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1. Fahrt von Dover nach Calais.
Am 29. Juni. Zur Rechten von Dover am Ufer ist Shakspeare's Felsen, zur Linken Dover Cliff, sehr abgestürzt. Auf der Fläche in der Mitte des Busens ist die Stadt gebaut, und hinter der Stadt sieht man wieder einen hohen Kreidefelsen, der nackt und fast ohne alle Vegetation ist. Am Ufer liegen unzählige abgerundete Feuersteine.
In dem Kanal gibt es unzählige Delphine. Phocaena, sechs bis sieben Fuß lang, die sich wälzen u. s. w. Sie sollen Sturm prophezeien, weil sie nur bei stiller See zum Vorschein kommen. Die Franzosen essen sie und machen auch Oel daraus.
Am Ufer findet man keine Conchylien, keine Zoophyten, auch bei Calais nicht, da sie doch bei Dünkirchen so häufig sind. Die Flut treibt sie wol durch den Kanal und wirft sie an die vorstehende belgische Küste.
Während der Ueberfahrt bei Sonnenschein bemerkten wir sonderbare leuchtende Punkte im Wasser, die eigenthümliches Licht zu haben schienen.
Die Ufer von Calais sind niedrig und haben nicht, wie die entgegengesetzten, vorstehende Kreidefelsen; daher kann man von Dover aus wol die hohen Felsen bei Boulogne, aber nicht die Küste von Calais sehen. Auf dieser Küste liegen auch keine Feuersteine.
2. Auf der Reise nach Paris.
Den 30. Juni setzten wir in einer plumpen, schweren, achtsitzigen, französischen Kutsche die Reise durch die Picardie fort. Die Kreideberge zu beiden Seiten des Kanals ähneln sich vollkommen. Welche Katastrophe zerriß sie? Abstürze auf beiden Seiten zeigen sich hier und da; doch mehr in einem fort an der englischen Küste.
Wir sahen den Ort, wo der unglückliche Pilatre de Rozier Jean François Pilâtre de Rozier (Forster's Schreibweise »Pilatre du Rosier« ist unrichtig), geb. 1756 zu Metz, Physiker, Professor am Athenäum zu Paris, machte daselbst die ersten größern Versuche mit Luftballons, 1783 die erste wirkliche Luftfahrt. Bei einem Versuche, mit einer von ihm ersonnenen Art Luftballon die Straße von Calais zu überschiffen, stürzte er bei Boulogne am 15. Juni 1785 mit seinem Genossen Romain aus 1700 Fuß Höhe herab; beide waren auf der Stelle todt. Anmerkung d. Hg. mit seinem Gefährten Romain hinunterstürzte. Seine Geliebte erwartete ihn in Dover, ward wahnsinnig und starb. Schon schwebte er weit über dem Kanal, als plötzlich der Wind sich in der obern Region änderte und ihn wieder über das Land führte. Auf einmal sah man den Ballon Feuer fangen und stürzen.
In Boulogne sur Mer, einer ziemlich großen Stadt, an einem kleinen unbequemen Fischerhafen, frühstückten wir. Die unendliche Munterkeit der französischen Soldaten in einer Schenke, uns gegenüber, ergötzte uns sehr. Sie sangen ohne Aufhören. Der Franzose, der bei uns war, ließ von Zeit zu Zeit aus dem Wagen oder aus dem Fenster des Gasthofs ein lautes » Vive la Nation!« erschallen, welches mit allgemeinem Jauchzen erwidert ward.
Die Kutsche fährt langsam, höchstens anderthalb Lieues in einer Stunde. – Der Weg ging durch eine schöne, reich bebaute, offene Gegend. Die Landschaft hat einen andern Charakter als die englische, weil die Felder nicht mit lebendigen Hecken umzäunt sind.
Zwischen Abbeville und Amiens ist ein großer Torfmoor. Den Jahrmarkt, der eben in Amiens war, fanden wir sehr ärmlich und hörten große Klage über den Stillstand der Plüchefabriken und anderer Wollmanufacturen, wegen des Commerztractats. Die Stadt ist ansehnlich und hat schöne Promenaden.
