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Finsterling Uhu, der stärkste Vertreter des Eulengeschlechts, teilt mit dem Steinadler den gefährlichen Ruhm, der gewaltigste Räuber unserer heimischen Vogelwelt zu sein. Gibt doch das Uhuweibchen dem Steinadler an Größe tatsächlich nur wenig nach, ja, wenn es im Zorne alle seine Federn sträubt, die übrigens bei manchen Völkerschaften Mittelasiens als geschätzte Schmuckfedern gelten, dann erscheint es fast noch größer. Die Flügellänge europäischer Uhuweibchen, die auch an dem stärkeren Schnabel und den längeren Zehen von den kleineren und schwächeren Männchen zu unterscheiden sind, beträgt 465-490 mm, die der Männchen 430-465 mm. Das durchschnittliche Gewicht der Weibchen beträgt 3½, das der Männchen nur etwa 3 kg. Anscheinend kann der Vogel ein ziemliches Alter erreichen; wenigstens lebte ein ungarischer Hüttenuhu volle 32 Jahre in seinem Verschlag, und in freier Natur dürfte diese Zahl wohl noch wesentlich überschritten werden, wenn nicht Pfahleisen oder Blei ein verfrühtes Ende herbeiführen. Je nach Grundfärbung, Fleckung und Schwingenverhältnissen unterscheiden die Vogelforscher beim Uhu eine ganze Reihe geographischer Rassen, jedoch ist Hartert der Ansicht, daß ganz Europa von Skandinavien und Nordrußland bis zu den Pyrenäen, Italien und Griechenland von einer einheitlichen Form bewohnt wird, während Reichenow auch diese noch in mehrere Rassen aufsplittern möchte. Ich selbst kann allerdings skandinavische Uhus von deutschen unterscheiden, nicht aber diese von ungarischen. Gut kenntliche Rassen sind jedenfalls der turkmenische und der nordafrikanische Uhu.
Macht der Uhu auf den ersten Blick auch einen etwas abenteuerlichen Eindruck, so muß man ihn bei näherer Betrachtung doch entschieden als schön erklären. Man schaue ihm nur einmal in die prachtvollen, goldgelben, feuersprühenden Glotzaugen mit ihrem magischen Phosphorglanz, denen weder bei Tag noch im Dunkel der Winternacht die kleinste Beute entgeht; man bedenke, daß die absonderlichen Ohrbüschel auf unglaubliche Entfernung hin das leiseste Geräusch auffangen, man betrachte das weiche, üppige Gefieder mit seiner feingemusterten Zeichnung und großartigen Schutzfarbe, die gewaltigen, breiten Fittiche, die furchtbaren Waffen, die unheimliche Kraft und Sicherheit, mit der sie geschwungen werden, – und dann wird man zugeben müssen, daß die Natur im Uhu nicht einen häßlichen Kobold, sondern ein Meisterwerk von höchster Vollendung und eigenartiger Schönheit schuf. Frau Sage hat ein düsteres Märchengewebe um den geheimnisvollen Sonderling gewoben. Jedes Kind kennt ja den Uhu, aber nur die allerwenigsten Menschen haben ihn in freier Natur wirklich gesehen. Aber sein abenteuerliches Aussehen, seine nächtlichen Raubritterstreiche, sein waghalsiger Mut und seine unheimliche Stimme haben ihm im Verein mit allerlei gespenstischen Sagen zu einer gewissen Berühmtheit verhalfen, die durch alle Schichten des Volkes reicht. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Uhu mit am meisten zur Entstehung der weitverbreiteten Sage vom wilden Jäger beigetragen hat. Man begreift das, wenn man einmal in einer stürmischen Frühlingsnacht zwei eifersüchtige Uhumännchen sich balgen sah. Heftige Schwingenschläge, wütendes Fauchen, Zischen und Schnabelknappen, freches Kichern und heiseres Kreischen! Die dumpfen Rufe durchlaufen dabei alle Stufen von Zorn und Wut, Ingrimm und Ärger, Bosheit und Tücke und endigen schließlich in einem entsetzlichen Siegesgeheul. wenn der erregte Vogel sein üppig volles Gefieder zu einem unförmlichen Federball aufbläst, wenn gleichzeitig seine riesigen Augen wie zwei Feuerräder grünlich geisterhaften Phosphorglanz sprühen, wenn sein schauerliches Rufen im Verein mit Schlangengezisch und Gefauche die Abendstille durch eine gräßliche Musik unterbricht, dann denken ängstliche und abergläubische Gemüter wohl leicht an das Konzert rasselnder Totengerippe zur Mitternachtsstunde auf dem alten Friedhof, wie es in der dörflichen Spinnstube so oft und so anschaulich geschildert worden ist. Dann gruselt's solche Menschen!
Die Forscher aus der klassischen Zeit der deutschen Vogelkunde, auch noch Eugen von Homeyer und Altum, kennen den Uhu alle noch als einen ganz regelmäßigen Brutvogel in den weitaus meisten Gegenden unseres Vaterlandes, obgleich sich schon ein Rückgang bemerklich machte. So schreibt Gloger in seiner 1834 erschienenen »Naturgeschichte der Vögel«: »In Deutschland, etwa das Saaletal ausgenommen, fängt der Uhu, wie in allen kultivierten Staaten, bereits an, etwas selten zu werden.« Noch in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts war der Uhu in vielen Gegenden eine durchaus nicht besonders seltene Erscheinung. Das ist leider ganz anders geworden, und namentlich seit der Jahrhundertwende hat nahezu überall eine geradezu erschreckend rasche Abnahme des »Königs der Nacht« eingesetzt, die sein völliges Aussterben in sehr absehbarer Zeit befürchten läßt. Schonungslose Verfolgung hat die majestätische Eule schon heute in den meisten Gegenden Mitteleuropas völlig vernichtet und die spärlichen Reste in die finstersten Waldungen der Ebene oder in die abgelegensten Felsengebiete der Gebirge zurückgedrängt, wo der Vogel vollends zum menschenscheuen Einsiedler geworden ist. Das Herz krampft sich einem förmlich zusammen und die Schamröte steigt einem ins Gesicht, wenn man dieses widerwärtige Trauerspiel in seinen Einzelheiten näher verfolgt, wenn man etwa in den letzten 25 Jahrgängen der Jagdzeitschriften all diese selbstgefälligen, schieß- und fangwütigen Ausrottungsberichte zusammenstellt. Es ist immer und überall dieselbe lausige Geschichte: Irgendwo haust noch in stiller Abgeschiedenheit ein einsames Uhupaar. Es wird ausfindig gemacht, und alljährlich werden ihm nun schonungslos sämtliche Eier oder Junge weggenommen, bis schließlich auch die alten Brutvögel kaltblütig abgeknallt werden. Schluß! Wieder ein deutscher Uhubrutplatz weniger! Wen kümmert's groß? Das ist selbst in neuester Zeit kaum anders geworden, obwohl der aussterbende »König der Nacht« heute als Naturdenkmal gesetzlich geschützt ist. Über solche Gesetze stehen ja bekanntlich nur auf dem Papier, und die große Mehrzahl der Auchjäger schert sich den Teufel darum.
