Johann Gottlieb Fichte
Beitrag zur Berichtigung der Urtheile des Publicums über die französische Revolution.
Johann Gottlieb Fichte

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Sechstes Capitel.

Von der Kirche, in Beziehung auf das Recht einer Staatsveränderung.

Verschiedenheit und Veränderlichkeit ist der Charakter der Körperwelt; Gleichheit und Unveränderlichkeit der Charakter der geistigen. Leibnitz behauptete und bewies durch den Augenschein, dass nicht zwei Baumblätter einander gleich wären, und er hätte kühn hinzusetzen können, dass selbst ein und ebendasselbe nicht zwei Secunden hintereinander sich selbst gleich sey; eben der Leibnitz, welcher auf die Allgemeingültigkeit dieser Behauptung und aller seiner metaphysischen Behauptungen für alle richtig denkenden Köpfe mit seinem vollen Rechte Anspruch machte. – Unter allen möglichen Meinungen über den gleichen Gegenstand kann, unser Aller Urtheile nach, nur Eine die wahre seyn; und wer sie gefunden zu haben glaubt, behauptet, dass vom Anbeginne der Geister an, so lange es ihrer geben wird, jeder, der ihn verstehe und die Gründe seiner Behauptung fasse, nothwendig mit ihm übereinstimmen müsse. Irren kann man auf verschiedene Weise: die Wahrheit ist nur Eine; sie war von Ewigkeit dieselbe, und wird auch in Ewigkeit dieselbe bleiben. – Recht oder praktisch wahr ist auch nur Eins; und diese Wahrheit, die wichtigste für jeden freien Geist, ist so wenig tief verborgen, dass die Menschen, sowohl über die nothwendige Allgemeingültigkeit derselben überhaupt, als über die einzelnen Sätze, die sie dazu rechnen, sich weit leichter vereinigen, als über theoretische Wahrheiten. Die Anerkennung dieser Wahrheit, vor der sie ihre Augen kaum verschliessen können, erzeugt in ihnen gewisse Hoffnungen, Aussichten, Ansprüche, von denen in der Welt der Erscheinungen nicht die geringste Spur sich zeigt: und deren Gültigkeit sie weder sich, noch anderen so darthun können, wie etwa die Richtigkeit eines mathematischen Lehrsatzes. Dennoch setzen sie als gewiss voraus, dass alle vernünftigen Geister auch hierüber mit ihnen übereinkommen müssen; und dies erzeugt die – vielleicht allgemeine, wenn gleich nicht immer deutlich gedachte, Idee einer unsichtbaren Kirche, – einer Uebereinstimmung aller vernünftigen Wesen zu dem gleichen Glauben. Eine solche unsichtbare Kirche aber wird selbst nur geglaubt; und das, woran alle übrigen Glaubensartikel sich halten, ist selbst nur ein Glaubensartikel.

Da jedem, der jenen Glauben hat, unendlich viel an der Wahrheit desselben liegt, die er sich doch nie, weder durch Erfahrung, noch durch Beweisgründe, völlig sicher darthun kann, so ergreift er alles, um sich in demselben zu bestärken. Von inneren Beweisgründen entblösst, sucht er nach äusseren. »Ist mein Glaube wahr, so müssen alle vernünftigen Geister den gleichen Glauben haben,« ist der Satz, von dem er ausgeht; und da er nicht füglich etwas weiteres, als er schon hat, zum Erweise der Voraussetzung zu finden hoffen darf, so sucht er sich wenigstens über die Schlussfolge zu unterrichten. Er schliesst umgekehrt: haben alle vernünftigen Geister den gleichen Glauben, den ich habe, so muss dieser wohl der wahre seyn; und ob sie ihn haben, darüber sucht er, soweit nur irgend sein Wirkungskreis reicht, nachzuforschen. Da es ihm aber eigentlich gar nicht um Belehrung, sondern um Bestätigung zu thun ist; da er nicht nach Unterricht, sondern nach Beweisen sucht; da er über die Wahrheit an sich schon vorlängst mit sich selbst einig ist, und darin bloss befestigt seyn will: so mag er nichts hören, als das gewünschte: »ja, ich glaube dasselbe;« und wo er es nicht hört, arbeitet er, um den anderen zu überzeugen, bloss in der Absicht, um durch die Ueberzeugung desselben endlich die erwünschte Glaubensbestätigung zu erhalten. – Es ist überhaupt ein angeborner Hang des Menschen, über Gegenstände aller Art Einstimmigkeit des Denkens hervorzubringen, der sich auf jene nothwendige Einförmigkeit alles Geistigen gründet, deren Idee tief im Menschen liegt; aber im Theoretischen bescheidet man sich weit leichter, entweder getheilt zu bleiben, und die Sache auf sich beruhen zulassen, oder auch sogar die Ueberzeugung des anderen statt seiner bisherigen anzunehmen, als im Praktischen. Hier ist man nicht so leicht abzuweisen oder zu bekehren; hier will man selten belehrt werden, sondern fast immer belehren. – Es ist also ein Hang im Menschen, jene unsichtbare und bloss gedenkbare allgemeine Kirche, so viel an ihm ist, in eine sichtbare zu verwandeln; jene Idee in der Sinnenwelt wirklich darzustellen; nicht bloss zu glauben, dass der andere glaube, wie er, sondern auch, insoweit das irgend möglich ist, es zu wissen; sein Glaubenssystem wenigstens in Einem Puncte an etwas, das er weiss, anzuknüpfen. – Dies ist der Grund der kirchlichen Verbindung.

Die sichtbare Kirche ist eine wahre Gesellschaft, die sich auf einen Vertrag gründet. In der unsichtbaren Kirche weiss keiner etwas von dem anderen; aus einer jeden Seele entwickelt sein Glaube sich, unabhängig von allem, was ausser ihm ist. Die Uebereinstimmung, wenn sie da ist, hat sich von selbst gefunden, ohne dass jemand den Zweck hatte, sie hervorzubringen. Ob sie da sey, könnte keiner wissen, als ein Geist, in dessen Wissen die Vorstellungsarten aller Geister sich vereinigten. – Die sichtbare Kirche setzt die Uebereinstimmung – und die Folge derselben, die Glaubensstärkung als Zweck voraus. Jeder, der dem anderen sagt, was er glaube, will von dem anderen hören, dass er das gleiche glaube. Der erste Grundsatz des kirchlichen Vertrages ist der Satz: sage mir, was du glaubst; ich will dir sagen, was ich glaube . Da aber, wie schon angemerkt worden, die Absicht der Verbindung gar nicht die ist, verschiedene Meinungen zu sammeln, sich durch Vergleichung derselben zu belehren und die seinige darnach zu bilden; sondern durch die Uebereinstimmung der Meinung des anderen mit der unserigen in derselben bestärkt und befestigt zu werden; so ist jener Satz für die Gründung einer Kirche gar nicht hinlänglich. Es muss nicht bloss bestimmt werden, dass der andere sagen solle, was er glaube, sondern auch, was er sagen solle, dass er glaube. Der kirchliche Vertrag setzt mithin die Grundlegung eines gesetzlichen Glaubensbekenntnisses voraus, und sein Grundsatz heisst nunmehr so: wir wollen alle einmüthig das gleiche glauben, und diesen unseren Glauben uns gegenseitig bekennen .

Man dürfte vielleicht in dieser Vertragsformel einen inneren Widerspruch finden. – Wir sollen nicht schweigen, sondern unseren Glauben laut bekennen . Unser Stillschweigen würde die Mitglieder der Kirche auf den Verdacht bringen, dass wir entweder gar nichts glaubten, oder etwas anderes glaubten, als sie ; und sie in ihrem Glauben stören. – Wir sollen aufrichtig sagen, was wir glauben, und den Glauben nicht etwa bloss erheucheln. Wenn die Kirche von ihren Mitgliedern annähme, dass ihr Bekenntniss nur Heuchelei, nur ein Werk der Lippen, und aus keiner inneren Ueberzeugung entsprungen sey, so würde der Zweck derselben dadurch abermals vernichtet; ein Glaubensbekenntniss, das man für falsch und heuchlerisch hält, kann uns in unserem Glauben nicht bestärken. – Dennoch sollen wir mit dieser völligen Ueberzeugung ein bestimmtes, schon vorher vorgeschriebenes Glaubensbekenntniss ablegen. Wenn wir nun aber von der Wahrheit desselben weder überzeugt sind, noch uns davon überzeugen können, was sollen wir dann thun? Keine Kirche nimmt Rücksicht auf diesen Fall; jede consequente Kirche, d. h. jede, die eine wirkliche ist, muss die Möglichkeit desselben schlechterdings läugnen; und alle Kirchen, welche consequent verfahren sind, haben sie wirklich geläugnet. – Die erste Voraussetzung, ohne welche überhaupt kein kirchlicher Vertrag möglich ist, ist die: dass das ihm zum Grunde gelegte Glaubensbekenntniss ohne allen Zweifel die einzige und reine Wahrheit enthalte, auf welche jeder, der die Wahrheit suche, nothwendig kommen müsse; dass es der einzige wahre Glaube sey; – die zweite, welche unmittelbar aus der ersten folgt: dass es in der Macht jedes Menschen stehe, diese Ueberzeugung in sich hervorzubringen, wenn er nur wolle; dass der Unglaube immer entweder auf Mangel an aufmerksamer Beherzigung der Beweise, oder auf muthwilliger Verstockung sich gründe, und dass der Glaube von unserem freien Willen abhänge. Daher giebt es in allen kirchlichen Systemen eine Glaubenspflicht ; Pflicht aber kann nichts seyn, was nicht in unserer Macht steht; das hat noch nie eine Kirche geläugnet. – Beide Sätze kann man in jedem katholischen Lehrbuche finden, das man aufschlagen will. Ueber das inconsequente Verfahren der protestantischen Gemeinen, wofern sie anders Kirchen seyn und kirchliche Rechte haben wollen, in diesem und noch manchem anderen Puncte werden wir weiter unten Gelegenheit haben, einige Worte zu sagen.

Durch, – ich weiss nicht ob Wirkliche oder erdichtete Thatsachen unterstützt, dürften gegen die Behauptung, dass die Kirche sich auf Vertrag gründe, einige Leser die Einwendung machen, dass sie doch wirklich monarchischen Ursprungs sey, und mithin nicht auf einen Vertrag der Mitglieder, sondern auf die Uebermacht eines Herrn sich gründe. – Aber wenn es auch wahr wäre, dass die Gewissen ursprünglich sich nicht ergeben hätten, sondern unterjocht worden wären; so würde dadurch zwar ein Trupp abgesonderter Sklaven, die alle dem gleichen Herrn dienten, doch ohne gegenseitig von ihrer gemeinsamen Knechtschaft etwas zu wissen, aber nimmermehr eine Gesellschaft, – zwar der gleiche Glaube in dem Herzen aller, aber nimmermehr ein gegenseitiges gleichförmiges Glaubensbekenntniss entstanden seyn. Zwei wenigstens müssen den Anfang machen, sich ihre beiderseitige Unterwürfigkeit zu gestehen, und die übrigen, die sie etwa im Verdachte der gleichen Unterwürfigkeit hatten, zum Bekenntnisse einladen; sonst wäre aus Millionen Menschen nie eine Kirche entstanden. – Es ist allerdings physisch, aber freilich nicht moralisch möglich, dass ein irdischer Staat durch Unterjochung entstehe. Ein übermächtiger Eroberer kann sich Sklaven unterwerfen, und sie durch seine Befehle in Vereinigung und gegenseitigen Einfluss auf einander setzen; die Leiber der Untergeordneten und ihre Unterwürfigkeit unter die Gebote ihres Oberherrn erscheinen allerdings in der Sinnenwelt. Dass aber ein geistlicher Staat auf diese Art entstehe, ist physisch ebenso unmöglich, als es moralisch unmöglich ist. Dieser unterjocht nur die Gewissen, und nicht die Körper: und die Unterwürfigkeit der Geister zeigt sich nicht, wenn sie sich nicht freiwillig entdeckt. Die Kirche ringt mit einer noch weit grösseren Schwierigkeit, als mit der oben angezeigten, dass ihr Glaubensbekenntniss vorgeschrieben ist, aus welcher sie sich auf eine so leichte Art zog. – Die Erreichung ihres Zweckes gründet sich auf die Wahrhaftigkeit ihrer Mitglieder; kann sie dieser Wahrhaftigkeit sich nicht versichern, kann sie dem Bekenntnisse ihrer Mitglieder keinen Glauben zustellen, so findet die gegenseitige Stärkung des Glaubens nicht statt, sondern die Gemüther werden nur noch mehr geärgert und irre gemacht. Es wäre ihnen besser, dass sie in der Stille geglaubt hätten, alle anderen möchten wohl ebenso denken, wie sie; als dass sie durch tägliche Bekenntnisse, denen sie nicht trauen, immer tiefer in Zweifel gestürzt werden.

Für die Lüge giebt es an sich keinen äusseren Richterstuhl; dieser ist innerlich in eines Jeden Gewissen. Wer lügt, muss sich vor sich selbst schämen; er muss sich verachten. – Im Falle wir durch die Erfahrung uns von der Wahrheit oder Unwahrheit einer vorgeblichen Thatsache nicht überzeugen können, so müssen wir im bürgerlichen Leben es dem Gewissen eines jeden überlassen, ob er wahr reden oder uns belügen wolle; wir müssen ihn der Strafe überlassen, die er bei gesagter Unwahrheit sich selbst zufügt, oder auch nicht zufügt. Eine solche innere Bestrafung, die doch immer zweifelhaft bleibt, und in keinem Falle an den Tag kommt, kann keiner Gesellschaft, die auf Wahrhaftigkeit aufgebaut ist, und mit ihr steht oder fällt, Genugthuung geben.

