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Sobald das Schiff vor Anker lag, sahen wir die Insulaner aus allen Gegenden der Bai in ihren Kanus herankommen und in einiger Entfernung um das Schiff herum rudern. Endlich wagte sich hier und da einer heran und reichte uns eine Yamwurzel oder eine Kokosnuß aufs Deck. In kurzer Zeit belief sich die Zahl der Kanus auf vierzehn, wovon einige mit zweiundzwanzig Mann, andere mit zehn und die kleinsten mit zwei Mann besetzt waren, so daß sich im ganzen mehr als zweihundert Eingeborene um uns herum befanden. Nach und nach verlor sich der erste Eindruck, den unsere Gegenwart auf sie gemacht zu haben schien, und sie kamen endlich ganz unbesorgt ans Schiff. Vorn Hinterteil hatten wir in einem Netz ein Stück Pökelfleisch in die See gehängt, um es auszuwässern. An dieses Netz machte sich ein alter Kerl und würde es losgeknüpft haben, wenn wir ihn nicht durch Zurufe verscheucht hätten. Dafür drohte ein anderer mit seinem Speer, ein dritter legte seinen Pfeil auf den Bogen und zielte damit nach verschiedenen Personen. Kapitän Cook hielt jetzt dafür, daß es die rechte Zeit sei, eine Kanone abzufeuern. Er winkte den Insulanern zu, auf die Seite zu rudern, und sie versammelten sich am Heck des Schiffes. Die Kanone wurde also abgefeuert, und im selben Augenblick sprangen zweihundert Kerle aus ihren Kanus in die See. Nur ein einziger junger Mann blieb dreist in seinem stehen und lächelte voll Verachtung über seine furchtsamen Landsleute. Der Schrecken ging indessen bald vorüber, sie schwangen sich wieder in ihre Kanus und schienen über ihre eigene Furcht zu lachen.
Kapitän Cook war mit der Lage des Schiffes nicht zufrieden, sondern wünschte es tiefer in die Bucht ziehen zu lassen. Er schickte ein stark bemanntes Boot voraus, was von Seiten der Insulaner keinen Widerstand fand. Sie hatten vielmehr ihre Absichten auf die Ankerboje gerichtet und betrachteten sie mit gierigen Blicken, bis ein alter Kahlkopf heranruderte und versuchte, sie loszumachen. Kapitän Cook winkte ihm, davon zu bleiben, woran er sich aber nicht kehrte. Der Kapitän schoß nun mit Schrot nach ihm; sobald er sich verwundet fühlte, warf er den Anker-Boy ins Wasser. Kaum war aber der erste Schmerz vorüber, so kehrte er zurück, um in der Unternehmung fortzufahren. Nun wurde eine Flintenkugel dicht vor ihm ins Wasser geschossen, worauf er die Boje abermals fahren ließ und mit einer Kokosnuß als Geschenk ans Schiff kam. Ein anderer Insulaner ließ sich nicht abschrecken, bei der Boje des zweiten Ankers einen ähnlichen Versuch zu machen. Als er die Boje in sein Kanu ziehen wollte, wurde eine Muskete dergestalt abgefeuert, daß die Kugel dicht bei ihm einschlug, dann noch ein paarmal vom Wasser absetzte und endlich auf den Strand fiel. Eine so unerwartete Erscheinung jagte alle Insulaner augenblicklich auseinander, nur der Täter kehrte unerschrocken nach der Boje zurück. Man ließ also von neuem eine Muskete, dann eine Drehbrasse und endlich gar eine Kanone abfeuern, wodurch denn sowohl er als alle Insulaner mit einem Male verscheucht wurden.
Nach der kleinen Unruhe brachten wir das Schiff vor Anker. Dann setzten wir uns ruhig zu Tisch und fuhren darauf in drei Booten nach dem Lande. Die Eingeborenen liefen fort, als sie uns aus den Booten steigen sahen, da wir ihnen aber freundlich zuwinkten, kehrten sie zurück. Von Westen kam ein Haufen von etwa hundertfünfzig Wilden, die allesamt in der einen Hand Waffen, in der anderen aber grüne Palmzweige trugen. Diese gaben sie uns als Friedenszeichen, und wir teilten Medaillen, tahitisches Zeug und Eisenwaren aus. Darauf verlangten wir, daß sie sich hinsetzten, was auch zum Teil geschah, worauf wir ihnen andeuteten, daß sie eine in den Sand gezogene Linie nicht überschreiten sollten. Ein Teich mit frischem Wasser, der in der Nähe lag, bot uns Gelegenheit, ihnen verständlich zu machen, daß wir hierhergekommen seien, um uns mit Trinkwasser und Brennholz zu versorgen. Sie wiesen uns denn auch verschiedene Bäume an und baten nur, keine Kokosbäume umzuhauen.
Damit sie nun sehen sollten, wie wir beim Wasserschöpfen und Holzfällen zu Werke gingen, wurde mit beidem sogleich der Anfang gemacht. Die Soldaten hatten sich in Ordnung gestellt, und die Insulaner zeigten so viel Furcht vor ihnen, daß sie bei der geringsten Bewegung derselben allemal eine Strecke davonliefen. Nur einige alte Männer ließen sich nicht abschrecken. Wir verlangten, daß sie ihre Waffen von sich legen sollten, welcher Forderung sie auch nachkamen. Sie waren von schwarzbrauner Farbe und mittlerer Größe, aber weit stärker gebaut als die Mallikoleser. Gleich diesen gingen sie völlig nackt und trugen auch einen Strick um den Leib. Die Frauen, wovon sich einige in der Nähe sehen ließen, trugen Röcke, die bis übers Knie reichten, und sie dünkten uns nicht so häßlich zu sein wie die Mallikoleserinnen. Ein paar Mädchen hatten lange Speere in den Händen, kamen aber deshalb nicht näher als die übrigen. Wir lernten gleich bei dieser ersten Begegnung eine ziemliche Anzahl Wörter in der Landessprache. Unter anderem brachten wir auch heraus, daß ihre Insel Tanna genannt werde, was in der malayischen Sprache soviel wie Erde bedeutet.
Sobald die Fässer gefüllt waren, kehrten wir aufs Schiff zurück, ganz erfreut, daß der erste Schritt zur Bekanntschaft mit den Eingeborenen glücklich abgelaufen sei. Am folgenden Morgen zeigte sich aber, daß die Insulaner nur in Ermangelung einer größeren Anzahl so friedlich gegen uns gewesen, aber keineswegs gesonnen waren, uns freien Zugang zu ihrer Insel zu gestatten. Bisher habe ich noch nichts von dem auf dieser Insel vorhandenen Vulkan berichtet, der fünf bis sechs Meilen weit im Lande lag und gerade in vollem Ausbruch war. Von fünf zu fünf Minuten fuhr mit donnergleichem Krachen ein Flammenstoß daraus empor, wobei das unterirdische Getöse oft eine halbe Minute lang währte. Zu gleicher Zeit war die Luft mit Rauch und schwarzer Asche gefüllt, die in solcher Menge herabfiel, daß in wenigen Stunden das ganze Schiff damit bedeckt war.
Am nächsten Morgen brachten wir das Schiff näher ans Ufer, indes die Insulaner aus den Wäldern hervorkamen und sich am Strande zu beratschlagen schienen. Hin und wieder stießen sie ihre Kanus einzeln vom Ufer und brachten eine oder zwei Kokosnüsse und Pisangs zum Verkauf. Einer bot dem Kapitän auch seine Keule an, dieser hielt ihm ein Stück Zeug dagegen, und so wurden sie handelseinig. Als man dem Insulaner das Zeug an einem Strick ins Kanu hinabließ, knüpfte er es los, machte aber keine Anstalten, die Keule abzuliefern. Der Kapitän versuchte ihn durch Zeichen an sein gegebenes Wort zu erinnern, was jener aber nicht im geringsten beachtete. Der Kapitän schoß also eine Ladung Schrot auf ihn ab, worauf der Insulaner mit zwei anderen in seinem Kanu eiligst davonruderte. Nun wurde vom Schiff aus ein paarmal mit einer Muskete hinter ihnen her gefeuert, bis sie vor Schreck über eine Kugel, die neben dem Kanu einschlug und einigemal vom Wasser abprallte, in die See sprangen und zum Ufer schwammen. Dort entstand ein großer Zusammenlauf von Menschen, die vermutlich zu erfahren suchten, was ihren Landsleuten widerfahren war. Ein paar Minuten darauf kam ein kleiner, alter Mann mit einem Kanu voll Zuckerrohr, Kokosnüssen und Yamwurzeln ganz allein an das Schiff. Schon am Tage vorher hatte er sich Mühe gegeben, den Frieden zu erhalten, und seine treuherzige Miene ließ uns hoffen, daß er auch jetzt in so löblicher Absicht gekommen sei. In dieser Überzeugung schenkte Kapitän Cook ihm einen vollständigen Anzug aus rotem tahitischem Zeug, worüber der Alte ungemein vergnügt zu sein schien. Gleich seinen Landsleuten, die nie ohne Waffen gehen, hatte auch er zwei Keulen bei sich. Kapitän Cook ergriff die Keulen, warf sie ins Meer und gab dem Alten zu verstehen, daß alle Insulaner ihre Waffen von sich legen sollten. Mit diesem Auftrag ruderte der Greis ans Ufer zurück und spazierte dort eine Zeitlang in seinem neuen Staat umher.