Vergegenwärtigen wir uns nun einmal an der Hand der Jagd- und Fachpresse, wie sich die Ausrottung des Vogels in den früher uhureichsten Gegenden vollzogen hat, und suchen wir zugleich festzuzustellen, wo heute in Mitteleuropa Uhus überhaupt noch brüten. In Mecklenburg war der Uhu früher namentlich in den südlichen und südöstlichen Teilen des Landes verbreitet, zählt aber heute gleich dem Steinadler zu den ausgestorbenen Vogelarten. Selbst aus den großen Waldungen der Rostocker Heide ist er heute völlig verschwunden. Die letzten Brutpaare horsteten zu Beginn dieses Jahrhunderts bei Speek in der Nähe von Röbel, bei Testorf und bei Ankershagen. An letztgenanntem Platze wurde noch Anfang 1916 ein Uhu erlegt, der aber wohl nur ein gattenlos herumstreichender Durchzügler war. In Pommern war der Uhu nach C. F. v. Homeyer in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts »nicht selten« und kam namentlich in den großen Kiefernwäldern der östlichen Landesteile noch »oft genug« vor. Heute hört man so gut wie nichts mehr von pommerschen Uhus. Auch in Ostpreußen war der Uhu noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts durchaus keine Seltenheit. Bekannte Horstplätze waren z. B. die Oberförsterei Fritzen im Samland, ferner die Gegenden von Memel, Heydekrug, Sorquitten, Ibenhorst, Trygallen, Norkitten, Wehlau u. a. Auf den Treibjagden wurden häufig nebenbei auch Uhus erlegt, und der bekannte Königsberger Präparator Künow hatte oft ein halbes Dutzend und mehr gleichzeitig zum Abbalgen daliegen. Ich selbst kannte einen Horst, der auf einem gar nicht besonders hohen Baume stand. Damals wurden immer nur zufällig Uhus geschossen oder gefangen, die alteingesessenen Brutpaare dagegen sorgfältig geschont, schon der wertvollen Jungen wegen. Oberst Bielitz schreibt, daß dies auch heute noch so sei und daß infolgedessen ein wesentlicher Rückgang der ostpreußischen Uhubestände nicht eingetreten sei, zumal in den endlosen, einsamen Waldungen so mancher Horst überhaupt nicht aufgefunden werde. Neuerdings gibt der bekannte Zoologe Szielasko an, daß der Uhu in Masuren und Litauen noch regelmäßiger Brutvogel sei, besonders aber in der »Niederung«, wo er geradezu als häufig gelten könne. Tischler schätzt den gegenwärtigen Uhubestand Ostpreußens auf 19 bis 20 Horstpaare. Nach alledem scheint es also, als ob wir in Ostpreußen die uhureichste Provinz Deutschlands vor uns haben, wenn auch in neuester Zeit ein bedenklicher Rückgang, namentlich in Masuren, leider nicht zu verkennen ist.
Als eine besonders uhureiche Gegend galt früher auch der Harz, dessen natürliche Beschaffenheit sich ja hervorragend für diesen Vogel eignet. Aber es ist zu unruhig in dem schönen Gebirge geworden, und so wird auch hier dem Finsterling bald die Todesstunde geschlagen haben, wie ja allen großen und eigenartigen Vögeln von der sogenannten Kultur bald der Garaus gemacht wird. Im Oberharz ist der Uhu heute bereits ausgerottet und im Unterharz horstet noch ein einziges Paar, Förster Plate glaubt, daß doch noch mehrere Paare vorhanden sind. dessen Standort sich nach Smalian in schwer zugänglichen Seifen bei Schloß Falkenstein befindet, von einem der letzten Horste berichtet Oberförster Robitzsch aus Ballenstedt. Der Horst stand in einer tiefen Felsspalte eines seit Jahren unbenutzten Steinbruchs etwa 15 m über der Steinbruchsohle. 1912 wurde der Steinbruch vorübergehend wieder in Betrieb genommen, aber erst als die Arbeit schon mehrere Wochen gedauert hatte, verriet einer der alten Uhus den Horst dadurch, daß er einmal bei verfrühtem Eintreffen der Leute aus der Felsplatte heraus abstrich. Das Gefieder der Uhus stimmte nämlich in seiner rostbraunen Farbe so vorzüglich mit dem Grauwackengestein überein, daß man von der Steinbruchsohle aus selbst mit dem Jagdglase die Vögel nicht von ihrer Umgebung unterscheiden konnte. Die jungen Uhus saßen etwa 1½ m tief in der Spalte und mußten erst mit Hilfe eines Spatens aus ihrem Versteck hervorgeholt werden. Oberförster Robitzsch schenkte ihnen erfreulicherweise die Freiheit. Neueren Nachrichten zufolge ist dieser Horst nicht mehr bewohnt. Auch Wichfeld erzählt noch 1916 von einem Harzer Uhuhorst, der gleichfalls in einem alten Steinbruch unter einem überhängenden mächtigen Felsblock sich befand und nur mit Hilfe des Seiles zu erreichen war. Er enthielt drei Junge, die den Kletterer mit wütendem Schnabelknappen begrüßten, übrigens ohne jede Nestunterlage in einer flachen Geröllmulde saßen und einen Hamster, eine Fasanenhenne sowie mehrere Karnickel und Igel zur gefälligen Auswahl vor sich liegen hatten. Der alte Uhu hakte gewöhnlich in einer hohen alten Fichte auf, die dem Steinbruch gegenüberstand, und ließ von hier aus seinen dumpfen Ruf erschallen. Auch im nächsten Jahre enthielt der Horst wieder zwei Eier, aber seitdem scheint er verlassen zu sein, und man hat über das Schicksal dieses Paares nichts mehr gehört.
