde, zerbrach im Zorne beinahe die Stuhllehne, auf die sie sich gerade stützte. Sie fühlte, wie sich die Augen der versammelten Gesellschaft fragend auf sie richteten. Denn der Eintritt dieses unerwünschten Gastes hatte gerade die lebhafte Unterhaltung über die neueste Skandalgeschichte, die Art, wie der Mandatar und die Gräfin mit Hilfe des Herrn Thaddäus ihre Herzen entdeckt hätten, unterbrochen . . . Es war ein peinlicher Moment für alle, sogar für Herrn Hajek. Doch war er der einzige, der seine Fassung behielt. Mit dem freundlichsten Lächeln machte er der gesamten, vor Staunen und Entrüstung starr dasitzenden Gesellschaft seine ergebenste Verbeugung, führte dann die rote, fleischige Hand der Hausfrau, deren bebende Lippen mit Mühe einen Fluch unterdrückten, an seinen Schnurrbart und ergriff endlich die schlaff herabhängende Rechte ihres Gatten, um sie herzlich zu schütteln. Herr von Bauer ließ es geschehen und brachte sogar ein Lächeln zuwege, freilich nur ein ganz fürchterliches Lächeln, »wie ein Verurteilter, der gekitzelt wird«, flüsterte der witzige Herr Kreissekretär Wroblewski seinem Nachbar zu. – »Hm –«, murmelte er, »gleichfalls sehr überrascht – id est – sehr erfreut – sehr – hm!« Dann faßte er sich mühsam. Er sah ein, daß er es seiner Gattin schuldig sei, die Verantwortung für die Einladung öffentlich auf sich zu nehmen, und der Gesellschaft, die Unterhaltung dieses lieben Gastes allein zu besorgen. »Liebe Cornelia«, wendete er sich an seine Gattin, »ich habe den Herrn Mandatar gebeten . . . hm! Am Donnerstag! . . . Wir haben auch noch viel Geschäftliches, also darf ich bitten?«

Er zog Herrn Hajek, der noch immer gleich liebenswürdig lächelte, in die nächste Fensternische. »Habe heute morgens«, erzählte er, »vom Herrn Brigadier in Stanislau mittelst Kuriers Nachricht erhalten. Er hat sofort angeordnet, daß eine Kompanie Parma-Infanterie aus Czortkow in Eilmärschen nach Zulawce abgeht. Wird Montag dort eintreffen. Soweit ist alles in Ordnung. Aber der Herr Brigadier hat inzwischen wirklich die Husaren aus Zablotow in Ihr Dorf beordert, er meint, der Gefahr wegen, und dieselben treffen heute abends dort ein.« – »Nun, das ist ja sehr vernünftig, da auch der Angriff des Taras . . .« – »Des Taras? Was geht das uns an? Ist es erhört, daß man Kavallerie in ein Dorf legt, wo keine großen Ställe sind? Aber ich wasche meine Hände in Unschuld! . . . Ich wasche sie . . .« – »Und darf ich fragen, welcher Herr Kommissär am Dienstag abgeht?« – »Kaplonski. Nun, schneiden Sie kein solches Gesicht! Ich weiß, was Sie sagen wollen, aber Ordnung muß sein. Er hat die Verhandlungen in Zulawce früher geführt und wird sie auch jetzt noch zustande bringen. Aber da fällt mir ein – Sie würden gewiß die Güte haben, ihm noch einige besondere Ratschläge zu erteilen, nicht wahr?«