Nun kamen aus allen Gegenden der Insel eine Menge von Menschen an den Strand herab, so daß es überall von ihnen wimmelte, deren keiner unbewaffnet war. Mittlerweile hatten wir das Schiff quer gegen das Ufer gestellt, damit die Kanonen das Land bestreichen konnten und dann bereiteten wir uns vor, in drei Booten mit allen Seesoldaten und einem wohlbewaffneten Trupp Matrosen eine Landung zu unternehmen. Als die Wilden uns kommen sahen, eilten sie alle an den Strand und stellten sich dort in zwei große Haufen zu beiden Seiten des Wasserplatzes auf. Der westliche Haufen bestand aus wenigstens siebenhundert Mann, an der Ostseite mochten mindestens zweihundert Mann stehen. Mitten zwischen diesen beiden den Haufen stand der kleine Alte mit zwei anderen unbewaffneten Männern und hatte eine Menge Pisangs, Yamswurzeln und anderes vor sich auf gehäuft. Es wäre unvorsichtig gewesen, zwischen beiden Haufen zu landen, um sie aber von einem Angriff abzuschrecken, ließ Kapitän Cook eine Flintenkugel über ihre Köpfe hinwegfeuern. Der unvermutete Knall brachte auch wirklich den ganzen Haufen in Bewegung, sobald aber das erste Erstaunen vorüber war, blieben sie alle wieder stehen. Einer, der dicht ans Ufer kam, hatte sogar die Verwegenheit, uns den Hintern zu zeigen und mit der Hand darauf zu klatschen, was unter allen Völkern der Südsee das Zeichen der Herausforderung ist. Dieses Großsprechers wegen ließ der Kapitän noch einen Schuß in die Luft abgeben, und da man dies auf dem Schiff für ein Signal hielt, wurde alles grobe Geschütz, das aus fünf vierpfündigen Kanonen, zwei halbpfündigen Drehbrassen und vier Musketen bestand, mit einem Male abgefeuert. Die Kugeln pfiffen über die Insulaner hinweg und kappten einige Palmbäume, wodurch wir unseren Zweck erreichten, daß in wenigen Augenblicken nicht ein Mann mehr auf dem Strand zu sehen war. Nur der alte Friedensstifter und seine beiden Freunde waren unerschrocken bei ihren Früchten stehengeblieben. Sobald wir ans Land traten, schenkte der Alte dem Kapitän diese Lebensmittel und bat ihn, nicht länger zu schießen.
Wir ließen es nunmehr unsere Sorge sein, zum Schutz der Arbeitsleute zwei Linien von Seesoldaten aufzustellen. An beiden Seiten schlug man Pfähle in die Erde und zog einen Strick daran entlang, so daß die Wasserschöpfer einen Platz von wenigstens einhundertfünfzig Fuß Breite innehatten, wo sie ihre Arbeit ungestört vornehmen konnten. Nach und nach kamen die Eingeborenen wieder der an den Strand, sie mußten aber jenseits unserer Linie bleiben, und der Kapitän wiederholte seine Forderung, die Waffen abzulegen. Der größere Haufen kehrte sich aber nicht daran, die andere Partei, die mit dem friedlichen Alten eines Sinnes zu sein schien, ließ sich größtenteils dazu bewegen. Dem Alten hatten wir die Erlaubnis gegeben, sich innerhalb unserer Linie zu begeben. Nach und nach fingen wir an, uns in die Wälder zu wagen, um Pflanzen zu suchen, wir waren aber kaum zwanzig Schritte weit gegangen, als wir überall in dem Gesträuch Eingeborene gewahr wurden. Es dünkte uns also nicht ratsam, weiter vorzudringen. Wir begnügten uns mit zwei oder drei neuen Pflanzenarten und kehrten nach dem offenen Strand zurück.
Die große Zahl der Eingeborenen gab uns zur Untersuchung ihrer Bildung, ihrer Kleidung und ihrer Waffen die beste Gelegenheit. Sie haben ein männliches, gutherziges Aussehen, doch findet man auch hier wie bei jedem Volk einige Physiognomien, die nichts Gutes vermuten lassen. Ihre Hautfarbe ist braun und zum Teil schwärzlich, so daß man beim ersten Anblick glauben möchte, sie hätten sich mit Ruß beschmiert. Das Seltsamste ist ihre Frisur. Sie besteht aus lauter kleinen Zöpfen, die kaum so dick wie die Spule einer Taubenfeder und mit dem zähen Stengel einer Glockenwinde umwickelt sind. Wer starkes Haar hat, muß etliche hundert solcher Zöpfchen am Kopfe haben, und da diese nur drei bis vier Zoll lang sind, pflegen sie wie die Borsten eines Stachelschweins aufrecht zu stehen. Meist tragen sie ein dünnes Stöckchen in den Haaren, um sich von Zeit zu Zeit Ruhe vor dem Ungeziefer zu verschaffen, das auf ihren Köpfen vorhanden ist. Der Nasenknorpel ist bei fast allen durchbohrt und durch die Öffnung ein Stäbchen oder ein Stein gesteckt. Als Ohrgehänge tragen sie eine Menge Ringe aus Schildkrötenschalen oder Muscheln, wodurch das Loch im Ohrläppchen ungemein weit wird. Einige gehen mit einer Binde aus grünem Zeug umgürtet, das aus der Rinde eines Baumes verfertigt wird, andere begnügen sich mit einer dünnen Schnur um den Leib. Beides geschieht, um die männlichen Glieder, die mit Blättern umwickelt sind, nach Art der Mallikoleser in die Höhe zu ziehen und an den Gürtel zu knüpfen. Zu den Zieraten dieser Nation gehören verschiedene Schminken und allerlei Figuren, die sie sich in die Haut ritzen. Die Tanneser nehmen ein Bambusrohr oder eine scharfe Muschel zu dieser Operation. Sie machen damit nach willkürlichen Zeichnungen ziemlich tiefe Einschnitte in die Haut und legen dann ein besonderes Kraut darauf, das die Eigenschaft hat, beim Heilen eine erhabene Narbe zuwege zu bringen.
Heute ließen sich wenig Frauenspersonen und auch diese nur in einiger Entfernung sehen. Sie waren allesamt häßlich und kleiner als die Männer. Die jungen Mädchen hatten nur einen Strick um den Leib, von dem vorn und hinten ein Grasbüschel herabhing. Die älteren trugen einen Rock aus Blättern. Gegen Mittag verließen uns die meisten Eingeborenen wegen der Hitze und der Essenszeit, und auch uns nötigte beides, mit den gefüllten Fässern zum Schiff zurückzukehren.
Nach Tisch verfügten wir uns wieder an den Strand, fanden dort aber nicht eine Seele. Nur weit im Osten sah man einen Trupp von etwa dreißig Insulanern im Schatten der Palmen sitzen. Wir machten uns die Gelegenheit zunutze, um einige hundert Schritte in den Wald zu gehen, wo es verschiedene neue Pflanzen gab. Wir durften uns aber nicht weit vom Strand wagen, denn noch wußte man nicht, ob den Wilden zu trauen sei. Unterwegs begegnete uns der Alte, der meinem Vater ein Ferkel schenkte. Er bekam einen langen Nagel und ein Stück Zeug dafür, und wir kehrten zusammen nach den Booten zurück. Unsere Leute waren damit beschäftigt, mit dem großen Netz zu fischen. Dies mußten die in der Ferne sitzenden Insulaner bemerkt haben, denn sie kamen herbei und hatten nicht nur ihre Waffen zurückgelassen, sondern unterhielten sich auch mit uns, so gut es gehen wollte. Der Fischfang fiel so reichlich aus, daß wir in kurzer Zeit drei Zentner beisammen hatten. Der Alte zeigte großes Verlangen und war sehr erfreut, als ihm ein paar Fische zugestanden wurden. Gegen Sonnenuntergang kehrten wir an Bord zurück und erregten bei der ganzen Schiffsgesellschaft große Freude über den mitgebrachten Vorrat.
Der Vulkan, der sich gestern früh noch dann und wann hören ließ, wurde am Nachmittag ganz still. Am folgenden Morgen wurde der Berg von neuem unruhig. Das aufbrennende Feuer verschaffte uns jedesmal ein prächtiges Schauspiel. Es teilte dem Rauch, der in dicken Wolken emporstieg, wechselweise die glänzendsten Schattierungen von Orange-, Purpur- und Scharlachfarbe mit, die endlich in einem rötlichen Grau und dunkleren Braun verloschen. Nach dem Frühstück gingen wir an Land, wo die Eingeborenen sich zwar zahlreich, doch nicht in solcher Menge wie vorher eingefunden hatten. Sie machten uns Platz, aber der Kapitän fand es dennoch für gut, zu unserer Sicherheit Stricke ziehen zu lassen. Mein Vater gab dem Alten für das Schwein, das er ihm gestern geschenkt hatte, ein Beil, und er zeigte ihm zugleich, wie es gebraucht werden müsse. Nun entstand bald eine große Nachfrage nach Beilen, und wir versprachen den Insulanern auch welche, wenn sie uns Schweine dafür bringen würden, das erfolgte aber nicht. Unter den Wilden gab es einige, die ziemlich übermütig herumtanzten und mit ihren Speeren drohten. Zu Tätlichkeiten kam es jedoch nicht, und gegen Mittag gingen wir mit dem Kapitän ruhig an Bord zurück.
