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IV.
Das Familienfest

Das alte Landhaus über der Grenze befand sich zwar nicht im Kreis der Dinge, denen Frau Pfarrer Feuerstein ihre besondere Pflege angedeihen ließ; aber für das Familienfest des sechzigsten Geburtstages und des fünfundzwanzigjährigen Amtsjubiläums ihres Mannes, hatte es doch Gnade vor ihren Augen gefunden. Die großen Zimmer des väterlichen Familiensitzes, den ihr Mann der Pfarrer und Prediger am Münster von Rheineck, Josua Feuerstein, trotz ihres ständigen Drängens nie hatte verkaufen wollen, boten genügend Raum für die sechs verheirateten Söhne und deren Frauen; in dem halbverwilderten Park fanden die Enkelkinder, deren es jetzt schon weit über ein Dutzend waren, hinreichende Beschäftigung und Lustbarkeit aller Art, ohne daß vor deren Tatentrieb die ordnungsvolle Stille des Pfarrhauses in der Stadt geschützt zu werden brauchte.

Der helle Gartensaal war wie geschaffen für ein Familienfest, und als nach beendigtem Mittagsmahl die Gäste durch die große Glastüre hinaustraten, um den Kaffee im Freien einzunehmen, da stand der mächtige alte Kastanienbaum in der Mitte des kiesbeschütteten Platzes, als ob er schon seit Jahren wieder einmal auf eine solch große fröhliche Gesellschaft gewartet hätte. Er breitete den Staat seiner jungen lichtgrünen Blätter über den runden Gartentischen, auf denen weiße Decken mit feinem Porzellan prangten. Auf der einen Seite streckte er seine Äste auf die Straße, und darunter liefen auf der breiten Gartenmauer die Kinder und spielten in seinen Zweigen Verstecken. Die Söhne mit den schwarzen Bärten und den schönen Gehröcken rauchten kurze Schweizerzigarren und sahen sich mit beglückten Augen nach den verborgenen Winkeln ihres Jugendparadieses um; die Schwiegertöchter faßten sich unter den Armen und erzählten einander im Promenieren von ihren Haushaltungssorgen; und während die Mutter des Festes, hochgewachsen und aufrecht mit streng gescheiteltem Haar, das im Nacken glatt in Beutelform gelegt war, die Stätte ihres vorübergehenden Wirkens befriedigt überschaute, rissen sich die Enkel darum, wer dem Großvater die lange Pfeife mit einem Fidibus anzünden dürfe. Der saß stämmig in einem bequemen Gartenstuhl, und als er endlich schöne große Rauchringe in die Luft steigen ließ, war des Jubels kein Ende. Als aber die Enkel dem Großvater seinen fast noch schwarzen Bart mit hineingesteckten Blumen verzierten, seine Brille aufprobierten, und ihn zum Beschluß ihres Übermuts noch gefragt hatten, weshalb seine Nase ein ganz klein bissel rot sei, und der Münsterpfarrer Josua Feuerstein wie ein Riese unter Zwergen in einer unerschöpflichen Geduld allen Ernstes sich anschickte, seinen Enkelkindern ein schnell ersonnenes Märchen über die Entstehung seiner roten Nase zu erzählen, da hielt Frau Pfarrer Feuerstein die Würde des Hauses und das Ansehen des Jubilars für gefährdet und wollte die Kinder an den Kaffeetisch verweisen, der für sie besonders in einiger Entfernung von den Erwachsenen gedeckt war. Allein sie mußte es zum erstenmal in ihrem Leben erfahren, daß ihre Autorität der jugendlichen Übermacht gegenüber nicht ausreichte, und daß als Nothelferin Sabine, ihre einzige Tochter, gerufen werden mußte, um das übermütige kleine Volk zur Vernunft zu bringen. Auch die Eltern der Enkel hatten sich vergebens bemüht, die Resultate ihrer verschiedenen Erziehungsmethoden vor den Großeltern in einem günstigen Licht zu zeigen, aber erst als auf die lauten Rufe nach Tante Bienchen diese flink und fröhlich in der Tür des Gartensaals erschien, und nach raschem Übersehen der Situation in den Park hineinlief, und der ganze Rudel der Enkelkinder ihr hinten nach wie einem Rattenfänger von Hameln, erst dann konnten sich der Pfarrer Josua Feuerstein und seine Frau mit ihren Söhnen und Schwiegertöchtern in Ruhe und Sicherheit am Kaffeetisch niederlassen. Nach einigen Minuten rückte aus den hintersten Gründen des Parkes Sabine mit der nun geordneten, jungen Schar siegreich an, und bald darnach begann am Kaffeetisch der Kinder ein eifriges stilles Löffeln und Kuchenessen.