Der Kreishauptmann rieb sich erfreut die Hände; es war ein trefflicher Gedanke, seine beiden liebsten Gäste in dieser Nische sich gegenseitig für die übrigen unschädlich machen zu lassen. Und er rief nach dem Beamten, der mit vieler Freude herbeikam. Denn er hatte sich bisher nur mit der Ehre begnügen müssen, dem großen Osterdiner beigezogen zu sein, ein Vergnügen war es nicht gewesen; diese Herrschaften hatten nun einmal die sonderbare Gewohnheit, nicht zu sehen, wenn sie Kaplonski grüßte, und nicht zu hören, wenn er sie ansprach. Hier, in dieser Nische und nachdem der Kreishauptmann gegangen war, fühlte er sich wohl; er stand ja einem Manne gegenüber, gegen den sogar er ein Krösus an allgemeiner Achtung war! Demgemäß benahm er sich auch. Flugs schnellte der gebeugte Rücken empor, der Ausdruck der Züge wandelte sich blitzschnell aus tiefster Demut in komische Hoffart, und die Hände kreuzten sich imponierend auf dem Rücken. »Sie haben mir«, begann er würdevoll, »eine Bitte vorzutragen?« – Der Mandatar musterte ihn spöttischen Blickes. »Das muß ein Irrtum sein!« – »Also, hm! Einen Wunsch?« Herr Kaplonski vertrug es nicht, wenn man ihn scharf ansah, seine Haltung hatte bereits viel von ihrer schönen Sicherheit verloren. – »Auch dies nicht, Herr Kommissär. Ihr Herr Chef ersuchte mich um einige Ratschläge, wie die persönliche Sicherheit seines Abgesandten gewahrt werden könnte, und ich hatte die Freundlichkeit, sie ihm zuzusagen.« Der Mandatar hatte Mühe, nicht laut aufzulachen, denn blitzschnell hatte sich abermals die Haltung des Kommissärs geändert, und er stand nun noch viel geknickter und gedemütigter da als vorhin im Salon. »Persönliche Sicherheit!« stammelte er. »Ist die Sache wirklich so – so – gefährlich?« – »Enorm!« versicherte Herr Hajek. Herrn Kaplonskis Antlitz spielte alle Farben wie ein Regenbogen, nur daß es nicht ganz ebenso schön anzusehen war. »Ich bekomme zwar einige Mann Bedeckung«, stammelte er, »aber wenn Taras mich am Wege überfällt, so bin ich des Todes! Und einen Schutz dagegen . . .« Die Stimme versagte ihm. »Gibt es nicht!« ergänzte der Mandatar. »Oder doch!« fügte er rasch hinzu. Ein Gedanke war in ihm aufgeblitzt, so naheliegend, so ›praktisch‹, daß er sich nur wundern mußte, warum er ihm nicht schon früher gekommen sei. »Doch?« fragte Herr Kaplonski begierig. – »Ja! Sie können sich und alle ehrlichen Leute vor diesem Räuber schützen! Nämlich sein Weib und seine Kinder sitzen noch auf dem Hofe. Sie müssen dem Weibe sagen: ›Wenn dein Mann mir, dem Mandatar oder sonst jemandem ein Haar krümmt, so verfällst du dem Henker!‹ Natürlich steht sie mit ihm in Verbindung und . . .« – »Aber das wäre ja ungesetzlich.« – »Nun, das müssen Sie wissen. Ich erwähne es nur, weil Sie mir leid tun. Ich kann ja ruhig sein.« – »Ach!« Der Kommissär wischte sich die schweren Schweißtropfen von der Stirne. »Wenn es ruchbar wird, verliere ich mein Amt.« – »Sie können es ihr ja unter vier Augen sagen. Dann ist sie eben, wenn es zur Untersuchung kommt, eine schamlose Lügnerin. Übrigens, wie Sie wollen, ich erlaubte mir den Rat nur Ihretwegen.«

Die Herren wurden gestört; der Kreishauptmann kam mit sauersüßer Miene heran. »Zur Suppe, meine Herren! Cornelia und ich meinten, es wäre das angenehmste für Sie, wenn wir Sie zusammensetzten.« Der Kommissär knickte zusammen, während Herr Hajek sich mit verbindlichstem Lächeln verbeugte. Er hatte sich nun einmal vorgenommen, die anderen, nicht sich selbst zu ärgern, und führte diesen Vorsatz aus, so schwer dies einem gewöhnlichen Sterblichen unter den gegebenen Umständen gefallen wäre.