Am folgenden Morgen fuhren Dr. Sparman, mein Vater und ich wieder nach dem Lande und stiegen am Fuße eines steilen Berges aus, wo ein Trupp Matrosen Ballast laden sollte. Die Wellen schlugen hier so heftig gegen das Ufer, daß wir mit dem Boot nicht ganz herankommen konnten und durch die Brandung waten mußten. Es ließ sich hier auch nicht gut botanisieren, denn um einige neue Pflanzen zu erjagen, lief man Gefahr, den Hals zu brechen. Etliche hundert Schritte weiter entdeckten wir einen Fußpfad, der auf den Berg hinaufführte. Weil aber ein Haufen Insulaner von dort herabsetzten kam, kehrten wir zu unseren Leuten zurück. Die Eingeborenen [*fehlt?] sich um uns her und einer, dem die anderen mit Achtung zu begegnen schienen, nahm meines Vaters Namen an und gab ihm dafür den seinigen. Darauf bekamen wir zwei große Pisangfrüchte und wurden also mit Vergnügen inne, daß auch bei diesem Volke die Gastfreundschaft keine unbekannte Tugend sei. Es waren Weiber und Kinder, die uns mit dergleichen Leckerbissen beschenkten. So nahe hatten sie sich bisher noch nicht herangewagt. Zwar waren sie auch jetzt noch furchtsam, und wenn wir sie nur scharf ansahen, liefen sie davon, worüber die Männer herzlich lachten, indessen genügte es uns, ihre bisherige Schüchternheit wenigstens so weit besiegt zu haben. Manche von diesen Frauen sahen wohl etwas freundlich, die meisten aber finster und traurig aus. Gegen Mittag verfügten sie sich alle nach ihren Wohnungen, und auch wir begaben uns mit den Matrosen an Bord.
Am folgenden Morgen kehrten wir nach dem Ort zurück, wo unsere Leute Ballast geladen hatten. Hier kletterten wir einige Stundenlang auf dem Felsen herum, fanden jedoch nicht viel Neues. Auf dem Rückweg entdeckten wir eine heiße Quelle. Kaum hatten wir am Mittag das Schiff wieder erreicht, so kam auch der Kapitän vom Wasserplatz zurück und brachte einen Insulaner mit an Bord. Dies war der junge Mann, der gleich bei unserer Ankunft so viel kaltblütigen Mut gezeigt hatte, indem er bei der Abfeuerung der Kanone als einziger in seinem Kanu stehenblieb. Er sagte, sein Name sei Fanokko, und verlangte die unsrigen Namen zu wissen, die er nachzusprechen versuchte. Sein ganzes Aussehen verriet Fröhlichkeit und Scharfsinn. Von letzterem will ich folgendes Beispiel anführen: Mein Vater und Kapitän Cook hatten in ihrer Wörtersammlung zwei verschiedene Ausdrücke verzeichnet, die beide soviel wie Himmel bedeuten sollten. Um nun die richtige Benennung zu erfahren ren, wandten sie sich an Fanokko. Dieser war nicht einen Augenblick verlegen, sondern streckte seine rechte Hand aus und legte ihr das eine Wort bei, danach bewegte er unterhalb der ersten die andere Hand hin und her, benannte sie mit dem zweiten streitigen Wort und gab so zu verstehn, die obere Hand bedeute eigentlich den Himmel, die andere hingegen die Wolken. Auf eine ebenso deutliche Weise lehrte er uns auch die Namen der Inseln, die hier rundum lagen. Die Insel, wo Kapitän Cook Händel mit den Eingeborenen bekam, und von wo wir gerade hierherkamen, nannte er Eromango, ein hohes Eiland östlich von Tanna hieß Erroman und ein drittes, südwärts liegendes, das wir noch nicht wahrgenommen hatten, Anatom.
Die Insulaner mußten wegen des Ausbleibens Fanokkos unruhig geworden sein, denn er war noch nicht lange an Bord, als einige in einem Kanu herankamen und ängstlich nach ihm fragten. Fanokko zeigte sich am Kajütfenster und schickte sie zurück. Es dauerte aber nicht lange, so kamen sie mit einem Hahn, etwas Zuckerrohr und Kokosnüssen wieder, womit er dem Kapitän ein Geschenk machte. Nun setzten wir uns zu Tisch, und Fanokko kostete von dem Pökelfleisch, hatte aber schon am ersten Bissen genug. Gebratene oder gekochte Yams waren mehr nach seinem Geschmack, und er schloß seine Mahlzeit mit einem Stück Torte, die ihm sehr gut schmeckte, obschon sie nur aus getrockneten, wurmstichig gewordenen Äpfeln zubereitet war. Er betrug sich bei Tisch recht anständig, das einzige, was uns von seinen Manieren nicht gefiel, war, daß er den Rohrstab, den er im Haar stecken hatte, statt einer Gabel brauchte und sich dann aber bei jeder Gelegenheit damit am Kopfe kratzte. Da sein Kopf mit Öl und allerhand Farben beschmiert war, kam es uns sehr ekelhaft vor, den Rohrstab bald auf dem Teller, bald in seinem Haar herumfahren zu sehen.
Nach dem Essen führten wir ihn im ganzen Schiff umher und zeigten ihm alles Merkwürdige. Ein tahitischer Hund erregte seine besondere Aufmerksamkeit. Er nannte ihn buga, was in seiner Sprache eigentlich Schwein bedeutet, und bat darum, ihm eins zu schenken. Der Kapitän gab ihm also nicht nur den Hund, sondern auch eine Hündin dazu. Hierzu bekam er noch ein Beil, einige lange Nägel und andere Kleinigkeiten, worüber er außer sich vor Freude war. Darauf kehrte er mit uns ans Land zurück, wo er durch einen Insulaner Geschenke heranholen ließ. Mittlerweile fand sich auch der Alte ein und überbrachte dem Kapitän einen kleinen Vorrat an Yams und Kokosnüssen, die er wie zur Schau von zwanzig Mann tragen ließ, obschon zwei sie hätten gemächlich fortbringen können. Fanokko und seine Freunde warteten noch immer mit Ungeduld auf die Rückkehr ihres Boten, da es indessen anfing finster zu werden, verließ der Kapitän die guten Leute, die nicht wenig betreten zu sein schienen, daß sie seine Geschenke unerwidert lassen sollten.
Am folgenden Tage begaben wir uns gleich zum Wasserplatz. Unsere Leute, die schon seit Tagesanbruch dort waren, erzählten uns, sie hätten viele Eingeborene mit Bündeln beladen tiefer ins Land ziehen gesehen. Sie glaubten, daß die Insulaner die Gegend um den Hafen verließen, um vor unseren Gewehren sicher zu sein. Meines Erachtens hatten die Insulaner sich bei unserer Ankunft von allen Enden und Orten hier am Hafen versammelt, um nötigenfalls ihre Insel mit vereinten Kräften verteidigen zu können. Jetzt aber, da sie nichts mehr zu befürchten hatten, ging ein jeder wieder nach seiner Hütte zurück. Bei ihrer heutigen Wanderung hatte man bemerkt, daß alle, die Bündel trugen, Weibsleute waren, indes die Männer ohne alle Bürde gemächlich nebenher gingen. Daraus läßt sich ersehen, daß die Tanneser noch nicht so zivilisiert sind wie die Bewohner der Sozietäts- und Freundschaftlichen Inseln, denn es zeigt immer eine rohe und ungebildete Nation an, wenn die Männer hart mit den Weibern umgehen und ihnen die niedrigsten und schwersten Arbeiten auflegen.