Ähnlich günstige Verhältnisse wie im Harz boten sich dem Uhu in der Sächsischen Schweiz mit ihren steilen und stark zerklüfteten Sandsteinfelsen. Bei der schweren Zugänglichkeit dieser Felswände hat sich der Uhu hier etwas besser gehalten, und es brüten auch heute noch alljährlich mehrere Paare zwischen Schandau und Pirna. In den Schrammsteinen wurde 1889 ein junger Uhu aufgefunden, der aus dem Horste herausgefallen war. Loos sah 1904 drei Jungvögel, die im Schulzengrunde ausgehoben worden waren. Im übrigen Sachsen aber ist der Uhu als Brutvogel heute ausgestorben, auch im Erzgebirge sowie bei Zittau, wo früher (bis 1889) in den Wänden des Oybin immer zwei bis drei Paare horsteten. Nur als Strichvogel wird hier und da noch einmal ein Stück erlegt. – Im Fichtelgebirge sollen noch 1914 zwei Jungvögel einem Horste entnommen worden sein. Im Spessart kam der Uhu nach Behlen schon 1843 nur noch in vereinzelten Paaren vor, während er früher in den einsamen Waldungen dieses Gebirgszuges geradezu häufig genannt werden konnte. Die zunehmende Beunruhigung der Forsten und die rücksichtslose Waldverwüstung haben ihn ebenso vertrieben wie den Schwarzstorch, und die Naturschutzbewegung kam im Spessart zu spät. In den 70er Jahren war der Uhu noch Standwild in den Kalkfelsen bei Mühlbach, wo jetzt Zementfabriken ihre Steinbrüche haben. 1875 brütete der Uhu noch auf der Benediktenhöhe und in den 80er Jahren zwischen Mittelstadt und Karlstadt, bei Wertheim und sogar auf der Marienfeste in Würzburg. Alle diese Paare wurden durch Abschuß des einen Gatten vertrieben, und heute ist der Uhu aus der Liste der Spessart-Brutvögel zu streichen. Hoffmann sah den letzten 1918 bei Eulenheim im Werratal.
Ein weiterer bevorzugter Wohnplatz des Uhus war von jeher das obere Saaletal, und der herrliche Vogel kommt dort auch heute noch horstend vor. So nistet ein paar regelmäßig auf dem Weißenfelsen am rechten Saaleufer unweit Rudolstadt und wird dort erfreulicherweise geschont. Ein anderer Horst steht unter hängendem Gestein in den Wippen des Thälendorfer Reviers und enthielt am 19. Juni 1915 drei kräftige Dunenjunge. Ebenso werden Dornburg und bis 1893 auch der Robersfelsen bei Burgk a. d. Saale als Brutplätze genannt. Auch der »Uhustein« an der Saale trägt seinen Namen nicht umsonst. Ja selbst in der unmittelbaren Nähe von Jena befand sich bis in die neueste Zeit hinein ein besetzter Uhuhorst, aber leider wurde das Brutpärchen von den Jagdpächtern hart verfolgt, obwohl es ausschließlich auf der Hochebene jagte und hier fast nur Kaninchen und Hamster schlug, die dort eine wahre Landplage bilden. – Auch am Rhein haben sich noch spärliche Restbestände des Uhus erhalten, da, wo der Strom die ihm den weg versperrenden Gebirge durchbricht und infolgedessen Steilabstürze vorhanden sind. Altbekannt ist z. B. ein Uhuhorst bei St. Goarshausen, der schon seit vielen Jahren von der Forstverwaltung als Naturdenkmal beschützt wird. Auch am Loreleifelsen kann man noch ab und zu Uhus sehen, die vielleicht dort horsten. Ein anderer Felsvorsprung am Rhein heißt im Volksmunde geradezu »Uhusnack«. Auch auf steilen Felswänden bei Bacharach hat sich der Uhu lange gehalten, bis 1916 das Weibchen des Horstpaares abgeschossen wurde. Genau ebenso ging es um die gleiche Zeit dem seit vielen Jahren bei Münstermaifeld brütenden Uhupaar. Auf einem fast unzugänglichen Hang bei Mayschoß im Uhrtal stand ein Uhuhorst, dem 1910 und 1913 ein Farnkrautsammler je zwei fast flügge Junge entnahm, um sie an Elberfelder Hüttenjäger zu verkaufen. Ein seit mehreren Jahren verlassenen Uhuhorst bei Altenahr wurde 1912 wieder bezogen, mußte aber gleichfalls seine beiden Jungvögel hergeben. Er steht auf einem hohen Basaltfelsen im Denntale, einem Nebental des Uhrtales. Der bekannte Ornithologe König in Bonn erhielt Uhueier aus dem Ahrtale und vermutet dort noch mehrere Brutpaare. Im Sauerlande und auch im Roertale, wo er sich bis 1890 hielt, ist der Uhu heute als Brutvogel ausgestorben, wenn auch ab und zu noch herumstreichende Stücke erlegt werden. Dagegen finden sich auf den Hängen der Eifel nach dem Moseltale zu noch besetzte Uhuhorste. Le Roi nennt solche von Burg Eltz, Karden, Kochem und Trarbach.
Im Thüringer Wald ist der Uhu wenigstens noch nicht gänzlich ausgestorben. Annenhöfer schreibt 1913: »Schon seit Jahren war einem Teil der hiesigen Sägerei das Vorhandensein eines Uhupaares sowie dessen Horst im ›Zeiher‹, einem schroffen Talkessel mit 50 bis 100 m hohen Hängen an den Nordfuß der Reinsberge grenzend, bekannt. Die beiden Jungen wurden voriges Jahr geraubt und sind dieses Jahr für gutes Geld als fertige lebende Jagduhus in die Welt gewandert. Leider fiel letztes Jahr das Weibchen den Schroten eines Jägers in Dosdorf zum Opfer. Trotzdem scheint es dem Männchen gelungen zu sein, wieder eine Gefährtin zu finden, denn vorige Woche haben Bekannte von mir zwei Arbeiter getroffen, die wieder zwei Uhus ausgenommen hatten.« Neueren Nachrichten zufolge war dieser Arnstadter Horst auch in den letzten Jahren noch besetzt. An der Heilsberger Felswand bei Stadt Remda horstete nach elf Jahren 1910 zum ersten Male wieder ein Uhupaar, das leider ungastlichen Empfang fand, da man ihm die Jungen aus dem Neste raubte. Die altbekannten Horstplätze am Iltenberg bei Themar und im Melkerser Felsen bei Meiningen sind längst verödet. In ganz Hessen und dem angrenzenden Waldeck gibt es nur noch ein bis zwei Brutpaare, die aber baldigem Untergang geweiht sind. Aus der Provinz Hannover war der Uhu nach Löns schon vor dem Weltkriege völlig verschwunden. Dagegen hat die wild- und waldreiche Mark Brandenburg immer noch eine Reihe Uhuhorste aufzuweisen, namentlich in der stillen Neumark. Förster Rüdiger schickte mir von dort eine Anzahl Gewölle, die von einem Horste stammten, der merkwürdigerweise inmitten einer bewohnten Reihersiedlung errichtet war. In Schlesien gab es früher Uhus genug im Riesengebirge, Altvater, Heuscheuer, Oberschlesien usw., aber die Bestände haben sich seit Mitte des vorigen Jahrhunderts mit so rasender Schnelligkeit vermindert, daß heute in der ganzen, sonst so vogelreichen Provinz kein einziger sicherer Uhuhorst sich mehr nachweisen läßt. Allerdings werden noch ab und zu einzelne herumstrolchende Uhus erlegt, aber es handelt sich dabei wohl allermeist um Zuzügler aus den Karpathen.
