Henry Fielding
Die Geschichte des Tom Jones / Theil VI
Henry Fielding

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Siebentes Kapitel.

Eine pathetische Scene zwischen Herrn Allworthy und Mad. Miller.

Mad. Miller hatte eine lange Unterredung mit Herrn Allworthy als dieser von Herrn Western zurückgekommen war; sie theilte ihm dabei mit, daß Jones unglücklicher Weise alles verloren habe, was ihm Herr Allworthy bei der Trennung von ihm gegeben und schilderte ihm die Noth, in welche er durch diesen Verlust versetzt worden sei, was sie ausführlich von dem treuen Partridge erfahren habe. Sie erklärte ihm ferner die Verpflichtungen, welche sie gegen Jones hatte, wobei sie freilich in Bezug auf ihre Tochter nicht ganz aufrichtig war, denn ob sie gleich volles Vertrauen auf Herrn Allworthy setzte und eigentlich nicht hoffen konnte, eine Sache geheim zu halten, die leider mehr als zwölf Personen bekannt war, so konnte sie es doch nicht über sich bringen, diese Umstände zu erwähnen, welche auf die Keuschheit der armen Anna kein eben vortheilhaftes Licht warfen.

Allworthy entgegnete darauf, es wären wenige Menschen so durchaus schlecht und verdorben, daß nicht wenigstens etwas Gutes in ihnen liege. »Indessen,« setzte er hinzu, »kann ich nicht läugnen, daß Sie einige Verpflichtungen 34 gegen den Menschen haben, so schlecht er auch ist, und ich will deshalb entschuldigen, was bereits geschehen ist, muß aber darauf dringen, daß Sie seinen Namen in meiner Gegenwart nicht mehr erwähnen, denn ich versichere Sie, daß ich erst nach vollständigen Beweisen mich zu den Maßregeln entschloß, die ich ergriffen habe.«

»Ich zweifle nicht im Geringsten,« sprach Mad. Miller dagegen, »daß die Zeit alles in das rechte Licht setzen wird und Sie die Ueberzeugung gewinnen, wie dieser junge Mann Ihre Liebe in höherem Grade verdient als manche andere Leute, die ich nicht nennen will.«

»Madame,« fiel Herr Allworthy etwas unwirsch ein, »ich mag keine Anzüglichkeiten gegen meinen Neffen hören und wenn Sie noch ein Wort der Art sagen, werde ich Ihr Haus augenblicklich verlassen. Er ist der beste und ehrenwertheste Mensch und ich wiederhole es nochmals, daß er seiner Freundschaft gegen jenen eine tadelnswerthe Ausdehnung gegeben hat, indem er die schlimmsten Dinge zu lange verheimlichte. Die Undankbarkeit jenes Menschen gegen ihn ist das, was mich am meisten verdrießt, denn ich habe Grund zu glauben, daß er die Absicht hatte, meinen Neffen aus meiner Gunst zu verdrängen und zu bewirken, daß ich denselben enterben möchte.«

»Ich werde gewiß,« erwiederte Mad. Miller etwas erschrocken (denn obwohl die größte Freundlichkeit in dem Lächeln Allworthy's lag, so war sein Ernst, sobald er zürnte, doch auch sehr groß), »ich werde gewiß nie mich gegen Jemanden aussprechen, dem Sie wohlwollen. Ein solches Benehmen würde mir wenig ziemen, zumal wenn diese Person nahe mit Ihnen verwandt ist, aber Sie werden mir auch nicht zürnen, wenn ich dem armen Jones alles Gute wünsche. Wie oft haben Sie ihn Ihren Sohn genannt, wie oft in meiner Gegenwart mit der Liebe eines 35 Vaters von ihm gesprochen! Ich kann und werde es nicht vergessen, was Sie mit den zärtlichsten Ausdrücken von seiner Schönheit, seinen guten Anlagen und seinen treulichen Eigenschaften sagten. Ich werde das nie vergessen, zumal ich mich überzeugt habe, daß alles wahr war. Ich habe es zu meinem eigenen Vortheile erfahren. Verzeihen Sie meine Thränen, Herr Allworthy. Wenn ich das Unglück bedenke, das den armen Jüngling betroffen hat, dem ich so viel zu danken habe, namentlich den Verlust Ihrer Zuneigung, die er, wie ich weiß, höher schätzt als sein Leben, so muß ich ihn beklagen. Hätten Sie einen Dolch in der Hand und droheten, mir denselben in die Brust zu stoßen, ich müßte doch das Unglück dessen beklagen, den Sie einst geliebt haben und den ich immer lieben werde.«

Diese Rede machte einen großen, doch nicht übeln Eindruck auf Herrn Allworthy, denn nach kurzer Pause nahm er Mad. Miller an der Hand und sagte sehr freundlich zu ihr: »lassen Sie uns wegen Ihrer Tochter einige Worte sprechen. Ich kann Sie darum nicht tadeln, daß Sie sich über eine Heirath freuen, die für Sie von Vortheil zu sein scheint, aber dieser Vortheil hängt zum großen Theil von der Aussöhnung mit dem Vater ab. Ich kenne Herrn Nightingale recht gut und habe früher Geschäfte mit ihm gehabt; ich werde ihm einen Besuch machen und zusehen, ob sich etwas für Sie thun läßt. Ich glaube, er ist ein seltsamer Mann, aber da er nur den einzigen Sohn hat und die Sache nicht ungeschehen zu machen ist, so kann er doch vielleicht zur Vernunft gebracht werden. Ich verspreche Ihnen, Alles zu thun, was ich vermag.« Die arme Frau äußerte hoch erfreut ihren Dank gegen Allworthy wegen dieses freundlichen Anerbietens, konnte aber auch die Gelegenheit nicht unbenutzt vorübergehen lassen, auch ihrer Dankbarkeit gegen Jones nochmals Worte zu verleihen, 36 »da er die Ursache ist, daß ich Ihnen jetzt diese Mühe mache.« Allworthy unterbrach sie milde, da er ein zu guter Mann war, als daß er im Ernst die Wirkungen eines so edeln Grundsatzes, nach welchem Mad. Miller handelte, hätte tadeln sollen. Ja, wenn nicht der neue Vorfall seinen frühern Aerger über Jones neu angeregt hätte, so wäre es wohl möglich gewesen, daß er überhaupt milder gegen ihn gestimmt worden wäre durch die Erzählung einer Handlung, die doch durchaus nicht aus üblem Beweggrunde abgeleitet werden konnte.

Herr Allworthy und Mad. Miller waren über eine Stunde bei einander gewesen, als ihr Gespräch durch die Ankunft Blifils und einer andern Person unterbrochen wurde, welche andere Person Herr Dowling, der Advokat war, der ein Freund Blifils geworden und von Allworthy auf den Wunsch seines Neffen zu seinem Geschäftsführer ernannt, auch dem Herrn Western empfohlen worden war, von dem der Advokat ebenfalls das Versprechen erhielt, bei der ersten Gelegenheit Geschäftsführer zu werden und für den er bereits in London eine Angelegenheit besorgte.

Das war die Hauptangelegenheit, welche Herrn Dowling nach der Stadt geführt hatte, er benutzte die Gelegenheit, einiges Geld an Allworthy zu überbringen und ihm Bericht über einige andere Angelegenheiten abzustatten, die so uninteressant waren, daß wir sie nicht in diese Geschichte aufnehmen, sondern Oheim, Neffen und Rechtsfreund verlassen und uns zu andern Angelegenheiten wenden wollen.


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