Die Nacht über regnete es sehr heftig und fast ohne Unterlaß. Je dunkler dies die Finsternis machte, desto malerischer war es anzusehen, wie das Feuer des Vulkans den aus dem Gipfel aufsteigenden Rauch vergoldete. Am Morgen klärte sich das Wetter wieder auf und gestattete uns, an Land zu gehen, wo ebenso wie gestern nur wenige Insulaner zum Vorschein kamen. Wir suchten nach einem Fußsteig, um den Berg hinaufzuklettern. Er war so steil nicht, und wir folgten dem schlängelnden Pfad immer höher, bis wir an einen freien Platz kamen, der mit dem feinsten Rasen bewachsen und von schönen wilden Bäumen umstanden war. Die Sonnenstrahlen wirkten hier um so kräftiger, und weil der Wind keinen Zugang fand, wurde die Hitze noch durch einen heißen Dampf vermehrt, dessen durchdringender Schwefelgeruch seinen unterirdischen Ursprung verriet. Als wir eine gute Strecke höherstiegen, brachte uns der Weg wieder an einen solchen Platz, der aber weder Gras noch andere Pflanzen trug. An einer Stelle bestand das Erdreich aus rotem Ocker, womit die Eingeborenen sich zu schminken pflegen, und an zwei anderen Stellen stieg von einem Häufchen Erde Schwefeldampf empor. Mittlerweile war der Vulkan unruhiger geworden, und bei jeder Explosion stieg der Dampf in einer dicken weißen Wolke hervor. Wir stiegen höher bis zum Gipfel, von dem ein schmaler, von zwei Rohrzäunen eingehegter Weg an der anderen Seite des Berges hinablief. Auf diesem Wege bekamen wir nach kurzer Zeit den Vulkan zu Gesicht und konnten das Auswerfen sehr deutlich wahrnehmen, obschon wir noch etwa zwei Seemeilen davon entfernt waren. Die Gewalt des unterirdischen Feuers setzte uns am meisten in Erstaunen, denn Felsklumpen, zum Teil so groß wie unser größtes Boot, wurden aus dem Innersten des Berges hoch emporgeschleudert, als ob es nur Kiesel wären. Als wir im Begriff waren, weiter vorzudringen, ertönte plötzlich der Schall von Trompetenmuscheln. Da dies Instrument in der Südsee zum Alarmblasen gebraucht wird, mußten wir uns durch allzu lautes Reden verraten haben. Nun durften wir dem Landfrieden nicht länger trauen und kehrten also unverzüglich zurück. Als wir mit unseren botanischen Reichtümern an den Strand kamen, waren die Boote gerade zur Abfahrt nach dem Schiff bereit. Die Insulaner hatten während unserer Abwesenheit angefangen, Yams, Zuckerrohr, Kokosnüsse und Pisangs zum Markt zu bringen, zwar noch sehr sparsam, doch für den Anfang genug. Unser Eisengerät stand bei ihnen aus Mangel an Kenntnis in gar keinem Wert. Sie nahmen lieber tahitisches Zeug, grünen nephritischen Stein, Perlmutter und vor allen Dingen Schildkrötenschalen. Gegen letztere vertauschten sie sogar, was ihnen das liebste war, ihre Waffen, zuerst nur Speere und Pfeile, bald aber auch Bogen und Keulen.
Gleich nach der Mahlzeit fuhren wir wieder an Land und eilten nach der östlichen Spitze des Hafens. Unterwegs entdeckten wir einen Eingeborenen, der hinter einem Baum hockte und einen Pfeil auf uns richtete. Als einer von uns gleich mit der Flinte auf ihn zielte, warf der Kerl den Bogen von sich und kam ganz demütig zu uns gekrochen. Es mag sein, daß er keine böse Absicht gehabt hatte, doch ist solchem Spaß nicht immer zu trauen. Unweit der Landspitze fand sich eine Art schöner Blumen, die man wegen ihrer brennend roten Farbe schon bei der Einfahrt in den Hafen vom Schiff aus bemerkt hatte. Jetzt zeigte sich, daß es die Blüte einer Eugenia war. Als wir weitergingen, stellten sich etwa zwanzig Eingeborene in den Weg und baten uns ernstlich umzukehren. Als wir nicht die geringste Lust dazu zeigten, wiederholten sie ihre Bitte und gaben uns durch Gebärden zu verstehen, daß ihre Landsleute uns unfehlbar totschlagen und fressen würden, wenn wir noch weiter vordringen wollten. Wir stellten uns, als hätten wir verstanden, daß sie uns etwas zu essen anböten, aber nun gaben sie sich alle Mühe, uns dem Irrtum zu entreißen, und deuteten uns durch Zeichen an, daß sie einen Menschen zuerst totschlügen, hierauf die Glieder einzeln ablösten und dann das Fleisch von den Knochen schabten. Endlich setzten sie die Zähne an den Arm, damit uns kein Zweifel bleiben sollte, daß sie wirklich Menschenfleisch äßen.
Die Insulaner folgten uns auf dem Fuße und fingen von neuem an, uns zu drohen, sofern wir darauf beharrten, noch weiter zu gehen. Unsere Beharrlichkeit schien sie so mißtrauisch gemacht zu haben, daß wir wohl nicht friedlich auseinandergekommen sein würden, wenn uns nicht der Alte begegnet wäre. Mit diesem ließen sie uns ruhig nach dem Westende des Hafens weitergehen. Diese Gegend war durchgehend mit Feigenbäumen besetzt, die wegen ihrer eßbaren Blätter und Früchte angepflanzt werden. Jenseits dieser Plantage kamen wir an ein Wäldchen von allerlei blühenden Sträuchern, das einen freien Platz enthielt, der von hohen Bäumen eingeschlossen war. In einer Ecke stand ein ungewöhnlich großer Feigenbaum, der unweit der Wurzel wenigstens drei Ellen im Durchmesser hatte und seine Äste auf eine malerische Art wohl vierzig Ellen weit nach allen Seiten ausbreitete. Unter diesem stattlichen Baum saß eine kleine Familie bei einem Feuer, an dem sie Yams und Pisangs brieten. Sobald sie uns gewahr wurden, liefen sie fort, aber der Alte rief ihnen zu, daß sie nichts zu befürchten hätten, und auf diese Versicherung hin kamen sie wieder zum Vorschein. Die Weiber und Mädchen blieben jedoch in sicherer Entfernung und sahen nur dann und wann schüchtern aus den Büschen hervor. Wir taten, als ob wir sie gar nicht bemerkten, und setzten uns bei den Männern nieder, die uns mit eben der Gastfreiheit, die wir fast auf allen diesen Inseln angetroffen hatten, an ihrer Mahlzeit teilzunehmen baten. Rund um den grünen Platz hingen auf den Büschen kleine grüne Lappen von dem Zeug, das sie aus der Rinde eines Feigenbaumes machen und in Form eines Gürtels oder einer Schärpe zu tragen pflegen. Die Geschenke, die der Alte von uns erhalten hatte, worunter sich auch ein Tressenhut befand, waren dort gleichsam als Ehrenzeichen zur Schau gestellt. Dies sorglose Verfahren scheint mir ein Beweis für die allgemeine Ehrlichkeit der Tanneser zu sein. Auf Tahiti muß jeder seine kleine Habe unters Dach hängen und die Leiter des Nachts statt eines Kissens unter den Kopf legen, um vor Dieben sicher zu sein, hier hingegen ist alles auf dem ersten besten Strauch in Sicherheit. Daher kam es auch, daß wir während unseres Aufenthalts unter den Insulanern von Tanna nicht das geringste durch Diebstahl eingebüßt haben. Endlich standen wir auf, um nach dem Strand zurückzukehren. Diesmal wollte der Alte nicht mit uns gehen, weil es Abend wurde, aber er gab uns drei Landsleute als Führer mit. Unsere Führer waren gutwillige junge Leute. Als wir unterwegs über Durst klagten, schlugen sie einen anderen Weg nach einer Plantage ein, wo sie uns einige Nüsse pflückten. Darauf brachten sie uns auf dem kürzesten Weg zum Strand hinab. Hier belohnten wir sie und eilten der anbrechenden Nacht wegen an Bord.
Am folgenden Nachmittag unternahmen wir einen Spaziergang, der uns verschiedene neue Pflanzen einbrachte. Einige Eingeborene erboten sich, uns über die Anhöhe an den jenseitigen Strand zu führen, aber an dem Wege, den sie dazu vorschlugen, merkten wir, daß sie uns nach dem Wasserplatz zurückführen wollten. Wir verließen sie also, um allein weiterzugehen. Unterwegs gesellte sich ein anderer Insulaner zu uns, der uns nach dem jenseitigen Strand brachte. Hier sahen wir die Insel Anatom zum zweitenmal, und etwas weiter gegen Norden sollte nach Aussage des Insulaners die Insel Itonga liegen, man konnte aber der großen Entfernung wegen nichts davon gewahr werden.
Nachdem unsere Neugier gestillt war, verfügten wir uns wieder zum Wasserplatz, wo die Matrosen inzwischen dreieinhalb Zentner Fische gefangen hatten. Ein so glücklicher Zug setzte den Kapitän in den Stand, der ganzen Mannschaft wieder eine frische Mahlzeit zu geben. Eines Tages wurden unter anderen auch ein paar Fische von der Art gefangen, durch die bei Mallikolo so viele von uns vergiftet worden waren. Ich wünschte diese Sorte zur Warnung für die Seefahrer abzuzeichnen und zu beschreiben, aber die Matrosen waren viel zu heißhungrig, als daß sie mir die Zeit dazu gelassen hätten. Ohne sich an das, was uns mit diesen Fischen geschehen war, zu kehren, schnitten sie sie in Stücke, rieben sie mit Salz und Pfeffer ein und wanderten damit nach dem Kessel. Glücklicherweise bekamen sie ihnen diesmal recht gut. Die Matrosen hatten sich auf das Experiment verlassen, daß ein silberner Löffel, den sie in den Kessel warfen, ganz ohne Flecken blieb. Im Grunde ist dies eine sehr unzulängliche Probe, denn bekannterweise greifen nur bestimmte Arten von Giften das Metall an.