Es gibt in der Picardie viel englische Schafe. Die beste Wolle findet man bei Calais; doch ist sie schlechter als die englische. Liegt die Ursache hiervon im Klima? Schwerlich. Oder in der Behandlung? der Fütterung? Die Weiden sind hier freilich gewiß schlechter als am Avon.
3. Rückreise von Paris.
Von Paris reisten wir den 6. Juli über Livry und Cloye nach Meaux, welches eine alte, sehr schöne Kathedralkirche hat. Die Straße ging durch eine reiche Gegend, mit schönem Anbau und einer herrlichen Allee von Bäumen längs dem Wege. – La Ferté sous Jouarre ist hübsch gelegen. Hier gibt es viel Berge, Sandstein; wenig Anbau. Die Marne und ihre Ufer sind sehr schön. Bei La Ferté ist eine Manufactur von Mühlsteinen – Château-Thierry hat eine herrliche Lage. Ein großes Thal der Marne, in welchem die Stadt und die Masse von Thürmen aus dichtem Gebüsch hervorragen. Das Schloß steht in der Mitte auf einem Hügel. Die besonders schönen Ulmen machen die Aussicht vorzüglich pittoresk und reich. Der Fleiß und die Arbeitsamkeit des Landvolks in dieser Gegend geben gute Hoffnungen für die Zukunft, wenn es Früchte seiner Arbeit ernten wird und sie nicht mehr von andern verschlungen sein werden.
Den 7. Juli. Wir fuhren um 3 Uhr ab. Die gestrige Diligence von Metz war voll Deputirter, die nach Paris zogen; auch begegneten uns viele Extraposten mit diesen Herren. Ein reizendes Thal von weitem Umfange öffnete sich vor uns, mit Kalkhügeln umgeben, worauf der Weinbau sehr stark getrieben wird. Die Hügel sind schön gelegen und haben einen vortheilhaften Abhang; ihr kreideartiger Boden scheint ebenfalls dem Weinbau zuträglich zu sein. Im Thale, welches eine große, breite und mehrere Meilen lang zwischen den Hügeln sich hinziehende Ebene bildet, schlängelte sich die Marne zwischen Sandufern wie ein Band von Silberstoff, indem die Morgensonne sie beschien. Die Aecker, Wiesen und Triften dieses Thals sind von großem Reichthum und unbeschreiblicher Schönheit; über die Rebenhügel ragt ein höherer, wieder mit Korn bebauter Rücken hervor, der oben mit Waldung und zuweilen mit Städten und Dörfern gekrönt ist. Dieses Thal reicht bis Epernay, welches sehr malerisch am Fuße der östlichen Hügel liegt, wo sie sich auf einer unabsehlichen Ebene verlieren. Wir erreichten diesen Ort um 10 Uhr und setzten uns schon halb elf zu Tische, nachdem wir etwa zwölf Lieues zurückgelegt hatten. Nach Châlons flogen wir auf einer acht Lieues langen Ebene von herrlichem Getreidebau, und um 4 Uhr kamen wir dort an, um unser Nachtlager zu halten. Châlons hat alte, schöne Kirchen; ein prächtiges Hôtel de Ville; eine schöne, feste, einfache Brücke über die Marne; schöne, regelmäßig angepflanzte Promenaden; viele gute Gebäude. Aber die Straßen sind todt und die Einwohner fehlen. Ueberhaupt gibt es in Frankreich mehr große Städte als in England. Aber der Schmuz in den Wirthshäusern, die schlechte Bedienung, das grobe Tischzeug machen das Reisen hier ungleich beschwerlicher. Das Volk in dieser Gegend ist im ganzen phlegmatischer als in der Picardie. Man findet im allgemeinen unter den Franzosen vielleicht weniger Naturgaben, Phantasie ausgenommen, als unter den Engländern, aber mehr Cultur durch gesellschaftlichen Umgang; daher mehr Leichtigkeit und Artigkeit, und zugleich mehr Gleichgültigkeit gegen Reinlichkeit, Bequemlichkeit u. s. w., weniger Luxus.