Fast durch den einmüthigen Glauben aller Menschen ist jenes innere Richteramt schon an ein Wesen ausser uns, an den allgemeinen moralischen Richter, an Gott, veräussert. Dass ein Gott sey, und dass er die Lügen strafe, ist wohl der einstimmige Glaube aller Kirchen. Jede also kann die Bestrafung ihrer heuchlerischen Mitglieder von Gott erwarten. – Aber diese Strafe Gottes ist entfernt; sie erwartet den Sünder erst in jenem Leben; der Zweck der Kirche aber ist für das gegenwärtige berechnet. Dann, wenn diese Strafen ausgetheilt werden, werden sie freilich sehen, wer ihnen die Wahrheit gesagt, oder wer den Glauben bloss erheuchelt hat; dann aber bedürfen sie der Glaubensstärkung überhaupt nicht mehr, um deren willen sie eine kirchliche Verbindung eingingen. Wenn der Ungläubige völlig und entschlossen ungläubig ist, so glaubt er überhaupt an keinen Gott, kein künftiges Leben und keine Bestrafung seiner Falschheit; er fürchtet also die angedrohete Strafe Gottes gar nicht, und wird dieserhalb kein Bedenken tragen, ein falsches Glaubensbekenntniss abzulegen, wenn er anderweitige Ursachen dazu hat: oder, wenn er auch vielleicht nicht ganz ungläubig wäre, so hofft er vielleicht auf andere Art sich mit Gott abzufinden, und durch irgend ein Mittel der Entdeckung seiner Falschheit und der Strafe zu entgehen. Dies legt der Kirche die Aufgabe auf, die Strafe zu verfrühen, und, da sie einmal Gott nicht bewegen kann, um ihretwillen eher zu strafen, als er sonst würde gestraft haben, selbst sein Richteramt an sich zu nehmen. Dadurch wird das innere Richteramt des Gewissens abermals veräussert, und zwar an einen Richter, der das Urtheil auf der Stelle sprechen kann, an die sichtbare Kirche.

Diese neue Veräusserung des inneren Richteramtes, dieses Urtheilen an der Stelle Gottes, ist Fundamentalgesetz jeder Kirche, die consequent ist; und ohne dasselbe kann sie sich schlechterdings nicht behaupten. Was sie löset, das muss auch im Himmel gelöset seyn, und was sie bindet, das muss auch im Himmel gebunden seyn. Ohne dieses Richteramt verlangt sie vergeblich eine Herrschaft über die Seelen der Menschen, die sie durch nichts behaupten kann; drohet vergebens mit Strafen, von denen sie gesteht, dass sie sie nicht zuerkennen könne; lässt die Menschen in ihrem Glauben nach wie vor von sich selbst abhängig, den sie doch vorzuschreiben verlangte; – sie hebt ihren eigenen Begriff auf, und steht im inneren Widerspruche mit sich selbst.

Da sie über die Herzensreinigkeit von Menschen richten, und ihnen nach Maassgabe derselben Strafe und Belohnung austheilen will, deren Inneres sie nicht erforschen kann, so entsteht dadurch eine neue Aufgabe für sie; nemlich diese: ihr Glaubensbekenntniss also einzurichten, dass es sich in äusseren Folgen zeige, ob man von der Wahrheit desselben überzeugt sey, oder nicht – sich selbst eine solche Verfassung zu geben, dass sie von dem Gehorsame und der Ergebenheit ihrer Mitglieder aus sicheren und unverdächtigen Merkmalen urtheilen könne. Damit sie sicher sey, sich nicht zu irren, wird sie diese Merkmale so in die Augen springend machen, als es ihr möglich ist. – Dies geschieht auf zweierlei Art: durch harte Bedrückungen ihres Verstandes und durch strenge Gebote, die man ihrem Willen auflegt. – Je abenteuerlicher, ungereimter, der gesunden Vernunft widersprechender die Lehren einer Kirche sind, desto fester kann sie von der Ergebenheit solcher Mitglieder überzeugt seyn, welche das alles ernsthaft anhören, ohne eine Miene dabei zu verziehen, und es ihr lernbegierig nachsagen, und mit Mühe und Arbeit in ihren Kopf einprägen, und sich sorgfältig hüten, dass nicht ein Wörtchen auf die Erde falle. Je härter die Versagungen und Selbstverläugnungen, je grausamer die Büssungen sind, die sie fordert, desto fester kann sie an die Treue solcher Mitglieder glauben, welche sich diesem allen unterziehen, um nur mit ihr vereinigt zubleiben; welche auf alle irdischen Genüsse Verzicht thun, um nur ihrer himmlischen Güter theilhaftig zu werden. Jemehr man aufgeopfert hat, desto stärker muss unsere Anhänglichkeit an dasjenige seyn, um dessen willen man das alles aufgeopfert hat.– Nachdem sie die Früchte des Glaubens in äusserliche Uebungen gesetzt hat, deren Beobachtung oder Unterlassung jedes gute Auge sieht, hat sie sich dadurch eine leichte Aussicht in das Herz selbst eröffnet. Ob jemand an das Primat des heiligen Petrus glaube oder nicht, zu erforschen, möchte etwas schwer seyn: ob jemand die durch einen Nachfolger und Stellvertreter desselben gebotenen Fasten gehalten habe oder nicht, entdeckt sich schon leichter. Hat er sie nicht gehalten, so muss sein Glaube an dasselbe, und an die Unfehlbarkeit aller seiner Nachfolger und an die Unentbehrlichkeit des Gehorsams gegen alle ihre Gebote zur Seligkeit nicht sehr fest seyn, und die Kirche kann mit hoher Sicherheit ihn als einen Ungläubigen in Anspruch nehmen.

Durch diese schon an sich nothwendige Veranstaltung gewinnt die Kirche noch zwei andere sehr wesentliche Vortheile. Sie verschafft sich fürs erste, wenn sie zweckmässig erdichtet, durch jene zur Prüfung des Glaubens, auferlegten Glaubensartikel zugleich einen reichen Vorrath der mancherlei Strafen und Belohnungen einer anderen Welt, deren sie bedarf, um sie ihren so sehr verschiedenen Mitgliedern, – jedem nach Maassgabe seines Glaubens oder Unglaubens, nach Gebühr zuzumessen. Statt des einfachen Himmels bekommt sie unzählige Stufen der Seligkeit und einen unerschöpflichen Schatz von Verdiensten der Heiligen unter ihre gehorsamen Mitglieder zu vertheilen; neben der einfachen Hölle bekommt sie ein Fegefeuer, das an Qual und Dauer unendlicher Verschiedenheiten fähig ist, um die Ungläubigen und Unbussfertigen – jeden, nachdem es Noth thut – damit zu schrecken. – Sie stärkt fürs zweite den Glauben ihrer Mitglieder, indem sie ihn nicht müssig lässt, sondern ihm Arbeit genug giebt. Es scheint auf den ersten Anblick widersprechend, aber es wird durch die häufigsten Erfahrungen bestätigt, und der Grund dieser Erscheinung lässt sich bald auffinden – je unglaublichere Dinge man zu Glaubensartikeln macht, desto leichter findet man Glauben. Man läugnet am ehesten das, was noch so ziemlich glaublich ist, weil es uns zu natürlich vorkommt; aber man baue den geläugneten Satz auf einen wunderbaren, und diesen auf einen noch wunderbareren, und vermehre Schritt vor Schritt das Abenteuerliche, und der Mensch wird gleichsam schwindelnd; er kommt nicht mehr zur kalten Besinnung; er ermüdet, und seine Bekehrung ist gemacht. Es ist nichts neues, dass man manchen, der keinen Gott glaubte, durch den Glauben an den Teufel, die Hölle, das Fegefeuer bekehrt habe, und das Tertullianische: »das ist widersinnig, mithin kommt es von Gott« ist, als Beweis für seinen Mann, vortrefflich. – Das kommt daher: einen, zwei, drei Sätze übersieht der gewöhnliche Kopf in ihren natürlichen Gründen und Folgen; er wird dadurch zum Nachdenken über sie eingeladen, und glaubt über ihre Wahrheit oder Unwahrheit aus Gründen der Vernunft urtheilen zu können: ihr baut sie ihm, um ihn an diesem Unternehmen zu verhindern, auf andere künstliche Gründe, die selbst wieder Glaubensartikel sind, diese wieder auf andere, und so ins unendliche hinaus. Er kann jetzt nichts mehr übersehen; er irrt ohne Leitfaden in diesem Labyrinthe herum, er erschrickt über die ungeheure Arbeit, die er sich auferlegt sieht, er ermüdet ob dem vergeblichen Suchen, und aus einer Art von fauler Verzweiflung ergiebt er sich blindlings in die Hände seines Führers, und ist froh, einen zu haben.

Man verstehe mich nicht unrecht; ich sage nicht, dass alle Stifter oder Erweiterer des kirchlichen Systems die Absicht, durch solche boshafte, aber völlig zweckmässige Mittel die Gewissen der Menschen zu unterjochen, sich immer deutlich gedacht haben. Nein: ängstlich gewissenhafte, schon vorher in Schrecken versetzte Gemüther gingen, vom Instincte geleitet, mit sich selbst den Weg, den sie hernach mit anderen einschlugen. Sie täuschten erst sich selbst, ehe sie andere täuschten. Eine Ungereimtheit, die nicht aufgegeben, sondern aus Angst und Furcht geglaubt werden muss, führt zu unzähligen, und je scharfsinniger der gewissenhafte Grübler ist, eine desto reichlichere Ausbeute von Träumen wird er aus dem Lande der Chimären zurückbringen. – Aber unseren heutigen Eiferern für die Aufrechthaltung ihres reinen, allein seligmachenden Glaubens, die grossentheils nicht mit derselben Ehrlichkeit eifern, muss ich eine Lehre geben, die den Verdruss reichlich ersetzt, den ihnen die Durchlesung dieses Capitels verursachen könnte. – Wenn sie ihren Glauben dadurch zu behaupten suchen, dass sie etwa die abenteuerlichsten Sätze aufgeben, und ihn der Vernunft näher zu bringen suchen, so ergreifen sie ein Mittel, das geradezu gegen ihren Zweck läuft. Sie erregen durch dieses Nachgeben den Gedanken, dass doch auch wohl im Beibehaltenen Dinge seyn könnten, die mit der Zeit auch würden aufgegeben werden. – Doch, das ist noch der geringste Schade; aber indem sie das System abkürzen, und es von einem Theile seines Wunderbaren entkleiden, erleichtern sie die Prüfung und Uebersicht desselben: kam das vorherige, dessen Prüfung schwerer war, in Gefahr; wie will sich dasjenige erhalten, das sie erleichtert? Geht den umgekehrten Weg: jede Ungereimtheit, die in Anspruch genommen wird, beweiset kühn durch eine andere, die etwas grösser ist; es braucht einige Zeit, ehe der erschrockene menschliche Geist wieder zu sich selbst kommt, und mit dem neuen Phantome, das anfangs seine Augen blendete, sich bekannt genug macht, um es in der Nähe zu untersuchen: läuft es Gefahr, so spendet ihr aus dem unerschöpflichen Schatze eurer Ungereimtheiten ein neues; die vorige Geschichte wiederholt sich, und so geht es fort bis an das Ende der Tage. Nur lasst den menschlichen Geist nicht zum kalten Besinnen kommen, nur lasst seinen Glauben nie ungeübt; und dann trotzt den Pforten der Hölle, dass sie eure Herrschaft überwältigen. – Lasst euch, o ihr Verfinsterer und Freunde der Nacht – lasst euch diesen Rath durch die Vermuthung, dass er von einem Feinde herkomme, ja nicht verdächtig werden. Auch sogar gegen euch ist Tücke unerlaubt, ob ihr sie gleich gegen uns braucht. Prüfet ihn aufmerksam, und ihr werdet ihn völlig richtig finden.