Bei unserer Rückkehr an den Strand gingen wir eine Strecke am Ufer entlang, um nach der östlichen Landspitze des Hafens zu kommen. Unsere Begleiter äußerten darüber viel Besorgnis und baten uns nicht nur dringend, diese Gegend der Insel zu meiden, sondern drohten uns auch, daß man uns im Weigerungsfälle totschlagen und auffressen werde. Wir kehrten also um. Es war jetzt das dritte Mal, daß sie sich selbst durch die deutlichsten Zeichen für Menschenfresser ausgaben, mithin muß diese Barbarei wohl in der Tat bei ihnen im Schwange sein. Gewöhnlich pflegt man dem Mangel an Nahrungsmitteln die Schuld daran zu geben, allein was für einer Ursache will man sie hier zuschreiben, wo das fruchtbare Land die nahrhaftesten Pflanzen im Überfluß und auch noch zahmes Vieh liefert? Wohl ungleich wahrscheinlicher und richtiger läßt sich diese widernatürliche Gewohnheit aus der Begierde nach Rache herleiten. In der bürgerlichen Gesellschaft sind wir vermittels gewisser Gesetze und Verordnungen dahin übereingekommen, daß nur einigen wenigen Personen die Sorge überlassen sein soll, das Unrecht zu rügen, bei den Wilden hingegen verschafft sich jeder selbst Recht und sucht bei der geringsten Beleidigung oder Unterdrückung seinen Durst nach Rache zu befriedigen. Schon der bloße Anschein einer Beleidigung ist dem Wilden genug, um die Waffen zu ergreifen und alles vernichten zu wollen, was ihm in den Weg kommt. Er verläßt sich auf das Recht des Stärkeren und fällt seinen Feind mit einer Wut an, die ihn der unbändigsten Grausamkeit fähig macht. Ein anderes Volk hingegen, das durch den Ackenbau schon zu Wohlstand, Überfluß und Sittlichkeit, mithin auch schon zu Geselligkeit und Menschenliebe gelangt ist, solch ein Volk weiß nichts von Jähzorn, sondern es muß schon übermäßig gereizt werden, wenn es auf Rache sinnen soll. Zur Zeit gehören die Bewohner von Tanna zu der ersten dieser beiden Klassen. Aus ihrem mißtrauischen Betragen und aus ihrem Brauch, nie unbewaffnet zu gehen, läßt sich vermuten, daß sie oft in Streitigkeiten unter sich oder mit Nachbarn verwickelt sind, und da mögen Wut und Rachgier sie nach und nach zu Kannibalen gemacht haben, was sie ihrem eigenen Geständnis nach auch jetzt noch sind.
Die Insulaner waren sehr froh, als wir endlich umkehrten. Der Weg brachte uns nach vielen Krümmungen zu den Wohnhütten unserer Begleiter. Die Frauen hatten unter dem großen Feigenbaum ein Feuer angelegt und waren gerade dabei, Yams- und Arumwurzeln daran zu braten. Als sie uns gewahr wurden, wollten sie davonlaufen, aber der Zuruf unserer Begleiter hielt sie zurück. Wir setzten uns auf den Stamm eines Baumes, der neben einer Hütte lag, und suchten mit den Insulanern ins Gespräch zu kommen. Zufällig brummte ich ein Liedchen vor mich hin, wodurch ich mir vieles Bitten zuzog, der Versammlung etwas vorzusingen. Obschon keiner von uns sich auf Musik verstand, ließen wir sie einige Melodien hören. Einige deutsche und englische Lieder, besonders die lustigen, gefielen ihnen recht gut, aber sie trugen nicht so allgemeinen Beifall davon, wie Dr. Sparmans schwedische Volkslieder. Als wir ihnen sagten, nun sei die Reihe an ihnen, stimmte einer ein sehr simples Lied an, das jedoch mehr Melodie hatte als irgendeins von denen, die wir im Südmeer gehört hatten. Die Insulaner brachten darauf ein Instrument zum Vorschein, das wie die Panflöte von Tongatabu aus acht Rohrpfeifen bestand, die hier aber stufenweise kleiner wurden und eine ganze Oktave ausmachten. Vielleicht hätten wir sie auf diesem Instrument auch spielen gehört, wenn nicht gerade ein Insulaner mit Kokosnüssen, Zuckerrohr, Yams und Feigen gekommen wäre und unsere Aufmerksamkeit abgelenkt hätte. Wir beschenkten unsere Insulaner, so gut wir konnten, gingen nach dem Strand zurück und hielten uns dort noch eine Zeitlang bei den dort anwesenden Insulanern auf. Unter ihnen befanden sich mehr Frauen, als wir je beisammen gesehen hatten. Die meisten mußten verheiratet sein, denn sie trugen in Mattensäcken Kinder auf dem Rücken. Einige trugen auch in geflochtenen Körben eine Brut junger Hühner oder Jambos und Feigen bei sich und boten beides zum Verkauf an. Eine der Frauen schenkte uns eine Pastete, deren Rinde aus Pisang und Arum, die Füllung aber aus einem Gemisch von Blättern und Kokoskernen bestand. Diese Pastete war sehr wohlschmeckend und machte der Kochkunst der hiesigen Damen viel Ehre. Wir kauften noch einige achtröhrige Pfeifen ein, die neben Bogen, Keulen und Speeren feilgeboten wurden, und kamen ziemlich spät an Bord zurück.
Gleich nach Tisch eilten wir wieder an Land und gingen auf die Anhöhe, um dort nochmals vorzusprechen. Kaum hatten wir uns niedergelassen, als unsere Freunde uns baten, ihnen wieder etwas vorzusingen. Wir machten ihnen diese Freude, und da sie sich über die Verschiedenheit unserer Lieder zu wundern schienen, erklärten wir ihnen, daß wir in verschiedenen Ländern geboren seien. Nun riefen sie einen Mann aus dem Kreis der Umstehenden und sagten, er sei auch aus einem anderen Lande, nämlich von der Insel Eromango, und er werde uns nun ebenfalls eins vorsingen. Er stimmte also ein Lied an, machte aber unzählige Stellungen und Grimassen dazu, worüber nicht nur die Insulaner, sondern auch wir rechtschaffen lachen mußten. Währenddessen kamen die Frauen leise aus den Hütten hervor und mischten sich unter die Zuhörer. Die Frauen, die Kinder hatten und etwa dreißig Jahre alt sein mochten, hatten bereits alle Reize der Gestalt verloren, und ihre Röcke reichten von den Hüften bis auf die Knöchel herab. Die jüngeren, vierzehnjährigen Mädchen dagegen waren nicht ohne angenehme Gesichtszüge und gefielen durch ein sanftes Lächeln, das immer freundlicher wurde, je mehr ihre Schüchternheit abnahm. Sie waren sehr schlank gewachsen, hatten feine, niedliche Arme, runde, volle Busen und ein lüsternes Röckchen, das kaum bis ans Knie reichte. In den Ohren trugen sie Ringe aus Schildkrötenschale, und die Zahl solcher Zierate nahm in eben dem Verhältnis zu, wie die Reize der Frauenspersonen abnahmen. Die ältesten und häßlichsten waren daher mit einem Halsgeschmeide und mit einer Menge Ohrringe, Nasengehänge und Armbänder versehen. Die Männer bezeigten nicht die geringste Achtung gegen die Weiber, indes diese auf den kleinsten Wink gehorchten und oft den Dienst von Lasttieren versehen mußten. Indes pflegen alle ungesitteten Völker den Weibern die allgemeinen Rechte der Menschen zu versagen und sie als Geschöpfe von niederer Art zu behandeln. Solange der Mensch unablässig mit der Sorge um seine Erhaltung beschäftigt ist, so lange können sich nur wenig verfeinerte Empfindungen zwischen beiden Geschlechtern entwickeln, vielmehr muß der Umgang sich nur auf tierischen Genuß beschränken. Der Wilde sieht auch nicht die Schwäche und das sanfte, duldende Wesen der Frauen als schutzbedürftige Eigenschaften, sondern als einen Freibrief zur Unterdrückung und Mißhandlung an.
Wir blieben bei diesen Insulanern bis Sonnenuntergang, hörten ihren Gesängen zu und bewunderten ihre Geschicklichkeit bei den Waffenübungen. Als wir an den Strand zurückkamen, waren die meisten Eingeborenen schon zur Ruhe gegangen, und in kurzer Zeit waren wir allein. Die Dämmerung lockte eine Menge Fledermäuse aus ihren Schlupfwinkeln. Fast aus jedem Strauch flatterten sie uns entgegen, doch schössen wir keine einzige, weil man sie nicht früh genug sah, um zielen zu können. Ebensowenig war auch den Matrosen der Fischzug geglückt. Sie trugen die Netze wieder ins Boot, ohne mehr als ein paar Dutzend Fische gefangen zu haben. Am folgenden Morgen verfügten wir uns von neuem ans Land und gingen auf der Ebene in den Wald. Eine Menge großer Papageien mit schwarz, rot und gelb geflecktem Gefieder hielt sich darin auf. Sie saßen aber in den Gipfeln der Feigenbäume, wo sie mit Schrotschüssen nicht zu erreichen waren. Die ungeheure Größe dieser Bäume kann man sich kaum vorstellen. Ihre Wurzeln stehen größtenteils über der Erde und machen ungefähr zehn bis zwölf Fuß hoch vom Boden das Stammende des Baumes aus. Sie wachsen etwa dreißig bis vierzig Fuß hoch, ehe sie sich in Äste teilen. Die Äste werden ebenfalls dreißig bis vierzig Fuß lang, ehe sie kleine Zweige hervortreiben, und auf solche Art ist der Gipfel des Baumes mindestens hundertfünfzig Fuß hoch.