Dagegen ist der Uhu nach Gengler trotz aller Verfolgungen immer noch vereinzelter Brutvogel in Mittelfranken. Es kommt ihm zustatten, daß die Krähenhütte dort wenig betrieben und gewöhnlich ein ausgestopfter, mechanisch bewegter Uhu dabei verwendet wird. Ich selbst erhielt bis in die neueste Zeit öfters Uhugewölle aus der Fränkischen Schweiz zur Untersuchung. Gengler führt die Gegenden von Altdorf, Hersbruck und Hartenstein als noch heute besetzte Brutplätze an. Forstmeister Eulefeld schreibt mir von einem bewohnten Uhuhorst unweit Heiligenstadt in der Fränkischen Schweiz. Leider wurden die Eier öfters durch »Wandervögel« geraubt. Aber 1925 und 1926 kamen die Jungen hoch, da der Jagdherr, Graf Staufenberg, den Horst unter seine besondere Obhut genommen hat. Früher war der Uhu in dem bergigen und felsigen Altmühltal verhältnismäßig häufig anzutreffen und horstete ständig bei Arnsberg und bei Kipfenberg, ist aber jetzt dort ausgestorben. Der letzte wurde nach Graf Geldern 1890 dort geschossen. Ein schönes, altbekanntes Pärchen starb 1910 durch Berührung mit dem Leitungsdraht eines Kraftwerkes, den es sich zum Hochzeitsbette auserkoren hatte. In der Oberpfalz soll bei Breitenbrunn noch ein vereinzeltes Uhupaar horsten. Aus den südbayrischen Mösern ist der schöne Vogel leider schon völlig verschwunden; nur selten noch verstreicht sich einer vom Gebirge her in die Randmöser. Im bayrischen Hochgebirge ist der Uhu zwar noch regelmäßiger Brutvogel, aber doch schon überall eine bemerkenswerte Seltenheit. Glücklicherweise wird er in manchen Gegenden jetzt wirklich geschont. Über das Vorkommen des Uhus in Württemberg sind wir neuerdings durch eine sorgfältige Arbeit Pfeiffers vorzüglich unterrichtet worden. In dem durch seine großen Waldungen und schönen Felsentäler für ihn sehr geeigneten Schwabenländle bewohnte die große Eule noch beim Ausgang des vorigen Jahrhunderts die gesamte Alb sowie beträchtliche Teile des Schwarzwaldes. In diesem kommt sie heute als Brutvogel nicht mehr vor. Über das Schicksal der letzten Paare hören wir: Auf der Schloßruine von Nagold hausten bis 1896 zwei Paare, bei Teinach in der Ruine Waldeck bis 1900 ein Paar, von dem dann der eine Gatte durch einen Bauern abgeknallt wurde. Ein dritter Schwarzwaldbrutplatz befand sich bis 1894 auf einem Felsen im Enztale bei Sprollenhausen, wo die Brutvögel von Bauern getötet und die Brut selbst vernichtet wurde. Im Alpirsbacher Stadtwald hielt sich der Finsterling am Beilstein bis 1885 und verschwand dann nach erfolgter Plünderung des Horstes auf Nimmerwiedersehen. Der Rottweiler Stadtwald hat sogar bis 1910 den Uhu beherbergt, obwohl ihm alljährlich die Jungen weggenommen wurden. Leider wurde dann der eine Vogel zufällig auf einer Treibjagd abgeschossen, und so wurde auch dieser letzte Brutplatz im württembergischen Schwarzwald verlassen. Häufiger war der Uhu von jeher auf der Schwäbischen Alb, ganz besonders aber im oberen Donautal mit seinen großartigen Felswänden. Freilich ist es auch hier mit dem Bestände rasend schnell bergab gegangen, und die mittlere sowie die östliche Alb, wo früher der Vogel geradezu häufig war, sind heute uhufrei. Aber wenigstens in der westlichen Alb ist er heute noch Brutvogel, und zwar nicht mit einem einzigen Paare, wie man in den Kreisen der Vogelfreunde allgemein annahm, sondern die genauen Nachforschungen Pfeiffers haben die erfreuliche Tatsache ergeben, daß immerhin noch fünf Horstpaare vorhanden sind (Zwiefalten, Balingen, Sulz, Ebingen, Donauschleife zwischen Fridingen und Mühlheim). 1890 freilich waren es mindestens 55, 1907 immerhin noch 20. Der Bestand ist also innerhalb 35 Jahren auf den elften Teil zusammengeschmolzen! Verwundern kann das freilich nicht, wenn man hört, daß noch 1903 im Lenninger Tal nicht weniger als sechs Uhus im Pfahleisen gefangen wurden. Allein das herrlich gelegene Urach hatte um die Jahrhundertwende noch drei bis vier Brutpaare aufzuweisen. Einer der alten Horste stand bei Vierlingen ganz bequem zugänglich auf einer Geröllhalde und wurde natürlich alljährlich ausgeplündert, bis die Vögel die Sache doch schließlich satt bekamen. Als besonders empfindlich erwies sich das Brutpaar am Lichtenstein, denn es verschwand 1908, als man einen Gehweg am Fuße des Horstfelsens angelegt hatte.