Nach jenen Grundsätzen richtet auf Erden die Kirche statt Gottes; theilt sie an seiner Stelle die Belohnungen und die Strafen einer anderen Welt unter ihre Mitglieder. Man hat in einer bekannten Kirche sich auch zeitlicher Strafen gegen den Unglauben und die Unbussfertigkeit bedient; aber das ist eine unglückliche, auf Misverstand und gereizte Leidenschaft sich gründende Maassregel. Zeitliche Folgen der Kirchencensuren können nichts seyn, als Abbüssungen , denen der Gläubige mit seinem guten Willen und mit dem guten Willen der Kirche sich unterwirft, um den Folgen derselben in jener Welt zu entgehen. Wer für seinen Unglauben sich geisselt, und fastet und wallfahrtet, will der Kirche genug thun, um von ihrem Fluche für jenes Leben losgesprochen zu werden; selbst derjenige, der durch das heilige Amt sich verbrennen lässt, kann auf keine andere Bedingung sich verbrennen lassen, als dass er, wenn auch nicht in diesem, doch in jenem Leben, in der Kirche bleiben dürfe: er überliefert dem Satanas sein sündliches Fleisch zum Verderben, auf dass der Geist selig werde am jüngsten Tage. Dies ist auch ursprünglich die Bedeutung jener körperlichen Züchtigungen, wie man deutlich an den Förmlichkeiten sieht, mit denen sie ausgeübt werden. Aus der Fassung gebrachte Rachsucht war es, die sich ihrer als Strafen bediente, dadurch den Geist dieser Anstalten veränderte, und ihrem eigenen Zwecke geradezu entgegenarbeitete. Werden diese Abbüssungen Strafe, d. h. werden sie wider seinen Willen demjenigen aufgelegt, der auf diese Bedingung nicht in der Kirche bleiben, der ihr nicht gehorchen will, der ihren Fluch oder Segen verachtet und verlacht, der entschlossen ungläubig ist, so bewirken sie gerade das, was sie verhindern sollten; sie bewirken Heuchelei. Habe ich nichts zu wagen, als die Strafen der Kirche in der anderen Welt, so werde ich ihren Büssungen mich sicher nicht unterwerfen, wenn ich ihren Drohungen nicht glaube: mein Unglaube ist entdeckt, die Kirche ist von einem räudigen Schaafe gereinigt, das sie nun mit allen Flüchen belegen kann, die sie erfindet. Habe ich aber, ich mag nun glauben oder nicht, in dieser Welt Strafen zu erwarten, so werde ich meinen Unglauben verbergen, so lange ich kann, und lieber einem geringeren Uebel mich unterwerfen, um dem grösseren zu entgehen. – Ich übergehe hier, dass es eine offenbare Ungerechtigkeit ist, wenn die Kirche Menschen straft, die ihr den Gehorsam aufgekündigt oder nie zugesagt haben, über die sie mithin gar kein Recht hat; und dass ein solches Betragen den Abscheu und den unversöhnlichsten Hass aller ungerecht Behandelten gegen sie reizt. – Die römische Kirche, ein Muster von Consequenz, verfuhr bloss hierin inconsequent. Alle Verfolgungen der Juden und der geständigen Schismatiker durch die Inquisition, die Hinrichtung jedes Unbussfertigen, so lange er noch unbussfertig war, die Verbindung der zeitlichen Acht mit dem geistlichen Banne gegen die Regenten, die Entbindung ihrer Unterthanen von dem Eide der Treue, und der Befehl an dieselben, ihre Fürsten zu verlassen, waren solche Inconsequenzen, und sie kamen ihr theuer zu stehen.

Eine Kirche hat Glaubensgesetze, und also eine gesetzgebende Macht . Diese aber kann sehr getheilt seyn. Das Materiale dieser Gesetze, die Glaubensartikel, müssen gar nicht durch die einmüthigen Stimmen der Mitglieder hergegeben werden. Entweder Ein Mitglied, oder mehrere können dazu ausschliessend berechtigt seyn; die Kirche kann in dieser Rücksicht eine Monarchie, oder auch eine Oligarchie seyn – das wird durch ein Fundamentalgesetz über diesen Punct bestimmt: ihrer Form nach aber, als Glaubens gesetze , werden sie für keinen Einzelnen anders, als durch die freiwillige Uebernehmung verbindend. – Freilich rechnet die Kirche, wie schon oben gezeigt worden, auf ihre ursprüngliche, von keiner Freiheit der Willkür abhängige Allgemeingültigkeit für alle Menschen, und diesem Grundsatze zufolge ist sie freilich berechtiget, alle zu verfluchen und zu verdammen, die dieselben nicht annehmen; aber sie kann nicht verlangen, dass diese Flüche die geringste Folge in der Welt der Erscheinungen haben sollen, in welcher das Naturrecht herrscht, das von keinem ursprünglichen Glaubensgesetze etwas weiss, und jeden berechtigt, sich durch keinen Fremden willkürlich ein Gesetz aufdringen zu lassen. Wer das Gesetz für willkürlich hält, wird an die Verordnungen der Kirche nicht glauben; wer es für ursprünglich verbindend hält, wird sich ihm ohne Mühe unterwerfen.

Diese Gesetze müssen alle gleich verbindend seyn; sie dürfen zum Behuf der Beurtheilung zwar in wesentliche oder ausserwesentliche eingetheilt werden; aber für den Glauben müssen sie alle gleich wesentlich seyn. Wer an die geringste kirchliche Verfügung, betreffe sie nun einen Lehrsatz, oder eine Thatsache, oder die Kirchenzucht, nicht glaubt, dem muss es angerechnet werden, als ob er an alle nicht glaubte. Das Grundgesetz, welches alle übrigen in sich fasst, ist der Glaube an die Kirche, als alleinige untrügliche Gesetzgeberin und Richterin an Gottes statt, wie oben erwiesen worden. Kein Glaubensartikel muss geglaubt werden, weil er an sich glaubwürdig ist, sondern weil die Kirche ihn zu glauben befiehlt. Die Kirche befiehlt, alle zu glauben; wer also dem geringsten widerspricht, widerspricht der Kirche, und der Glaube an die übrigen, die er unmöglich aus Gehorsam gegen die Kirche, aber wohl aus anderen Gründen glauben kann, kann ihm nichts helfen; es ist nicht der geforderte kirchliche Glaube. – Ich warne gewisse meiner Leser wohlmeinend, bei dieser Härte, und bei grösseren Härten, die noch folgen werden, doch ja nicht zu vergessen, auf welchem Felde wir sind; doch ja nicht die Ungereimtheit zu begehen, und mir zu sagen: das alles mag wohl ehemals Grundsatz gewesen seyn; jetzt sind die Zeiten viel feiner. – Was ehemals, was jetzt, was jemals Grundsatz gewesen, will ich nicht wissen; ich bin nicht auf dem Felde der Geschichte, sondern auf dem Gebiete des Naturrechtes, welches eine philosophische Wissenschaft ist. Ich entwickele den Begriff einer sichtbaren Kirche ; ich folgere Satz vor Satz aus diesem Begriffe. Wenn jemals eine Gesellschaft sich angemaasst hat, eine sichtbare Kirche seyn zu wollen, und wenn diese Gesellschaft consequent war, so hat sie nothwendig dies und das annehmen müssen; sage ich. Ob es eine solche Gesellschaft gegeben, und ob sie consequent gewesen, das weiss ich nicht. Nur wenn ich unrichtig folgere, habe ich Unrecht.

Die Kirche hat ein Richteramt , und es muss durch die Kirchengesetze, welche, über diesen Punct so gut, als über andere, Glaubensartikel sind, bestimmt werden, wer dieses Richteramt zu verwalten habe. – Das Lehramt ist keines von den wesentlichen Aemtern der Kirche, sondern es ist zufällig. Der Lehrer darf nichts hinzu oder davon thun; er hat die Kirchenlehren bloss vorzutragen, wie sie festgesetzt sind. Er ist Gesetzerklärer und Einschärfer, und es ist schicklich, dass dieses Amt von demjenigen verwaltet werde, der zugleich Richter ist, weil beides die gleiche völlige Kenntniss der Gesetze voraussetzt. – Die ausschliessende Verrichtung der Priester in kirchlichen Gesellschaften besteht bekanntermaassen nicht im Lehren; lehren darf Jeder: sie besteht im Richten; im Beichtehören, Lossprechen oder Verurtheilen. Das Messopfer selbst ist eine richterliche Handlung, und der Grund aller übrigen: – es ist, wenn wir wollen, die feierlich vor Jedermannes Augen, und zu Jedermannes Nachricht wiederholte Belehnung der Kirche mit dem Richteramte Gottes. Wenn sie richten, in der höchsten Instanz richten soll, so muss Gott nichts mehr zu richten haben: und wenn er nichts mehr zu richten haben soll, so muss die Kirche ihm genug gethan haben, sie muss völlig rein, heilig und ohne Sünde seyn, sie muss die geschmückte Braut seyn, die nicht habe einen Flecken oder Runzel, oder des etwas, sondern die da heilig sey und unsträflich. Dies wird sie durch die Verdienste von Kirchenmitgliedern, welche für die ganze Kirche genug gethan haben: – Verdienste, die die Kirche in der Messe Gott darbringt, und sich dadurch von ihm völlig loskauft. Nur kraft dieser Loskaufung hat die Kirche das Recht, ihre Mitglieder selbst zu richten. – Jeder, der Messe liest, muss Beichte hören können; jeder, der Beichte hört, muss Messe lesen können, und beides ist Folge von der Bevollmächtigung der Kirche, ihre richterlichen Handlungen auszuüben. Die Richtersprüche der Kirche sind untrüglich, weil sie, kraft des Messopfers, die alleinige Richterin für die unsichtbare Welt ist; sie mussten untrüglich seyn, wenn eine Kirche möglich seyn sollte. Wie kann eine Gesellschaft sich des Gehorsams versichern, wenn sie den Ungehorsam nicht bestrafen kann; und wie könnte die Kirche, deren Strafen in eine unsichtbare Welt fallen, den Ungehorsam bestrafen, wenn es nicht sicher wäre, dass ihre Ansprüche in dieser unsichtbaren Welt gelten, und dass die Strafen, die sie aufgelegt hat, dort gewiss erfolgen. – Die lutherische Kirche ist inconsequent, und sucht ihre Inconsequenz zu bemänteln: die reformirte ist frank und frei inconsequent. Beide haben Glaubensgesetze, – ihre symbolischen Bücher; oder wenn auch nur die Bibel dieses symbolische Buch wäre, so ist schon der Satz: die Bibel ist Gottes Wort, und was sie enthält, ist wahr, weil sie es enthält, – ein Satz, der nothwendig das ganze kirchliche System, wie wir es jetzt entwickelt haben, begründet. – Wer ihnen glaubt, wird selig; wer ihnen nicht glaubt, – dem schadet es an seiner Seligkeit auch nicht. Wenn ich einmal dem Anschein glauben muss, und aus Gründen mich nicht überzeugen kann, so sehe ich nicht ein, warum ich dem Ansehen der einen Kirche lieber, als dem Ansehen der anderen glauben solle, da ich in beiden selig werden kann; und wenn ich noch von einer dritten wissen sollte, die das Recht, selig zu machen, ausschliessend zu besitzen vorgiebt, und die Alles, ohne Ausnahme, verdammt, was ihr nicht glaubt, so muss ich nothwendig dieser mich unterwerfen. – Ich will selig werden, das ist mein letzter Endzweck; alle Kirchen versichern, dass das nicht durch eigene Vernunft und Kraft, sondern allein durch den Glauben an sie möglich sey: ich muss also, ihrer eigenen Versicherung nach, ihnen glauben, wenn ich selig werden will. Alle drei Kirchen lehren, dass man in der römischen Kirche selig werden könne; trete ich, um selig zu werden, in die römische Kirche, so glaube ich allen dreien: ich werde demnach, nach Versicherung aller dreier, selig. Die römische Kirche lehrt, dass man in den beiden übrigen nicht selig werden könne; bin ich in einer von diesen beiden, und glaube dennoch selig zu werden, so glaube ich Einer Kirche nicht: ich werde demnach, nach der Versicherung Einer Kirche, nicht selig. – Der Glaube gründet sich, der einstimmigen Lehre aller Kirchen nach, nicht auf Vernunftgründe, sondern auf Autorität, Wenn die verschiedenen Autoritäten nicht abgewogen werden sollen – das könnte nur durch Vernunftgründe geschehen, deren Gebrauch untersagt ist – so bleibt nichts übrig, als die Stimmen zu zählen . Wenn ich in der römischen Kirche bin, so werde ich durch alle Stimmen selig; wenn ich in einer anderen bin, nur durch zwei, und durch eine verdammt. Ich muss, nach der Lehre aller Kirchen, die grössere Autorität wählen; ich muss also, nach der Lehre aller Kirchen, in die römische Kirche treten, wenn ich selig werden will. – Kann den protestantischen Lehrern, welche kirchliche Grundsätze haben, diese leichte Folgerung entgangen seyn? Ich glaube kaum. Ich glaube, dass sie in ihrem Herzen alle verdammen, die nicht denken wie sie, und dass sie sich nur nicht getrauen, es laut zu sagen. Dann sind sie consequent, und dafür gebührt ihnen ihr Lob. – Die reformirte Kirche hat kein Richteramt; die lutherische hat bloss den Schein desselben. Der lutherische Priester vergiebt mir die Sünde, mit der Bedingung, dass Gott sie mir auch vergebe; er ertheilt Leben und Seligkeit, mit der Bedingung, dass Gott sie auch ertheile. – Ich bitte, was thut er denn da sonderliches? was sagt er mir denn da, das mir nicht ein jeder, und das ich mir nicht selbst ebensowohl hätte sagen können, als er mirs sagt. Ich wollte bestimmt wissen, ob Gott mir die Sünde vergeben habe; er sagt mir, Er wolle sie mir vergeben, wenn Gott sie mir auch vergäbe. Was bedarf ich seiner Vergebung; ich wollte die Vergebung Gottes . Wenn ich dieser sicher wäre, so bedürfte ich seiner nicht; ich wollte es mir dann schon selbst sagen. Er muss unbedingt vergeben, oder er muss es gar seyn lassen. – Der lutherische Priester giebt sich also bloss den Anschein, als ob er Segen ertheilen könnte; er kann es nicht wirklich; Strafe auflegen darf er auch nicht einmal zum Scheine. Er kann weiter nichts gegen die Sünde unternehmen, als sie vergeben; behalten darf er sie gar nicht, als vor der ganzen Gemeine ins blaue Feld hin. Er kann nur den Himmel versprechen; mit der Hölle drohen darf er Keinem; sein Mund muss immer in ein segnendes Lächeln gezogen seyn. (D'un air bénin le pêcheur il caresse.)