Gegen Mittag machten wir uns auf den Rückweg. Wir trafen einen Insulaner, der im Gesträuch dünne Stangen abhieb, um in seinem Garten das Kraut der Yamswurzeln daran emporranken zu lassen. Seine Axt war ein elendes Werkzeug, denn statt des sonst gewöhnlichen harten Steins bestand die Klinge nur aus einer Muschelschale. Aus Mitleid kamen wir ihm mit einem unserer Beile zu Hilfe, und nach wenigen Minuten waren mehr Stangen abgehauen, als er den ganzen Vormittag über geschafft hatte. Die Eingeborenen, die vorüberkamen, blieben stehen, um die Nutzbarkeit unseres Beils zu bewundern. Einige boten ihre Bogen und Pfeile dafür, allein gegenüber der Forderung, uns ein Schwein dafür zu geben, blieben sie taub. Das Ferkel, womit der Alte meinen Vater beschenkt hatte, war und blieb das einzige, welches wir auf dieser Insel bekamen.
Unter den am Strande versammelten Insulanern trafen wir einen alten Mann, den noch keiner von uns vorher gesehen hatte. Die Wilden versicherten, er sei ihr Eriki und heiße Jogai. Er war lang, hager, ausgezehrt, hatte einen fast kahlen Kopf und einen eisgrauen Bart. Neben ihm saß ein anderer, den die Insulaner für Jogais Sohn ausgaben und Jatta nannten. Er war groß, wohlgebaut und für einen Tanneser wirklich schön zu nennen. Die Insulaner sagten, er sei ihr Kau-Wosch, was soviel wie Thronfolger oder Kronprinz bedeuten mochte. Von Leibesfarbe waren diese Befehlshaber so schwarz wie ihre Untertanen, unterschieden sich auch nur dadurch, daß ihr Leibgürtel schwarzgestreift und mit weißen, roten und schwarzen Feldern war. Das einzige abgerechnet, daß man ihnen den Titel Eriki beilegte, wurde ihnen keine besondere Ehrerbietung bezeigt, auch sahen wir nicht, daß sie Befehle erteilt hätten. Ich vermute daher, daß ihr Ansehen nur zu Kriegszeiten etwas gilt. Wir machten den beiden Befehlshabern einige kleine Geschenke und baten sie, uns ans Schiff zu begleiten, was sie aber ausschlugen. Also kehrten wir allein an Bord zurück.
Nach dem Essen gingen wir wieder an Land und in den Wald, fanden aber nichts Neues, was nicht zu verwundern war, da wir diese Gegend fast Tag für Tag durchsucht hatten. Am folgenden Morgen gaben wir uns Mühe, irgendwo einen Muskatnußbaum zu finden. Wir glaubten vor allen Feindseligkeiten von Seiten der Insulaner sicher zu sein, so daß wir uns oft voneinander trennten. Dies geschah auch heute ohne den geringsten Unfall, aber auch ohne weiteren Erfolg. Wir kamen mit leeren Händen an den Strand zurück, als das letzte Boot gerade im Begriff war, nach dem Schiff zu fahren. An Bord fanden wir den alten Eriki Jogai, seinen Sohn Jatta und einen Knaben von vierzehn Jahren, der Narepp hieß und ein naher Verwandter der beiden Befehlshaber zu sein schien. Sie hatten sich in der Kajüte auf den Fußboden gesetzt, und der Kapitän war gerade dabei, allerlei Geschenke an sie auszuteilen. Mittlerweile war das Essen aufgetragen, und wir ließen sie mit uns zu Tische sitzen. Die Yams schmeckten ihnen wie unserem vorigen Gast Fanokko recht gut, von anderen Speisen wollten sie aber nichts anrühren.
Nach der Mahlzeit brachten wir sie an den Strand zurück. Dort kamen sie mit ihren Landsleuten sogleich ins Gespräch und erzählten ihnen, wie gut sie von uns aufgenommen worden seien. Es kamen jetzt selten mehr als hundert Eingeborene an den Strand, und diese pflegten sich meist im Schatten der Bäume niederzusetzen. Die Weiber brachten ganze Körbe voll Jambosäpfel (Eugenia) mit und verkauften sie uns gegen Kleinigkeiten. Am Strand gab es eine Menge kleiner Fische, ungefähr zwei Zoll lang, die auf den nassen Klippen wie Eidechsen umherhüpften. Die Brustflossen dienten ihnen als Füße, und die Augen saßen beinahe mitten auf dem Scheitel, vermutlich damit sie sich vor ihren Feinden außerhalb des Wassers besser in acht nehmen konnten. In der Tat waren diese kleinen Tiere so vorsichtig und so schnell, daß man ihrer nicht leicht habhaft werden konnte. Ehe man es sich versah, waren sie mit einem Sprung über drei Fuß weit fortgehüpft.
Den Rest des Tages brachten wir auf der hinter dem Wasserplatz gelegenen Ebene zu und jagten dort nach der Blüte eines unbekannten Baumes, die nicht anders zu bekommen war, als daß wir sie mit der Kugelbüchse herunterschießen mußten. Dr. Sparman und ich gingen noch einmal auf die hohe Ebene und brachten dort bei unseren Bekannten eine halbe Stunde recht vergnügt zu. Wir unterhielten sie auch diesmal mit unseren Liedern und machten uns dadurch so beliebt, daß sie zuletzt auf einige Mädchen zeigten, um sie uns aus übertriebener, aber bei wilden Völkern gar nicht ungewöhnlicher Gastfreiheit auf Diskretion zu überlassen. Die Mädchen merkten kaum, wovon die Rede war, als sie eiligst davonliefen und nicht nur sehr erschrocken, sondern auch über den unanständigen Vorschlag der Männer äußerst unwillig zu sein schienen. Diese aber, besonders die jungen Leute, verlangten, daß wir den Spröden nachsetzen sollten. Doch wollten sie vielleicht nur den Mädchen einen Schrecken einjagen, wenigstens hatten sie nichts dagegen, daß wir ihren Antrag diesmal unbeachtet ließen.
Die Vorräte an Trinkwasser, Brennholz und Ballast waren nun wieder so weit ergänzt, daß wir am folgenden Morgen absegeln wollten, allein der Wind verhinderte es, indem er gerade in die Mündung des Hafens hineinblies. Wir gingen also in Begleitung des Kapitäns wie gewöhnlich an Land, der Kapitän, um mit den Eingeborenen zu handeln, wir aber, um uns noch einmal auf der Insel umzusehen. In dieser Absicht nahm jeder einen anderen Weg. Auf dem Wege, den ich gewählt hatte, begegneten mir viele Insulaner, die nach dem Strand wollten, und obschon sie sahen, daß ich ohne Begleitung war, verzog doch keiner auch nur eine Miene gegen mich. Natürlich ließ ich mir dies eine Aufmunterung sein, meinen Spaziergang weiter auszudehnen, und ich kam tiefer ins Land hinein, als ich je gewesen war. Überall war ich von dichter Waldung umgeben und wurde selten etwas von der Gegend gewahr, wenn nicht hier und da eine Lücke zwischen den Bäumen mir die Aussicht verschafft hätte. Dann aber hatte ich ein desto reizenderes Schauspiel. Ich überschaute einen Teil der am Abhang des Hügels liegenden Pflanzungen, wo die Eingeborenen in voller Arbeit waren. Sie fällten oder beschnitten Bäume, bestellten ihr Land mit einem dürren Ast und setzten Yams oder andere Wurzeln. Diese Landschaft war entzückend schön, und selbst Tahiti könnte sich nicht leicht einer schöneren Landschaft rühmen. Dort ist das ebene Land nirgends mehr als zwei englische Meilen breit und meist von ungeheuren Felsmassen begrenzt, hier aber hatte ich eine ungleich größere Strecke Landes voll sanft abhängender Hügel und geräumiger Täler vor mir, die alle bebaut werden konnten. Auch die Plantagen hemmten die Aussicht nirgends, weil dort meist nur Pisangs, Arum, Yams und Zuckerrohr gezogen wurden, die niedrige Gewächse sind. Nur hin und wieder streckte ein einzelner Baum den dichtbelaubten Wipfel in die Höhe. Hinten war der Gesichtskreis durch eine Anhöhe abgeschlossen, auf deren Rücken überall Baumgruppen standen, und aus diesen ragten die stattlichen Kronen der Kokospalme in großer Menge hervor. Die verschiedene Stellung der Bäume gegen das Licht gab der Landschaft das herrlichste Kolorit. Hier glänzte das Laub im goldenen Strahl der Sonne, während dort der Schatten dem Auge wohltat. Der Rauch, der in bläulichen Kreisen zwischen den Bäumen aufstieg, erinnerte mich an die Freuden des häuslichen Lebens; der Anblick großer Pisangwälder, deren goldene, traubenförmige Früchte hier ein Sinnbild des Friedens und Überflusses waren, erfüllte mich mit dem Gedanken an Freundschaft und Volksglück, und das Lied eines Ackersmannes, das in diesem Augenblick ertönte, vollendete das Bild gleichsam bis auf den letzten Pinselstrich. Über mir der heitere Himmel, um mich her das Säuseln des kühlen Seewindes, stand ich da und genoß all das Glück, das die Fülle solcher Bilder nur gewähren kann.