Ebenso genau wie über die Uhus Württembergs sind wir über diejenigen Böhmens unterrichtet durch eine eingehende Arbeit des Forstmeisters Kurt Loos. Während vor wenigen Jahrzehnten noch mindestens 50 Uhupärchen in Böhmen horsteten, konnte er 1907 nur noch 18 aufführen mit der Bemerkung, daß auch dieser geringe Bestand sich beständig vermindere, da alljährlich etwa zehn alte Vögel abgeschossen oder im Pfahleisen gefangen und etwa 35 Jungvögel für die Krähenhütte ausgehoben würden. Am zahlreichsten fand Loos den Uhu noch in der Gegend von Aussig. Wiederansiedlungsversuche bei Horowitz hatten leider nur vorübergehenden Erfolg, da die Schießlust der »Jäger« nicht zu bändigen war. Neuere Nachrichten führen gar nur noch zwei böhmische Uhuhorste auf am Stellnitzer Berg und am Schlagniger Berg bei Bilin. – In den Gebirgsgegenden Deutsch-Österreichs liegen die Verhältnisse ähnlich wie in Oberbayern, d. h. der Uhu kommt zwar noch horstend vor, ist aber überall eine Seltenheit und in weiterer Abnahme begriffen. Bekannte Horstplätze befinden sich z. B. im Thayatal, im Zillertal, im Kremstal, bei Gastein usw. Auf den Besitzungen des »Vereins Naturschutzpark« im Stubachtal hat der König der Nacht nunmehr eine geschützte Zufluchtstätte gefunden, aber leider wird so mancher jenseits der Grenzen in den widerwärtigen Pfahleisen weggefangen, die unbedingt gesetzlich verboten werden sollten. In der Statistik des österreichischen Ackerbauministeriums für 1896 werden allerdings noch 1902 in den cisleithanischen Provinzen erlegte Uhus aufgezählt, aber es steht zu vermuten, daß ein großer Teil dieser angeblichen Uhus ganz gewöhnliche Waldohreulen gewesen sind. Zahlreicher wird der Vogel dann in den heute zu Jugoslawien gehörigen Teilen von Kärnten und Krain sowie in Dalmatien, wo er sich auch auf manchen Inseln ansiedelt, selbst auf unmittelbar zum Meer abstürzenden Felsen. Im Balkan, z. B. in Montenegro, ist er noch eine häufige Erscheinung, wovon ich mich erst im Frühjahr 1926 wieder selbst überzeugen konnte. Es kümmert sich dort eben niemand groß um den Finsterling, und das ist die Hauptsache für sein Gedeihen. Ludwig von Führer konnte in Montenegro innerhalb eines Jahres 16 Uhus erlegen. Auch in den Karpathen gibt es noch Uhus genug, obschon dort bereits die Verfolgung eingesetzt hat, ebenso in Galizien und Ungarn, wo sie mit Vorliebe auf den vogelreichen Donauinseln brüten. Daß es den endlosen Waldungen des inneren Rußlands nicht an Uhus fehlt, bedarf wohl kaum besonderer Erwähnung. In England ist unser Vogel längst ausgerottet, das felsenlose und baumarme Holland bietet ihm keine geeignete Stätte und in Frankreich ist er eine große Seltenheit. In der Schweiz ist er aus den Ebenen und dem Vorgebirge, wo die Niederjagd eine Rolle spielt, in die höheren Lagen zurückgedrängt worden, verhältnismäßig zahlreich soll er in den südlichen Kantonen vorkommen, während er im Solothurner Jura nach von Burg heute ausgestorben ist. Im Kanton Graubünden sollen von 1900 bis 1904 zwölf Uhus geschossen worden sein.
Fragen wir nach den Gründen des fast allenthalben sich bemerkbar machenden Rückgangs, so ist neben der fortschreitenden Kultur, der Beunruhigung der Berge und der Lichtung der Wälder vor allem die unersättliche Habgier des Menschen anzuführen. Es ist weniger der gelegentliche Abschuß, insofern er nicht zur Brutzeit geschieht, der den Uhubestand so schädigt, sondern vielmehr der, wenn auch unbeabsichtigte, Fang in den dreimal verfluchten Pfahleisen, am allermeisten aber das unausgesetzte Wegnehmen der ein gut Stück Geld einbringenden Jungvögel für die Krähenhütte, soweit sie nur irgend erreichbar sind. Auch fanatische Eiersammler haben manchen deutschen Uhuhorst auf dem Gewissen, ohne ihr frevelhaftes Tun durch »wissenschaftliche« Gründe rechtfertigen zu können, wenn man doch in solchen Fällen dem Uhu wenigstens ein Junges zur Aufzucht überlassen wollte! Aber freilich, drei junge Uhus bringen mehr Geld als zwei, und Götze Mammon ist heute unbeschränkter Beherrscher des Erdenballs. Da fällt mir ein kleines Erlebnis aus dem Balkan ein, wo bekanntlich Adler noch recht häufig vorkommen. Ich hatte einen Adlerhorst mit zwei Jungen entdeckt und schickte einen Eingeborenen als Kletterer hinauf, um die beiden jungen Adler herunterzuholen. Er brachte aber nur einen, und auf meine erstaunte Frage, wo denn der andere bliebe, meinte er mit vorwurfsvoller Verlegenheit: »Aber der arme Adler muß doch wenigstens ein Kind behalten.« Das sagte dieser einfache Hirte, der nie etwas von Naturschutzpredigten gehört hatte, lediglich aus seinem unverdorbenen Gefühl heraus, obwohl ihm der Adler sicherlich manches Lämmlein oder Zicklein aus der Herde geraubt hatte. Ich habe mich in diesem Augenblick recht geschämt, trotzdem ich ja im Interesse der Wissenschaft handelte. Können denn wir Europäer, die wir so furchtbar stolz sind auf unsere Scheinkultur, uns wirklich nicht mehr zu ähnlichen Anschauungen aufschwingen? Aber nein, da muß alles restlos vernichtet und mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden! Einen besonderen Ansporn empfing dieser traurige Vernichtungskrieg durch die leidigen Schuß- und Fanggelder, die ja jetzt glücklicherweise aufgehoben sind. Um das drohende Aussterben des Uhus zu verhindern, ist er neuerdings sogar zum »Naturdenkmal« (ein unglückseliger Ausdruck!) erklärt und unter gesetzlichen Schutz gestellt worden. Wirksamer noch dürften Schonprämien an das Forstpersonal sein für jede glücklich ausgekommene Uhubrut. Leider gibt es kaum eine Vogelart, die sich so schwer schützen läßt wie der Uhu, da er seine nächtlichen Beutezüge auf 30 km und mehr im Umkreise ausdehnt und deshalb nur zu leicht den Pfahleisen der Nachbarreviere zum Opfer fällt. Daran sind bisher auch alle noch so sorgfältig vorbereiteten Wiedereinbürgerungsversuche gescheitert, auch wenn sie anfänglich vollen Erfolg hatten. Nur ein völliges Verbot der Pfahleisen, in denen auch unzählige andere Eulen und harmlose Bussarde sich zu Tode schinden, könnte da helfen. Hoffen wir, daß den Opfer- und mühevollen Einbürgerungsversuchen Dr. Pfeiffers in der Schwäbischen Alb ein besserer Erfolg beschieden sein möge (Abb. 15)! Meiner Ansicht nach läßt sich ein wirklich wirksamer Schutz des Uhus nur in großen Naturschutzparken durchführen, nicht aber in kleinen Banngebieten. Auch die Starkstromleitungen fordern manches Opfer. So wurde im Oktober 1912 bei Meran ein in der Starkstromleitung hängender Uhu verendet aufgefunden. Ein Fang war völlig verbrannt, während der andere, der gleichfalls starke Brandwunden aufwies, noch den Leitungsdraht umklammert hielt. Ein ganz ähnlicher Fall ereignete sich kurz darauf bei Schlanders. Wie mir Herr Lehrer Lämmerhirdt aus Eisenach schreibt, fiel 1920 bei Creuzburg a. d. Werra erst das Männchen und kurz darauf auch das Weibchen des dortigen Uhupaares der Starkstromleitung zum Opfer.