In rosigster Laune fuhr er heim, und wie er sich da die Stunden bis zu der bedeutungsvollen Soiree kürzte, wissen wir bereits. Auch über dieses schöne Fest ist wenig zu sagen, da es programmgemäß verlief. Bei der Tafel folgte den festgestellten Toasten noch eine kleine Überraschung: der Hausarzt improvisierte einen gereimten Trinkspruch auf das Brautpaar, an dem er seit drei Tagen gearbeitet hatte.

Es sollte aber nicht die letzte Überraschung sein, die Herrn Hajek an diesem Abend wurde. Als er lange nach dem Souper und nachdem die anderen Gäste bereits gegangen waren, zufällig an das geöffnete Fenster trat und auf die Straße hinabsah, gewahrte er unten seinen Kutscher Jasko im Gespräch mit einem Reiter; es war ein Bursche in Huzulentracht. Die Nacht war dunkel, und durch die Fenster brach nur matter Schein auf die Straße, gleichwohl erkannte der Mandatar die Züge des Burschen. »Alle Teufel!« schrie er entsetzt auf. »Haltet ihn! Faßt den Räuber!« Erschreckt stürzten Bogdan und Wanda herbei. Aber auch der Reiter hatte den Ruf vernommen. Er gab seinem Pferde die Sporen und sprengte davon.

»Meinen Kutscher«, rief Herr Hajek verstört, »bitte, lassen Sie meinen Kutscher heraufkommen!« Jasko wurde geholt. »Du hast eben mit Wassilj Soklewicz gesprochen?« fragte er ihn bebend. »Weißt du nicht, daß er zur Bande des Taras gehört?«

»Jesus!« schrie Jasko auf. »Mir hat er erzählt, daß er sich beim Mandatar in Prinkowce als Reitbote verdungen hat, und ich habe ihm geglaubt und alles, alles erzählt! Am Dienstag und vorgestern und heute! Eben habe ich ihm gesagt: ›Nun haben wir den Taras nicht mehr zu fürchten. Wir haben uns mit einer reichen Dame verlobt. Die zwei Monate bis zur Hochzeit verbringen wir hier und ziehen dann nach Drinkowce.‹ Da lacht er und meint: ›Das kann man doch nicht so genau sagen, es kann ja etwas dazwischenkommen, und zwar sehr bald –‹«

»Und – zwar – sehr – bald!« wiederholte der Mandatar stöhnend und sank auf den nächsten Sitz. Es war zufällig jener Sessel unter der Palme. Die Komödie hatte sich in furchtbaren Ernst gewandelt.

Herr Bogdan faßte sich zuerst. »Ich glaube nicht recht«, begann er, »daß Taras wirklich in der Stadt ist und Sie auf dem Wege in Ihre Wohnung oder gar hier überfallen will, aber wir wollen auf alles gefaßt sein. Sie bleiben heute nacht hier, ich lasse das Haus schließen, bewaffne die Diener und schicke um Hilfe nach der Hauptwache.«

So tat er auch. Aber der Schutz, den er seinem teuren Schwiegersohn bieten konnte, war ein geringer. Denn der Herr Leutnant von der Hauptwache ließ sagen, man möge ihn mit Hirngespinsten in Ruhe lassen, die Diener aber waren halbtot vor Schrecken und hätten bei dem ersten Schlag an die Pforten der Villa die Pistole weggeworfen. Herr Bogdan war sich darüber klar. »Wenn Taras kommt«, mußte er Herrn Hajek gestehen, »so sind Sie verloren. Die nächsten Villen liegen allerdings nur fünf Minuten entfernt, aber Beistand haben wir nicht zu hoffen.« Mit diesen Empfindungen lauschten sie in die stille, dunkle Nacht hinaus . . .

 


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