Unversehens verlor ich mich in Betrachtungen über den Nutzen, den unser Aufenthalt unter den Eingeborenen gestiftet haben könnte. Wir hatten nur vierzehn Tage unter einem Volke zugebracht, das sich anfänglich mißtrauisch und entschlossen zeigte, auch die geringste Feindseligkeit nicht unerwidert zu lassen. Diesen Argwohn hatten wir durch überlegtes Verhalten und Mäßigung zu besiegen gewußt. Die Eingeborenen, die bisher in jedem Fremden einen heimtückischen Feind zu sehen gewohnt waren, hatten durch unser Beispiel gelernt, ihre Nebenmenschen höher zu schätzen. Sobald wir es einmal dahin gebracht hatten, den Naturtrieb, der die Wilden so argwöhnisch und feindselig machte, zu besänftigen, so bald sahen wir auch schon in ihren rohen Seelen den zweiten, nicht minder starken Naturtrieb, die Geselligkeit, aufkeimen und sich entwickeln. Kaum fanden sie, daß wir die Früchte ihres Landes nicht mit Gewalt wegnehmen wollten, so teilten sie uns freiwillig davon mit. Sie gestatteten uns, ihre Hütten zu besuchen und ließen uns mitten unter sich sitzen, wie es sonst nur den Mitgliedern der Familie geziemt. Welch ein Bewußtsein, rief ich aus, auf solche Art das Glück eines Volkes gefördert und vermehrt zu haben! Welch ein Vorteil, einer gesitteten Gesellschaft anzugehören, die solche Vorzüge genießt und anderen mitteilt!
Hier unterbrach mich das Geräusch eines herankommenden Wanderers. Es war Dr. Sparman. Ich zeigte ihm die Gegend und erzählte ihm, zu was für Gedanken sie mich verleitet hatte. Die Übereinstimmung seines Gefühls teilte dem meinigen neue Lebhaftigkeit mit. Doch wir mußten uns losreißen und nach dem Schiff eilen, weil der Mittag nicht weit war. Der erste Eingeborene, dem wir begegneten[*text fehlt] nicht wagte, weil wir ihr unerwartet ganz nahe gekommen waren. Mit zitternden Händen bot sie uns einen Korb voll Yambosäpfel an. Ihr Betragen befremdete uns sehr, doch kauften wir ihr die Früchte ab und gingen weiter. Sowohl innerhalb als außerhalb der Plantage standen viele Männer im Gebüsch, die unaufhörlich winkten, daß wir an den Strand zurückgehen möchten. Sobald wir aus dem Walde traten, klärte sich das Rätsel auf. Zwei Männer saßen im Gras und hielten einen dritten tot in den Armen. Sie zeigten uns eine Wunde, die er von einer Flintenkugel in der Seite bekommen hatte, und sagten dabei mit einem rührenden Blick: »Er ist umgebracht!« In ihrer Sprache wird dies durch das einzige Wort »Markom« ausgedrückt.
Darauf eilten wir an den Strand, wo unsere Leute sich aufhielten, fanden aber keinen einzigen Insulaner bei ihnen und erfuhren, wie die Sache zugegangen war. Man hatte wie gewöhnlich eine Schildwache ausgestellt, die die Insulaner vom Arbeitsplatz der Matrosen fernhalten sollte. Einer von den Eingeborenen, der seit unserem Hiersein noch nie am Strand gewesen war, wollte über den freien Platz gehen, aber die Schildwache nahm ihn beim Arm und stieß ihn zurück. Dieser hingegen glaubte mit Recht, daß ein Fremder ihm auf seiner Insel nichts vorzuschreiben habe, und versuchte von neuem, über den Platz zu gehen. Die Schildwache stieß ihn nun mit solchem Ungestüm zurück, daß wohl ein minder jähzorniger Mann als ein Wilder dadurch aufgebracht worden wäre. Kein Wunder also, daß er, um seine Freiheit zu verteidigen, einen Pfeil auf den Bogen legte und auf seinen Angreifer zielte. Kaum wurde der Soldat dies gewahr, als er sein Gewehr anlegte und den Insulaner totschoß. In diesem Augenblick trat der Kapitän ans Land und sah, wie die übrigen Insulaner davonliefen, und bereit, den Fehler wiedergutzumachen, schickte er den Soldaten gefesselt aufs Schiff und gab sich alle Mühe, die Eingeborenen zu besänftigen. Einige von ihnen ließen sich auch überreden, stehenzubleiben und denen von neuem zu trauen, die das vornehmste Gebot der Gastfreiheit so schändlich verletzt hatten. Wir fuhren nun mit dem Kapitän zum Schiff, nicht ohne Besorgnis, wie es meinem Vater ergehen würde, der in Begleitung eines Matrosen im Walde herumirrte. Doch es lief besser ab, als wir befürchteten denn nach einer Viertelstunde sahen wir ihn bei der Wache am Strand ankommen und ließen ihn sogleich mit einem Boot abholen. Ich muß gestehen, daß mehrere von unserer Schiffsgesellschaft rechtlich genug dachten, dies Unglück laut zu beklagen. Dergleichen Übereilungen waren uns fast allerorten begegnet, und der Schaden war nirgends gutzumachen gewesen. Und hier auf Tanna, wo wir uns gesitteter und vernünftiger betragen hatten als irgendwo anders, auch hier mußte dieser Ruhm durch die offenbarste Grausamkeit wieder vernichtet werden. Der Kapitän wollte den Soldaten exemplarisch bestrafen, aber der Offizier, der am Strande das Kommando gehabt hatte, nahm sich seiner an und sagte, er habe seinen Leuten eingeschärft, daß man die Wilden bei der geringsten Drohung niederschießen müsse. Nach diesem Geständnis konnte man dem Soldaten nichts mehr anhaben, ob aber der Leutnant über das Leben der Eingeborenen zu gebieten habe, das wurde weiter nicht untersucht. Man wußte, daß der Offizier viele vornehme Verwandte hatte, worunter auch Minister waren.
Am folgenden Morgen sahen wir verschiedene Kanus mit aufgespannten Segeln aus dem Hafen abgehen. Die Segel bestanden aus dreieckigen Matten, wovon das breite Ende aufwärts, das spitze nach unten gekehrt war. Eine lange Planke, wie ein Trog ausgehöhlt, bildet den Boden des Kanus, und die Seitenwände bestehen aus ein oder zwei aufeinandergesetzten Planken, die mit Stricken aus Kokosfasern verbunden sind. Die Eingeborenen ziehen die Stricke durch Löcher und schnüren auf solche Art die Planken eine auf die andere fest. Die Ruder sind schlecht, sowohl was die Form als was die Arbeit betrifft.
Da der Wind nunmehr günstig war, lichteten wir die Anker und stachen nach einem Aufenthalt von sechzehn Tagen am 20. August wieder in See. Wir steuerten ostwärts nach der Insel Eromango. Der Aufenthalt auf Tanna hatte uns drei bis vier Mahlzeiten von frischen Fischen und einen kleinen Vorrat Yams verschafft, der aber für die Kranken aufbewahrt werden mußte. Es stellten sich nämlich jetzt unter den Matrosen Fieber ein, und nur an diese Patienten durften kleine Portionen Yams ausgeteilt werden. Abends gelangten wir ziemlich nahe an die Insel Eromango, die ungefähr zwölf Seemeilen ostwärts von Tanna liegt und aus einem hohen Tafelberge besteht. Die Nacht wurde mit Lavieren zugebracht und am nächsten Morgen die Lage der Insel Anatom auf 20° 3' südlicher Breite und 170° 5" östlicher Länge bestimmt. Da nun von hier aus weiter gegen Süden hin nirgends mehr Land zum Vorschein kam, steuerten wir an der Küste von Tanna hin wieder nach Norden hinauf. Ein frischer Wind begünstigte unsere Fahrt so sehr, daß wir am folgenden Morgen, den 22., schon an der Südwestseite von Eromango hinsegelten. Noch vor Sonnenuntergang gelangten wir an die südlichen Ufer von Sandwich-Eiland, die uns weit fruchtbarer vorkamen als auf der Nordseite, an der wir ehemals hingesegelt waren. Die ganze Nacht über ging die Fahrt so schnell fort, daß wir am Morgen die Inseln Api, Pa-uhm und Ambrym wieder zu Gesicht bekamen und bald nachher schon die Südwestseite von Mallikolo entlangsteuerten. Die schönen Waldungen, womit Mallikolo auch an dieser Seite reichlich versehen war, setzten uns von neuem in Erstaunen, und der Rauch, der an unzähligen Orten emporstieg, ließ eine ansehnliche Bevölkerung vermuten. Bald darauf entdeckten wir eine geräumige Bai mit zwei kleinen Inseln. Gegen Mittag stießen zwei Kanus vom Lande ab und ruderten uns entgegen, sie mußten aber bald zurückkehren, weil wir für ihre Fahrzeuge zu schnell segelten. Bei Tagesanbruch, am 24., befanden wir uns an der Durchfahrt, die Bougainville zwischen Mallikolo und einer anderen, mehr nordwärts gelegenen Insel entdeckt hat. Das an der Nordseite dieser Durchfahrt befindliche Land schien von weitem Umfang, sehr hoch und bergig zu sein, und an seiner südlichsten Küste lagen viele kleine Inseln, mit ansehnlichen Bäumen bewachsen. Bei dem heiteren Wetter, das wir auf dieser Fahrt hatten, waren die Schönheiten dieser Gegenden genau zu sehen, und das Vergnügen, so viele reiche Aussichten vor Augen zu haben, mußte uns gewissermaßen die schlechte Kost versüßen, die jetzt einen Tag wie den anderen aus alten Schiffsvorräten bestand. Das Land, welches wir gegen Norden sahen, die Insel Merena, ist vermutlich dasjenige, das von dem erfahrenen Seemann Quiros entdeckt, mit dem Namen Tierra del Espiritu Santo (Land des Heiligen Geistes) belegt und damals für ein Stück eines Kontinents gehalten wurde. Die Bai, worin er ankerte, mag wohl innerhalb der kleinen Inseln gelegen sein, die wir längs der Küste sahen, der Kapitän wollte sich aber nicht die Zeit nehmen, sie näher zu untersuchen, sondern begnügte sich damit, die kleinen Inseln nach dem Tage, an dem wir sie zuerst erblickt hatten, Bartholomäus-Eilande zu nennen.