Gewöhnlich sucht man die rücksichtslose Verfolgung des Uhus mit seiner angeblich sehr großen Schädlichkeit zu rechtfertigen. In Wirklichkeit ist diese aber gar nicht so arg, wenn auch nicht geleugnet werden kann, daß der Uhu ein gewaltiger Räuber ist und namentlich zur Brutzeit die Niederjagd gehörig zehntet. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, daß der angerichtete Schaden bei dem Einsiedlerleben des Finsterlings und bei der großen Ausdehnung seiner Streifzüge, auf denen er immer wieder andere Gegenden aufsucht, auf weite Strecken sich verteilt und deshalb für die einzelnen kleinen Niederjagdreviere nicht eben viel bedeutet. Greschik untersuchte zwölf ungarische Uhumägen und fand darin zwei Igel, zwei Wanderratten, 2 Wiesel, elf Mäuse, zweimal Federn, einmal Fuchsknochen: also ein ziemlich harmloses Ergebnis. Ich selbst habe im Laufe der Jahre eine ganze Reihe von Uhugewöllen untersucht, im allgemeinen mit ähnlichem Erfolg. Aus den letzten acht, die ich durch Förster Rüdiger aus der Neumark erhielt, konnte ich herausschälen: 1. drei Wühlmäuse und die Reste eines Igels, darunter auch einige Stacheln, 2. das dicht zusammengefilzte Haar einer schwarzen Katze, die offenbar auf einem verbotenen Abendbummel zu ihrem Unglück dem König der Nacht begegnet war, 3. einen Schädel sowie viele zertrümmerte Knochen und verfilzte Haare von Wasserratten, 4. eine Wasserratte und die Reste einer Drossel, 5. nur Reste von Feldmäusen, 6. nur verfilzte Haare der Waldwühlmaus, 7. ebenso, 8. Schnabel und Federn eines Stars sowie zwei Wühlmäuse. Nach Größe und Form sind solche Gewölle sehr verschieden. Ich ermittelte ihr Gewicht mit 30-55 g. Sie sehen meist schokolade- bis eisenfarbig aus, und öfters ragen größere Knochensplitter aus der Klasse heraus. Der Uhu muß ein stärkeres Verdauungsvermögen haben als andere Eulen, denn in der Regel sind die vorhandenen Eierreste recht undeutlich und die Schädel arg zertrümmert. Im übrigen ist er hinsichtlich seiner Ernährung weder wählerisch noch verschwenderisch, und auch dieser Umstand vermindert seine Schädlichkeit erheblich. Ein größeres Beutetier, das er nicht in der gleichen Nacht bewältigen kann, wird sorgsam in seine Decke eingeschlagen und dann am nächsten Abend wieder aufgesucht. Im äußersten Notfall wird sogar Aas angenommen. Ferner behaupten viele Jäger, daß der Uhu in unmittelbarer Nähe seines Horstes überhaupt nicht raube, und es mag wohl etwas Wahres daran sein. Igel gelten ihm wie den Zigeunern offenbar als ein ganz besonderer Leckerbissen. Die meisten Beobachter geben zwar an, daß er das Fleisch aus der stacheligen Rückenhaut herausfresse und diese selbst liegen lasse, aber ich habe oft genug auch Igelstacheln in den Gewöllen gefunden, bei solchen aus der Fränkischen Schweiz fast regelmäßig. Schade, daß noch niemand näher beobachtet hat, wie der Uhu den Stachelhelden eigentlich überwältigt. Vermutlich greift er mit seinen langen Fängen und gewaltigen Klauen einfach durch den Stachelpanzer hindurch. Schlafende Vögel bringt er wahrscheinlich erst durch Rufen, Schnabelknacken und Schwingenklatschen zum Auffliegen, um sie dann in der Luft mit unfehlbarer Sicherheit zu ergreifen. Das brütende Weibchen sowie die Jungen werden fast überreichlich mit Nahrung versorgt, so daß der Horstrand eine wahre Schlachtbank darstellt und allerdings oft ein wesentlich anderes und ungünstigeres Bild darbietet als die Magen- und Gewöllinhalte aus anderen Jahreszeiten. An dem erwähnten Horste bei Rudolstadt fand Schrader zahlreiche Kaninchenreste, auch einige von Hasen sowie eine Unmenge Krähenfedern. In einem anderen Horste wurden dem brütenden Weibchen von dem aufmerksamen Gatten die auserlesensten Leckerbissen überbracht, also hauptsächlich zarte Junghasen und köstliche Igel, und ein zärtlicher Blick aus den großen Kulleraugen war dann jedesmal sein Lohn. Ein Uhufelsen war ganz mit Dohlenfedern bedeckt, da das Brutpaar hauptsächlich von einer in der Nähe befindlichen Dohlenkolonie lebte. In einem Horste bei Nakel war an geschlagenem Raub vorhanden: Kaninchen, Hasen, Enten, Taucher, zwei Birkhühner und nicht weniger als 30 Köpfe von Wasserhühnern. Graf Wodcicki entdeckte in einem galizischen Horste zwei halbwüchsige Hasen, zwei Ratten, einen Kiebitz und eine Bekassine. Loos sah einen Horst mit fünf ausgefressenen Igelbälgen und einen anderen mit frischen Resten von elf Rebhühnern, sieben Junghasen, drei Kaninchen, sieben Fasanen, einer Wildtaube, drei Krähen, einem Eichhörnchen. Pfiffige Bauern haben sich die haushälterischen Anlagen des Uhus von jeher zunutze zu machen gewußt. So lebte eine Fischerfamilie in den Sümpfen Galiziens geraume Zeit von einem Uhuhorste. Die Ratten, Igel, Ziesel und Mäuse überließ der Fischer seinem gefiederten Freund; Enten, Waldhühner und Hasen dagegen nahm er mit nach Hause und stand sich gut dabei. Auch aus einem Horste bei St. Goar konnte sich nach Altum ein schlauer Bauer fast jeden Morgen einen Hasen holen. Auch die gefangene Gattin oder die ausgehobenen Jungen werden vom Uhu weiter gefüttert, falls man ihm Gelegenheit dazu gibt. Große Tiere werden an Ort und