Über all das wimmelnde Leben breiteten die alten Bäume des Parks befriedigt ihre Äste. Es wunderte aber niemanden, als an dem Himmel, der sich bisher makellos über dem heiteren Frieden des Festtages gewölbt hatte, ein erstes, kleines Wölkchen aufstieg. Während des ganzen Morgens war das Einvernehmen zwischen Mutter und Tochter, Schwiegermutter und Schwiegertöchtern das schönste gewesen, und kein einziges verbesserndes Wort und keine ungnädige Miene hatte Kinder und Kindeskinder daran erinnert, daß hier im Haus niemand regierte als ganz allein Frau Pfarrer Feuerstein. In seltenem Glück hierüber hatten alle vergessen, daß es früher fast immer anders gewesen war, bis die Mutter ein aus den Zweigen gefallenes, stachliges Bällchen mit nervöser Bedächtigkeit von ihrem Seidenkleid wegschnellte und mit einem strengen Blick hinüber auf den Kaffeetisch sagte:

»Daß doch kein Tag ungetrübt vergehen kann! Ich hatte Sabine so sehr gebeten, sie möchte heute ihr weißes Kleid anziehen; aber natürlich, das allein war schon genügend Grund für sie, es anders zu machen.«

Alle sahen hinüber nach der Angeschuldigten.

Da saß sie, mitten unter der schmausenden Kinderschar, in einem ganz einfachen Kleid aus hellblauem Leinen, verteilte Kuchen und schenkte Kaffee ein, hielt die übermütigen Buben mit leise warnenden Blicken aus ihren strahlenden Augen in Zucht und streichelte belobigend die kleinen Mädchen, die bisher noch keine Flecken auf ihre Röckchen gemacht hatten. Zwischen hinein stand sie einmal auf, um einem ganz Kleinen die Serviette wieder fest um den Hals zu binden. Wenn so ihre blühende Gestalt in dem weichen hellblauen Gewand leicht über den Kies dahinschritt, und die Sonnenlichter im Vorüberhuschen einen Regenbogenschimmer in ihr volles, hellbraunes Haar warfen, und aus ihren lichten Augensternen der sieghafte Schein der Jungfräulichkeit brach, dann sah Sabine aus wie eine kleine heimliche Königin.

Das bemerkten alle: der Vater nicht ganz ohne Stolz, die Brüder mit bewundernder Liebe, die Schwägerinnen nicht ganz ohne ein wenig Neid. Nur die Mutter, die ihre eigene stattliche und noch keineswegs verblaßte Schönheit nicht so leichten Kaufs durch die Tochter in den Schatten stellen lassen wollte, sah nichts als Sabinens blaues Kleid mit dem viereckigen, durch einen breiten weißen Einsatz hervorgehobenen Ausschnitt am Hals, und fand es durchaus ungehörig, derart durch ausgesuchte Einfachheit auffallen und damit an den reicheren Kleidern der andern stumme Kritik üben zu wollen.

Der Pfarrer griff nach seiner silbernen Uhr in der Westentasche und stellte voller Genugtuung, aber mit einem kleinen maliziösen Lächeln fest, es sei jetzt präzis halb drei Uhr, und den ganzen Tag bis zu dieser Sekunde habe die Mutter von ihrer Neigung und ihrem Vorrecht zu kritischen Randbemerkungen noch keinerlei Gebrauch gemacht; das müsse gefeiert werden, und hiermit bringe er ein Hoch auf ihre Gesundheit aus.