Nunmehr steuerten wir längs der Ostküste von Espiritu Santo nach Norden. Hier befanden sich eine Menge kleiner Eilande, die Herr von Bougaunville nicht gesehen hatte. Sie waren überall mit Waldungen bedeckt, aus denen an unzähligen Orten Rauch emporstieg. Am schönsten nahm sich der Anblick aus, als wir an den nördlichen Ufern dieser kleinen Inseln dahinsegelten und sie nun eine nach der anderen sich von der größeren Insel absetzten, so daß man zwischen all den Durchfahrten frei hindurchsehen konnte. Endlich steuerten wir westwärts und entdeckten hinter einem auf der Hauptinsel Tierra del Espiritu Santo gelegenen Vorgebirge eine sehr geräumige Bai, die am Eingang fünf Seemeilen breit war. Die umliegende Gegend bestand auf viele Meilen weit aus Hügeln und breiten Tälern und schien überall anmutig, fruchtbar und bewohnt zu sein. Auf dem westlichen Ufer kamen viele Eingeborene zum Vorschein. Nachdem sie uns lange genug angegafft hatten, stießen einige in einem Kanu vom Lande ab und ruderten auf uns zu, aber sie getrauten sich nicht nahe heran.
Wir warfen an verschiedenen Stellen das Senkblei, fanden aber eine Meile vom Ufer bei 130 und 140 Faden nirgends Grund. Bald darauf wurde es völlig Nacht, so daß man das Ufer nur am Schimmer der hin und wieder aufflackernden Feuer erkennen konnte. Wir waren also in einer ziemlich unsicheren Lage und schon im Begriff, die Boote auszusetzen, um das Schiff bugsieren zu lassen, als ein Lüftchen aufstieg, mit dessen Hilfe wir mitten in die Bai segelten. Hier erwarteten wir das Tageslicht und fuhren dann fort, südwärts in die Bai hineinzusteuern, dies währte aber nicht lange, denn gegen Mittag hatten wir schon wieder Windstille. Nach Tisch mußten zwei Boote tiefer in die Bai rudern, um sich nach einem Hafen umzusehen. Während dieser Zeit kamen zwei Kanus mit dreieckigen Segeln vom Ufer und näherten sich ziemlich schnell. In jedem saßen vier Mann, die ganz nackt waren. Auf dem Scheitel trugen sie einen Federbusch, andere hatten eine weiße Muschel vor die Stirn gebunden und ein Blatt von der Sagopalme wie eine Mütze um den Kopf gewickelt. Ihre Armbänder bestanden aus Muschelwerk, und um den Leib trugen sie einen Gürtel, an dem vorn und hinten ein Stück Matte bis zu den Knien herabhing. Die Kanus waren mit einem Ausleger versehen und schlecht gearbeitet. Darin lagen einige Speere mit zwei bis drei Spitzen, die zum Fischfang dienten. Sobald sie uns nahe genug waren, riefen wir ihnen zu und ließen Nägel und andere Geschenke herab, die sie sofort in Empfang nahmen. Die Nägel machten ihnen die meiste Freude, sie müssen also dieses Metall bereits kennen. Vielleicht ist seit Quiros Zeiten etwas Eisenwerk hier zurückgeblieben und durch seine Dauerhaftigkeit bei den Eingeborenen beliebt geworden. Sie schickten uns an dem Strick, mit dem wir unsere Geschenke hinabgelassen hatten, einen Freundschaftszweig hinauf, sonst aber hatten sie uns nichts zu geben. Wir redeten sie mehrmals an, und sie antworteten uns auch, doch verstand keiner den anderen. Ich deutete mit dem Finger auf das Land und verlangte den Namen der Insel zu wissen. Sie antworteten nur mit dem Wort Fannua, welches soviel wie Land bedeutet, weshalb wir die von Quiros stammende Benennung Tierra del Espiritu Santo beibehielten. Beim Anblick unserer vom Lande zurückkehrenden Boote kehrten auch sie zurück.
Leutnant Pickersgill, der die Boote kommandiert hatte, berichtete, daß er nicht eher als innerhalb zwei bis drei Kabellängen (l Kabellänge gleich 100 Faden, etwa 185 m) vom Ufer einen sehr guten Ankergrund gefunden habe. Dort war auch ein schöner Fluß vorhanden. Der Leutnant fuhr also hinein, während eine Menge Insulaner aus dem Gebüsch hervorguckten. Er ließ es nicht an freundlichem Rufen und Winken fehlen, da aber nicht ein einziger zum Herauskommen zu bewegen war, kehrte er nach dem Schiff zurück. Die Boote wurden eingehoben, und wir segelten bei gelindem Winde allmählich aus der Bai. Was Quiros von der Anmut und Fruchtbarkeit dieses Landes gerühmt, ist sehr begründet. Im Pflanzenreich würde unstreitig manche schöne Entdeckung zu machen gewesen sein, zumal da die Insel, Neuseeland ausgenommen, das größte Land, das wir bisher angetroffen, und außerdem noch von keinem Naturforscher besucht worden war. Allein das Studium der Natur wurde auf der Reise immer nur als Nebensache betrachtet, nicht anders, als ob der Zweck der ganzen Unternehmung nur darauf hinausliefe, auf der südlichen Halbkugel »nach einer neuen Kurslinie« umherzusegeln. Ein Glück war es, daß wenigstens dann und wann die Bedürfnisse der Mannschaft mit den Wissenschaften den gleichen Gegenstand hatten, sonst würden die letzteren vielleicht ganz leer ausgegangen sein.
Nachmittags wurde ein Haifisch gefangen, der uns am folgenden Tage eine frische Mahlzeit lieferte. In unserer kleinen Bibliothek fand sich beim Wegrücken einiger Bücher ein Skorpion, der vermutlich bei den Freundschaftlichen Inseln mit einem Bündel Pisangfrüchte an Bord gekommen war. Abends fingen wir einen Tölpel, der sich auf der großen Rahe niedergelassen hatte. Wir liefen nochmals in die Durchfahrt zwischen Mallikolo und Espiritu Santo, damit an der Umschiffung der letzteren Insel nichts fehlen sollte. Nunmehr hatten wir unser Ziel, den hier befindlichen Haufen von Inseln ganz zu umschiffen, völlig erreicht. Er bestand aus zehn großen und einer Menge kleiner Inseln, die von allen im Südmeer bekannten Inseln am weitesten nach Westen liegen, bisher aber noch von keinem Seefahrer untersucht worden waren und auch noch keinen allgemeinen Namen führten. Diesen erteilte ihnen Kapitän Cook, er nannte sie nämlich in Beziehung auf die an der Westküste von Schottland liegenden Hebriden die Neuen Hebriden. Diese Gruppe von Inseln, die wir innerhalb von sechsundvierzig Tagen nur obenhin untersucht hatten, scheint der Aufmerksamkeit künftiger Seefahrer wert zu sein, zumal wenn je wieder eine Reise in der rühmlichen Absicht unternommen werden sollte, die Wissenschaften zu fördern. Ich brauche nicht wie Quiros vorzugeben, daß hier großer Reichtum an Silber und Perlen zu finden sei. Er mußte freilich so sagen, um den eigennützigen Hof nur einigermaßen zu seinem großen Vorhaben anzuspornen. Jetzt aber sind dergleichen Lockungen gottlob nicht mehr so nötig. Schon haben die Mächtigsten unter den Herrschern Europas mehr als eine Reise nach entfernten Weltteilen veranstaltet, nur um die Wissenschaften und den allgemeinen Vorteil des Menschengeschlechts zu begünstigen. Sie scheinen endlich einmal inne geworden zu sein, daß sich für eben das Geld, das sonst zur Besoldung feiler Lustigmacher und Schmeichler erforderlich war, die glänzendsten Fortschritte, ja förmliche Revolutionen in den Wissenschaften erzielen lassen.
Nunmehr richteten wir unseren Lauf gegen Süden, um die Südsee in ihrer größten Breite, nämlich bis zur Spitze von Amerika zu durchkreuzen. So weit dieser Weg und so entkräftet unsere Mannschaft auch war, so hatte sich der Kapitän dennoch vorgenommen, auf der ganzen Fahrt nirgendwo anzulegen. Wäre dieser Plan zur Ausführung gekommen, dann hätten wir unfehlbar mehrere von unseren Leuten eingebüßt. Glücklicherweise aber hatten wir kaum drei Tage unseren Lauf eingehalten, als wir auf ein großes Land stießen, das noch kein Europäer gesehen hatte, und nun bekam der Rest unserer Unternehmungen im Südmeer auf einmal eine ganz andere Wendung.