Die Kirche hat eine ausübende Gewalt ; aber nicht in diesem Leben; ihre Richtersprüche werden erst in der zukünftigen Welt vollzogen. Dass die Vollziehung genau mit dem Urtheile übereinkommen werde und müsse, dass nicht mehr und nicht weniger geschehen werde, als die Kirche festgesetzt und verordnet hat, folgt schon aus dem obigen; was auf der Erde – in diesem Leben – von der Kirche gebunden ist, ist eben so und nicht anders im Himmel – in jener Welt – gebunden, und was die Kirche hier losgesprochen hat, muss auch dort losgesprochen seyn.Sprachgebrauch und Zusammenhang beweisen mir wenigstens, dass die katholische Erklärung dieser und der vorhergehenden Worte (die Anwendung auf den Papst, als Nachfolger Petrus abgerechnet) die einzig richtige sey, und dass es keine andere geben könne, ohne beiden die höchste Gewalt anzuthun. Diese Stelle verdiente wohl in unseren neueren Zeiten die Revision eines gründlich gelehrten, aber unparteiischen Schrifterklärers. – Wenn sie denn nun auch so erklärt werden müsste, wenn denn nun auch das so sehr gefürchtete Primat, und die Unfehlbarkeit Petrus wirklich hier angetroffen würde – was könnte doch gegen den wahren Protestanten daraus gefolgert werden! Dass die Vollzieher dieser Urtheile keine anderen seyn können, als Mitglieder der einigen alleinseligmachenden Kirche, weil, und inwiefern sie das sind, folgt gleichfalls aus dem obigen; und es ist auch ohnedies bekannt: – Jesus, das Haupt der Kirche, seine ersten Bekenner, die zwölf Apostel, sitzend auf zwölf Stühlen, alle Heilige, die durch ihr erübrigtes Verdienst zum Schatze der Gnaden, den die Kirche verwaltet, Beiträge geliefert haben, werden, der Lehre der Kirche nach, dort die Urtheile vollziehen lassen. – In dieser Welt kann eine consequente Kirche keine vollziehende Gewalt haben, weil es, wie wir oben gezeigt haben, gegen ihren Endzweck läuft, physische Folgen mit ihren Censuren zu verknüpfen. Erlaubt sie Abbüssungen, welche an den Büssenden durch bestimmte Diener vollzogen werden müssen, die freilich die Kirche einsetzen kann, so handeln diese bei jenen Vollziehungen nicht im Namen der Kirche, sondern im Namen des büssenden Ungläubigen, der sich selbst freiwillig zur Abbüssung entschlossen, und den verordneten Dienern aufgetragen haben muss, sie an ihnen zu vollziehen. Dies ist das nothwendige System der sichtbaren Kirche, welche, wie aus allem Gesagten erhellet, ihrer Natur nach, nur eine einige und allgemeine seyn kann. Wenn von mehreren Kirchen geredet wird, so ist sicher, dass entweder alle insgesammt, oder alle, ausser einer einzigen, inconsequent verfahren. Wir haben jetzt das Verhältniss dieser Kirche zum Menschen unter dem Naturgesetze, und unter dem Gesetze des Staates; – die Beziehung derselben auf die Menschen, als solche, und auf die Menschen, als Bürger zu untersuchen. Ob diese selbst abgesondert leben, oder sich zu einem Staate vereinigt haben; – die Kirche, als abgesonderte Gesellschaft betrachtet, steht gegen die übrigen Menschen, und diese gegen sie unter dem Gerichtshofe des Naturrechtes; sie steht gegen ihre eigenen Mitglieder unter dem Gesetze des Vertrages, welches selbst ein naturrechtliches Gesetz ist.

Jeder Mensch ist von Natur frei, und niemand hat das Recht, ihm ein Gesetz aufzulegen, als Er sich selbst. Die Kirche hat demnach kein Recht, jemandem ihr Glaubensgesetz durch physischen Zwang aufzudringen, oder ihn mit Gewalt ihrem Joche zu unterwerfen. Durch physischen Zwang, sage ich; denn das Naturrecht gebietet auch nur über die Welt der Erscheinungen. Gegen moralische Bedrückungen dürfte der Beleidigte mit keinen anderen Waffen kämpfen, als mit gleichen, – wenn sie anders, als in der Welt der Erscheinungen, – anders, als mit der Einwilligung des anderen Theiles ausgeübt werden könnten. – Du fürchtest mein Einreden, meine Zunöthigungen, meine Scheingründe; du scheuest die Vorstellung der schrecklichen Uebel jener Welt, die ich dir androhe: kann ich dir dies anders beibringen, als durch Aeusserung meines Gedankens durch Zeichen? Höre mich nicht an, verstopfe vor mir deine Ohren; jage mich aus deinen vier Pfählen, und verbiete mir, je wieder dahin zu kommen, oder, wenn ich es durch Schriften thue, lies sie nicht: zu allem diesen hast du das vollkommene Recht. Aber wenn du dich einmal mit deinem guten Willen mit mir auf den moralischen Kampfplatz begeben hast, so hast du dein Einspruchsrecht an mich veräussert; lass dir nun das Kriegsglück gefallen. Hättest du mich überzeugen können, so wäre ich dir unterworfen worden; da ich dich überzeugt habe, bist du mir unterworfen. Das war unsere Abrede: du hast dich über mich nicht zu beklagen. – Die Kirche, wenn sie das vor ihrem eigenen Gewissen verantworten zu können glaubt, mag verdammen und mit den härtesten Flüchen belegen, wer sich ihr nicht unterwerfen will; so lange diese Verdammungsurtheile im Gebiete der unsichtbaren Welt bleiben, wohin sie gehören – wer dürfte etwas dagegen haben? Sie flucht im Herzen, wie jener unglückliche Spieler, und diese Genugthuung kann man jedem gönnen. Sobald aber diese Flüche Eingriffe in die Rechte des anderen in der sichtbaren Welt zur Folge haben; so behandelt derselbe rechtlich die Kirche als Feind, und nöthigt sie zum Schadenersatz.

Jeder Mensch wird wieder frei, sobald er frei werden will, und hat das Recht, Verbindlichkeiten, die er sich selbst auflegte, sich auch selbst wieder abzunehmen. Jeder kann demnach der Kirche den Gehorsam aufkündigen, sobald er will; und die Kirche hat ebensowenig das Recht, ihn durch physische Mittel zu nöthigen, in ihrem Schoosse zu bleiben, als sie jenes hatte, ihn durch dergleichen Mittel zu nöthigen, in dieselbe zu flüchten. Der Vertrag ist aufgehoben; er giebt der Kirche ihren himmlischen Schatz, den er noch nicht angegriffen hat, unversehrt zurück, und lässt ihr die Freiheit, alle ihre Zornschalen in der unsichtbaren Welt über ihn auszuschütten; und sie giebt ihm seine Glaubensfreiheit wieder. Alle physischen Strafen, die die Kirche irgend einem Menschen wider seinen Willen auflegt, sind demnach nicht bloss den eigenen Grundsätzen der Kirche; – sie sind auch dem Menschenrechte zuwider. Uebernimmt er die ihm angetragene Abbüssung der ewigen Verdammniss nicht freiwillig, so glaubt er der Kirche nicht – denn dass er wohlberechneterweise die ewige Verdammniss zu seinem Endzwecke habe, lässt sich nicht annehmen – er ist mithin ihr Mitglied nicht mehr, und sie darf ihn nicht antasten. Thut sie es, so versetzt sie sich gegen ihn in das Verhältniss des Feindes. Jeder Ungläubige, den, bei fortdauerndem Unglauben, die heilige Inquisition hingerichtet hat, ist gemordet, und die heilige apostolische Kirche hat sich in Strömen unschuldig vergossenen Menschenblutes berauscht. Jeder, den die protestantischen Gemeinen, um seines Unglaubens willen, verfolgt, verjagt, seines Eigenthums, seiner bürgerlichen Ehre beraubt haben, ist unrechtmässig verfolgt worden; die Thränen der Wittwen und Waisen, die Seufzer der niedergetretenen Tugend, der Fluch der Menschheit lastet auf ihren symbolischen Büchern.

Darf Einer aus der Kirche heraustreten, so dürfen es Mehrere. Durften die Mitglieder der ersten Kirche sich durch einen Vertrag verbinden und eine Kirche ausmachen, so dürfen auch diese sich vereinigen und eine besondere Kirche bilden. Die erstere darf das durch physische Mittel nicht verhindern. Es entstehen mehrere geistige Staaten neben einander, die ihre Kriege nicht mit fleischlichen Waffen, sondern mit den Waffen der Ritterschaft, welche geistlich ist, zu führen haben. Mögen sie sich gegenseitig excommuniciren, verdammen, verfluchen, so viel sie können; das ist ihr Kriegsrecht. – »Aber von mehreren Kirchen werden alle, ausser einer, inconsequent seyn.« Das mögen sie; und wie, wenn selbst die consequenteste in ihrem Grundsatze unrecht hätte? Es ist jedem erlaubt, so inconsequent zu folgern, als er will oder kann, das Naturrecht richtet nur über das Thun, nicht über das Denken.

Jedes Mitglied hat, kraft des Vertrages mit der Kirche, das Recht über die Reinigkeit des Glaubensbekenntnisses zu wachen. Jeder hat sich zu dem bestimmten Glaubensbekenntnisse mit ihr verbunden, und zu keinem anderen. – Die Kirche hat im Namen aller das Recht, über diese Reinigkeit zu wachen, und jeden, der sie verfälscht, mit den gesetzlichen Strafen zu belegen; oder, wenn er sich ihr nicht unterwirft, aus ihrer Gemeinschaft auszuschliessen. Er bricht dann den Gesellschaftsvertrag. – Da die Kirche das Recht hat, jedes Mitglied, um falschen Glaubens willen, auszuschliessen; so kann darüber keine Frage entstehen, ob sie nicht auch das Recht habe, einen Lehrer, um falscher Lehre willen, zu entsetzen, oder gar auszuschliessen.

Jeder, der der Kirche gehorsam ist, hat kraft des Vertrages einen Rechtsanspruch auf Duldung, und auf die durch die Gesetze bestimmten Segnungen derselben. Die Kirche muss ihr Versprechen halten, oder sie vernichtet sich selbst.

Kirche und Staat, als zwei verschiedene abgesonderte Gesellschaften gedacht, stehen gegen einander unter dem Gesetze des Naturrechtes, wie Einzelne, die abgesondert neben einander leben. Dass meistens die gleichen Menschen Mitglieder des Staates und der Kirche zugleich sind, thut nichts zur Sache; wenn wir nur die beiden Personen, die dann jeder ausmacht, in der Reflexion absondern können, wie wir es müssen. Gerathen Kirche und Staat in Streit, so ist das Naturrecht ihr gemeinschaftlicher Gerichtshof. Wenn beide ihre Grenzen kennen, und die Grenzen des anderen respectiren, so können sie nie in Streit gerathen. Die Kirche hat ihr Gebiet in der unsichtbaren Welt, und ist von der sichtbaren ausgeschlossen; der Staat gebietet nach Maassgabe des Bürgervertrages in der sichtbaren, und ist von der unsichtbaren ausgeschlossen.

Der Staat kann nicht in das Gebiet der Kirche eingreifen; das ist physisch unmöglich – er hat die Werkzeuge eines solchen Eingriffes nicht. Er kann in dieser Welt strafen oder belohnen; dazu hat er die ausübende Gewalt in den Händen, und die Leiber und Güter seiner Bürger stehen in seiner Macht. Er kann nicht in jener Welt Fluch oder Segen ausspenden; das findet nur gegen den statt, der da glaubt; und der Staat hat im Bürgervertrage den Glauben nicht gefordert, keiner hat ihm Glauben versprochen, und er hat nichts gethan, um sich denselben zu verschaffen. Er hat, laut des Bürgervertrages, bloss über unsere Handlungen, nicht aber über unsere Gedanken zu richten. Wo es scheint, als ob der Staat etwas dergleichen unternehme, da ist es nicht der Staat; es ist die Kirche, die sich in die Rüstung des Staates verkleidet hat; und hierüber werden wir sogleich weiter reden. – Kleinere oder grössere Gesellschaften im Staate, oder, wenn wir wollen, der Staat selbst kann Anstalten zur Belehrung der Menschen oder Bürger über die Sittenlehre, oder auch über das, was bloss glaubwürdig ist (im Gegensatze dessen, was man weiss), oder überhaupt zur Geistesaufklärung errichten. Aber das macht noch keine Kirche. Die Kirche ist aufs Glauben, diese Anstalten sind auf das Forschen aufgebaut; die Kirche hat die Wahrheit, diese suchen sie; die Kirche fordert gläubiges Annehmen; diese suchen zu überzeugen, wenn sie können, und lassen es, wenn sie nicht können; sie fragen Keinen aufs Gewissen, ob er überzeugt sey oder nicht, sondern überlassen das Jedem selbst; die Kirche macht selig oder verdammt, diese Anstalten überlassen Jedem, was er seyn wolle oder könne; die Kirche zeigt den unfehlbaren Weg zum Himmel, diese Anstalten suchen Jeden so weit zu bringen, dass er ihn selbst finden könne. Nur da, wo ein Glaubensbekenntniss und eine Glaubenspflicht, und die unfehlbare Verheissung der Seligkeit ist, wenn man dieses Glaubensbekenntniss annimmt, ist eine Kirche; wo aber ein Glaubensbekenntniss ist, und bestehe es auch bloss in dem kurzen Satze: was in der Bibel steht, ist wahr, weil es in der Bibel steht; da ist eine Glaubenspflicht und eine Kirche, und eine allein seligmachende Kirche, und alles ohne Ausnahme, was wir oben aus dem Begriffe der Kirche entwickelt haben; – so gewiss ist es da, als die Glieder derselben drei bis vier Schlüsse verfolgen können. – Da jene Anstalten keine gefundene , sondern eine aufzusuchende Wahrheit voraussetzen, so folgt schon daraus, was sich ohnedies aus dem obigen versteht, dass auch der Staat sich den Besitz derselben nicht anmaassen könne, dass er mithin keine Aufsicht über die Vorträge der Lehrer in diesen Anstalten habe. Sie müssen nach der Richtung des Gemeinsinns (des ursprünglichen, nicht nach dem Meinungssysteme der Völker) hin arbeiten; dieser ist ihr alleiniger Richter, und er wird, ohne das Zuthun der ausübenden Gewalt, schon ein Urtheil über sie fällen. Nähern sie sich ihm, so wird man sie hören; widerstreiten sie ihm, so werden sie bald leeren Bänken predigen.