Man stieß lachend mit den Kaffeetassen an und ließ die Mutter leben, die zwischen Verlegenheit und dem angenehmen Gefühl, sich gefeiert zu sehen, gute Miene zum bösen Spiel machte. Als die Kleinen vom Hochleben hörten, ließen sie es sich nicht nehmen, mit ihren Kaffeetassen auch zu kommen, und selbst Sabine, die gar nicht wußte, worum es sich eigentlich handelte, kam und stieß mit der Mutter an, aber nicht ohne daß die Brüder und die Schwägerinnen mit einiger Besorgnis die Gesichter von Mutter und Tochter prüften.

Wer möchte die Weisheit der Natur anzweifeln, weil sie vor fünfunddreißig Jahren den aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie stammenden, jungen und wenn auch etwas unbotmäßigen, so doch tüchtigen Theologen Josua Feuerstein der ältesten Tochter aus dem patrizischen Pfarrhaus derer von Arx zuführte, und den beiden für alle ihnen persönlich näher verwandten Jungfrauen und jungen Männer derart die Augen verschloß, daß sie einander heirateten?

Tatsache ist, daß ihre Ehe keine unglückliche war. Ihre Gegensätzlichkeiten hatten sich nie zu Konflikten ausgewachsen, weil in der ersten Zeit die gemeinsame Sorge um das jährlich mit großer Pünktlichkeit eintreffende Kind die beiden von den Feldern ihrer verschiedenen Anschauungen auf das Gebiet der Tätigkeit für das Nächstliegende ablenkte; und später, weil der Mann es immer mehr erlernte, unter Duldung der pedantischen Frömmigkeit seiner Frau ihrer fadenscheinigen Haustyrannei einen überlegenen Humor entgegenzustellen. An dieser Wand brachen sich auch die Wellen ihrer adeligen Empörung über Josuas gelegentliche hahnebüchene Bürgerlichkeit, und sie unterwarf sich sogar manchmal gerne denselben, weil sie es doch als eine Gnade empfand, einen so starken, selbstsicheren Mann zu besitzen. Aus der drückenden Peinlichkeit des mütterlichen Regiments retteten sich die heranwachsenden Söhne von Zeit zu Zeit in die verständnisvolleren Arme des Vaters, der es genug anzuerkennen wußte, daß die strenge Zucht der Hausfrau unter den Buben ihm manche Mühe vom Halse hielt. Als nach den sechs Knaben als gute Sieben, wie der Vater es nannte, Sabine sich eingestellt hatte, da hegten Josua Feuerstein und seine Frau gleichermaßen Hoffnung, in dem einzigen Mädchen auch einen Kameraden zu finden. Das kleine Wesen hatte aber zu der fröhlichen Geistesfrische des Vaters so viel von dem unerbittlichen Ordnungssinn und dem häuslichen Schaffenstrieb der Mutter hinzugeerbt, daß es schon in frühen Jahren zwischen der alten und der jungen Schaffnerin des Pfarrhauses zu verhaltenen Eifersüchteleien gekommen war. Den Mittelpunkt dieses Kampfes bildete immer der Vater und Gatte, dessen Eigenheiten und dessen Wohl. Seine untheologischen Neigungen, wie die für die Jagd, für starkes Rauchen und auch für ein gutes Glas Wein, welche der Kritik seiner Frau breite Angriffsflächen boten, fanden in der Tochter eine einsichtige Fürsprecherin ebenso wie seine natürliche Gewohnheit, die Menschen und die Dinge, so wie die Einrichtungen der Gemeinde und des Staates mit freierem Auge zu betrachten, als der altadeligen Mutter möglich war. Und während so im Laufe der Jahrzehnte die Söhne sich eher in den Richtlinien des mütterlichen Geistes entwickelten und Pfarrer geworden waren, ging Sabine in ihren nur selten offenbarten Gedanken weit über das soziale Christentum des Vaters hinaus und ergab sich so freien und kaum noch in dem Boden der Wirklichkeit fußenden Anschauungen, daß sie manchmal allen Ernstes über sich selber bange wurde und nicht mehr wußte, wo sie einst landen würde.

Der Vater war ihr zwar immer ein seelsorgerischer Freund und Berater gewesen, aber auch zwischen ihm und der Tochter stellten sich die unübersteigbaren Schranken des Unaussprechlichen ein, und so verstand Sabine sich noch besser mit ihm, wenn sie seine Predigten aus dem Konzept ins reine zum Druck abschrieb oder ihm auf dem Land haushielt, oder ihn auf Besuchsreisen im Landauer begleitete.