Den 8. Juli. Die Ebene geht gegen sechs bis acht Lieues fort; sie ist überall bebaut und man sieht fast nirgends einen Baum. Ein fünfviertel Lieues langes Dorf liegt längs dem Wege in einiger Entfernung rechts an einem Bach, überall mit Pappeln und Weiden umgeben, die denn hier zur Feuerung dienen. Das Erdreich ist hier sehr arm; kaum drei bis vier Zoll tief, so ist man auf der Kreide. Daher wird schnell gepflügt und viel bestreift; es scheint viel brach zu liegen.
Man brennt in der hiesigen Gegend Steinkohlen, die unweit Ste.-Ménéhould und bei Troies gegraben werden. Bei Ste.-Ménéhould, zehn Lieues von Châlons, fängt es wieder an hügelig zu werden. Ein Wald von Obstbäumen erstreckt sich fast ein paar Lieues zwischen Ste.-Ménéhould und Clermont; dieser letztere Ort verkauft in guten Jahren für 12000 Livres Kirschen. – Auf den Bergen von Clermont findet man schöne Waldungen, wovon die vielen Glashütten um Clermont guten Gebrauch machen. Das Erdreich ist grauer Kalkmergel.
Von Clermont, wo wir zu Mittag aßen, bis Verdun, fährt man fünf Lieues und über ein Mergelgebirge, welches aus langgestreckten, wogigen Rücken besteht und wovon das Gestein näher nach Verdun zu immer grauer wird und in Thonmergel überzugehen scheint. Hier liegt sehr viel Land brach, weil das Erdreich nicht ergiebig ist. Man sieht indeß doch schöne, reiche Saaten, welche oft ganze Ebenen oder Rücken meilenweit, ohne etwas, das den Anblick unterbricht, bedecken. Bei Verdun liegen einige sehr schöne Rebenhügel, worauf guter Wein wächst. Verdun ist kleiner als Châlons, aber ungleich schöner gelegen und besser gebaut. Die Festungswerke werden nicht mehr unterhalten. Die Stadt liegt auf Hügeln, die Citadelle sehr hoch. Die Maas fließt langsam mitten durch die Stadt. Die Wälle, die mit Linden und Hagebuchen herrlich bepflanzt sind, machen den schönsten Spaziergang; die Citadelle mit ihren hohen Wällen und Gräben und schönen Gebäuden, der Fluß, die Stadt unter den Füßen – geben ein schönes Gemälde. In Verdun macht man berühmte Dragéen von allerlei Art. Der bischöfliche Palast, das Hôtel de Ville und einige Kirchen sind in der That nicht übel.
Den 9. Juli. Bis Mauheule kamen wir über ebenes, wogiges, schön bebautes Land. Die hohe Ebene ist schön gelegen. Hier gibt es keinen Weinbau, aber köstliche Wiesen und Aecker.
Von Mauheule bis zu dem Dorfe, wo wir zu Mittag aßen, hatten wir meistens dieselbe Gegend. Schönen Effect machen in Lothringen die flachwinkeligen Dächer. Ueberhaupt sind die Dörfer hübsch, und es scheint Wohlstand unter den Leuten zu sein. In Mauheule wollte man für ein Butterbrot nichts von uns nehmen.
Wir langten um halb 3 Uhr in Metz an. Ungefähr anderthalb Lieues vorher kommt man durch eine tiefe Schlucht, welche zum Theil durch einen zwanzig bis dreißig Schuh hohen Steindamm ausgefüllt ist, über einen Bergrücken, an dessen jenseitigem, jähem Absturz sich das weite schöne Moselthal öffnet. Hier zeigten sich viele schöne Dörfer in Gärten gelegen, Nußbäume, köstliche Rebengebirge ringsum; eine herrliche Aussicht auf die Mosel und Metz. In der Schlucht ein fester splitteriger, hornartiger Sandfels, darüber gelber Sandstein mit Austerschalen, die noch ihr Email hatten. Metz ist eine schöne, große und gutgebaute Stadt. Das Gouvernement ist prachtvoll, der bischöfliche Palast unvollendet. Um die alte Kathedralkirche gehen viele Alleen, Gräben und Wälle. Die Festung wird für die beste in Frankreich gehalten.