Die Kirche aber kann in die Grenzen des Staates eingreifen, weil ihre Mitglieder physische Kräfte haben. Sie greift darin ein, wenn sie an denselben menschliche oder bürgerliche Rechte kränkt, und der Staat ist laut des Bürgervertrages verbunden, diese Rechte zu schützen, und die Kirche, im Falle der Verletzung, zu Genugthuung und Schadenersatz, durch physischen Zwang gegen die Werkzeuge ihrer physischen Unterdrückung, anzuhalten. Kränkt die Kirche an Staatsbürgern diejenigen Rechte, die sie nicht als Menschen oder Bürger, sondern als Kirchenglieder haben, – versagt sie ihnen die vertragsmässigen Belohnungen, überschüttet sie sie mit unverschuldeten Strafen, so hat der Staat darum sich nicht zu kümmern: diese Beeinträchtigungen geschehen in einer anderen Welt, in der der Staat nicht schützen kann, noch zu schützen versprochen hat. – Gegen Beeinträchtigungen in der sichtbaren Welt aber muss er schützen. Nöthigt die Kirche ein Mitglied des Staates durch Zwangsmittel ihre Oberherrschaft anzuerkennen; fügt sie irgend einem, der sich nicht freiwillig der Büssung unterwirft, oder der ihr überhaupt den Gehorsam aufkündigt, physische Strafen zu, so hat derselbe den gegründetsten Rechtsanspruch auf den Beistand des Staates. Verknüpft die Kirche gar Folgen im Staate mit dem Ungehorsame gegen ihre Gebote, so greift sie unmittelbar in die Rechte des Staates ein, und kündigt ihm den Krieg an. In allen diesen Fällen hat der Staat nicht nur ein Recht, die Kirche feindlich zu behandeln, sondern er ist sogar, laut des Bürgervertrages, dazu verbunden.

Man hat einen gewissen gegenseitigen Bund der Kirche und des Staates erdacht, kraft dessen der Staat der Kirche seine Macht in dieser, und die Kirche dem Staate ihre Gewalt in der zukünftigen Welt freundschaftlich leiht. Die Glaubenspflichten werden dadurch zu bürgerlichen; die Bürgerpflichten zu Glaubensübungen. Man glaubte ein Wunder der Politik vollbracht zu haben, als man diese glückliche Vereinigung getroffen hatte. Ich glaube, dass man unvereinbare Dinge vereinigt und dadurch die Kraft beider geschwächt habe. – Schon oben ist bemerkt worden, dass die Kirche sich selbst widerspreche, und ihrem eigenen Zwecke, sich der Lauterkeit ihrer Mitglieder zu versichern, entgegen handle, wenn sie den Unglauben mit irdischen Strafen belegt. Ich habe also kein Wort weiter hinzuzusetzen, um zu beweisen, dass die Kirche durch dieses sonderbare Bündniss geschwächt werde. Nicht weniger verliert der Staat. Er hat keine so unsichere Herrschaft, wie die Kirche über die Gewissen; er gebietet über Handlungen, die sich in der sichtbaren Welt zeigen, und seine Gesetze müssen so eingerichtet seyn, dass er auf den Gehorsam gegen dieselben sicher rechnen kann; keins muss ungestraft übertreten werden können; er muss auf den Erfolg jeder Handlung, die er geboten hat, sicher rechnen können, wie man in einer wohlgeordneten Maschine auf das Eingreifen eines Rades in das andere sicher rechnen kann. – Jene Declamationen, dass der Staat nicht stets wachen, nicht alles beobachten könne, sind seicht und oberflächlich; der Staat muss keine Handlung gebieten, über deren Ausführung er nicht wachen kann; keiner seiner Befehle muss ohne Wirkung seyn, oder sie werden es nach und nach alle. Ein Staat, der die Krücke der Religion borgt, zeigt uns nichts weiter, als dass er lahm ist; wer uns um Gottes und um unserer Seligkeit willen beschwört, seinen Befehlen zu gehorchen, der gesteht uns, dass er selbst nicht Kraft habe, uns zum Gehorsam zu nöthigen; sonst würde er es thun, ohne Gott zu Hülfe zu rufen. – Was kann denn zuletzt eine solche Vermittelung der Religion helfen? Wie denn, wenn wir nicht an Gott und an keine andere Welt, und an keine Belohnungen oder Strafen derselben glauben? Entweder der Staat hat anderweitige Mittel, uns zum Gehorsam zu zwingen, oder nicht. Hat er sie, so bedarf er des Bewegungsgrundes der Religion nicht; er thut etwas überflüssiges, wenn er sich ihrer bedient, und macht sich ohne Vergeltung zum Werkzeuge der Kirche. Wollen wir selbst im Kampfe gegen unsere Neigungen uns dieser Bewegungsgründe bedienen, um uns das pflichtmässige Verhalten weniger beschwerlich zu machen, so mögen wir das wohl thun; aber seine Sorge ist das nicht. – Hat er keine solche Mittel, so kann er auch durch den Gebrauch der Religion nicht sich unseres Gehorsams versichern, wenn wir entschlossene Ungläubige sind; – da er selbst seinen Arm der Kirche leihet, so werden wir uns sorgfältig genug hüten, unseren Unglauben nicht zu verrathen: – er gebietet demnach ins blaue Feld hin; sind wir rechtgläubig, so werden wir gehorchen; sind wirs nicht, so werden wir es freilich seyn lassen, aber – er hat es nur versuchen wollen; es kommt ihm auf Einen Ungehorsam mehr oder weniger nicht an. Welch ein Staat! – Es steht ihnen allerdings wohl an, uns die Bezahlung in jenem Leben anzuweisen, wenn sie uns in diesem alles nehmen; oder uns mit der Hölle zu drohen, wenn wir uns ihren ungerechten Gewaltthätigkeiten nicht unterwerfen wollen. Was glauben sie selbst denn, indess sie so frank und frei ungerecht sind? Entweder nicht Himmel noch Hölle; oder sie denken für ihre Person die Sache mit Gott wohl abzumachen. Wie nun, wenn wir eben so klug sind, als sie? –

Nirgends zeigt sich dies auffallender, als in protestantischen Staaten. Eine und ebendieselbe physische Person kann allerdings Fürst seyn, und Bischof seyn; aber die Verrichtungen des Fürsten sind andere, als die des Bischofs, und keiner darf den anderen bestechen. In einer und ebenderselben Handlung kann man nicht beides zugleich seyn. – Nun haben die protestantischen Fürsten sich sagen lassen, dass sie zugleich Bischöfe seyen, und eifrig, wie sie sind, wollen sie auch ihre bischöflichen Pflichten erfüllen. Die Reinigkeit des Glaubens liegt ihnen am Herzen, und diese wird, wenigstens ihren geringen Einsichten nach, verfälscht. Im gerechten Ingrimme tappen sie um sich, ergreifen, was ihnen unter die Hände kommt, und schlagen drein. Es war der Scepter. Aber ist denn der Scepter dazu? Der Hirtenstab sollte es seyn. Sind sie Bischöfe, so mögen sie den Ungläubigen verfluchen, verdammen, des Himmels verweisen, und in die Hölle gefangen setzen; sie mögen Scheiterhaufen errichten, auf denen jeder sich verbrennen könne, der gern verbrannt seyn will, um selig zu werden; aber die Macht des Staates dürfen sie nicht gegen ihn brauchen, sonst fleht er den Staat um Schutz an. – Den Staat? Ach, in welche Hände sind wir gerathen! es ist der Staat selbst, der im Namen Gottes auf uns zuschlägt.»Aber wenn es nun den Fürsten ein wahrer Ernst wäre, für die künftige Seligkeit ihrer Unterthanen nach ihrer Art zu sorgen; sollte man dann nicht wenigstens ihre gute Absicht ehren?« – Vielleicht; aber ihren Verstand und ihr Gerechtigkeitsgefühl sicher nicht. Jeder hat das Recht, die Mittel zu seiner Seligkeit selbst zu suchen, zu prüfen, zu wählen, und er duldet mit seinem vollen Rechte keine fremde Hand auf diesem seinem eigenthümlichen Boden. – Und warum wollen denn wohl eigentlich die Fürsten Ihre Unterthanen so gern selig haben? ob das wohl in der Regel aus blosser reiner Liebe zu ihnen, oder ob es nicht bisweilen aus Selbstliebe geschieht? Wie kommt es doch, dass es meist eben die vierzehnten Ludwige und ihres gleichen sind, die so angelegentlich für anderer Seligkeit sorgen? – Solche Fürsten wissen an ihren Unterthanen alles zu brauchen. Die sterblichen Leiber derselben haben sie Glied für Glied schon so hoch in Anschlag gebracht, dass an diesen weiter kein grosser Gewinn zu machen ist. – »Aber, sagt ihnen ihr Gewissensrath, haben ihre Unterthanen nicht auch eine unsterbliche Seele?« – und auf diese willkommene Erinnerung entwerfen sie geschwind einen Plan, sie noch im ewigen Leben zu benutzen, und selbst dem lieben Gotte die Seelen derselben so theuer, als es gehen will, zu verhandeln.

Aber die protestantischen Bischöfe haben nicht das Recht, zu verdammen. – So? ich bitte, was ist denn ein Bischof? Ich meinte, ein untrüglicher Richter im Namen der Kirche. Und was ist denn die Kirche? Ich meinte, die alleinige und letzte Richterin in der unsichtbaren Welt. Wenn es wahr ist, dass die protestantischen Bischöfe nicht das Recht haben, zu verdammen, so sind sie nicht Bischöfe, und ihre Kirchen sind nicht Kirchen. – Ueberhaupt, die protestantischen Gemeinen sind entweder höchst inconsequent, oder sie geben sich gar nicht für Kirchen aus. Es sind Lehranstalten, wie wir sie oben schilderten. Es giebt kein drittes; man muss sich entweder in den Schooss der alleinseligmachenden römischen Kirche werfen, oder man muss entschlossener FreigeistZur Nachricht und Ehrenrettung eines sehr ehrenwerthen Wortes! – Frei hat doch wohl von jeher die Form, und nicht die Materie bezeichnet? Es kommt also nicht darauf an, was man glaube, sondern aus welchen Gründen man es glaube, um ein Freigeist zu seyn. Wer der Autorität glaubt, sey sein Glaubensbekenntniss so kurz es wolle, ist ein Gläubiger; wer nur seiner eigenen Vernunft glaubt, ist ein Freigeist. Wenn jemand an den Esel des Mohammed, oder an die unbefleckte Empfängniss der Jungfrau Maria, oder an die Gottheit des Apis glaubt, weil er durch eigenes Nachdenken von der Wahrheit dieser Sätze sich überzeugt zu haben wähnt, so ist er ein Freigeist; und wenn jemand auch weiter nichts glaubt, als dass ein Gott sey, weil er etwa in der Bibel, die er auf die Aussage der Kirche hin für Gottes Wort hält, nichts weiter findet, so ist er ein Gläubiger. – Die Reformatoren waren die erklärtesten Freigeister; und vielen würdigen Männern hat es geschienen, dass der Protestantismus überhaupt nichts, als Freigeisterei sey, d. h., dass der Protestant alles von sich weisen müsse, wovon er Sich nicht selbst überzeugen könne. Da ich wünsche, dass sie consequent wären, so möchte ich wohl, dass es so wäre. – Aber dann dürfte es kein Lutherthum, keine reformirte Religion, keinen Deismus, Naturalismus, u.s.w. geben. Katholicismus und Protestantismus sind gerade entgegengesetzte Begriffe: der erstere ein positiver, und der zweite ein negativer. werden. Was wollen denn also diejenigen, die uns in unserem Zeitalter wieder an die symbolischen Bücher ketten, wo es nicht leicht viele geben wird, die durch eigenes Nachforschen auf die in denselben vorgelegten Resultate kommen, – was wollen sie doch eigentlich? So bald wir uns irgend einen Satz, als vor aller Untersuchung vorher ausgemacht, aufdringen lassen, müssen wir entweder auf alle gesunde Logik Verzicht thun, oder den gröbsten, härtesten Katholicismus annehmen. Ich weiss wohl, dass die wenigsten protestantischen Eiferer für die symbolischen Bücher dieses einsehen; aber ich weiss gar wohl, wer die sind, die es gar wohl einsehen, und die es uns in ihren Schriften gründlich genug zeigen; ich weiss, von welcher Partei aus diese Sache zuerst so eifrig in Anregung gekommen, und das ganze Publicum weiss es. Sind nicht vielleicht jene protestantischen Eiferer Werkzeuge jener uns an Consequenz und Schlauheit weit überwiegenden Köpfe? Ich weiss nichts von Jesuiten und jesuitischen Machinationen; aber dass an einem grossen Verfinsterungssysteme gebrütet werde, und welches Mittel das einzige sey, um dieses System durchzuführen, kann jeder wissen, der Augen hat, zu sehen, und einen Kopf, zwei Sätze zusammenzureihen.