Die glücklichsten Tage aber waren für Sabine die, an denen sie, müde von dem Winter im Pfarrhaus, im Frühjahr das Landhaus für den Vater wohnlich machte, abgerissene Tapeten aufkleben und abgelaufene Fußböden frisch lackieren ließ. Dann stellte sie außerhalb des Machtbereichs der Mutter für den Vater mit den alten Möbeln, mit Blumensträußen und Bildern nach ihrem Geschmack, in den großen Zimmern jenes behagliche Durcheinander her, in welchem Josua Feuerstein sich als Ausruhe von der Stadt so wohl fühlte.

Aber nun hatte die Nähe der Mutter mit dem unwiderstehlichen Druck ihrer häuslichen Herrschsucht Sabinen im kleinen Reiche ihrer glücklichen Freiheit den Atem benommen. Die schonungsvolle Art der Brüder und Schwägerinnen war ihr fatal; der Vater mußte sich heute aus Anlaß des Festes mehr zu seiner Gattin und Sabinens Mutter stellen als sonst. Als einziger Trost waren der Tochter die kleinen Neffen und Nichten geblieben, die sich ihr denn auch mit Leib und Seele ergaben. Das konnte aber nicht hindern, daß sie die Stunden, wo sie den Kindern die Marderlöcher im alten Park zeigte, oder sie zu der Katze mit ihren Jungen auf dem Speicher führte, als eine schöne Betäubung und sich selbst als eine Überflüssige und Ausgeschlossene empfand.

So war es denn mit großer Beklommenheit geschehen, daß sie sich den Kindern anschloß, als diese beim Kaffee die Großmutter auch hochleben lassen wollten, und von dem Augenblick an, wo die beiden sich mit einem ungewissen Lächeln um den Mund gegenüber standen, hatte sich die verhaltene Spannung zwischen Mutter und Tochter wie ein nahendes Gewitter auf alle gelegt. Die Frau Pfarrer fand denn auch bald noch anderes, was nicht nur bei der Tochter, sondern auch bei dem Manne, den Schwiegertöchtern und sogar zwei von den Söhnen nicht in jener Ordnung war, ohne die sie, die Frau Pfarrer Feuerstein, nun einmal unmöglich leben könnte. Besonders Sabine bekam scharfe Prisen Pfeffer und Salz gestreut, und die Unbehaglichkeit hatte gerade den höchsten Punkt erreicht, als nahende Kutschen einige Kollegen des Vaters und Gratulanten brachten, die von allen als eine Erlösung empfunden wurden außer von der Frau Pfarrer Feuerstein selber.

Als es dunkel geworden war, hielt es Sabine in ihrer Einsamkeit mitten in Gesellschaft und in der nur noch erzwungenen Fröhlichkeit nicht mehr aus. Während die Besucher mit den Bewohnern des Landhauses zwischen dem verwilderten Gesträuch des Parkes spazieren gingen, suchte sie den Vater. Josua Feuerstein war der salbungsvollen Ansprachen der gratulierenden Amtskollegen müde geworden, hatte sich in ein einsames Zimmer gerettet, wo für einen der Söhne und dessen Frau das Lager aufgeschlagen war und wo der kleinste seiner Enkel, ein dreimonatiges Bübchen, aus Leibeskräften seiner nächsten Flasche entgegen schrie. Der große Mann drückte mit seinen gewaltigen Armen und breiten Händen das zarte, kleine Wesen so liebevoll und vorsichtig als möglich an das schwarze Tuch seines Gehrocks und hielt ihm trostreiche Reden über den guten Schoppen, den er nun ganz sicher in allernächster Zeit bekommen würde, als Sabine blaß und mit einer befremdenden Stille und Sicherheit in ihrem Wesen zur Tür hereinkam.

»Es geht nicht mehr, Vater!« sagte sie, »du siehst es ja selber!«

Der Pfarrer blickte seine Tochter etwas erschrocken an, so sehr schien sie ihm innerlich zermürbt und gepeinigt.