Stelle verzehrt und förmlich aus dem Felle herausgeschält, kleine aber zu bestimmten Fraßplätzen getragen und hier ganz verschluckt, nachdem ihnen vorher mit dem Schnabel der Kopf eingedrückt wurde. Das feine Gehör und das scharfe Gesicht leiten den Uhu auf seinen Beutezügen, wobei er seine Opfer meist im Schlaf überfällt. Fitzinger erzählt, daß der Uhu bisweilen in der Dämmerung anderen Raubvögeln ihre Beute abjagt, indem er von oben her auf sie stößt. So viel ist sicher, daß der kraftvolle Uhu selbst eine gelegentliche Rauferei mit dem kühnen Stein- oder dem mächtigen Seeadler nicht scheut und überhaupt kaum einen natürlichen Feind zu fürchten hat. Mit dem Fuchs wird er mühelos fertig. Was er einmal mit feinen nadelscharfen Krallen gepackt hat, läßt er so leicht nicht wieder los. Auch Rehkitze sind nicht vor ihm sicher, obgleich man seine Schädlichkeit in dieser Beziehung stark übertrieben hat. Planke beobachtete beim abendlichen Enteneinfall einen Uhu, der wie ein Habicht nach einer Stockente stieß; da er sie aber nicht erwischte, begnügte er sich mit einer Wasserratte: Stecher sah, wie ein Uhu einen balzenden Auerhahn schlagen wollte und nur durch das Dazwischentreten des Jägers daran verhindert wurde. Eine Abnahme des Auer- und Birkwildes im Revier war aber nicht festzustellen. Zur Abwechslung hat der Uhu gern auch mal ein Fischgericht, versieht es aber bisweilen bei seiner Fischerei; mir sind im Laufe der Jahre zwei Fälle von dabei ertrunkenen Uhus bekannt geworden. Zur Not begnügt er sich aber auch mit Fröschen. Während des Krieges sah ich in der Dobrudscha mehrfach von unseren Soldaten gehaltene Uhus, die hauptsächlich mit den dort massenhaft vorhandenen Fröschen ernährt wurden und sich ganz wohl befanden. Forellen sind ihm freilich lieber. Auch kannibalische Gelüste sind dem Uhu nicht fremd. Seine kleineren Verwandten murkst er ohne weiteres ab, und Grevé erlebte es sogar, daß sein zahmes Uhuweibchen das schwächere Männchen ermordete und teilweise auffraß. Von der Stärke des Vogels kann man sich einen Begriff machen, wenn man erfährt, daß ein im Pfahleisen gefangener Uhu das schwere Eisen samt einem langen Stück starken Drahtes über 5 km weit forttrug und erst 14 Tage später gelegentlich einer Treibjagd erlegt werden konnte. Gefangene Uhus verlieren in der engen Haft meist ihre angeborene Geschicklichkeit und Schuldigkeit und werden dadurch unbeholfen und feige. Kehrberg setzte zu seinen nahezu erwachsenen Uhus einen Steinkauz. Einer der Uhus wollte ihn greifen, stellte sich aber dabei so tolpatschig an, daß der Kauz Gelegenheit zu einem ungestümen Angriff auf den Kopf des Gegners bekam und dieser vor Schreck darüber auf den Rücken fiel. Sowie er sich wieder aufrichten wollte, ging der Kauz erneut zum Angriff über, und in einem wahren Siegesrausch jagte der kleine tolle Kerl die drei entsetzt fliehenden Uhubrüder im Käfig herum, daß die Federn nur so stoben. Solche jung aufgezogenen Uhus haben eben nicht gelernt, ihre natürlichen Waffen zu gebrauchen. Ein anderer Uhu bekam eine geflügelte Elster als Futter, wurde aber von dieser durch einen tiefen Schnabelhieb ins Herz derartig verletzt, daß er am nächsten Morgen tot war. Förster Gerlach verabreichte seinem Uhu eine leicht geflügelte Krähe. Zu seiner Verwunderung war sie am nächsten Morgen noch am Leben, und der »Auf«, ein 20jähriges Weibchen, ließ sie ruhig an seinem Fraße teilnehmen. Bald saßen sie einträchtiglich dicht nebeneinander auf der Stange. Dies blieb auch in Zukunft so, ja der Uhu ließ sich gutmütig von dem frechen Rabenvieh die besten Bissen wegstehlen. Ziehen wir nun aus alledem die Schlußfolgerung, so ergibt sich, daß der Uhu zwar mancherlei Schaden verursacht, namentlich der Niederjagd gegenüber, daß er ihn aber durch fleißiges Vertilgen von Krähen, Elstern, Hähern, Eichhörnchen, Hamstern, Ratten und Mäusen zum großen Teile wieder ausgleicht. Sehr treffend urteilt Forstmeister Moosmaier: »Merklicher Schaden entstand nicht durch den Uhu. Als wir Uhus und viel Füchse hatten, gab es auch viel Hasen und Rehe. Unser Wildstand wurde vom großen Räuber, dem sog. Jäger, vernichtet und nicht vom Uhu.«
Viel Vergnügen gewährt es, die verschiedenen, überaus eindrucksvollen Stellungen des Uhus zu beobachten. In der Ruhestellung (Abb. 16) hat er bei niedergelegten Ohren, halb geschlossenen Augen und locker gehaltenem Gefieder ein eigentümlich gedunsenes Aussehen. Erregt aber irgend etwas Ungewöhnliches die Aufmerksamkeit des feinhörigen Vogels, so geht er sofort in die Hab-Acht-Stellung (Abb. 17) über, wobei die Federn knapp angelegt, der Kopf aufgerichtet und die großen gelben Kulleraugen weit aufgerissen werden, während gleichzeitig auch die Federohren in steigendem Maße sich heben. Rückt ihm aber eine Gefahr wirklich auf den Leib, dann nimmt er seine Droh- und Schreckstellung ein, wo er infolge des zornig gesträubten Gefieders fast doppelt so groß aussieht wie sonst, mit dem Schnabel knackt, den Schwanz fächert, die Flügel hebt oder zu Boden senkt und erregt von einem Fuß auf den anderen tritt. Dann macht er in der Tat einen ganz furchterweckenden Eindruck.