Staat und Kirche sind demnach von einander geschieden: es ist zwischen beiden eine natürliche Grenze, die keines zu überschreiten das Recht hat. Es läuft dem eigenthümlichen Geiste der Kirche entgegen, und es ist offenbar ungerecht, wenn sie sich eine Gewalt in der sichtbaren Welt anmaasst; der Staat hat keine Verbindlichkeit, und überhaupt auch keine Befugniss, nach unseren Meinungen über die unsichtbare Welt zu fragen. Es entsteht aber noch die Frage, ob es nicht in gewissen Fällen die Klugheit anrathen könne, und inwiefern der Staat berechtiget sey, ihrem Rathe hierin zu folgen; und wir wollen auch diese Frage mit abhandeln, um unsere Aeusserungen vor jedem möglichen Misverständnisse zu sichern.

Eine Kirche kann ihren Mitgliedern Verbindlichkeiten auflegen, die den Verbindlichkeiten derselben als Staatsbürger widersprechen. Was soll ein Staat thun, wenn ihm dies durch zuverlässige Aeusserungen bekannt wird? –Hat der Staat nur über Handlungen, nicht aber über Meinungen zu richten, so tritt seine Verbindlichkeit in diesem Falle nicht eher ein, bis jene kirchliche Meinung bei irgend einem Bürger zur That geworden ist: dann hat er die That zu bestrafen. – Aber ein weiser Staat mag lieber der That zuvorkommen, als sie hinterher strafen: er mag sie lieber verhindern, als rächen. Wohl; aber wie kann er wissen, ob jene Meinung seiner Bürger wirklich in Handlungen übergehen werde? Die Kirche hat ihnen die Verbindlichkeit dazu aufgelegt; und der Bürger hat sie – der Staat weiss nicht, ob gläubig oder heuchlerisch – übernommen. Soll der Staat annehmen, dass er ehrlich gegen die Kirche sey, und dass er seinen Grundsätzen zufolge handeln werde? Es scheint. Aber eben dieser Mann hat ja die entgegengesetzte Verbindlichkeit gegen den Staat übernommen. Jenem Grundsatze zufolge müsste der Staat annehmen, dass er auch diese Verbindlichkeit ehrlicherweise übernommen, und auch dieser gemäss handeln werde, und dann würden in seiner Seele die kirchliche Verbindlichkeit und die bürgerliche sich gegenseitig aufheben. Die Kirche kann die geforderte Handlung nicht durch äussere Mittel erzwingen; der Staat aber kann es, und hat daher auf seine Uebermacht zu rechnen. – Aber man kennt die Kraft der religiösen Meinungen auf die Seelen der Menschen; je grössere Aufopferungen sie fordert, desto leichter wird ihr gehorcht; man gehorcht ihr oft eben darum, weil man in ihrem Dienste der Gefahr oder dem grausamsten Tode entgegengeht. – Ich könnte hierauf antworten, dass der Staat und die Gesellschaft diese Schwärmerei mit denjenigen Waffen zu bekämpfen habe, die uns ganz eigentlich gegen sie gegeben sind: mit kalter, gesünder Vernunft; dass er nur desto mehrere und zweckmässigere Anstalten zur Aufklärung und Geistescultur seiner Bürger zu treffen habe; und dass er auf diese Art vor religiöser Wuth sich immer sicherer stellen werde. Aber wenn er dies nun nicht versteht? So bediene er sich seiner Rechte!

Der Staat kann keinen Menschen nöthigen, mit ihm in den Bürgervertrag zu treten; ebensowenig kann irgend ein Mensch den Staat nöthigen, ihn darein aufzunehmen, gesetzt auch, der Staat habe zu dieser Versagung gar keine gegründete Ursache, oder er wolle ihm keine sagen. Beide Theile sind gleich frei, und der Bund wird freiwillig geschlossen. Befürchtet der Staat von gewissen Meinungen üble Folgen, so kann er alle, die bekanntermaassen denselben zugethan sind, von der Fähigkeit, Bürger zu werden, ausschliessen; er kann bei Schliessung des Bürgervertrages von Jedem die Versicherung fordern, dass er dieselben nicht annehme. – Jeder hat das Recht, aus dem Staate zu treten, sobald er will, der Staat darf ihn nicht halten; der Staat hat demnach gleichfalls das Recht, Jeden von sich auszuschliessen, den er will, und sobald er will, selbst ohne irgend eine Ursache anzuführen; doch unbeschadet der Menschenrechte, des Eigenthums und der Freiheit desselben, sich im Räume aufzuhalten, wo er will. wie oben im dritten Capitel gezeigt worden. Bediene sich der Staat dieses seines Rechts gegen diejenigen seiner Bürger, von denen ihm, nachdem sie schon im Bürgervertrage sind, bekannt wird, dass sie Meinungen hegen, die ihm gefährlich scheinen. – Ich widerspreche hier nicht demjenigen, was ich oben sagte. Ich gestehe dem Staate eine negative Aufsicht über das .Meinungssystem zu; aber ich sage, dass die positive seine Schwäche und seine Unklugheit verrathe. Der Staat mag bestimmen, was man nicht glauben dürfe, um des Bürgerrechts fähig zu seyn: aber zu bestimmen, was man glauben müsse, um desselben fähig zu seyn, streitet gegen seinen Zweck und ist ungereimt. Ich sehe wohl ein, warum ein weiser Staat keinen consequenten Jesuiten dulden könne; aber ich sehe nicht ein, warum er den Atheisten nicht dulden sollte. Der erstere hält Ungerechtigkeit für Pflicht: das setzt den Staat in Gefahr; der letztere anerkennt, wie man gewöhnlich glaubt, gar keine Pflicht: das verschlägt dem Staate gar nichts, als welcher die ihm schuldigen Leistungen durch physische Gewalt erzwingt, man mag sie nun gern vollbringen, oder nicht.

Hieraus fliessen die Rechte eines Staates, der umgeschaffen wird, auf das kirchliche System. Er darf Lehren der Kirche, die bisher von dem Bürgerrechte nicht ausschlössen, durchstreichen, weil sie seinen neuen Staatsgrundsätzen zuwider sind; er darf von allen, die das Bürgerrecht begehren, die Versicherung, dass sie jenen Meinungen entsagt haben, und die feierliche Uebernehmung der neuen, jenen Lehren widerstreitenden Verbindlichkeiten fordern; er darf alle, welche diese Versicherung nicht geben wollen, von seiner Gemeinschaft und von dem Genüsse aller Bürgerrechte ausschliessen. Weiter aber hat er auch kein Recht auf sie; ihr Eigenthum und ihre persönliche Freiheit muss ungekränkt bleiben. Führen sie, öffentlich oder heimlich, Krieg gegen den Staat; dann erst bekommt dieser ein Recht auf ihre persönliche Freiheit, nicht als auf Bürger, sondern als auf Menschen, nicht vermöge des Bürgervertrages, sondern vermöge des Naturrechtes, nicht das Recht, sie zu strafen, sondern das Recht, sie zu bekriegen. Er wird gegen sie in den Fall der Nothwehr versetzt.

Doch, die Hauptquelle aller Irrungen zwischen Staat und Kirche ist es, wenn die letztere Güter in der sichtbaren Welt besitzt; und nur eine gründliche Untersuchung über den Ursprung und die Rechte der Kirchengüter kann alle noch übrigen Schwierigkeiten lösen.

Die Kirche, bloss als solche betrachtet, hat nur in der unsichtbaren Welt Kräfte und Rechte; in der sichtbaren keine. Dort steht den Eroberungen ihres Glaubens ein weites, unbegrenztes Feld offen; hier kann sie durch diesen Glauben, – ihr einziges Instrument, – keinen Besitz erwerben; denn es gehört in dieser Welt – mit Erlaubniss einiger Naturrechtslehrer sey es gesagt! – noch etwas mehr zur Zueignung, als der Wille und der Glaube, dass es unser sey. Ein Mitglied der Kirche kann occupiren, aber nicht als Mitglied der Kirche, durch die Kraft seines Glaubens, sondern als Mitglied der Sinnenwelt, durch die Kraft seiner physischen Werkzeuge. Die Kirche, als Kirche, kann nicht occupiren; was sie demnach besitzt, besitzt sie durch Vertrag, und zwar nicht durch Arbeitsvertrag – sie kann nicht arbeiten – sondern durch Tauschvertrag. Sie vertauscht himmlische Güter, die sie im Ueberflusse besitzt, gegen irdische, die sie gar nicht verachtet. – Die Kirche hat Beamte, die nicht vom blossen Glauben leben, sondern die zu ihrer Erhaltung auch noch irdischer Speise und irdischen Trankes bedürfen. Es liegt in der Natur jeder Gesellschaft, dass ihre Mitglieder diejenigen erhalten, die ihre Zeit und Kraft zum Dienste der Gesellschaft anwenden; demnach sind ohne Zweifel auch die Mitglieder der kirchlichen Gesellschaft verbunden, ihre Beamten zu ernähren. Dies kann durch vorgeschriebene Beiträge geschehen, welche das Gesetz bestimme, das hierüber, ebenso gut, wie über alle möglichen Gegenstände, ein zur Seligkeit notwendiges Glaubensgesetz seyn, und ohne die unausbleibliche Strafe der ewigen Verdammniss nicht übertreten werden muss. Derjenige, der die Beiträge entrichtet, entrichtet sie demnach, um selig zu werden; er vertauscht das, was er giebt, gegen den Himmel. – Oder es geschieht durch freiwillige Beiträge. Wenn die Schenkung nur wirklich an die Kirche geschieht, insofern sie Kirche ist, und nicht etwa an eine Person, die zufällig Mitglied oder Beamter der Kirche seyn kann, um dieser Person wohl zu thun, so setzt sie den Glauben an die Kirche, und mithin die Hoffnung, durch die Gnade der Kirche selig zu werden, voraus. – Wenn endlich die Abtretung irdischer Güter an die Kirche unmittelbar zur Abbüssung kirchlicher Sünden, oder unmittelbar zur Erkaufung höherer Seligkeiten des Himmels geschieht, so ist der Tausch offenbar. Aus dieser Art des Ursprungs der Kirchengüter fliesst eine wichtige Folge. – Kein Vertrag ist vollzogen, bis er in die Welt der Erscheinungen eingeführt, bis von beiden Theilen geleistet worden ist, was sie zu leisten versprochen, wie wir oben (S. 114, 115.) gezeigt haben. Ein Tauschvertrag irdischer Güter gegen himmlische geht in diesem Leben wenigstens nie in die Welt der Erscheinungen Über. Der Besitzer der irdischen Güter zwar leistet an seinem Theile; aber nicht so die Besitzerin der himmlischen an dem ihrigen. Nur durch den Glauben eignet sich der erstere einen Besitz zu, gegen den er nicht die blosse Hoffnung, dass er seine zeitlichen Güter der Kirche übergeben werde, sondern den wirklichen Besitz dieser Güter der Kirche übergiebt. Wer weiss, ob er den Glauben an die Kirche wirklich habe? wer weiss, ob er ihn immer behalten, ob er nicht noch vor seinem Ende ihn verlieren werde? wer weiss, ob die Kirche den Willen habe, ihr Wort zu halten? ob sie, wenn sie diesen Willen auch jetzt hätte, ihn nie ändern werde? wer weiss, ob ein wirklicher Vertrag zwischen beiden Theilen sey, oder nicht? Keiner, als der Allwissende. Ein Theil, oder beide können in jedem Augenblicke ihren Willen zurücknehmen; demnach ist der beiderseitige Wille nicht in die Welt der Erscheinungen eingeführt.

Der Besitzer der irdischen Güter zwar hat geleistet, und dagegen das Recht erhalten, zu hoffen , dass die Kirche auch leisten werde; er meint, sein Eigenthum sey Eigenthum der Kirche: jetzt verliert er den Glauben entweder an den guten Willen der Kirche, oder an ihre Gewalt, ihn selig zu machen; er hat fürderhin keine Entschädigung zu hoffen; sein Wille ist geändert, und sein Gut folgt seinem Willen nach. Es war immer sein Eigenthum geblieben; jetzt eignet er sich dasselbe wirklich wieder zu. – Hat man bei irgend einem Vertrage das Recht der Reue, so hat man es offenbar bei einem Tauschvertrage mit der Kirche. Kein Schadenersatz! Wir haben die himmlischen Güter der Kirche nicht abgenutzt; die Kirche mag sie zurücknehmen, sie mag uns mit ihren Strafen, mit ihrem Banne, mit ihrer Verdammung belegen. Das steht ihr frei; wenn wir überhaupt nicht mehr an die Kirche glauben, so wird dies alles eben keinen grossen Eindruck auf uns machen. – Ich betrachte hier noch bloss die Kirche, insofern sie das ist, als Besitzerin unserer Güter. Was etwa daraus auf Schadenersatz folge, dass sie ein Beamter der Kirche, als Person in der Sinnenwelt besitze, werden wir weiter unten sehen.