Sabine hatte in ihrer bezwungenen Erregung ihm nicht einmal das Kind abgenommen. Da streckte er ihr den schreienden Kleinen hin, und gerade als ob dieser sich nunmehr am richtigen Platz fühlte, denn beim Großvater, wurde er in den schaukelnden Armen Sabinens ruhig, seufzte noch ein paarmal schwer auf und schlief dann auf ihren Armen ein.

Unterdessen hatte der Vater nachdenklich auf einem Stuhl gesessen, und richtete auf einmal die unerwartete Frage:

»Wie wär's, Bienele, wenn du nun doch einmal ein paar Wochen zu Michael Mahler nach Schloß Brunn gingst?«

Auf Sabinens Gesicht leuchtete es hell auf.

»Meinst du das im Ernst?« fragte sie zitternd vor glücklicher Erwartung.

»Wie soll ich's denn anders meinen?« antwortete Josua Feuerstein seinem Kinde und fügte hinzu: »Mit der Mutter laß mich nur allein reden!«

»Und ...« Sabine zögerte ein wenig, dann sagte sie mit einem leichten Seufzer: »Und der Hans?«

»Zu dem geh ich in den nächsten Tagen, sobald du abgereist bist.«

»Darf ich schon bald fahren?«

»Es ist sogar gut, wenn du nicht lange wartest.«

Da sah Sabine ihn voll frohen Staunens an, legte das schlafende Kind auf das neben ihr stehende Feldbett, fiel dem großen Mann vor ihr um den Hals, gab ihm auf die bärtige Wange einen Kuß und konnte nichts sagen als: »Lieber Vater!«

Dann ging Josua Feuerstein wieder hinab zu seinen Amtsbrüdern und den Söhnen. Sabine begab sich in ihr Zimmer und schaute noch lange, lange in den klaren Abend, der über die in warmem Glanz sich dehnenden Felder und Hügel sank. Jetzt würde Neues kommen. Das wußte sie. Was sie nicht wußte, das war, wie sie sich Michael Mahler vorstellen sollte, ja, wer er eigentlich war. Bis jetzt hatte sie nur seine Schriften gelesen. Er war ihr eine Art Führer geworden, aber jetzt, wo sie ihn persönlich kennen lernen sollte, mischte sich eine leise Bangigkeit in ihre Freude.

Frau Feuerstein gehörte zu den erklärten Gegnerinnen Michael Mahlers, und als ihr Mann beim Zubettgehen sie von seiner Absicht unterrichtete, Sabine für vier Wochen nach Schloß Brunn zu schicken, da hätte er es für eine unaufrichtige Formalität halten müssen, sie um ihre Meinung zu seinem Plan zu fragen.

»Ich kann mir ja denken, liebe Frau, daß du dagegen bist; aber Sabine sollte wieder einmal andere Menschen sehen; sie kommt sonst in Gefahr, bei uns zwei Alten noch zu versauern.«

So sprach Josua Feuerstein zu seiner Frau. Sie aber antwortete leicht gereizt:

»Ich sehe keinen Grund für Sabine, bei uns zu versauern; aber wie du willst, jedenfalls lehne ich alle Verantwortung für dieses neue Experiment mit Sabinen ab.«

»Die übernehme ich ganz allein,« antwortete der Pfarrer begütigend und lobte rasch die geschickte Art, wie seine Frau das ganze Fest arrangiert habe.

»Und du weißt,« erinnerte Frau Feuerstein ihren Mann, »daß bei Dingen, denen ich von Anfang an ablehnend gegenübergestanden, ich dich noch nie wegen der Folgen behelligt habe, die ja in diesem Falle wohl auch nicht ausbleiben werden!«

»Halb so kritisch tut's auch, Wilhelmine!« mit diesem versöhnlichen Wort wollte der Pfarrer die kurze Unterredung schließen; aber er hatte ohne seine Frau gerechnet, die das Nachtgespräch kühl mit den Worten beendigte:

»Abwarten, Josua!«

Bald darauf schlief Frau Wilhelmine Feuerstein den Schlaf der Gerechten, während ihr Mann sich noch manchmal im Bett nachdenklich den Bart strich.


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