Am liebsten brütet der Uhu auf steilen, unzugänglichen Felswänden inmitten großer Gebirgswaldungen, wo ihn dann ausgedehnte Abholzungen leicht zum Verlassen der Gegend bewegen. In Ausnahmefällen ist der Horst aber auch so leicht zugänglich, daß sein Inhalt bald dem Dachse oder der Schuljugend zum Opfer fällt. In den Wäldern der Ebene muß der Uhu natürlich auf oder in Bäumen brüten, und gern benutzt er dann einen alten Bussardhorst. In großen, vogelreichen Sümpfen fand ich das Uhuheim sogar schon bodenständig auf einem trockenen Inselchen. Altes Gemäuer zerfallender Burgen ist ihm auch sehr erwünscht, ja im Orient, wo ihm niemand etwas zuleide tut, errichtet er sein Heim sogar inmitten volkreicher Städte. So konnte man ihn wenigstens früher in Sarajevo und Mostar öfters vom Fenster aus beobachten. Für Konstantinopel gehört der Uhu noch heute geradezu zu den Kennvögeln. Brehm fand ihn in den Ringmauern der spanischen Stadt Jativa brütend, und Lenz erhielt junge Uhus vom Dachboden einer tief im Thüringer Wald versteckten Fabrik. Der Horst ist mit etwa 1 m Durchmesser zwar ziemlich umfangreich, aber mit sehr wenig Kunst erbaut, ja häufig legt der Vogel seine Eier ohne jede Unterlage einfach auf den nackten Fels. Während der Paarungszeit macht er sich durch vieles Rufen und die grimmigen Katzbalgereien der eifersüchtig ihre Reviergrenzen wahrenden Männchen recht bemerkbar, aber während der eigentlichen Brutzeit, die 30-35 Tage dauert, verhält er sich ziemlich still. Die Eier sind von rundlicher Form und rein weißer Farbe, an Zahl gewöhnlich zwei bis drei, aber auch nur eines oder vier bis fünf. Dombrowski möchte dieses starke Schwanken der Eierzahl auf das verschiedene Alter der Brutvögel zurückführen. Die Jungen verraten sich leider leicht durch beständiges Zischen und Pfeifen. Die halbflügge Brut klettert schon auf den Horstrand, um gierend und klagend die futterbringenden Alten zu erwarten. Diese hängen mit großer Liebe an ihrer Nachkommenschaft und führen auch miteinander ein musterhaftes, sehr zärtliches Eheleben. Bei ihren Kindern läßt Frau Uhu ein sanftes »Tuck tuck« hören und füttert die Kleinen anfangs aus dem Kropf, bis sie imstande sind, selbst kleine Fleischstücke aus den überbrachten Beutetieren herauszureißen. Man kennt Beispiele, wo die Alten ihre Jungen in einen andern Horst schleppten, wenn der erste zu stark beunruhigt wurde.
Mohr besaß ein Uhuweibchen, das ein Ei legte, worauf er ihm zwei Hühnereier zum Bebrüten unterschob. Der Uhu brütete diese auch wirklich aus und nahm sich mit mütterlicher Sorgfalt der geschlüpften Kücken an. Noch als sie schon drei Wochen alt waren, betreute er sie mit größter Zärtlichkeit, gluckste wie eine Henne und ließ nur ausnahmsweise sein »Uhu« hören. Das ihm vorgesetzte Fleisch zerbröckelte er in ganz kleine Stückchen und legte diese dann den Küchlein vor. Gegen jeden, der sich den Kücken nähern wollte, nahm er sofort Kampfstellung ein. In einem ähnlichen Falle brütete der Uhu zwar Enteneier aus, kröpfte aber dann ganz behaglich die jungen Entchen. Gefangene Uhus sind im Käfig schon häufig zur Fortpflanzung gebracht worden, selbst unter ganz primitiven Verhältnissen. Berühmt geworden ist namentlich die ergiebige, lange Jahre hindurch fortgesetzte Uhuzucht des Stockholmer Tiergartens. Ich entnehme darüber dem Berichte Dr. Alarik Behms folgendes: Die erste Paarung wurde am 1. April beobachtet und dann bis zum 11. an jedem Abend. Das Männchen sträubte vorher das Gefieder, breitete den Schwanz fächerförmig aus und erinnerte in seinen Bewegungen an einen balzenden Birkhahn. Sein Ruf war tief und grob, der des Weibchens dagegen eine halbe Oktave höher und heller. Die Paarung wurde unter mächtigem Flügelschlagen und lautem Geschrei vollzogen; namentlich das Weibchen pfiff dabei stark. Auch beim Eintragen der Baustoffe, das schon am 2. April begann und bei dem auch das Männchen mithalf, stieß es pfeifende Laute aus, die wie das Geräusch einer ungeschmierten Schiebkarre klangen. Eingetragen wurden: Sägespäne, Rindenstücke und Kies. Am 14. lag das erste, am 20. das zweite und am 28. das dritte Ei im Horste. Das Weibchen begann aber mit dem Brutgeschäft gleich beim ersten Ei. Das Männchen zeigte sich als idealer Ehemann und fütterte seine Gemahlin fleißig mit Katzenfleisch, Hühnerköpfen und anderen Leckerbissen. Auf einem Ast gegenüber der Bruthöhle verkürzte es durch fleißiges »Singen« dem Weibchen die langen Lage des Wartens. Menschen gegenüber zeigte es sich um diese Zeit sehr bösartig und zerriß einmal dem Wärter die Mütze, so daß dieser nicht mehr zum Betreten des Käfigs zu bewegen war und infolgedessen in diesem bald eine fürchterliche Schweinerei herrschte. Das erste Junge schlüpfte am 20., das zweite am 22. Mai aus, während das dritte Ei sich als unbefruchtet erwies. Die Jungen waren beim Ausschlüpfen nicht größer als Küchlein, wuchsen aber erstaunlich schnell. Schon nach acht Tagen krochen sie unter den Federn der Mutter hervor, um wenigstens mit den Köpfen draußen zu liegen. Der Vater trug die Atzung in die Bruthöhle, aber das wirkliche Füttern besorgte nur die Mutter.