Mein Vater hat alle seine Güter für das Heil seiner Seele an die Kirche abgetreten. Er stirbt, und ich trete, laut des Bürgervertrages, in den Besitz seiner Güter ein; freilich mit der Bedingung, alle Verbindlichkeiten, die er durch wahre Verträge auf den Besitz derselben gelegt hat, zu erfüllen. Er hat mit der Kirche einen Vertrag über dieselben geschlossen, der aber nie in die Welt der Erscheinungen eingeführt worden, sondern sich bloss auf den Glauben gründet. Wenn ich an die Kirche nicht glaube, so ist ein solcher Vertrag nichtig für mich; für mich ist die Kirche Nichts, und ich wenigstens thue, wenn ich meines Vaters Güter zurückfordere, in Niemandes Rechte einen Eingriff. – Der Staat darf mich daran nicht verhindern. Der Staat, als Staat, ist ebenso ungläubig, als ich; er weiss als Staat ebensowenig von der Kirche, als ich; die Kirche ist für ihn ebensowenig Etwas, als sie für mich Etwas ist, wie oben gezeigt worden; der Staat kann nicht die Ansprüche eines Dinges schützen, das nach ihm nicht ist. Ich aber bin Etwas für ihn, und mich hat er gegen jenes Unding zu schützen. Er hat mir den Besitz meiner väterlichen Güter zugesagt, auf die Bedingung, dass ich keines anderen verstorbenen Bürgers Eigenthum mir zueigne. Das habe ich nicht gethan; er ist demnach nach dem Vertrage schuldig, mich im Besitze derselben zu schützen. – Es waren noch meines Vaters Güter; es sind die seinigen geblieben, bis an seinen Tod: denn jener Vertrag, der in der Welt der Erscheinungen vor dem Gerichtshofe des Naturrechtes und vor dem des Staatsrechtes gleich null und nichtig ist, hat sie nicht veräussern können. Er durfte wohl freiwillig darauf Verzicht thun; ich hätte durch mein Stillschweigen seinen Willen bestätigen können: dann wäre der Staat nicht in Anspruch genommen worden. Jetzt aber bestätige ich diesen Willen nicht, und der Staat wird durch mich in Anspruch genommen. Ich darf mein Recht wohl aufgeben, aber der Staat darf es nicht statt meiner. – – Aber mein Vater hat geglaubt; für ihn war dieser Vertrag verbindend. – Er hat zu glauben geschienen; ob er wirklich geglaubt habe, weiss ich nicht; ob er noch jetzt glaube, wenn er noch existirt, weiss ich noch weniger. Verhalte sich dies, wie es wolle; selbst mit meinem Vater habe ich es nicht zu thun, als mit einem Mitgliede der unsichtbaren Welt, sondern der sichtbaren, und insbesondere des Staates. Er ist gestorben, und im Staate besetze ich seine Stelle. Lebte er noch, und seine Abtretung reute ihn – hätte Er wohl das Recht, seine Güter zurückzunehmen? Hätte Er es, so habe Ich es, denn im Staate bin ich Er selbst, ich stelle die gleiche physische Person vor; für ihn ist er nicht gestorben, er ist es nur für mich; für ihn hat in meiner Person Er seinen Willen verändert. Will mein Vater das nicht, so komme er zurück in die sichtbare Welt, nehme seine Rechte in derselben wieder in Besitz, und schalte mit den Gütern, die dann wieder die seinigen sind, wie er will. Bis dahin handle ich in Seinem Namen. – Aber da er im Glauben verstorben ist, gehe ich doch sicherer, wenn ich seinem Glauben gemäss verfahre; ich darf wohl meine Seele wagen, aber nicht die eines anderen. – O, wenn ich so denke, so bin ich noch gar nicht entschlossen ungläubig gegen die Kirche; so handele ich inconsequent, und thöricht, wenn ich auch nur meine Seele wage. Entweder die Kirche hat in einem anderen Leben eine ausübende Gewalt, oder sie hat keine. Hierüber muss ich zur Festigkeit kommen. So lange ich das nicht bin, gehe ich freilich sicherer, wenn ich das Kirchengut nicht antaste; denn die Kirche flucht, und das mit ihrem vollen Rechte, jedem Kirchenräuber bis an den jüngsten Tag. – Das Rückforderungsrecht, welches der erste Erbe hat, hat auch der zweite und der dritte und der vierte, und so durch alle Generationen durch; denn der Erbe erbt nicht bloss Sachen, sondern auch Rechte auf Sachen.

Es folgt aus obigem Grundsatze noch mehr, und wir haben keine Ursache, irgend eine mögliche Folgerung zurückzubehalten. Gesetzt auch, sie würde durch nachfolgende Betrachtungen wieder sehr eingeschränkt, und litte keine Anwendung im Leben, so erleichtert doch jede die Uebersicht des Ganzen, und wird eine Uebung des Nachdenkens. – Nicht nur der rechtmässige Erbe oder Erbnehmer, – jeder Mensch, ohne Ausnahme, hat das Recht, sich Güter zuzueignen, die blosse Kirchengüter sind. Die Kirche, als solche, hat weder Kraft noch Rechte in der sichtbaren Welt; für den, der nicht an sie glaubt, ist sie Nichts; was Keinem gehört, ist Eigenthum des ersten besten, der sich dasselbe rechtskräftig für die Welt der Erscheinungen zueignet. – Ich gerathe auf einen Platz (ich lasse hier mit Fleiss unentschieden, ob er die Spur der Bearbeitung trägt, oder nicht) und fange an, ihn zu bearbeiten, um mir ihn zuzueignen. Du kommst und sagst mir: weiche von hier, dieser Platz gehört der Kirche. – Ich weiss von keiner Kirche, ich anerkenne keine Kirche; mag deine Kirche mir in der Welt der Erscheinungen ihr Daseyn beweisen; von einer unsichtbaren Welt weiss ich nichts; und die Macht deiner Kirche in derselben hat über mich keine Gewalt, denn ich glaube nicht an sie. Du hättest mir weit füglicher sagen können, dieser Platz gehöre dem Manne im Monde; denn ob ich schon den Mann nicht kenne, so kenne ich doch den Mond: deine Kirche kenne ich nicht, und die unsichtbare Welt, in der sie gar mächtig seyn soll, kenne ich auch nicht. Aber lass deinen Mann sein Wesen im Monde treiben, oder lass ihn auf die Erde kommen, und mir sein früheres Eigenthum auf diesen Platz beweisen; ich bin der Mann von der Erde, und will bis dahin auf meine Gefahr sein Eigenthum an mich nehmen. Aber die Mitglieder der Kirche sind zugleich Personen in der Körperwelt; sie haben, als solche , in dieser Welt Kraft und Rechte. Die Kirche, als geistige Gesellschaft, kann überhaupt keine Erdengüter besitzen; sie muss sie an physische Personen austhun, und diese werden von ihr, in Rücksicht auf sie selbst, betrachtet als ihre Lehnträger; sie sind vor ihrem Gerichtshofe nicht Eigenthümer, sondern blosse Besitzer. Aber was sind eben diese vor dem Gerichtshofe des Natur- oder Staatsrechtes; und welche Einschränkungen folgen daher auf die eben jetzt abgeleiteten Rechte auf Kirchengüter?

Ein Lehnträger der Kirche besitzt ein Gut, das mein Eigenthum ist; sey es durch vorherigen Besitz, den ich selbst an die Kirche abgetreten habe, oder sey es durch Erbe von meinen Vorfahren her, die diesen Besitz abgetreten. – Ich nehme das meinige zurück, wo ich es finde; ich halte mich lediglich an das Gut , nicht an die Person . Der jetzige redliche Besitzer, der an die Kirche glaubt, der das Gut für ein Eigenthum der Kirche, und sie für berechtigt hielt, dasselbe an ihn zu verleihen, wird dadurch in Schaden versetzt; er hat auf den fortdauernden Besitz gerechnet; er kann nicht leben, wenn ich ihm denselben entziehe. Muss ich ihn entschädigen? – Mit Ihm habe ich es ja gar nicht zu thun; weder ich, noch meine Vorfahren haben das Gut an Ihn ausgethan, sondern an die Kirche; Ihm hat es die Kirche verliehen; durch sie ist er beschädigt, von ihr hat er den Schadenersatz zu fordern, nicht von mir. Hätte ich oder meine Vorfahren das Gut ihm für seine Person verliehen, dann hätte er gerechte Anforderungen an mich; nicht als Mitglied der Kirche, sondern als Mitglied der Körperwelt; jetzt hat er sich an die Kirche zu halten. – Aber bin ich nicht vielleicht der Kirche zur Schadloshaltung verpflichtet? – bin ich keinem ihrer Mitglieder, insofern sie Mitglieder der Körperwelt sind, dazu verpflichtet, – und das bin ich nicht, denn insofern sie das sind, hat Niemand einen Vertrag mit ihnen gemacht – so bin ich der Kirche, als geistiger Gesellschaft, gewiss nicht dazu verpflichtet. Sie hat, als solche, gar keine Rechte in der Sinnenwelt, und kann keine Verbindlichkeiten in derselben auflegen. Ich müsste sie durch geistliche Güter entschädigen, über welche der Handel getroffen ist; und an diesen kann sie denn ihr volles Vergeltungsrecht gegen mich ausüben. Sie kann mich und alle meine Vorfahren der Seligkeiten berauben, die sie austheilt; sie kann sie jenem in der Sinnenwelt durch meine Zurückforderung verletzten Mitgliede zu seinem Antheile zulegen, wenn er sich damit will abfinden lassen; alles das steht ihr frei. – Hat der bisherige Lehnträger der Kirche, als Besitzer, mein Gut verbessert, und den natürlichen Werth desselben erhöht, so hat er das gethan nicht als Mitglied der Kirche, – der Glaube verbessert nach der Meinung des Ungläubigen kein irdisches Gut – sondern als Mitglied der Sinnenwelt durch seine körperlichen Kräfte, oder, durch das Zeichen derselben, durch sein Geld; und ich bin ihm den Ersatz dieser Verbesserungen schuldig, denn als Mitglied der Sinnenwelt kann er allerdings Rechte auf mich haben. Ist es etwa von den Geldern der Kirche geschehen? Ich weiss ja, meinem eigenen Geständnisse nach, nichts von der Kirche; der Werth liegt in der Sinnenwelt offen da; für mich ist Er Eigenthümer; ich muss es an Ihn ersetzen; glaubt Er für seine Person es der Kirche zurückgeben zu müssen, so mag er vor mir das halten, wie er will. – Bestünden aber etwa diese Verbesserungen meines Eigenthums in geistlichem Segen, der nur für denjenigen da ist, der es glaubt; hätte der bisherige Besitzer etwa durch die Kraft seines Glaubens eine besondere Fruchtbarkeit in meinen Boden gelegt, oder hätte er durch diese Kraft Unkraut, Erdmäuse oder Heuschrecken davon verbannt, so ersetze ich diese Verbesserungen nicht; denn meinen Grundsätzen nach glaube ich nicht, dass er sie gemacht habe, und er kann es mir nicht beweisen. Ist mein Boden wirklich vorzüglich fruchtbar, ist er wirklich vor jenen Landplagen ausgezeichnet gesichert, – weiss ich denn, ob dies nicht in der natürlichen Beschaffenheit desselben liege, oder, wenn es doch ja ein übernatürlicher Segen seyn soll, ob er nicht mir für meine Person zugedacht sey? Mag er seine Segenshand zurückziehen; mag er Unfruchtbarkeit und Ungeziefer über meine Saat schicken, wenn er das durch seinen blossen Glauben vermag; das steht ihm völlig frei.

Habe ich keinen ausdrücklichen Rechtsanspruch auf ein Gut, das ein Lehnträger der Kirche besitzt, so ist dieser für mich Eigenthümer. Dass Er es nicht zu seyn glaubt, dass Er von einer Kirche abzuhängen meint, giebt mir kein Recht, eben darum, weil ich nicht an die Kirche glaube, und die Kirche für mich Nichts ist. Ich anerkenne in der sichtbaren Welt nur den Gerichtshof des Naturrechtes; vor diesem ist der Eigenthümer der letzten Form Eigenthümer des Dinges, und ich muss ihn dafür anerkennen; er selbst mag darüber glauben, was er will. Ich ehre in ihm nicht die Rechte der Kirche, sondern seine eigenen; mag er selbst sie nun kennen oder nicht; ich muss meinen Grundsätzen treu seyn. Jenes Recht also, Kirchengut, als Niemandes Eigenthum sich zuzueignen, findet nur dann statt, wenn dasselbe keinen Besitzer hat; und da dies selten oder nie der Fall seyn möchte, so folgt für uns andere daraus gar wenig. Aber für den Lehnträger der Kirche folgt daraus viel. Er ist nach dem Naturrechte Eigenthümer, wenn Niemand vorhanden ist, der einen früheren Rechtsanspruch darauf erweisen kann. Giebt er den Glauben an die Kirche auf, so wird er wirklicher Eigenthümer in jeder Betrachtung. Niemand konnte ihm einen Einspruch thun, wenn er sich als wirklicher Eigenthümer betrug, ausgenommen die Kirche. Jetzt kündigt er der Kirche den Glauben auf; sie ist für ihn vernichtet, und was nicht ist, dessen Rechte können nicht verletzt werden. – Es ist, als ob ein Kaufmann mit dem Manne im Monde in Gesellschaft handelte. So lange seine Einbildung von dieser Handlungsgesellschaft fortdauerte, möchte er in seinen Büchern Jenem den Gewinn richtig anrechnen; aber wer ausser ihm selbst hätte doch das Recht, ihn zur Verantwortung zu fordern, wenn er seinen Associé zuweilen ein wenig bevortheilte? oder wenn er diese Einbildung gar aufgäbe, wer wollte ihn doch verhindern, den Hauptstuhl und den Gewinn desselben zugleich in sein Eigenthum aufzunehmen, und die bisherige Firma zu ändern? – – Man könnte folgern, dass diese Grundsätze den Unglauben an die Kirche mächtig befördern würden, da sie ihn so einträglich darstellen; aber ich kann nicht für alle Folgen meiner Sätze einstehen; wenn sie nur aus richtigen Grundsätzen richtig abgeleitet sind, so muss ich weiter hin folgen lassen, was folgen mag. Hat die Kirche Recht, so hat der Ungläubige seinen zeitlichen Gewinn nicht umsonst; er wird dafür auch ewig verdammt. Man muss den Leuten ihre Freiheit lassen. Wer lieber auf dieser Erde begütert, und dort verdammt, als hier arm, und dort selig seyn will, der muss es auf seine eigene Gefahr dürfen.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Staat ist leicht. Der Staat verhält sich gegen die Kirche, wenn diese, als Mitglied der Sinnenwelt, wegen ihres Besitzes auf dem Boden derselben betrachtet wird, wie ein Einzelner zu einem Einzelnen, und sie stehen gegen einander unter dem Gerichtshofe des Naturrechtes. Der Staat ist nur durch Einstimmigkeit Staat. Wenn alle Mitglieder desselben – die Kirchenbeamten oder Geistlichen gehören auch mit dazu, wie sich von selbst versteht – zu einer und ebenderselben Zeit einmüthig der Kirche den Gehorsam aufkündigen, so ist für diesen Staat die Kirche vernichtet; er hat alle die Rechte, die jeder Einzelne im Naturstande haben würde, der an keine Kirche glaubte.

Der Staat erhält zuvörderst, unter den oben angeführten Bedingungen, und aus den oben entwickelten Gründen, alles zurück, was ihm als Staatseigenthum , als Gemeingut aller Bürger vorher zugehörte – nicht etwa alles das, was in dem Raume liegt, den seine Bürger bewohnen; der Staat ist kein Stück Erde, er ist eine Gesellschaft von Menschen; er besteht nicht aus Feldern, sondern aus Personen. – Hat etwa der Staat selbst, im Namen und als Mittelsperson der Kirche, die Kirchengüter an die gegenwärtigen Besitzer verliehen, so ist er zwar nicht schuldig, den Vertrag eines Dinges zu halten, das für ihn nicht mehr da ist, und dessen Mittelsperson er mithin nicht mehr seyn kann, aber er ist schuldig, den beschädigten Besitzer, der auch mit durch des Staates Schuld in Verlust kommt, zu entschädigen. Dieser ist zu betrachten als ein Begünstigter, und die schuldige Entschädigung richtet sich nach den oben im 4ten Capitel entwickelten Grundsätzen. Hat der Staat an der Verleihung dieses Besitzes keinen Antheil, und hat die Kirche unmittelbar gehandelt, so hat der Beschädigte keinen Rechtsanspruch auf Entschädigungen an den Staat, so wie er vor dem Gerichtshofe des Naturrechtes keinen an den Einzelnen hatte. Dies kann in manchen Lagen höchst hart, drückend, unbillig seyn; aber es ist nicht geradezu ungerecht. Milde und Menschlichkeit können manches anrathen, was das Naturrecht nicht schlechthin gebietet; und es ist in philosophischen Schriften wohl erlaubt, die Gebiete beider scharf von einander zu trennen.

Jeder einzelne Bürger bekommt zurück, worauf er aus irgend einem Rechtsgrunde erweislich Anspruch hat. Alle Einzelne können diese Ansprüche an Kirchengüter an den Staat abtreten: dann werden auch die Güter der Einzelnen sein Eigenthum.

Ist der rechtmässige Erbe von gewissen Kirchengütern unbekannt, und hat im Staate schon vorher das Gesetz bestanden, dass nach dem Aussterben der Familien der Staat Erbe ihres Eigenthums sey – ein Gesetz, das durch den allgemeinen Willen ausdrücklich gemacht werden muss, und sich nicht etwa von selbst versteht – so ist der Staat Eigenthümer aller Kirchengüter, die erweislich von ehemaligen Mitgliedern des Staates an die Kirche abgetreten worden, deren Erben sich nicht finden. Ich sage erweislich ; denn so wahrscheinlich das auch immer seyn mag, so reicht doch eine blosse Wahrscheinlichkeit nie hin, um einen Rechtsanspruch zu begründen. Ist ein solches Gesetz überhaupt nicht vorhanden, oder lässt sich nur dieser besondere Beweis, dass der Fall seiner Anwendung vorhanden sey, nicht führen, so ist ein solches Kirchengut, so wie alle Kirchengüter, auf welche weder der Staat, noch ein Einzelner sein Eigentumsrecht darthun kann, Niemandes Eigenthum, und fällt an den ersten Besitznehmer; und das wird ohne Zweifel allemal der bisherige wirkliche Besitzer seyn. Er ist zu betrachten als Eigenthümer, und Niemand kann wider seinen Willen sich seines Besitzes bemächtigen. Ist dieser Besitzer, der nun Eigenthümer wird, Bürger, so hat er unter seinen Bürgerrechten auch das Erbrecht, und kann daher diese Kirchengüter sogar auf seine Nachkommen vererben, wenn er nicht etwa über dieselben einen besonderen Vertrag mit dem Staate eingegangen ist.

Da aber der Fall , dass alle Staatsbürger einmüthig zu gleicher Zeit der Kirche den Glauben aufkündigen, mithin der ganze alte Staat mit seinen übrigen Rechten und Verbindlichkeiten fortdauere, kaum zu erwarten ist; da vielmehr eine solche Aufhebung der Kirche entweder nur bei einer Revolution geschehen, oder sie doch ohne Zweifel herbeiführen dürfte: so ist das Bisherige weniger anwendbar in der wirklichen Welt, als vielmehr Richtschnur für die Beurtheilung; und wir haben auch nach dieser Richtschnur noch über den zweiten, weit wahrscheinlicheren Fall zu sprechen, dass die Stimmen der Bürger über die Kirche getheilt seyen. Können sie sich nicht vereinigen, will kein Theil dem anderen nachgeben, so ist der Staat im Zustande der Revolution.

Jeder, der aus der Kirche tritt, hat das Recht, sein Eigenthum, das dieselbe besitzt, zurückzufordern. Es ist also kein Zweifel, dass jene von dem bisherigen für die Kirche stimmenden Staate getrennte Mitglieder entweder einzeln, oder wenn sie ihre Ansprüche und, ihre Kräfte vereinigen, gemeinschaftlich, alles das, worauf sie persönliche Ansprüche haben, zurücknehmen dürfen. Jeder, der aus dem Staate tritt, behält, wie im dritten Capitel gezeigt worden, sein Eigenthum, mithin auch den Antheil, den er zu dem Gemeingute des Staates beigetragen hat. Ein einzelner Bürger würde von dem Rechte, das letztere zurückzufordern, nicht so leicht Gebrauch machen, weil er nicht mächtig genug ist, sich selbst zu schützen; jene Restitutionsklage gegen den Staat aber nicht anstellen kann, ohne sich von ihm abzusondern, und sich dadurch seines ihm so nöthigen Schutzes zu berauben. Da diese mehreren und stärkeren Glieder sich einmal von dem Staate losgerissen haben, und sich selbst Kraft genug zutrauen, sich zu schützen – wer dürfte sie verhindern, ihr Recht, der Strenge nach, geltend zu machen, und insbesondere dasjenige, was von dem Staatsvermögen, das an die Kirche verliehen ist, auf ihren Antheil kommt, von der Kirche zurückzunehmen. Jener alte Staat, der der Kirche treu bleibt, behält seinen Antheil, und mag diesen der Kirche lassen; über den Antheil der abgetrennten Glieder hat er nicht zu verfügen. – Dass diese Glieder, welche die Trennung veranlassten, schuldig sind, diejenigen Lehnträger der Kirche, die durch ihre Zurückforderung in Schaden versetzt werden, für ihren Antheil zu entschädigen, wenn etwa der alte Staat dieselben mit ihren Gütern belehnt hat, als sie selbst noch einen Theil desselben ausmachten , ist aus dem obigen klar; sie haben dann wenigstens als Theil des Ganzen an der Beschädigung Schuld, und sind daher verbunden, sie, so viel auf ihren Theil kommt, zu ersetzen.

So wie mehrere Mitglieder des bisherigen kirchlichgläubigen Staates zu dem neuen, der Kirche nicht glaubenden Staate übertreten, wird der Antheil desselben an den Kirchengütern durch die vereinigten, gemeinsamen und persönlichen Rechtsansprüche immer grösser. Treten endlich alle, etwa bis auf die unmittelbaren Beamten der Kirche, oder auch ein Theil dieser zu derselben Partei, so bleibt jenen nichts übrig, was sie der Kirche lassen könnten, als ihr kleiner Antheil an dem gemeinsamen Staatsvermögen, und das, worauf sie persönliche Rechtsansprüche haben. – Das, worauf Niemand sein Eigenthumsrecht erweisen kann, bleibt dem Besitzer, er möge es nun als sein durch Zueignung erworbenes Eigenthum, oder als ein Lehn der Kirche behalten wollen. Der Staat hat kein Recht, es an sich zu nehmen; will er sich auf seine Uebermacht berufen, so handelt er ungerecht, und kündigt der Menschheit den Krieg an.

Ist ein solcher eigenthümlicher, oder von der Kirche sich abhängig glaubender Besitzer eines ehemaligen Kirchengutes mit dem neuen Staate nicht in den Bürgervertrag getreten, so hat er das Vererbungsrecht nicht, und nach seinem Tode kann dieser Staat sein Gut nach dem Hechte des ersten Besitznehmers sich zueignen, und im voraus mit seinen Bürgern ein Abkommen und Veranstaltungen auf diesen Fall treffen; und so würden denn nach und nach alle Kirchengüter, eingehen und auf rechtmässige Art an den Staat kommen. Nacherinnerung.

Der Verfasser warf das erste Bändchen auf gutes Glück ins Publicum, und es schien ihm in der Fluth der neuen Schriften über den gleichen Gegenstand untergegangen. Er legte die Materialien, die er für die im zweiten enthaltenen Capitel bestimmt hatte, unter mancherlei Zerstreuungen und Verhinderungen zusammen; mehr um Einem Manne Wort zu halten, als dass er geglaubt hätte, das Publicum werde noch diese Schrift seiner Aufmerksamkeit würdigen. – Ein edler Mann, den ich nicht kenne, dem ich gleichfalls bezeuge, dass derselbe mich nicht kennt, mich auf keine Art errathen kann, noch, wenn ers könnte, das entfernteste Interesse haben würde, eine Schrift von mir über ihren inneren Werth zu erheben, hat, nachdem keines der übrigen Journale, so viel mir bekannt ist, sie eines Winkes gewürdigt, in der Schleswigschen Monatsschrift, von deren Mitarbeitern ich keinen kenne, mit keinem in Briefwechsel stehe, diese fast vergessene Schrift mit einer Wärme empfohlen, die seinem Herzen die höchste Ehre macht – ob auch seiner Beurtheilungskraft, darüber hat wenigstens ihr Verfasser keine Stimme. Dies munterte mich auf, mich des günstigen Urtheiles dieses würdigen Mannes, besonders in dem, was er über meine Schreibart sagt, noch werther zu machen, und die zwei noch übrigen wichtigen Capitel für eine sorgfältigere Bearbeitung auf ein drittes Bändchen aufzusparen. Doch hofft der Verfasser, dass es nicht an ihm liegen werde, wenn dasselbe nicht binnen drei bis vier Monaten die Presse verlässt. Manche Klagen über die Dunkelheit des ersten Bändchens sind ihm zu Ohren gekommen. Das Publicum ist es schon zu gewohnt, dass die Schriftsteller immer Recht haben, und dass seine Klage über die Dunkelheit ihrer Schriften durch die Klage über die Flüchtigkeit und Zerstreuung der Leser erwiedert wird, als dass der Verfasser der gegenwärtigen – Lust haben könnte, das so oft wiederholte noch einmal zu wiederholen. Er lässt es gänzlich auf sich beruhen, inwiefern die Schuld davon auch mit an ihm liegen könne. Er will den Leser nicht zur Vergleichung seiner Schrift mit anderen Schriften auffordern, die über die gleichen Gegenstände aus den gleichen Grundsätzen geschrieben sind; er will ihn nicht erinnern, dass philosophische Untersuchungen, in denen man der Gründlichkeit sich wenigstens befleissiget, sich unmöglich so leicht weglesen können, als ein modischer Roman, Reisebeschreibungen oder selbst philosophische Untersuchungen, die auf das angewohnte Meinungssystem aufgebaut sind; er will ihm sogar gegen die ersparte Mühe, ein dickes Buch zu lesen, nicht die Mühe zumuthen, ein dünnes etlichemal zu lesen; er will weiter nichts sagen, als dass er sorgen werde, immer fasslicher zu schreiben, und dass der Leser sorgen möge, immer aufmerksamer zu lesen.


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